Woche 18/2024: Öler klingt wenig verkehrswerbend

Montag: Seit nunmehr einer Woche weilt der Liebste aus beruflichem Anlass in Atlanta. Mehrmals täglich telefonieren wir mit sechsstündigem Versatz und tauschen unsere Erlebnisse aus, wobei er mehr zu berichten hat, ich bin von Natur aus eher der Zuhörer beim Telefonieren. Anfangs rechnete ich immer, wie spät es bei ihm jetzt wäre, dabei ist es gerade als Besitzer einer Analoguhr ganz einfach: Man muss sich den kleinen Zeiger nur genau gegenüber vorstellen.

So langsam könnte er aber auch mal zurück kommen.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, es ist deutlich wärmer geworden. Bald Anzugwetter.

Das muss nun wirklich nicht sein

Im Rheinauenpark, in Sichtweite meines neuen Arbeitsplatzes mit Aussicht, wurden ein Riesenrad und weitere Fahrgerätschaften aufgebaut für das Spektakel Rhein in Flammen am Wochenende, wo Feuerwerk, Musik und Außengastronomie die Menschenmassen erfreuen werden. Wegen letzteren werden wir es auch in diesem Jahr wieder meiden. Auf dem Rhein sind, neben den ganzjährig üblichen Frachtschiffen, wieder mehr Hotelschiffe zu sehen, zudem die Ausflugsdampfer (freilich keine Dampfer mehr, aber Dieseler oder Öler klingt wenig verkehrswerbend) der Köln-Düsseldorfer und Bonner Personenschifffahrt bis Linz und zurück. Damit könnten wir auch mal wieder einen Ausflug machen, vielleicht kann ich meine Lieben dazu motivieren.

Auch die Rheinnixe wurde nochmals bewegt, sie liegt nun wieder vor Beuel und harrt dort ihrer ungewissen Zukunft entgegen.

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Auf dem Heimweg sah ich zwei junge Frauen auf zwei geschobenen Fahrrädern einen Maibaum transportieren; es ist ein Schaltjahr, da werden die Herren mit geschmücktem Totholz beglückt. Kurz darauf zwei junge Männer zu Fuß mit einem Bierkasten zwischen sich. Klare Aufgabenteilung.

Als ich mir im Außenbereich eines Lokals in der Fußgängerzone einen Feierabend-Maibock (ich schrieb erst Mailbock, interessante Variante) genehmigte, platzierte sich davor einer mit Klarinette, aus der er wenig hörenswerte Melodien hervorbrachte. Nach dem dritten oder vierten Lied ging er durch die Tische, um Kleingeld zu ernötigen. Ich gab ihm nichts. Dabei fühle ich mich immer ein wenig wie ein Arschloch, aber ich sehe es nicht ein, für etwas zu bezahlen, das ich nicht bestellt habe und das mir keinerlei Nutzen oder wenigstens Freude bringt.

Abends wurden der Geliebte und ich im Restaurant Zeuge einer Begebenheit: Eine mittelalte Frau kam herein und fragte die Kellnerin nach einem Telefon, bei ihrem eigenen wäre der Akku leer. Es wurde ihr gebracht, damit setzte sie sich an einen Tisch nahe unserem, breitete einen Notizblock und andere Sachen vor sich aus und begann zu telefonieren, ohne etwas zu bestellen. Nachdem sie mehrere Gespräche geführt hatte, auch auf Englisch, kam ein anderer Kellner und bat sie freundlich um Rückgabe des Telefons, da man es benötigte, außerdem bat er sie, zu gehen. Nach einigen unfreundlichen Worten gegen den Kellner verließ sie empört das Lokal. Ein Blick auf das Telefon ergab: Sie hatte nicht ein einziges Telefonat geführt.

Mittwoch: Wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, täglich etwas ins Blog zu schreiben, ist es an manchen Tagen nicht einfach, was geeignetes zu finden. Nicht so am 1. Mai, an dem wie in jedem Jahr gilt: Es ist paradox, zugleich erfreulich, am Tag der Arbeit nicht zu arbeiten.

Dazu passend Balkonliegestuhlwetter. Im SPIEGEL las ich erstmals von einem Hohlraumforscher und freute mich ein weiteres Mal darüber, was es alles gibt.

Donnerstag: Nach Rückkehr des Liebsten am Vormittag ist die Welt wieder etwas mehr in Ordnung, jedenfalls der winzige Teil davon, den ich überblicke.

