Abgeschrieben: Die Anatomie des Aufregens

Dass mich in letzter Zeit eine gewisse Twitter-Müdigkeit beschleicht, erwähnte ich unlängst. Umso mehr freut es mich, wenn ich dann bei meinen seltener gewordenen Besuchen dort auf Twitterer stoße wie den @Mindpenetrator1, der nicht nur sehr gut zwitschert, sondern unter dem Namen Mind-Penetrator auch ein sehr lesenswertes Blog über Alltägliches betreibt. Mit seiner freundlichen Erlaubnis hier eine Kostprobe seines Schaffens. Viel Vergnügen!

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Der nachfolgende Text wurde unter heftigstem Gefluche geschrieben, da der PC seinen Job wieder nicht vernünftig erledigt hat!!!!!

Ich habe nun schon einige Blogposts über die kleinen Aufreger des Alltags verfasst. Doch wie sieht er eigentlich aus, der kleine Aufreger? Über die ganz kleinen Ärgerlichkeiten bis hin zu den größeren?

Es gibt verschiedene Typen des Aufregens, die nach Charakter, Tagesform und natürlich auch dem Auslöser an sich zu unterteilen sind. Und es ist immer wieder erfrischend festzustellen, wie andere Leute ihrem Unmut Luft machen – es erfrischt aber auch nur, wenn man Beobachter der Situation ist und nicht selber der Auslöser war.

Da gibt es die Leute, die in jeder Situation die Contenance behalten, ruhig bleiben, manchmal sogar lächeln. Man kann sich mit ihnen nicht streiten, da sie von einem stetigen Ruhepol umgeben werden, der ihnen nicht das geringste Anzeichen von Wut erlaubt. Ein „Heuwägelchen“ und die Welt ist wieder in Ordnung.

Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Im Gegenteil, wenn ich wütend bin und ich dann noch angelächelt werde, treibt mich das endgültig zur Weißglut. Ich selber bin eher etwas cholerisch. Nicht immer. Aber wenn ich allein bin und mich niemand sieht, dann können schon Dinge das Fliegen lernen. Zuletzt war es Bärchenwurst. Ich will ja nichts kaputt machen.

Der PC ist heutzutage einer der größten Wutanfallauslöser. Jeder kennt die Problematiken und die damit verbundenen Fluchattacken. Man hört von Leuten plötzlich Neologismen im Schimpfwortrepertoire, auf die man so nicht kommen würde „DreckskackendePissarschsau…“ Sie wissen schon, der normale Wutausbruch eben.
Sollte der PC weiterhin störrisch bleiben und sich von den Schimpfwörtern unbeeindruckt zeigen, muss Gewalt her. Wenn man die Maus durchs Zimmer wirft, wird er schon sehen, was er davon hat. Auf der Arbeit würde ich so etwas natürlich nicht tun, zumeist gibt es dort keine kabellosen Mäuse und das darauffolgende Gespräch mit dem Chef dürfte auch unangenehm werden.
Im Normalfall nimmt der Kopf einige Minuten später wieder eine gesunde Hautfarbe an und die Adern senken sich wieder an ihre dafür vorgesehenen Stellen. Im besten Fall.

Die mutwillige Verletzung des Zehs durch ein Möbelstück ist ebenfalls gern einen Aufreger wert. Nachts hat man Durst, möchte etwas trinken und plötzlich taucht die Kommode aus dem Nichts auf und stößt gegen den Zeh. Hier ist man meist zu müde, um sich böse Schimpfworte einfallen zu lassen, in diesem Fall reicht ein gezielter Tritt gegen das hinterhältige Möbelstück, mit dem man den anderen Fuß ebenfalls lädiert, aber wenigstens mit einem triumphierenden Grinsen. Mistding.

Politik… auch ein Aufreger par excellence. So weitreichend. So endlos. Und so sinnlos. Entweder wird man aktiv oder man nimmt die Situation als gegeben hin. Wenn ich stundenlang im Wohnzimmer mit Freunden oder der Familie darüber diskutiere, hilft das niemandem. Man frisst es nur nicht in sich hinein. Ich habe die These aufgestellt, dass politische Themen als Lückenfüller auf Geburtstagen herhalten. Das Gezeter hilft keinem, aber man hat wenigstens ein Thema, auf dem kollektiv herumgehackt werden kann.

Die Dreistheit mancher Leute treibt uns regelmäßig in den Wahnsinn. Ob es der penetrante Drängler mit seinem dicken Gefährt auf der Autobahn ist oder ein frecher Verkäufer, der gierig auf seine Provision ist.

