Woche 46/2022: Wenn man sich wohlfühlt und Schweinefutterzusatzstoff als Zufluchtsort

Montag: Gewundert, mal wieder, über Kollegen, die ohne Not sonntags Mails schreiben.

Nach Feierabend suchte ich ein namhaftes Kaufhaus in der Bonner Innenstadt auf. Dort ist nun ein Teil der Rolltreppen außer Betrieb genommen worden, zur Energieersparnis, wie große, direkt vor den stehenden Treppen angebrachte Tafeln verkünden. Deswegen sind die stehenden Stufen nicht zugänglich, die Treppen somit auch als Nichtrolltreppen unbenutzbar. Stattdessen ist der Konsument, je nachdem, von welcher Seite er kommt, genötigt, nach Ankunft in der nächsten Etage eine Runde durch die Abteilung zu gehen, um per noch rollender Treppe ins nächste Stockwerk zu gelangen. Als Gernegeher beanstande ich das nicht, vielmehr frage ich mich, warum man überhaupt nur per Rolltreppe ins nächste Stockwerk gelangt, warum gibt es nicht auch ganz normale Treppen? Vermutlich gibt es die, irgendwo versteckt, wo man sie nicht auf Anhieb findet. Ich bin der Meinung, für Menschen ohne körperliche Einschränkungen oder unhandliche Traglasten gibt es keinen vernünftigen Grund, überhaupt eine Rolltreppe zu benutzen; Aufzüge erst ab fünf Stockwerken.

Dienstag: Erstmals kam es zu einem persönlichen Treffen mit Leuten eines IT-Dienstleisters, mit denen ich seit fast zwei Jahren gut und gerne zusammenarbeite und die ich bislang zwar regelmäßig, aber nur virtuell traf, und von denen ich zumindest teilweise nicht einmal wusste, wie sie aussehen, da sich kamerabegleitete Teams-Besprechungen bei uns erst langsam durchzusetzen beginnen, was ich bislang nicht vermisste. Das persönliche Treffen war sehr angenehm, wenngleich mir dabei deutlich wurde, wie wenig ich auch größere nicht-virtuelle Besprechungsrunden, bis März 2020 alltäglich, vermiss(t)e.

Abends aßen wir gemeinsam in einem vietnamesischen Restaurant, in dem ich bislang nicht gewesen war und das aufzusuchen ich mich ohne diese Einladung so bald auch nicht veranlasst gesehen hätte, manchmal hat man unerklärliche Vorbehalte gegenüber Unbekanntem. Das Essen war sehr gut, nicht zuletzt auch wegen der auf meinen Wunsch hin unterlassenen Korianderbeigabe. Mir ist völlig unerklärlich, wie man Koriander mögen kann. Ähnlich muss es schmecken, wenn man sich Seife über das Essen raspelt.

Mittwoch: Donald Trump hat (auf seinem Anwesen, wie berichtet wird) verkündet, demnächst wieder als Präsidentschaftskandidat antreten zu beabsichtigen. Als ob die Welt gerade nicht genug Krisen zu verkraften hätte.

Auf dem Rückweg zu Fuß vom Werk schnappte ich Gesprächsfetzen auf: „Das ist schon ganz nice“ und „Da hat man dann seinen eigenen space.“ Vielleicht ist das der Grund, warum junge Menschen heute kaum noch ohne Kopfhörer in der Öffentlichkeit anzutreffen sind, womöglich mögen sie den Unfug, den ihre Altersgenossen so von sich geben, einfach nicht hören. Beziehungsweise Altersgenossinnen, in diesem Falle war beides gesprochen von jungen Frauen. Sicher Zufall, es liegt mir fern, anzunehmen oder gar zu unterstellen, vor allem junge Frauen redeten dummes Zeug. Auch dieser Satz kam von einer jungen Frau: „Ich glaube, man bringt die beste Leistung, wenn man sich wohlfühlt.“ Wer wollte dem widersprechen.

Apropos wohlfühlen: Die Glühweinbude am Rheinpavillon hat nun wieder abends geöffnet. Das ist sehr erfreulich.

Besonders nice mit einem Hauch Amaretto

Nach Rückkehr musste ich mir von meinen Lieben anhören, ich röche wie ein Weihnachtsmarkt. Das war es wert.