Der Tag war sonnig und warm, für den Abend waren starke Gewitter angekündigt. Die kamen auch, allerdings nicht hier in Bonn. Während des Fußweges nach Hause baute sich ringsherum dunkles Gewölk auf, Windböen wirbelten Staub und Abfälle auf und ließen die bunten Bänder in den gestern aufgestellten (in diesem Jahr nach meinem Eindruck wenigen) Maibäumen flattern, ab und an war in der Ferne ein Grollen zu vernehmen. Nach Rückkehr verzogen sich die Wolken zunächst, sogar die Sonne schien zwischendurch wieder. Erst jetzt am späteren Abend, zum Zeitpunkt der Niederschrift, regnet es dicke Tropfen, laut Vorhersage wird sich daran in den nächsten Stunden nicht viel ändern. Bestes Schlafwetter.

Gewölk über Köln

Aus einem Zeitungsbericht: »Auch die Frösche gaben am 1. Mai ein so lautes Konzert, dass Spaziergänger am Weiher anhielten und fotografierten.« Anscheinend Tonbilder, wieder so ein neumodischer Kram, der an mir vorbeigegangen sein muss.

Freitag: Der Regen hielt bis zum Mittag an, gegen Abend zeigte sich die Sonne. Im Gegensatz zu anderen Regionen, wo die Meteorologie gestern heftig tobte und schädigte, hatten wir mal wieder Glück.

Um halb vier nachmittags erreichte mich überraschend per Mail die Einladung zur Eigentümerversammlung eine halbe Stunde später. Kurz empörte ich mich über die Kurzfristigkeit, dann schaute ich in den privaten Maileingang, und siehe da: Bereits im März wurde fristgerecht eingeladen, ich hatte es versäumt, den Termin im Kalender einzutragen. Das ist mir völlig durchgegangen und angemessen peinlich. Nicht, dass mir Eigentümerversammlungen größeres Vergnügen bereiteten, doch das sollte nicht passieren.

Unterdessen berichtet die Zeitung über einen Amerikaner, dem sein Therapie-Aligator abhanden gekommen ist. Dagegen ist eine versäumte Eigentümerversammlung vergleichsweise unerheblich.

Samstag: Unerwartet humorlos reagierten laut Zeitungsbericht Angestellte der LVR-Klinik, die auch eine Psychiatrie betreibt, auf eine Werbeaktion ihres Arbeitgebers um neues Personal. Hierzu hatte die Klinik rosa und grüne Postkarten drucken und in Kneipen verteilen lassen mit der Aufschrift „Klapsenbeste“ (rosa) beziehungsweise „Klapsenbester“ (grün) auf der Vorderseite. Darauf muss man auch erstmal kommen.

Sonntag: Heute ist der Fünfte im Fünften, somit #WMDEDGT-Tag. Alles weitere hier.

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Kommen Sie gut durch die Woche, verlieren Sie nicht den Humor.

#WMDEDGT im Mai: Angenehmes Lungern

Heute ist der fünfte Mai, am Fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn hier.

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Da die Weinbegleitung des Vorabends noch etwas nachwirkte, kamen wir erst spät aus den Betten. Folglich frühstückten wir auch recht spät, nicht auf dem Balkon, dafür war es noch etwas zu kühl. Anschließend unternahm ich den sonntagsüblichen Spaziergang, bei dem sich die Daunenjacke zeitweise als etwas zu warm erwies, indes nicht so warm, dass es eine erwägenswerte Option gewesen wäre, sie auszuziehen und zu tragen. Daunenjackengrenztemperatur.

Der Spaziergang führte durch die Innenstadt, wo auf dem Münsterplatz an diesem Wochenende ein Kunsthandwerkermarkt zu locken suchte. Ich ließ mich nicht locken, im Vorbeigehen sah ich nur die Bude einer Wahrsagerin, in des Wortes Sinne eine sehr spezielle Handwerkskunst. Weiter ging es durch die Poppelsdorfer Allee, wo die Kastanien in voller Blüte stehen, teilweise bedecken Blüten nach den Regenfällen der vergangenen Tage schon den Boden darunter. Für mich immer wieder eine der schönsten Zeiten des Jahres, insbesondere in Verbindung mit der Fliederblüte, die schon durch ist; wie so vieles in diesem Jahr war sie früher als sonst. Vielleicht bleibt das jetzt so, in wenigen Jahren blühen Raps und Flieder womöglich schon im Februar.