Straßenverkehr: Schätzungsweise wurde das wüste Fluchen und Beschimpfen hier erfunden. Jeder war mit Sicherheit schon einmal kurz davor, in sein Lenkrad zu beißen, weil die Anderen, die Vollidioten, die den Führerschein im Lotto gewonnen haben, einfach nicht in der Lage sind, vernünftig zu fahren. Vorfahrtnahme, dreistes Drängeln, wildes Überholen. Stau. Man steigt gut gelaunt ins Auto ein und ist nach 20 Minuten an dem Punkt angelangt, einfach aus dem Wagen zu steigen und zu gehen. Wie Michael Douglas in „Falling Down“. Speziell an Sommertagen gleicht die Autofahrt einer rivalisierenden Fehde von Einzelkämpfern. Ich kann mir dieses Phänomen bis heute nicht erklären, versuche mittlerweile aber, bei schönem Wetter das Auto stehen zu lassen. Aus Umweltschutzgründen. Und aus Selbstschutz. Es ist ein weitläufiges Thema, der Straßenverkehr. Wenn man Fahrrad fährt, sind die Autofahrer nicht vorsichtig genug, fährt man nächsten Tag Auto, sind die Fahrradfahrer die Idioten. Eigentlich stört alles und jeder.
Sicherlich basiert vieles auf der Unfähigkeit mancher Leute, vieles sind Mißverständnisse, klären werden wir das Thema allerdings nie.

Provisionsgeile Verkäufer. Wir sind mittlerweile geimpft, nichts zu schnell zu kaufen, alles zu prüfen und uns nichts aufschwatzen zu lassen. Das klappt bei Versicherungen und Staubsaugervertretern, in Klamottenläden sind wir dem meist jedoch schutzlos ausgeliefert. Während der Verkäufer wortgewandt auf den hilflosen Käufer einredet, wie TOLL die neue Hose an ihm aussieht, versuche ich meistens, den Blick des Käufers zu erhaschen und vorsichtig den Kopf zu schütteln. Es hängen ja auch überall Spiegel, aber wenn der Verkäufer eben sagt, dass das jetzt SO getragen wird, dann muss er ja Recht haben. Spätestens zu Hause fliegt die neu gekaufte Hose in die Ecke.

Manchmal sehen wir über etwas hinweg, weil wir gut gelaunt sind, weil wir Zeit genug haben, weil jedem von uns mal Fehler passieren:
Dann hat der Postbote eben geschellt und ihm war nunmal heute nicht danach, die Stufen hochzutraben, um das Paket abzugeben. Nun liegt ja der Abholschein im Briefkasten, aber man hat Zeit und kann sein Paket auch selber abholen. Solange dies das einzig unangenehme Vorkommnis des Tages ist, hat man ja kein Problem.
Bin ich mit dem falschen Fuß aufgestanden oder habe mich bereits auf der Arbeit oder im Straßenverkehr geärgert, wird die Fahrt zur Abholstelle sowohl für die Autofahrer im Umkreis als auch die Mitarbeiter am Schalter der Post eher weniger erfreulich.

Es gibt noch viele andere Aufreger und es kommen jeden Tag neue dazu. Letztlich ärgern wir uns, wenn wir kritisiert werden, verletzt werden, wenn wir keine Zeit haben, in Hektik sind und es kommt etwas dazwischen, wenn uns Geld abgeluchst wurde für irgendein unnützes Zeug, wenn wir selber etwas verbocken und uns dabei über uns selber ärgern.
Zum Beispiel, wenn man eine Uhr reparieren will. Auf einem Holztisch. Und schon eine Unterlage benutzt, um den Tisch nicht zu vermacken. Das Gehäuse zuschraubt. Die Uhr hochnehmen will. Feststellt, dass die Uhr am Tisch festgeschraubt ist. Durch die Unterlage durch. Ein Loch im Tisch.
#?!&%$@*%!!!!
Die nachfolgenden Minuten hätte selbst der Tonmeister bei RTL wegzensiert.

Aufreger haben eben keine bestimmte Anatomie, sie können laut und heftig sein, ein deftiger Tritt gegen Gegenstände, ein Knurren. Ein zartes „Ach herrje, das ist aber gar nicht schön“. Soll das ein Fluchen sein? Das ist doch kein Fluchen! Wenn man flucht, da muss man doch laut… also das regt mich jetzt echt auf!!!

Ein fröhliches „Heuwägelchen“!

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Quelle: http://mindpenetrator.blogspot.de/2012/06/die-anatomie-des-aufregens.html

Hirnradio

Ich entstamme eine musik-affinen Familie: Meine Mutter sang im Kirchenchor und in der Küche, mein Vater hörte gerne Oberkrainer und Egerländer Volksmusik, und mein Bruder spielte Trompete. So lag es nahe, dass auch ich von einer musikalischen Ader durchzogen werde. Meine früheste musikalische Erinnerung ist die Büsumer Wattenkapelle, die bei Ebbe mit Dschingderassabumm und einer Schar Touristen durch das Watt marschierte; ich war fasziniert, besonders von der großen Trommel, die genau einen Takt kannte, unabhängig vom gespielten Stück: bumm – bumm – bummbummbumm; bumm-bumm- … und so weiter.