Donnerstag: Heute legte ich mal wieder einen Inseltag ein, also einen anlasslos freien Tag zwischendurch. Warum ich diese Tage nicht auf einen Freitag oder Montag lege, werde ich gelegentlich gefragt. Nun: Ich mag diese Inseln im Fluss der Werktätigkeit. Die Arbeitswoche bis Mittwoch ist dadurch angenehm kurz, und am Freitag naht das Wochenende. Wohingegen sich die Rückkehr nach einem verlängerten Wochenende oft besonders mühsam anlässt. Darum Inseltage. Diesen nutzte ich für eine Wanderung durch die Wahner Heide südöstlich von Köln, die schon länger im Geplant-Ordner bei Komoot angelegt war. Das Wetter zeigte sich gnädig, nur ein paar wenige Regentropfen verlangten für kurze Zeit nach einer Kapuze, ansonsten blieb es trocken und mild.

Sehen Sie:

Bei Rösrath, kurz nach Betreten der Heide

Ebenfalls bei Rösrath

Vor Altenrath

Hinter Altenrath

Bei Lohmar

Vor Troisdorf. Im Vordergrund etwas verblühte Heide, also das namensgebende Kraut.

Während der Bahnfahrt nach Köln hörte ich eine Frau zu ihrem Begleiter sagen: „Ich finde das echt schwer, den Überblick zu behalten mit dem ganzen ab den Sechzigerjahren.“ Ich habe nicht genau mitbekommen, um was es ging; als 1967 Geborener stimme ich ihr jedenfalls uneingeschränkt zu.

Freitag: Manchmal, wenn ich Präsentationen anderer Bereiche sehe, bin ich froh, mit welchen Themen ich mich nicht beschäftigen muss.

Heute eröffnete der Bonner Weihnachtsmarkt. Unser Besuch am Abend fühlte sich unwirklich an, was nicht nur an den Männern in kurzen Hosen lag, die ich dort sah. Wie in besseren Zeiten strömten Menschen in großer Zahl durch die Budengassen und labten sich an Bratwurst, Backfisch und Warmgetränken. Erstmals wieder ohne Corona-Beschränkungen wie Masken, Impf-/Testnachweis und Abstände, als wäre es vorbei. Ich kritisiere das nicht, auch für mich hat die Seuche mittlerweile ihre Bedrohlichkeit weitgehend eingebüßt. Wenngleich mir bewusst ist, dass ich mich jederzeit erneut infizieren kann, nächstes Mal vielleicht mit langfristigen Folgen. Doch scheint mir die Gefahr zurzeit nicht größer, als während der Radfahrt ins Werk von einem Auto angefahren zu werden oder, wenn ich zu Fuß gehe, von einem irren Radfahrer, der während des Rasens durch die Fußgängerzone seine Aufmerksamkeit statt dem Fahrweg lieber dem Datengerät widmet.

Ist das wirklich so schwer?

Samstag: Im Rheinauenpark, durch den ich gelegentlich nach dem Mittagessen eine kleine Runde drehe, fand heute ein „Trauermarsch für die Nutrias“ statt, steht in der Zeitung. Damit will eine Initiative gegen das Abschießen der Tiere protestieren, die sich dort in den letzten Jahren mangels natürlicher Feinden stark vermehren und zunehmend aggressiv-futterfordernd gegenüber Parkbesuchern auftreten, wie mir meine Kollegin aus eigener Erfahrung bestätigte. Statt letaler Entnahme solle man sie sterilisieren, so die Forderung der Trauernden. Wie schön, wenn man keine anderen Probleme hat.

Ich werde alt. Das wurde mir mittags wieder auf dem Weihnachtsmarkt deutlich, wo ich einen bestimmten Stand suchte, den wir am Vorabend gesehen hatten, um auf Geheiß des Geliebten Trinkgefäße zu kaufen. Erst nach mehreren erfolglosen Runden über den Münsterplatz, wo ich mich mit den bereits um diese Tageszeit zahlreichen Besuchern im Tempo eines Gletschers durch die Gänge treiben ließ, fiel mir ein, dass sich der Stand in der Vivatsgasse befindet, wo ich ihn – immerhin – sofort fand und die Bierkrüge erstand.

Zahlreich auch die Kraniche, die nachmittags auf dem Weg Richtung Süden über das Haus zogen.

Nur eine von mehreren Formationen

Sonntag: Über Twitter wollte ich eigentlich nichts mehr schreiben. Einmal noch: Viele beklagen nun dessen Übernahme durch Elon Musk, der dort seitdem wütet und alles aus den Angeln zu heben im Begriff ist. Sie sehen sich dadurch aus ihrer digitalen Heimat vertrieben und beabsichtigen, Twitter zu verlassen oder haben es bereits getan. Als Zufluchtsort wird Mastodon genannt, was für mich weiterhin wie ein Schweinefutterzusatzstoff klingt.