Poppelsdorfer Allee, Blickrichtung Innenstadt

Weiter ging es durch die Südstadt, wo mein Eindruck, in diesem Jahr wären weniger Maibäume als sonst aufgestellt, widerlegt wurde. In diesem Schaltjahr werden wieder die Jungs mit Liebesbekundungen bedacht, ich sah Bäume unter anderem für Lukas, Luca, Julian, Max, Hans, Tim und Jona:

Hier wurde das Prinzip „Liebe geht durch den Magen“ konsequent zu Ende gedacht.

Im Außenbereich eines Südstadt-Lokals hielt ich Einkehr auf ein Bier. Nebenbei las ich, was es Neues gab in den vor mir abonnierten Blogs, nebenbei fiel der Blick immer wieder auf den Bahnübergang in Sichtweite, dessen Schranken mehr geschlossen waren als geöffnet, machmal bis zu zehn Minuten und länger; wenn ein Zug durch war, blieben sie weitere Minuten lang geschlossen, bis aus der Gegen- oder derselben Richtung der nächste kam, ehe sich die Schranken für nur wenige Minuten hoben. Warum man es vor gut hundert Jahren in Bonn versäumte, wie in den meisten anderen größeren Städten die Bahn höher zu legen, weiß ich nicht. Vielleicht gab es damals schon Bürgerinitiativen dagegen.

Gegenüber an der Straßenecke saßen mehrere junge Leute auf dem Gehweg, teilweise der Schuhe entledigt. Vermutlich hatten sie zuvor bei einem Umzug geholfen, ein daneben stehender Lieferwagen mit offenen Heckklappen deutete darauf hin. Angenehmes Lungern auch auf der Hofgartenwiese, in den Straßencafés und Eisdielen der Innenstadt, wie ich auf dem weiteren Weg sah.

Nach Rückkehr gab auch ich mich dem Lungern hin und las die Sonntagszeitung, darin heute nichts Bemerkenswertes, was hier zu notieren oder zitieren wäre. Doch, vielleicht dieses: Im Wirtschaftsteil – warum ausgerechnet dort, weiß ich nicht – Betrachtungen zur Unsterblichkeit, in deren Verlauf der Verfasser zu der Erkenntnis gelangt, dass das keine wünschenswerte Option ist. Dem stimme ich völlig zu.

Tagesfrage des Bloganbieters: »Was sind deine Lieblingsmarken und warum?« Ich habe keine Lieblingsmarken. Wenn mich ein Produkt aufgrund von Design und Funktion anspricht, kaufe ich es, vorausgesetzt, es besteht akuter Bedarf danach. Beispiel Turnschuhe: Ich besitze Paare beider Marken aus Herzogenaurach, sowohl mit den drei Streifen als auch der Großkatze in Logo und Namen. Ich würde kein Produkt gegenüber einem anderen nur wegen seiner Marke bevorzugen. Umgekehrt gibt es schon Marken, die ich bewusst meide. Seitenbacher und Kitchimea würde ich, wie bereits kürzlich dargelegt, allein schon wegen ihrer nervenzerrenden Werbung nicht kaufen. Außerdem niemals einen Porsche, das hat andere Gründe.

Was heute sonst noch ansteht: ein Anruf der Mutter in Bielefeld und Abendessen, Reste vom Grillen gestern Abend. Ob mit Weinbegleitung, werden wir sehen. Grundsätzlich bereit dazu wäre ich wieder.

Woche 17/2024: Schöne Aussicht und ein Gang nach Auerberg

Montag: Reisen machen mich nervös, sogar wenn andere sie tun. Morgens reiste der Liebste in die USA nach Atlanta, wo er bis nächste Woche beruflich zu tun hat. Was mich daran nervös machte war nicht die Angst vor einem Flugzeugunglück (obwohl er mit einer Boeing-Maschine flog), sondern die Anreise zum Flughafen Frankfurt, erst mit der Stadtbahn nach Siegburg, dann weiter mit dem ICE. Aufgrund persönlicher Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fand ich meine Sorge begründet, zumal er die spätest mögliche Stadtbahnverbindung wählte. Doch es lief alles zur Zufriedenheit, er kam gut und pünktlich an.