Folglich wurde ich im zarten Grundschulalter genötigt, ein Musikinstrument zu erlernen, den Klassiker, Blockflöte, nichts, womit ich Eindruck machen oder größeren musikalischen Genuss erzeugen konnte, aber immerhin eine Grundlage. Später spielte ich ebenfalls Trompete und folgte ich meinem Bruder in den örtlichen Posaunenchor. Viel lieber hätte ich Kirchenorgel oder Schlagzeug gelernt, was jedoch aus Platz- (Orgel) und Nervengründen (Schlagzeug) nicht auf elterliche Gegenliebe stieß.

Wenn man von frühester Kindheit an mit Vaters Egerländer Heimatmusik aufwächst, hält man sie einige Jahre lang für normal, wobei ich nicht so weit gehen will zu schreiben, man mag sie; erst später merkt man dann, welches Grauen doch dieser Art Musik innewohnt, der Mensch entwickelt sich halt weiter, durch „Disco“, „Formel Eins“ und „Musikladen“ im Fernsehen sowie „Schlagerralley“ und „Mal Sandock‘s Hitparade“ im Radio. Die älteren von Ihnen werden sich erinnern: die Aufnahmetaste des Kassettenrekorders im Anschlag und lautes Fluchen, wenn der dämliche Moderator reinquatscht oder die Verkehrsdurchsage.

Doch es gab es neben Ernst Mosch einen zweiten Faktor, der geeignet war, meine Freude an der Musik zu trüben, vor allem am Singen. Dieser Faktor hieß Ferdinand K. und war Musiklehrer an unserem Gymnasium. Er ließ uns schrecklichste Lieder singen, das für sich wäre ja noch nicht so schlimm gewesen, aber er ließ uns auch einzeln vorsingen, vor der Klasse, was für einen pubertierenden Schüler kurz vor oder im Stimmbruch nun wirklich kein Vergnügen ist; jedenfalls hatte ich vor jeder Musikstunde einen echten Horror, mindestens so schlimm wie vor den Sportstunden.

Dabei bestand rückblickend kein besonderer Grund dazu, denn ich kann ja singen, also konnte ich es damals vermutlich auch schon, traute mich nur nicht. Nun lassen es meine gesanglichen Qualitäten sicher nicht zu, dass ich als Solist auf einer Bühne stehe (was mich in den Neunzigern nicht davon abhielt, als Sänger einer Keller- und Hobbyband zu agieren, immerhin zwei Auftritte hatten wir mit unseren größten Hits „Don‘t You“ und „Does Your Mother Know“, bevor wir uns auflösten, der Erfolgsdruck war nicht mehr zu ertragen), aber für einen Chor reicht es. So singe ich seit 2005 mit nicht nachlassender Begeisterung bei den „Kölner SPITZbuben“, ich erwähnte es schon an anderer Stelle.

Auch der passive Musikkonsum ist weiterhin mein regelmäßiger Lebensbegleiter, wobei mein Musikgeschmack unter anderem Klassik (gerne: Bruckner, Brahms, Tschaikowsky, Smetana), die Radiohits der Achtziger (immer noch grandios: „True Faith“ von New Order), Britpop der Neunziger (beste Band aller Zeiten: Oasis) und mehr oder weniger aktuelle Musik umfasst.

Das Kapitel Musik wäre unvollständig ohne die Erwähnung meines Hirnradios. Das springt sofort an, sobald keine reale Musik zu hören ist, und ich kann wenig Einfluss auf die Programmauswahl nehmen; wenn es sich einmal auf ein Lied festgelegt hat, dann spielt es das stundenlang, mehrere tausend Strophen. Im günstigsten Fall ein Lied, das ich mag, meistens jedoch eins, das es morgens beim Rasieren im Radio aufgeschnappt hat, zum Beispiel Lady Gaga oder Jan Delay, was einen langen Arbeitstag durchaus zu trüben vermag.

Während ich diese Zeilen niederschreibe, spielt mein Hirnradio die 624. Strophe von Wolfgang Petrys „Wahnsinn“. Es ist die Hölle, Hölle, Hölle, Hölle.

Menschen in der Bahn – Nachtrag

Unlängst besang ich hier diverse Verhaltensweisen und Erscheinungsformen von Zeit- und Artgenossen im Öffentlichen Personen-Nahverkehr. Als Nachtrag dazu die Schilderung einer kleinen Begebenheit, die sich vor schon längerer Zeit in der Bielefelder Straßenbahn zutrug.

Mit dem Zug nach ereignisloser Fahrt in Bielefeld angekommen, stieg ich am frühen Abend an der Haltestelle Hauptbahnhof in die Linie 3, um meine Eltern im wenig dekorativen Stadtteil Stieghorst zu besuchen, aber das nur am Rande. In der Sitzgruppe neben mir nahmen zwei Personen Platz, ein Mann und eine Frau. Kaum saßen sie, machte die Frau den folgenschweren Fehler, ihr Gegenüber zu fragen: „Und, wie läuft das Projekt?“, etwa so, wie man fragt „Wie geht’s?“, weil man das eben so fragt und nicht etwa in der Hoffnung auf eine ehrliche Antwort – wer will schon Details zur gerade überstandenen Darmoperation oder von den Problemen mit dem ältesten Sohn hören, wenn er eigentlich ein „Danke gut, und selbst“ erwartet hat.