Auch ich fühlte mich einst bei Twitter sehr wohl. Zehn Jahre lang, von 2009 bis 2019, betrieb ich dort einigermaßen – nun ja: erfolgreich ein Konto, hatte zeitweise mehr als tausend Follower. Mit der Zeit schwand die Freude daran, an meinem zehnten Jahrestag löschte ich das Konto. Die Gründe dafür habe ich hier und dort dargelegt. Doch bereits im August 2020 verspürte ich erneut Lust, wieder dabei zu sein, und legte mir einen neuen Anschluss zu. Was ich vorfand, war ein anderes Twitter als das, in dem ich mich früher so wohlgefühlt hatte. Zahlreiche derer, mit denen ich in gegenseitigem Gefolge verbunden war, fand ich wieder und folge ihnen erneut. Nur finde ich keinen Anschluss mehr: Fast keiner von ihnen folgt zurück, und wenn ich was schreibe, bleibt es ohne jede Resonanz. Wie ein Junge, der am Rand steht und den anderen beim Ballspielen zusieht, aber nicht mitspielen darf. Ein schlechtes Beispiel – ich verabscheue Sportarten mit Bällen. Besser dieses: Vielleicht kennen Sie die Szene von und mit Loriot, wo ein älterer Herr an einem Festessen teilnimmt und versucht, mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch zu kommen, die sich untereinander bestens unterhalten, ihn jedoch beharrlich ignorieren. – Ich beklage das keineswegs im Sinne von „Keiner hat mich lieb“, bemerke es nur. Deshalb schaue ich nur noch unregelmäßig rein, noch seltener schreibe ich was. Wenn Herr Musk es demnächst stilllegen sollte, ist mir das egal. Mit Mastodon habe ich es bereits vor ein paar Monaten versucht, mich dort aber noch weniger wohl gefühlt. Daher ist das Konto längst wieder gelöscht.

Mit diesem Blog ist es ähnlich, mit dem Unterschied, dass es niemals „erfolgreich“ war und auch nicht sein soll. Dennoch beobachte ich jedes Mal mit einem ganz leicht in Richtung Neid tendierenden Gefühl, wenn in den Blogs, die ich regelmäßig lese, auf andere Blogs verwiesen wird, während das von mir hier Verfasste weitgehend unbeachtet bleibt. Das mag an dessen Qualität liegen, vielleicht weil es weder vegan noch gegendert ist. Wobei andere, die einfach nur täglich ganz knapp schreiben, was sie gegessen, getrunken und gelesen haben, dafür regelmäßig Gefallensbekundungen in zweistelliger Anzahl erhalten. (Die Gefällt-mir-Sternchen für dieses Blog würde ich übrigens gerne deaktivieren, finde die entsprechende Funktion bei WordPress aber nicht. Wenn jemand weiß, wie das geht, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.) Bitte verstehen Sie auch das nicht als larmoyante Klage gegen die böse Blogwelt, es ist einfach so. Es gibt schlimmeres, zum Beispiel Koriander oder wenn irgendwo von „Mitgliederinnen und Mitgliedern“ zu lesen ist. – Ein paar regelmäßige Leserinnen und Leser gibt es hier, und darüber freue ich mich sehr. Daher wird dieses Blog weiterhin bestehen und regelmäßig beschrieben, selbst wenn Elon Musk irgendwann WordPress kaufen sollte, oder Donald Trump.

Diese Betrachtung ist nun länger geworden und hätte für einen separaten Aufsatz gereicht. Aber das würde dem Thema den Anschein einer Bedeutung verleihen, die es nicht hat.

Zum Schluss was Positives: Beim Spaziergang heute haben zweimal Autofahrer angehalten, um mich die Straße queren zu lassen, obwohl sie es nicht gemusst hätten. Daher nicht immer nur meckern.

Ein zusammenhangloses Bild vom Spaziergang

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern und umfahren.

Woche 46/2021: Besser nicht alles glauben

Montag: In der PSYCHOLOGIE HEUTE las ich erstmals das Wort „Dezivilisation“. Es bezeichnet die zunehmende Neigung zu irrationalem, emotionalem Verhalten und nachlassende Bereitschaft zu sachlicher Diskussion, Annahme von Kritik, Einhaltung von Regeln, Rücksicht, Höflichkeit, Aushalten abweichender Meinungen. Stattdessen Hass, Polarisierung, Aggression und Angst. Laut dem Artikel erfolgt die Dezivilisation innerhalb von nur Jahren oder Jahrzehnten, Auslöser sind gesellschaftliche Krisen. Verrichten wir unsere Notdurft bald auf der Straße anstatt im heimischen Sanitär? Wundern würde es mich nicht.

