Hinweis: Der nachfolgende Text ist für Jugendliche unter 16 Jahren nur bedingt geeignet, daher habe ich länger* gezögert, ihn zu veröffentlichen. Doch aus gegebenem Anlass scheint mir der rechte Zeitpunkt nun gekommen. Außerdem sind wir hier ja unter uns.
Da der Mensch heutzutage nicht mehr seine gesamte Zeit dafür aufbringen muss, Nahrung für sich und seine Sippe zu besorgen oder sie gegen übel gesinnte Zeitgenossen und wildes Getier zu beschützen, füllt er die ihm zur Verfügung stehenden freien Stunden mit mehr oder weniger absurden Beschäftigungen: Briefmarken sammeln, Ski fahren, Züge fotografieren, Schuhe kaufen, Fußball gut finden, mobil telefonieren, in komischen grünen Uniformen auf Holzvögel schießen, Bier trinken, Göttern oder dem Internet huldigen, Computerspiele spielen oder überflüssige Texte schreiben, um nur einige Beispiele zu nennen. Als Stancerblog-Leser erhalten Sie heute exklusiv einen Einblick in einen besonders tiefen Abgrund menschlichen Freizeitvergnügens.
Denkt der Nicht-Rheinländer, zum Beispiel der Japaner, an Köln, so denkt er als erstes an den Dom, dessen zwei markante Türme weithin sichtbar in den Himmel ragen. Doch gilt Köln nicht nur als Heilige Stadt, weil in besagtem Dom irgendwelche angeblich bedeutenden Knochen in einer kitschigen Kiste aufbewahrt werden; in Kreisen männerliebender Männer gilt Köln auch als eine Art Hauptstadt, bietet es doch dem gemeinen Urning mannigfache Möglichkeiten der Vergnügung. Wenn Sie nicht wissen, was ein Urning ist, fragen Sie Google.
Eine solche frauenfreie Vergnügungsstätte befindet sich am Heumarkt in Sichtweite des Domes, von der ich heute singen und sagen will. Da nicht zu verhindern ist, dass dieser Text auch vor 22 Uhr und von Minderjährigen gelesen wird, bemühe ich mich, explizite Schilderungen kopulativer Handlungen auf das absolut notwendige Maß zu beschränken.
Zunächst lade ich Sie ein zu einem Rundgang durch die Örtlichkeit – keine Angst, es tut Ihnen niemand etwas, was Sie nicht wollen. Gleich hinter dem Eingang befindet sich eine Art Empfangstheke, wo man seine Jacke hinterlegen kann und – je nach Bedarf und Tagesmotto – weitere Kleidungsstücke, dazu komme ich noch. Danach folgt ein größerer Raum, der von einer Bar ausgefüllt wird.
Geht man etwas weiter, wird es dunkler. Auf dem Weg zu den (oberen) Toiletten liegen rechter Hand schummrige Nischen, und direkt vor dem Eingang zum Klo steht ein Sofa, auf dem der vom Drang geplagte Mann warten kann, falls wider Erwarten alle Becken besetzt sind, derweil gegenüber dem Sofa auf einem Bildschirm Naturfilme gezeigt werden.
Eine schmale Treppe führt in das Untergeschoss. Unten angekommen, steht man zunächst in einem kleineren Raum, der einen verschlossenen begehbaren Käfig und eine größere, abwaschbare Sitz- und Liegelandschaft beinhaltet, an der Wand ein Naturfilme zeigender Bildschirm. Von diesem Vorraum aus gelangt der Getriebene zum einen in den unteren Toilettenbereich, wo Mann, wenn er nicht den verschließbaren Kabinen Vorzug gibt, statt in die üblichen Urinale in eine Badewanne pinkelt, zum anderen in den, nennen wir es „Aktionsbereich“. Hier ist es noch etwas dunkler, aber immer noch nicht so dunkel, dass man ohne Nachtsichtgerät nichts mehr sieht, und manchmal, gerade in nicht mehr ganz so jungen Jahren, hat eine gewisse Dunkelheit ja durchaus etwas versöhnlich-schmeichelhaftes.