Offenbar hatte sie die Mitteilungsfreude ihres Gesprächspartners unterschätzt, wie aus einem zu früh geöffneten Schleusentor bei einer Springflut ergoss sich ein Wortschwall in die Bahn, unschöner Sprachmüll wie „Performance“, „…haben wir im Scope“, „Business Case“, „gut aufgestellt“, „Herausforderung“, „Showstopper“ und weiterer Verbal-Unrat wurde während dieser Floskelflut an mein Ohr gespült.

Kurz bevor die Bahn wenige Minuten später am Jahnplatz wieder hielt, erhob sich die Frau wortlos von ihrem Platz und ging zur Tür, derweil die Floskeln weiter flogen. „Ach, musst du schon raus?“, fragte der Schwätzer ihr nach, die tonlose Antwort „Ja, ich muss noch…“ war zu vernehmen, als die Tür der Bahn sich schon wieder schloss.

Was der Mann nicht wusste, und ich weiß es auch nicht, bin mir aber ziemlich sicher, dass es so war: Seine Bekannte musste nicht raus, also jedenfalls nicht, weil sie ihr Fahrtziel erreicht hatte. Aber lieber zehn Minuten in Ruhe auf die nächste Bahn warten, als bis Sieker-Mitte diesem Geschwätz ausgesetzt zu sein. Ich an ihrer Stelle hätte es nicht anders gemacht.

Abgeschrieben: 80er

Hier noch eine Fundsache: Den nachfolgenden Text entdeckte ich beim Durchstöbern meiner E-Mail-Ablage. Leider kenne ich nicht den Verfasser und kann somit auch keine korrekte Quellenangabe machen, hole das jedoch gerne nach, wenn ihn mir jemand nennt. Die E-Mail stammt bereits aus dem Jahre 2001, jedoch hat der Text meines Erachtens an Aktualität noch nicht sehr viel eingebüßt.

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Offen gestanden kotzt es mich an: dieses dumme Gerede der derzeitigen „Generation Z“, die 80er Jahre wären langweilig gewesen. Totaler Bockmist.

Hört genau zu, Ihr zungengepiercten Tekknohoppler mit Tattoos auf der linken Arschbacke: Ihr wart nicht dabei! Wir Mit-Dreissiger/-Vierziger haben sie live erlebt: die Geburt des Synthesizers und den wahren Soundtrack der 80er, der von Bands wie Depeche Mode, Cure und Yazoo geschrieben wurde.

Wir haben noch mit Midischleifen und Oszillographen gekämpft! Wir haben Euer Tekkno erfunden, bei uns nannte sich das aber noch „Wave“ und war tatsächlich Musik. (übrigens verwursten Eure DJs die Dinger noch heute zu einer Art musikalischer Canneloni mit schwülstiger Computerbasssosse).

Wir mussten noch keine Angst haben, dass uns Tina Turner mit dem klassischen Seniorenoberschenkelhalsbruch von der Bühne purzelt und wir haben Madonna noch mit festen Brüsten und ohne Baby-Pause gekannt, Ihr Nasen!

Wir verbinden „Kraftwerk“ noch nicht mit Solarenergie und wir hatten noch Angst, dass Joschka Fischer von Holger Börner mit der Dachlatte verprügelt wird. Wir erinnern uns noch an Terroristenfahndungsplakate, auf denen hin und wieder ein Gesicht liebevoll mit Kuli von einem Staatsbediensteten durchgestrichen wurde …

Die Bundeswehr und die NVA machten noch Spaß, wir kannten ja die Richtung, aus der der Feind kommt …

Zu unserer Zeit fielen Break-Dancer auf den Fussgängerzonen noch hin und wieder richtig auf die Fresse und Peter Maffay wurde beim Stones-Konzert noch ordentlich von der Bühne gepfiffen. Wir hatten noch Plattenspieler (auf 33″ und 45″) und richtig geile Plattencover, auf denen man die Namen der MUSIKER (und nicht der Programmierer) ohne Lupe erkennen konnte und die tatsächlich Kunst waren – keine Tempotaschentuchgrossen, einfarbigen Booklets auf denen gerade noch „nice Price“ lesbar ist.

Für uns war eine LP etwas Heiliges, das gepflegt und geliebt werden musste – und keine CD-Plastik-Wegwerfware, die so robust ist, dass man sie durchaus auch als Bierglasuntersetzer verwenden kann. Bei uns erkannte jeder sein Eigentum noch an den individuellen Kratzern.

Wir haben kein „Big Brother“ geguckt sondern „Formel 1“, wo es eine ganze fette Stunde wirklich gute Musikvideos zu sehen gab, die das Lied untermalten, wir hatten kein MTV mit degenerierten CD-Werbespots nötig.

Wir liessen uns die Haare seitlich ins Gesicht fallen – ohne diese beknackten, umgedrehten Baseballmützen oder Wollhauben. In unseren Hosen konnte man sehen, ob einer einen Hintern hatte, heute hängt der Arsch ja bei jedem von Euch in der Kniekehle der achso tollen Baggy-Trousers.