Der erste Arbeitstag im Mutterhaus nach viereinhalb Jahren Auslagerung verlief zufriedenstellend und weitgehend ohne Montäglichkeit. Auch das Gewusel auf dem Flur und in den Nebenbüros – nebenan telefonierte einer zu etwa achtzig Prozent seiner Arbeitszeit – störte mich weniger als befürchtet.

Blick aus meinem Büro über den Rheinauenpark auf das Siebengebirge

Beim Ausräumen meiner Schreibtischschubladen vergangene Woche fand ich eine noch fast volle Schachtel Altoids-Pfefferminzbonbons. Das freute mich ganz besonders, zumal mir schon vor längerer Zeit die örtlich Bezugsquelle abhanden gekommen ist. Vermutlich könnte ich sie beim großen A bestellen, doch bestelle ich dort aus grundsätzlicher Abneigung nichts; wenn es etwas nur beim großen A gibt, dann gibt es das für mich eben nicht.

Falls Sie die irgendwo sehen sollten, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.

Am Samstag hatte ich bei einem Hersteller von Modellautos per Kontaktformular wegen Ersatzteilen angefragt, nachdem bei einem Omnibusmodell durch Unachtsamkeit ein Rückspiegel abgefallen und vermutlich im Staubsauger verschwunden war. Heute kam per Mail die Antwort: Gerne schicke man mir die gewünschten Teile, gegen Zusendung von Briefmarken im Wert von sieben Euro. Bis in die Neunzigerjahre eine durchaus gängige Zahlungsmethode, heute mutet sie ein wenig extravagant an.

Dienstag: Nach eisiger Nacht war der Rhein morgens in Nebel gehüllt, während abseits davon blauer Himmel das Auge erfreute; aus der Kranichperspektive wird das recht beeindruckend gewesen sein, sofern Kraniche auf so etwas achten. Da ein vernebelter Rhein nicht sehr oft zu sehen ist, erlaube ich mir heute eine gewisse Bildlastigkeit.

Am Brassertufer
Blick auf Beuel, wenn es zu sehen wäre
Das übliche Wochenbild, ohne Hintergrund
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Der Bundesgalgen
Wie man sieht beziehungsweise nicht, war auch das Mutterhaus dicht umhüllt

Auf dem Rückweg stillte ich im Rheinpavillon spontane Lust auf ein Arbeitsendegetränk, wobei diese schon morgens auf dem Hinweg erwachte, als die Gaststätte noch geschlossen war. Zudem wäre es bedenklich, bereits vor acht Uhr Bier zu trinken. Währenddessen fuhr auf dem Rhein ein kleines Segelboot mit erheblicher Schräglage vorüber, mal neigte es sich nach Back-, mal nach Steuerbord, stets ausgeglichen durch die beiden Insassen, die sich auf der jeweils anderen Bordseite weit nach außen lehnten. Für mich wäre das nichts, schon gar nicht bei der derzeit herrschenden Kälte.

Luv oder Lee
Später kam eine alte Bekannte durch: Die Alisa, mit der wir im vergangenen Jahr auf dem Rhein kreuzfuhren

In der Fußgängerzone sah ich einen, der Passanten einen angeknitterten Pappbecher entgegen hielt und um Kleingeld anhielt. Kurz darauf begegnete mir ein anderer, ebenfalls mit einem Pappbecher in der Hand, nicht so knitterig wie der erste, gefüllt mit aufgecremtem Kaffee. Ich fragte mich, wie der wohl geschaut hätte, hätte ich dort Münzen eingeworfen.

Mittwoch: Wie ich erst nachmittags bemerkte, waren die beiden Umzugskartons aus dem alten Büro längst angeliefert, nur nicht wie darauf angegeben in mein neues Büro, sondern in einen Sammelraum den Gang runter, Servicewüste Deutschland. Egal, nach dem Auspacken und dekorativer Platzierung des Inhalts im Regal kommt eine gewisse Behaglichkeit auf, im Gegensatz zu den meisten anderen Büros ohne feste Bewohner.

Abends besuchte ich recht spontan eine Lesung, nachdem ich morgens durch die Zeitung darauf aufmerksam wurde. Sie fand statt in einer Kneipe unweit unserer Wohnung, die ich seit Jahren nicht mehr besucht hatte. Beim letzten Mal hieß sie noch anders und das Publikum war ein völlig anderes; soweit ich mich erinnere, hatten Damen keinen Zutritt. In den hinteren Räumen konnte Mann sich in einer Art und Weise vergnügen, die hier detailliert zu schildern womöglich gegen die Richtlinien des Bloganbieters verstößt.