Die halbdunklen Gänge des Aktionsbereiches führen vorbei an mehren von innen verschließbaren Kabinen und offenen Nischen, in denen teilweise mit Ketten an der Decke befestigte Schaukelelemente in Hüfthöhe angebracht sind, in Fachkreisen als „Sling“ bekannt; der linke Gang endet in einer Art Fitnessraum, der rechte in einem fast völlig dunklen, verwinkelten Bereich. Als Service des Hauses liegen überall Kondome und begleitende Schmierstoffe aus.
Dies soll genügen zur Orientierung, schreiten wir zur Tat. Vor einem Besuch ist es ratsam, sich über das Tagesmotto, insbesondere den Dresscode zu erkundigen. Dieser reicht von no dresscode, also ein Jeder wie er mag, über uniform, worker, business, sportswear, underwear, beachwear bis hin zu naked, also nix außer Schuhe und gegebenenfalls Socken. Es gab aber auch schon regelmäßige Tage mit dem Motto suit or naked, wobei die Anzugträger klar in der Unterzahl waren, kann man ja verstehen, Eiweißflecken im Super-100-Tuch sind wenig erfreulich.
Wem diese Kombination bereits ein erstauntes WAS?? entlockt, dem sei berichtet von einer ganz besonderen Veranstaltung: dem Stutenmarkt. Hier muss sich der geneigte Besucher zuvor entscheiden, ob er – generell oder jedenfalls für diesen Tag – lieber vorne tätig ist oder hinten tätig sein lässt; erstere sind die Hengste, zweitere die Stuten.
Und so läuft es ab: Um 15 Uhr ist Einlass für die Stuten. Diese entkleiden sich bis auf Schuhe und bei Bedarf Socken, anschließend bekommen Sie eine Haube aus grobem Sackleinen über den Kopf gezogen, die ihr Gesicht verhüllt, und werden im „Stallbereich“ mit den Händen an ein quergespanntes Seil angebunden.
Eine Stunde später dürfen dann die ‚Hengste‘ eintreten, die keiner besonderen Be- bzw. Entkleidungsvorschrift unterliegen. Dann geht es los. Als ‚Hengst‘ darf man sich eine der angebundenen ‚Stuten‘ aussuchen, wobei es ausdrücklich erlaubt ist, den Kandidaten zum Zwecke der Eignungsfeststellung an allen Stellen zu berühren und befühlen. Hat der ‚Hengst‘ seine vorläufige Auswahl getroffen, bindet der als „Stallmeister“ beschäftigte Mitarbeiter des Hauses die Stute los, und es beginnt ein bizarres Schauspiel: Da die ‚Stute‘ aufgrund des Stoffbeutels ja nichts sieht, legt sie ihre Hände auf die Schulter des ‚Hengstes‘; diese Mikropolonaise zieht nun ab zur nächsten freien Kabine oder einem anderen Ort innerhalb des Lokals, wo man sich in der vorgesehenen Weise vergnügt. Eine leicht exhibitionistische Neigung ist von Vorteil.
Wichtige Regel: Nach dem Vollzug führt der ‚Hengst‘ die ‚Stute‘ in gleicher Weise zurück zum Stallmeister, wo sie entweder in einem Ruhebereich regenerieren kann oder, so sie bereit ist, gleich wieder angebunden wird für den nächsten Akt.
Was allen Veranstaltungen – und allen vergleichbaren Lokalen – gemein ist: Die Hauptbeschäftigung besteht nicht etwa aus ungehemmter Unzucht, sondern aus ständigem Herumgerenne auf der Suche nach dem vermeintlich Richtigen, also nicht zum Heiraten sondern nur für das Eine; eher werden Körperflüssigkeiten getauscht als Namen oder gar Adressen, ohnehin wird wenig gesprochen.
Das ganze ist übrigens vergleichsweise günstig: der Mindestverzehr ist nicht viel teurer als eine Kinokarte. Davon können Hetenmännchen wohl nur träumen. Woher ich das alles weiß? Nun, äh… also der Freund des Bruders eines Kollegen kennt einen, der mal davon gehört hat… Was? So spät schon? Entschuldigen Sie mich, ich muss weg.
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* etwa drei Minuten