Bei uns haben sich keine Neonazis mit Türken gekloppt, sondern Punks mit Teds, Teds mit Poppern, Popper mit Ökos und Ökos mit der Polizei…

Und wer einen Führerschein hatte, fuhr als erstes einen Käfer oder eine Ente, bei der Dellen von Individualismus zeugten, ihr Opel-Corsa-Popel!

Und weil ihr gerade im Leistungskurs Informatik sitzt: die AC/DC Einritzungen auf den Tischen sind von UNS – und es geschieht Euch nur recht, wenn ihr glaubt, dass die Dinger aus dem Physiksaal kommen, wo irgendein findiger Schüler seinerzeit die Abkürzung für „Starkstrom/Schwachstrom“ in die Bank gemeisselt hat!

Also erzählt uns nichts über die 80er. Und ja, hiermit entschuldige ich mich, auch im Namen meiner Altersgenossen, für Modern Talking. Das haben wir nicht gewollt…

Abgeschrieben: Kaum zu glauben…

Eher zufällig stieß ich auf einen Text, der bereits im Dezember 2007 in der Zeitung DIE WELT veröffentlicht wurde. Der ungenannte Autor stellt die Frage, wie wir Kinder der Fünfziger-, Sechziger- und Siebzigerjahre überleben konnten ohne die Segnungen der heutigen Zeit wie Kindersitz, Airbag, Fahrradhelm und Mobiltelefon. Es ist so herrlich wahr, selten habe ich mich in einem Text so sehr wieder gefunden!

Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, uns jeden Morgen zur Schule zu fahren und mittags wieder abzuholen, weder zur nahen Grundschule, wo wir auf dem Weg ständig von den bösen Schülern der Sonderschule bedroht und manchmal auch geschlagen wurden, noch später zum sieben Kilometer entfernten Gymnasium, warum auch, schließlich konnten wir problemlos mit Bus oder Fahrrad dorthin fahren; auch wären wir niemals auf die Idee gekommen, unsere Eltern danach zu fragen. Lesen Sie selbst:

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„Wenn du nach 1978 geboren wurdest, hat das hier nichts mit dir zu tun Verschwinde! Kinder von heute werden in Watte gepackt. Wenn du als Kind in den 50-er, 60-er oder 70-er Jahren lebtest, ist es zurückblickend kaum zu glauben, dass wir so lange überleben konnten!

Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurte und ohne Airbags. Unsere Bettchen waren angemalt in strahlenden Farben voller Blei und Cadmium. Die Fläschchen aus der Apotheke konnten wir ohne Schwierigkeiten öffnen, genauso wie die Flasche mit Bleichmittel. Türen und Schränke waren eine ständige Bedrohung für unsere Fingerchen. Auf dem Fahrrad trugen wir nie einen Helm. Wir tranken Wasser aus Wasserhähnen und nicht aus Flaschen. Wir bauten Wagen aus Seifenkisten und entdeckten während der ersten Fahrt den Hang hinunter, dass wir die Bremsen vergessen hatten. Damit kamen wir nach einigen Unfällen klar. Wir verließen morgens das Haus zum Spielen. Wir blieben den ganzen Tag weg und mussten erst zu Hause sein, wenn die Straßenlaternen angingen. Niemand wusste, wo wir waren, und wir hatten nicht mal ein Handy dabei!

Wir haben uns geschnitten, brachen Knochen und Zähne, und niemand wurde deswegen verklagt. Es waren eben Unfälle. Niemand hatte Schuld außer wir selbst. Keiner fragte nach „Aufsichtspflicht“. Kannst du dich noch an „Unfälle“ erinnern? Wir kämpften und schlugen einander manchmal bunt und blau. Damit mussten wir leben, denn es interessierte den Erwachsenen nicht.

Wir aßen Kekse, Brot mit Butter dick, tranken sehr viel und wurden trotzdem nicht zu dick. Wir tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche, und niemand starb an den Folgen. Wir hatten nicht: Playstation, Nintendo 64, X-Box, Videospiele, 64 Fernsehkanäle, Filme auf Video, Surround-Sound, eigene Fernseher, Computer, Internet-Chatrooms. Wir hatten Freunde.

Wir gingen einfach raus und trafen sie auf der Straße. Oder wir marschierten einfach zu deren Heim und klingelten. Manchmal brauchten wir gar nicht klingeln und gingen einfach hinein. Ohne Termin und ohne Wissen unserer gegenseitigen Eltern. Keiner brachte uns und keiner holte uns. Wie war das nur möglich?

Wir dachten uns Spiele aus mit Holzstöcken und Tennisbällen. Außerdem aßen wir Würmer. Und die Prophezeiungen trafen nicht ein: Die Würmer lebten nicht in unseren Mägen für immer weiter, und mit den Stöcken stachen wir nicht besonders viele Augen aus.