Die Lesung (beziehungsweise der Poetry Slam, das Publikum stimmte per bei Gefallen hochgehaltener Fliegenklatsche ab), war unterhaltsam.

Auch die Fliesenbeschriftung über den Urinalen hat Niveau

Einer meiner Vorsätze lautet, nie wieder um die Wette zu lesen, nachdem ich bei einem ähnlichen Anlass vor Jahren grandios den letzten Platz belegt hatte. Dennoch habe ich mir heute einen Handzettel mit den nächsten Terminen und Kontaktdaten des Veranstalters eingesteckt, man soll niemals nie sagen.

Donnerstag: Aus terminlichen Gründen ließ es sich heute nicht vermeiden, die Kantine erst gegen zwölf aufzusuchen. Um diese Zeit ist der Andrang besonders groß, an manchen Tagen findet man dann kaum noch einen freien Platz. Ich hatte Glück und fand einen unbesetzten Zweiertisch, von wo aus ich gute Aussicht auf das hungrige Treiben hatte. Erkenntnis auch heute, wie kürzlich schon bemerkt: Das Platzproblem könnte deutlich gelindert werden, wenn die Leute nach dem Essen gehen würden, anstatt noch eine Viertelstunde und länger vor leer gegessenen Tellern sitzend zu quatschen.

Kennen Sie Gunkl? Sollten Sie. Er schreibt täglich tolle Sachen. Heute dieses:

Vermutlich bin ich nicht der erste, der sich überlegt, ob ein Feiertag fürs Universum, so er einmal eingeführt werden sollte, anders – jedenfalls glamouröser – benannt werden sollte als „Alltag“.

Tolles auch im General-Anzeiger:

Hier wäre wohl zunächst ein Kurs zu richtiges Schreiben angebracht.

Freitag: Resümee nach einer Woche Mutterhaus: Trotz permanentem Gemurmel aus den Nebenbüros fühle ich mich dort wieder wohl, die Sehnsucht zurück in die behagliche Ruhe des bisherigen Gebäudes ist gering. Die Aussicht auf das Siebengebirge entschädigt für vieles. Ein wenig gewöhnen muss ich mich noch daran, dass nebenan ständig die Kollegen wechseln. Ich bin einer der wenigen mit festem Arbeitsplatz, man kann sich das aussuchen: Entweder bis zu drei Tage in der Woche Heimbüro, dafür keinen festen Schreibtisch, oder jeden Tag ins Büro kommen. Da musste ich nicht lange überlegen. Auch der zweite Platz in meinem Büro ist flexibel belegt. In dieser Woche war nur zweimal wer da, beide waren sehr verträglich. Im Übrigen gilt, wie die geschätzte Mitbloggerin Frau Novemberregen schon vor einigen Wochen schrieb: Es ist ein Arbeitsplatz, keine Tagespflege.

Samstag: Der Frühling ist zurückgekehrt mit Sonnenschein und milder Luft. Das veranlasste mich am Nachmittag zu einem längeren Spaziergang nach Bonn-Auerberg. Nicht, weil das ein besonderes schöner Stadtteil wäre, eher im Gegenteil, die Auerberger mögen mir verzeihen, sondern weil mir wieder eingefallen war, vor längerer Zeit mal im Netz recherchiert zu haben, dass der dortige Rossmann Altoids-Bonbons im Sortiment hatte, siehe Montag. Leider nur hatte, jetzt hat er nicht mehr. Dafür immerhin ein ähnliches Produkt eines anderen Herstellers, ebenfalls in einer dekorativen Blechschachtel. Somit war der Gang nach Auerberg nicht vergeblich. Wobei ein Spaziergang ohnehin nie vergeblich ist, auch nicht nach Auerberg.