Dezivilisation auch im Rheinauenpark

„Bleibe negativ!“ las ich unter einer Mail als zeitgemäß-originelle Alternative zum mittlerweile recht ausgefransten „Bleiben Sie gesund“.

Dienstag: Mein Mitgefühl gilt auch allen, die Issues haben.

Apropos: Gibt es ein Wort für den Zwang, mit der Zunge ständig die Stelle im Gebiss abzutasten, wo sich am Vorabend eine Zahnkrone verabschiedet hat?

Gelesen und für gut, nein, sehr gut befunden:

»In meiner radikal antisozialen, vollkommen empathiefreien und autismusnahen Universalmeinung fehlt mir jedes Verständnis für Menschen, die nicht gegen die Seuche geimpft sind. Gleichzeitig würde ich aber auch niemanden zwingen, sich impfen zu lassen, ich würde nur für erkrankte Ungeimpfte wieder sowas wie früher die Pesthäuser neu erfinden, da können sie dann liegen und mitsamt ihrer Überzeugung und ihrem freien Willen entspannt unter Ihresgleichen vor sich hin coronieren, chacun à son goût, aber dass sie wegen ihrem freien Willen und ihrer freien Entscheidung anderen zusätzlich Arbeit machen und für unfreiwillig Erkrankte die Intensivbetten blockieren – nun, das finde ich halt genauso wenig okay, wie die Einführung einer Impfpflicht.

[…]

Ich bin der festen Überzeugung, dass die heute so modernen moralischen Befindlichkeiten weder in der Natur noch in der Realität eine stabile Mehrheit haben, sondern schlicht nur dekadente Auswüchse einer extrem realitätsfernen intellektuellen Schickeria sind, die sich von den tatsächlichen Alltagsproblemen der Mehrheit der Menschen soweit entfernt haben, dass es schon fast an die Naivität einer Marie-Antoinette heranreicht.«

Laut Radio sind die Preise für Opium gestiegen. Auch das noch.

Mittwoch: Der Buß- und Bettag wurde 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. Außer in Sachsen, dort wird heute weiterhin gebüßt und gebetet. Das erscheint auch dringend geboten.

Heute öffnet nicht nur der Weihnachtsmarkt in Bonn, auch gilt in großen Teilen der Innenstadt wieder Maskenpflicht. Vielen Dank an alle, die im Recht auf Impfverzicht einen wesentlichen und unverhandelbaren Bestandteil ihrer persönlichen Freiheit und körperlichen Selbstbestimmung sehen.

Man beachte die medizinische Maskenpflicht.

In der Zeitung fand ich übrigens das Wort „gewissensarm“, ich finde, Sie sollten das auch mal gelesen haben.

Donnerstag: Donnerstag ist Zu-Fuß-ins-Werk-geh-Tag. Wer geht, sieht mehr. Ich sah und hörte morgens eine Nilgans, die auf dem Hinterdeck der am Rheinufer festgemachten MS „Beethoven“ saß und von dort aus in etwa halbsekündlich ausgestoßenen Rufen die Welt beschimpfte: Nak, nak, nak, nak, nak …, minuten,- vielleicht stundenlang, so viel Zeit hatte ich nicht. Ob sie wirklich die Welt beschimpfte, kann ich, der Geflügelsprache nur unzureichend mächtig, natürlich nicht beurteilen, besonders froh klang sie jedenfalls nicht. Vielleicht galt jedes einzelne „Nak“ einem entfernten Art- beziehungsweise Gattungsgenossen, der in den letzten Tagen als Martinsgans sein Gänseleben beendete oder einer Zukunft als Weihnachtsgans entgegensieht. Auf dem Rückweg am Abend sah ich die „Beethoven“ (warum gilt eigentlich für Wasserfahrzeuge, ob Schiff, Kahn oder Fähre, seit jeher das generische Femininum?) noch immer am selben Platz vertäut, freilich ohne die erregte Gans auf dem Hinterdeck. Irgendwann hat auch so ein Großvogel mal Feierabend oder einfach den Schnabel voll.

Ebenfalls auf dem Heimweg gönnte ich mir im Außenbereich eines Lokals am Rheinufer, fernab des Weihnachtsmarktgedränges und ohne fremde Menschen in unmittelbarer Nähe, den ersten Glühwein des Jahres, zur Geschmacksveredelung mit einem Hauch Amaretto versehen. Das war sehr schön, ich freue mich schon auf den übernächsten Donnerstag (am nächsten habe ich Urlaub, auf den freue ich mich auch).