Beim Straßenfußball durfte nur mitmachen, wer gut war. Wer nicht gut war, musste lernen, mit Enttäuschungen klarzukommen. Manche Schüler waren nicht so schlau wie andere. Sie rasselten durch Prüfungen und wiederholten Klassen. Das führte nicht zu emotionalen Elternabenden oder gar zur Änderung der Leistungsbewertung.

Unsere Taten hatten manchmal Konsequenzen. Und keiner konnte sich verstecken. Wenn einer von uns gegen das Gesetz verstoßen hat, war klar, dass die Eltern ihn nicht aus dem Schlamassel heraushauen. Im Gegenteil: Sie waren der gleichen Meinung wie die Polizei! So etwas!

Unsere Generation hat eine Fülle von innovativen Problemlösern und Erfindern mit Risikobereitschaft hervorgebracht. Wir hatten Freiheit, Misserfolg, Erfolg und Verantwortung. Mit all dem wussten wir umzugehen. Und du gehörst auch dazu. Herzlichen Glückwunsch!“

Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article1468743/Kaum-zu-glauben-dass-wir-so-lange-ueberleben-konnten.html

Aus gegebenem Anlass

Wieder ist es so weit: Ich werde gefragt, wo ich mir das Fußballspiel anschauen werde, erhalte Einladungen zum Kollektivkucken, auch von Leuten, die sonst nicht gerade zu den ausgewiesenen Fußballfans zählen. Wieder ernte ich Unverständnis, wenn ich dann sage, ich werde es mir gar nicht anschauen, weil mich Fußball nun einmal überhaupt nicht interessiert.

„Aber es ist doch EM, das ist doch was anderes, da muss man schauen!“ – Was ist anders? Fußball ist Fußball, ob auf dem Sportplatz von Kleinwiershausen oder im von aller Welt betrachteten Stadion von… ja wo eigentlich?

„Aber ,wir‘ spielen doch!“ – Wir? Also ich nicht, jedenfalls nicht, dass ich wüsste.

„Auch nicht, wenn Deutschland spielt?“ – Deutschland spielt? Falsch: Deutschland sitzt kollektiv vor der Glotze und missbraucht das arme Wörtchen ,wir‘.

Wirklich, ich gönne allen ihr Fußballvergnügen, ob alleine in ihrer Stube oder mit vielen vor dem Großbildschirm. Genau so gesteht mir bitte zu, dass ich mich derweil anderweitig vergnügen werde, wie, weiß ich noch nicht, aber ich werde mich ganz bestimmt nicht langweilen. Vielen Dank!

Fußball

Spieltrieb

Seit frühester Kindheit interessiere ich mich für die Eisenbahn. Den Ursprung dafür vermute ich bei meinen Großeltern mütterlicherseits, die in einem ehemaligen Bahnwärterhaus an einem Bahnübergang in der Nähe von Göttingen wohnten. Zwar fuhren schon damals nur noch wenige Züge dort, die Strecke wurde schließlich 1980 stillgelegt, aber diese wenigen Züge reichten aus, um mich zu infizieren: Wenn sich die Schranken bimmelnd senkten, ließ ich alles stehen und liegen und eilte vor das Haus in der Hoffnung, eine Dampflok zu sehen, die es in den Siebzigern noch in der freien Wildbahn gab, die sich aber nur noch höchst selten blicken ließen.

Ich hatte diverse Spielzeugzüge zum schieben, mit denen ich das nahezu unendliche Streckennetz auf dem Teppichmuster im Wohnzimmer abfuhr, eine Lego-Eisenbahn, später eine kleine Fleischmann-H0-Platte, aus der im Laufe der Zeit eine ausgewachsene Anlage auf dem Dachboden meines Elternhauses wuchs, mit Fahrplan und Zugmeldeverfahren; wer Uwe und mich dort beim Eisenbahnspielen beobachtete oder auch nur zuhörte, musste uns für leicht bekloppt halten, ohne Frage zu recht.

Der größte Wunsch meiner Kindheit war eine LGB-Eisenbahn in unserem Garten. Diesen erfüllte ich mir 1977 mit einer Startpackung, bestehend aus Lok, zwei Güterwagen und Schienenkreis. Hieraus entstand im Laufe der Jahre die erträumte Gartenbahn, die unseren Reihenhausgarten erschloss, mit einem großen Fahrzeugpark. Wie schön waren die Sommerabende, wenn ich den Lichtern des Schienenbusses folgte, zwei rote Schlusslichter entfernten sich neben dem Gartenweg, verschwanden kurz im Gebüsch, dann kamen auf der anderen Seite des Rasens drei weiße Lichter auf mich zugebrummt, der Zug durcheilte den kleinen Bahnhof zu meinen Füßen, dann wieder die Schlusslichter, stundenlang, wunderschön, unwiederbringlich.

