Montag: Seit nunmehr einer Woche weilt der Liebste aus beruflichem Anlass in Atlanta. Mehrmals täglich telefonieren wir mit sechsstündigem Versatz und tauschen unsere Erlebnisse aus, wobei er mehr zu berichten hat, ich bin von Natur aus eher der Zuhörer beim Telefonieren. Anfangs rechnete ich immer, wie spät es bei ihm jetzt wäre, dabei ist es gerade als Besitzer einer Analoguhr ganz einfach: Man muss sich den kleinen Zeiger nur genau gegenüber vorstellen.
So langsam könnte er aber auch mal zurück kommen.
Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, es ist deutlich wärmer geworden. Bald Anzugwetter.
Im Rheinauenpark, in Sichtweite meines neuen Arbeitsplatzes mit Aussicht, wurden ein Riesenrad und weitere Fahrgerätschaften aufgebaut für das Spektakel Rhein in Flammen am Wochenende, wo Feuerwerk, Musik und Außengastronomie die Menschenmassen erfreuen werden. Wegen letzteren werden wir es auch in diesem Jahr wieder meiden. Auf dem Rhein sind, neben den ganzjährig üblichen Frachtschiffen, wieder mehr Hotelschiffe zu sehen, zudem die Ausflugsdampfer (freilich keine Dampfer mehr, aber Dieseler oder Öler klingt wenig verkehrswerbend) der Köln-Düsseldorfer und Bonner Personenschifffahrt bis Linz und zurück. Damit könnten wir auch mal wieder einen Ausflug machen, vielleicht kann ich meine Lieben dazu motivieren.
Auch die Rheinnixe wurde nochmals bewegt, sie liegt nun wieder vor Beuel und harrt dort ihrer ungewissen Zukunft entgegen.
Auf dem Heimweg sah ich zwei junge Frauen auf zwei geschobenen Fahrrädern einen Maibaum transportieren; es ist ein Schaltjahr, da werden die Herren mit geschmücktem Totholz beglückt. Kurz darauf zwei junge Männer zu Fuß mit einem Bierkasten zwischen sich. Klare Aufgabenteilung.
Als ich mir im Außenbereich eines Lokals in der Fußgängerzone einen Feierabend-Maibock (ich schrieb erst Mailbock, interessante Variante) genehmigte, platzierte sich davor einer mit Klarinette, aus der er wenig hörenswerte Melodien hervorbrachte. Nach dem dritten oder vierten Lied ging er durch die Tische, um Kleingeld zu ernötigen. Ich gab ihm nichts. Dabei fühle ich mich immer ein wenig wie ein Arschloch, aber ich sehe es nicht ein, für etwas zu bezahlen, das ich nicht bestellt habe und das mir keinerlei Nutzen oder wenigstens Freude bringt.
Abends wurden der Geliebte und ich im Restaurant Zeuge einer Begebenheit: Eine mittelalte Frau kam herein und fragte die Kellnerin nach einem Telefon, bei ihrem eigenen wäre der Akku leer. Es wurde ihr gebracht, damit setzte sie sich an einen Tisch nahe unserem, breitete einen Notizblock und andere Sachen vor sich aus und begann zu telefonieren, ohne etwas zu bestellen. Nachdem sie mehrere Gespräche geführt hatte, auch auf Englisch, kam ein anderer Kellner und bat sie freundlich um Rückgabe des Telefons, da man es benötigte, außerdem bat er sie, zu gehen. Nach einigen unfreundlichen Worten gegen den Kellner verließ sie empört das Lokal. Ein Blick auf das Telefon ergab: Sie hatte nicht ein einziges Telefonat geführt.
Mittwoch: Wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, täglich etwas ins Blog zu schreiben, ist es an manchen Tagen nicht einfach, was geeignetes zu finden. Nicht so am 1. Mai, an dem wie in jedem Jahr gilt: Es ist paradox, zugleich erfreulich, am Tag der Arbeit nicht zu arbeiten.
Dazu passend Balkonliegestuhlwetter. Im SPIEGEL las ich erstmals von einem Hohlraumforscher und freute mich ein weiteres Mal darüber, was es alles gibt.
Donnerstag: Nach Rückkehr des Liebsten am Vormittag ist die Welt wieder etwas mehr in Ordnung, jedenfalls der winzige Teil davon, den ich überblicke.
Der Tag war sonnig und warm, für den Abend waren starke Gewitter angekündigt. Die kamen auch, allerdings nicht hier in Bonn. Während des Fußweges nach Hause baute sich ringsherum dunkles Gewölk auf, Windböen wirbelten Staub und Abfälle auf und ließen die bunten Bänder in den gestern aufgestellten (in diesem Jahr nach meinem Eindruck wenigen) Maibäumen flattern, ab und an war in der Ferne ein Grollen zu vernehmen. Nach Rückkehr verzogen sich die Wolken zunächst, sogar die Sonne schien zwischendurch wieder. Erst jetzt am späteren Abend, zum Zeitpunkt der Niederschrift, regnet es dicke Tropfen, laut Vorhersage wird sich daran in den nächsten Stunden nicht viel ändern. Bestes Schlafwetter.
Aus einem Zeitungsbericht: »Auch die Frösche gaben am 1. Mai ein so lautes Konzert, dass Spaziergänger am Weiher anhielten und fotografierten.« Anscheinend Tonbilder, wieder so ein neumodischer Kram, der an mir vorbeigegangen sein muss.
Freitag: Der Regen hielt bis zum Mittag an, gegen Abend zeigte sich die Sonne. Im Gegensatz zu anderen Regionen, wo die Meteorologie gestern heftig tobte und schädigte, hatten wir mal wieder Glück.
Um halb vier nachmittags erreichte mich überraschend per Mail die Einladung zur Eigentümerversammlung eine halbe Stunde später. Kurz empörte ich mich über die Kurzfristigkeit, dann schaute ich in den privaten Maileingang, und siehe da: Bereits im März wurde fristgerecht eingeladen, ich hatte es versäumt, den Termin im Kalender einzutragen. Das ist mir völlig durchgegangen und angemessen peinlich. Nicht, dass mir Eigentümerversammlungen größeres Vergnügen bereiteten, doch das sollte nicht passieren.
Unterdessen berichtet die Zeitung über einen Amerikaner, dem sein Therapie-Aligator abhanden gekommen ist. Dagegen ist eine versäumte Eigentümerversammlung vergleichsweise unerheblich.
Samstag: Unerwartet humorlos reagierten laut Zeitungsbericht Angestellte der LVR-Klinik, die auch eine Psychiatrie betreibt, auf eine Werbeaktion ihres Arbeitgebers um neues Personal. Hierzu hatte die Klinik rosa und grüne Postkarten drucken und in Kneipen verteilen lassen mit der Aufschrift „Klapsenbeste“ (rosa) beziehungsweise „Klapsenbester“ (grün) auf der Vorderseite. Darauf muss man auch erstmal kommen.
Sonntag: Heute ist der Fünfte im Fünften, somit #WMDEDGT-Tag. Alles weitere hier.
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Kommen Sie gut durch die Woche, verlieren Sie nicht den Humor.