(Triggerwarnung: Der folgende Absatz könnte Boomerblödfinder ärgern.) Skandal: An Schulen spielen die Kinder laut Zeitungsbericht Szenen aus der Netflix-Serie „Squid Game“ nach. Ich kenne sie nicht und werde sie mangels Netflix-Anschluss und Desinteresse in dieser Serie im Speziellen und Serien im Allgemeinen voraussichtlich auch nicht kennen lernen. Wie zu lesen ist, müssen dort Menschen am Ende sterben, also wie im Tatort (den ich konsequent auch nicht anschaue), nur dass man dort üblicherweise nicht am Ende, sondern innerhalb der ersten Minuten stirbt und die Sendung nur selten einen Skandal hervorruft, und in der Bibel, die bis heute direkt und indirekt zahlreiche Skandale auslöst, was hier auszuführen indes zu weit führte. »Es sei richtig, dass Erzieher und Lehrkräfte Alarm schlügen, wenn sie erlebten, dass Kinder brutale Szenen nachstellten«, heißt es in dem Artikel. – Wir spielten als Kinder, nachdem wir im Fernsehen „Bonanza“ und „Rauchende Colts“ gesehen hatten und als das noch als moralisch unbedenklich galt und es den Begriff der „kulturellen Aneignung“ noch nicht gab, Cowboy und Indianer. Da wurde auch schon mal einer erschossen, was nicht immer gelang: „Peng, du bist tot.“ – „Bin ich gar nicht!“ – „Menno, dann spiele ich nicht mehr mit dir!“ Soweit ich mich erinnere, schlug deswegen niemand Alarm.

Freitag: Eine Kollegin hat sich nun auch dieses Tatsächlich-Virus eingefangen. Womöglich ursprünglich aus dem Angelsächsischen stammend, hat es sich, neben dem Unterwegs-Virus, rasend verbreitet durch Gebrauch und unbedachtes Nachplappern vor allem in Besprechungen. Zu bekämpfen ist es tatsächlich nur durch bewusste Wahrnehmung und Vermeidung. Möge dieser Absatz einen Beitrag dazu leisten.

Aus einer Studie zum Thema Glück: »Je höher die Infektionszahlen und je strikter die Maßnahmen, desto niedriger das Glücksniveau.« Wer hätte das gedacht.

Samstag: In der Fußgängerzone sah ich ein Pappschild mit der Aufschrift »Wer an den Sohn des HERRN glaubt, der wird ewig leben.« Daneben zwei Personen, die versuchten, den Vorübergehenden Druckerzeugnisse in die Hand zu drücken, mit geringem Erfolg; alle gingen weiter, die meisten ordnungsgemäß maskiert, ohne ein segensreiches Exemplar abzugreifen. Auch ich beschleunigte, wie stets, wenn mir jemand unaufgefordert etwas aushändigen oder mich gar ansprechen will, meine Schritte. Zudem erscheint mir ewiges Leben wenig erstrebenswert, daher besser nicht alles glauben.

Sonntag: »Die Ampelkoalition will den Zugbetrieb vom Schienennetz trennen«, steht in der Sonntagszeitung. Eines meiner wiederkehrenden Traummotive: Ein Zug verlässt an einem Bahnübergang die Schienen und fährt über die Straße weiter. Jedesmal stehe staunend daneben und frage mich, wie der wohl gelenkt wird. Wobei es so etwas ja schon gegeben hat.

Ein gestern in der Tageszeitung gelesener Artikel über Schlüsseldienste scheint in meinem Unterbewusstsein etwas ausgelöst zu haben. So verließ ich die Wohnung heute zum Spaziergang ohne Schlüssel, was mir noch nie zuvor passiert ist, vielmehr erfolgt stets vor Schließen der Wohnungstür ein automatisierter Prüfgriff nach Portmonee, Telefon, Notizbuch und Schlüsselbund. Doch musste ich nach Rückkehr keinen Schlüsseldienst beauftragen, nur klingeln und des Geliebten Gemurre über mich ergehen lassen.

Zum Schluss weitere Bilder der Woche:

Abendstimmung am Mutterhaus

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Gute Basssänger werden von vielen Chören mittlerweile dringend gesucht.

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Donnerstagabend, kurz vor Glühwein

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Während der Nachstunden sowie an Sonn- und Feiertagen geht von dem Virus keine Gefahr aus.

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Kann ja mal passieren.

Ansonsten notierte ich gestern am späteren Abend das Wort „Belfast“, weiß aber nicht mehr, warum. Irgendwas mit schnell bellenden Hunden, meine ich mich dunkel zu erinnern – die Notiz erfolgte nach der ersten Flasche Wein. Sollte es mir wieder einfallen, reiche ich es nach.

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Ihnen eine angenehme neue Woche, bleiben Sie im positiven Sinne negativ!