Mitte der Neunziger führten Zeitmangel – ich stand inzwischen im Berufsleben, und das nicht zu knapp -, mein Auszug aus dem elterlichen Haus in meine erste eigene Wohnung und eine akute Interessenverschiebung dazu, dass meine Garten-Kleinbahn das Schicksal ihrer großen Vorbilder ereilte: sie wurde stillgelegt und abgebaut. Ein Teil der Gleise und einige Fahrzeuge wurden verkauft, der Rest liegt im Keller und harrt einer ungewissen Zukunft entgegen. So richtig trennen kann ich mich noch nicht davon, obwohl klar ist, dass ich nie wieder eine Anlage aufbauen werde. Aber man soll ja nie nie sagen…

Der zweite große schienengebundene Wunsch meiner Kindheit und Jugend war es, auf einer richtigen Dampflok zu stehen, als Heizer oder gar Lokführer. Auch den konnte ich mir erfüllen: Bei Gütersloh betreibt seit 1973 der Verein „Dampf-Kleinbahn Mühlenstroth“ eine kleine Museumseisenbahn, also mehr eine LGB-Bahn im Maßstab eins zu eins als eine richtige Bahnstrecke, denn die Dampfkleinbahn fährt auch mehr oder weniger im Kreis auf einem überschaubaren Gelände, und die Loks und Wagen sehen so ähnlich aus wie die von LGB, nur eben in groß. Nach dem ersten Besuch dort mit meinen Eltern, es muss so 1976 gewesen sein, wusste ich: Das ist es, das will ich auch, da will ich mitmachen! Mit sechzehn, also in einem Alter, da andere Jungs schon den Mädchen nachstellten, trat ich dem Verein bei, und fortan verbrachte ich so ziemlich jedes Wochenende dort, konnte es Sonntagabends, wenn ich nach Hause fuhr, kaum abwarten, dass es endlich wieder Samstag wird und ich mich in diese eigene kleine Welt begeben konnte, wo Samstags an Schienen und Fahrzeugen herum geschraubt und Sonntags ein modellbahnmäßiger Fahrbetrieb aufgezogen wird. Bereits im Sommer 1983 stand ich zum ersten Mal als Heizer auf einer Lok, damals ein wahnsinniges Glücksgefühl, das für außenstehende, die sich nicht so sehr für die Eisenbahn erwärmen können, wohl schwer nachzuvollziehen ist. Einige Jahre später erwarb ich dann auch die Berechtigung zum Führen einer Dampflok, natürlich nur vereinsintern auf unserer Kleinbahn, aber immerhin, es ließ meinen Kleineisenbahnerstolz nochmals ein ganzes Stück wachsen.

Dabei war es nicht immer einfach. Aktives Mitglied bei einer Museumseisenbahn zu sein bedeutet eben nicht nur, im Sommer auf dem Führerstand einer Lok zu stehen oder in gestriegelter Uniform Löcher in Fahrkarten zu knipsen, sondern viel harte Arbeit und Dreck, auch im Winter, wenn es zu Hause bei der Modellbahn in der warmen Stube viel schöner ist. Und man muss sich, um der Sache willen, mit Leuten arrangieren, mit denen man außerhalb dieses Hobbys nichts zu tun hätte und teilweise wohl auch nicht haben will. Der Eisenbahnfreund an sich ist schon eine besondere Spezies, also schon der „normale“, der mit Fototasche und ohne erkennbare Frisur am Bahndamm steht, Züge fotografiert und unter seinesgleichen klug daherredet; erst recht aber der aktive Museumseisenbahner.

Was bewegt einen Menschen dazu, einen Großteil seiner Freizeit damit zu verbringen, Schienen zu verlegen, Lokomotiven auseinander zu bauen, Teile zu entrosten und neu anzufertigen, das ganze wieder zu einer Lokomotive zusammenzubauen, um damit Wochenendausflügler um eine Gaststätte herum zu kutschieren? Woher kommt die Motivation, am Freitagabend anzureisen, die Nächte in einem muffigen Schlaf- und Schnarchsaal mit zwölf Betten zu verbringen, samstags in der Werkstatt zu stehen, Sonntag früh um sechs aufzustehen, die Lok anzuheizen, auf der man sich den ganzen Tag aufhält, bis man sie abends in den Schuppen fahren kann und todmüde nach Hause fährt, einer neuen Arbeitswoche entgegen? Ich versuche mal, es zu beantworten: Die Ferne zum Alltag, das Gemeinschaftsgefühl, an einer gemeinsamen Sache zu arbeiten, die Freude am Ergebnis, wenn die Lok nach unzähligen Arbeitsstunden, frisch lackiert, wieder fährt, die Anerkennung der Besucher, die erstaunten Blicke der Kinder, und die Flasche Bier am Abend.

Wie bei anderen Vereinen auch kommen hier die verschiedensten Menschen zusammen, die vor allem eines verbindet: das Interesse an einer gemeinsamen Sache. Arbeiter, Techniker, Büromenschen, Akademiker, Schüler, Studenten, Rentner, jeder kann sich einbringen, nicht jeder muss Eisenbahner, Schweißer oder Schlosser sein. Natürlich gibt es auch hier sympathische, im weitesten Sinne normale, auf der anderen Seite aber auch eher schwierige Menschen, die glauben, sich profilieren zu müssen, weil sie es außerhalb des Schienenkreises vielleicht nicht können. Ich habe während meiner aktiven Zeit bei der Dampfkleinbahn Bekanntschaft mit vielen netten und interessanten Menschen gemacht, auch mit schwierigen, aber keine dieser Bekanntschaften möchte ich missen. Ich habe viel gelernt, über Technik, über Metallbearbeitung, und über Menschen.

Auch hier waren es mehrere Faktoren, die zu einem Rückgang meiner Aktivitäten gegen Null geführt haben: die nachlassende Bereitschaft, mich nach einer langen Arbeitswoche den oben beschriebenen Unbequemlichkeiten auszusetzen, die generelle Interessenverschiebung, welcher schon die Gartenbahn zum Opfer fiel; ausschlaggebend war jedoch auch hier die räumliche Entfernung durch meinen Wegzug nach Bonn. Ganz selten, vielleicht noch ein- bis zweimal im Jahr, lasse ich mich dort blicken, es ist dann immer wieder schön und macht Spaß, der Geruch von Kohle und Öl, das Zischen von Dampf, und das Wiedersehen mit den Leuten; ein bisschen ist es auch ein Ausflug zurück in meine Jugendzeit.

Gestern war ich endlich nach längerer Zeit mal wieder dort, es war ein sehr schöner Tag. Hier ein paar Eindrücke:

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Casual Friday

Eine der zahlreichen Errungenschaften aus dem Land der in alle Richtungen unbegrenzten Mög- und Peinlichkeiten ist neben dem Bic Mac, Homer Simpson, Halloween, Bruce Springsteen, Hollister und Starbucks der so genannten Casual Friday. Ursprünglich diente dieser ab den fünfziger Jahren in großen amerikanischen Unternehmen dazu, den ansonsten an eine strenge Kleiderordnung gebundenen Angestellten durch Verzicht auf gestärktes Hemd und Krawatte den Übergang von der Arbeitswoche ins bevorstehende Wochenende etwas zu erleichtern.

Nun neigt der Deutsche ja dazu, alles scheinbar gute, was aus den Vereinigten Staaten den Weg zu uns gefunden hat, dankbar aufzunehmen und auf die Spitze zu treiben, der Zwanglos-Freitag ist ein gutes Beispiel dafür, wie ich bei meinem eigenen Arbeitgeber immer wieder beobachten kann. So verzichten die Herren freitags nicht nur auf die Krawatte, auch lassen sie den Anzug ganz im Schrank und kleiden sich dafür in verwaschenen Jeans mit kunstvoller Perforation und verspielt-bunten Ornamenten in der Gesäßzone, das Oberkleid variiert je nach Jahreszeit zwischen fragwürdig gemustertem Kurzarm-Freizeithemd und Kapuzenpulli. Als Schuhwerk werden Chucks oder Adidas bevorzugt. Die Damen zeigen sich statt des geschäftsmäßigen Hosenanzugs in ärmllosen Leibchen mit Spaghettiträgern, legginsartigem Beinkleid und offenen Sandalen, wobei streng darauf geachtet wird, dass sämtliche Tätowierungen gut zur Geltung kommen – Sie glauben gar nicht, wo man/frau sich überall tätowieren lassen kann.

Kurz: statt in der Konzernzentrale eines bedeutenden deutschen Unternehmens wähne ich mich freitags zunehmend in der Filiale einer großen Bäckereikette am Samstagmorgen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Jogginganzug, Badeshorts, Bikini und Flip Flops endgültig durchgesetzt haben werden.

Ich brauche das nicht, der Übergang ins Wochenende ist mir noch nie schwer gefallen; sobald mich am Freitagnachmittag das große Gebäude ausgespuckt hat, fühle ich mich frei und verwende bis zum Montag keinen Gedanken mehr an geschäftliche Angelegenheiten. Der Übergang vom Wochenende auf Montag fällt mir indes viel schwerer, da sollten sich die Amis endlich mal was sinnvolles einfallen lassen. Wie wäre es mit einem Business Sunday: Statt in Boxershorts und T-Shirt schauen wir den Tatort in Hemd, Krawatte und dreiteiligem Anzug, frisch gebügelt, fri- und rasiert.

Andererseits möchte ich mich nicht allen Trends verschließen, selbst wenn sie vom großen Bruder jenseits des Atlantiks kommen. Da mich schon Facebook langweilt wie ein kombiniertes Angel- und Schachtournier und ich Subway-Filialen meide wie Kardinal Meisner den Sexshop, so will ich wenigstens freitags nicht mehr der einzige Anzugträger sein (obwohl ich gerne Anzug trage). Also: ab kommenden Freitag gehe ich nackt ins Büro. Ich bin mir sicher, nach einer gewissen Irritation wird man mich gewähren lassen, bevor man den Sicherheitsdienst ruft, der mir dann eine Decke überwirft und mich nach nur kurzem Hand- und Wortgemenge aus dem Büro zerrt.