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Wahlkampf

Sonntag: Nach spätem Frühstück fuhr ich mit der Bahn nach Bonn-Duisdorf, um eine Modellbahnbörse zu besuchen. Damit war ich schnell durch, es war nichts Kauflust erregendes im Angebot, das ist nicht schlimm. Zurück ging es zu Fuß durch das Messdorfer Feld, damit war der Sonntagsspaziergang auch erledigt. Mehr gibt es über den Tag nicht zu berichten, das ist auch nicht schlimm.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 16/2024: Heftiger April, Wanderlust und ein Umzug

Montag: „Ganz NRW ist stolz auf Leverkusen“ lobte der Ministerpräsident die örtliche Fußballmannschaft, die offenbar irgendwas gewonnen hat. Dem erlaube ich mir zu widersprechen. Ich gönne allen, die aktiv daran beteiligt waren sowie allen anderen, denen es was bedeutet, diesen Sieg, doch warum sollte er mich mit Stolz erfüllen? Ich habe nichts dazu beigetragen.

Die letzte Woche in meinem jetzigen Büro ist angebrochen. Vor viereinhalb Jahren zogen wir auf Wunsch und Weisung des damaligen Chefchefs vom nahen Mutterhaus in dieses Gebäude. Das fand ich erst blöd, allein schon wegen der Aussicht auf den Rhein vom bisherigen Schreibtisch aus, doch nach dem Umzug fühlte ich mich hier von Anfang an sehr wohl, weil es im Gegensatz zum Mutterhaus sehr ruhig ist. (Noch ruhiger wurde es mit Corona, darauf hätte ich gerne verzichtet.) Ab kommender Woche sind wir wieder drüben, daran werde ich mich gewöhnen müssen, vor allem die Menschengeräusche. Ein wenig freue ich mich auch drauf, allein schon wegen der Aussicht.

Nachmittags zeigte sich das Wetter sehr unfreundlich, Windböen umwehten das Werk, die App kündete von stärkerem Regen, der auf dem Bildschirm schon fiel, während es hinter dem Fenster noch trocken war. Das motivierte mich zu einem zeitigen Arbeitsende, was sich als gute Entscheidung erwies: Etwa eine halbe Stunde nach Heimkehr setzte erhebliches Brausen und Tosen an, das vom Sofa aus wesentlich angenehmer anzuschauen war als vom Fahrradsattel.

Übrigens ist die Rheinnixe wieder da; als ich gegen den Wind und mit bangem Blick gegen dunkles Gewölk nach Hause radelte, lag sie wieder an ihrem Anlegeplatz vor dem Rheinpavillon, als wäre sie nie weg gewesen.

Später zeigte sich aprilgemäß wieder die Sonne

Dienstag: Auch heute heftiger April. Morgens kam ich noch trocken zu Fuß ins Werk, die meiste Zeit mit tief in den Hosentaschen vergrabenen Händen, weil die Temperatur nach der Regenfront gestern Nachmittag (die Zeitung nennt es „Gewittersturm“, obwohl es meines Wissens weder geblitzt noch gedonnert hatte, Drama muss sein) deutlich gesunken ist. Nach Ankunft im Büro verdunkelte es sich, bald schlug starker Regen gegen die Fenster und labte die ergrünte Flora. Keine guten Aussichten für den geplanten Wandertag am Donnerstag.

Kalt
Da ist sie wieder

„Wer hat für das Thema die Hosen an?“ sagte eine in der Besprechung.

Abends holte ich Döner für uns. Auf dem Rückweg hörte ich einen zum anderen sagen: „Du kannst dich influencen lassen oder eben nicht.“ Vorher stellte ich fest, dass der schöne große Regenschirm, den mir die Lieben letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatten, nicht an seinem Platz hing. Da ich ihn als Einziger benutzt habe, liegt es nahe, dass ich es war, der ihn irgendwo vergaß. Wenn ich nur wüsste, wo.

Mittwoch: »Glück ist, wenn das Orchester einsetzt«, steht auf Werbeplakaten für eine örtliche Musikveranstaltung, darauf ein augenscheinlich glücklicher Dirigent. Wobei Zweifel aufkommen an seiner Kompetenz und Autorität, wenn das Anheben der Instrumente Glückssache ist.

Das Rätsel der Rheinnixe ist teilgelöst: Laut Zeitungsbericht war sie am Wochenende in der Werft, sie soll demnächst verkauft werden. Vollständig geklärt ist der Verbleib des Regenschirms: Ich vergaß ihn vergangene Woche beim Friseur, wo ich ihn heute unversehrt abholen konnte.

Der Schauspieler Wichart von Roël ist gestern gestorben. Wieder ein Ach-der-lebte-noch?-Moment. Die Älteren kennen ihn vielleicht noch als Opa in der legendären Klimbim-Familie, „Damals in den Ardennen“ und so. Auch eine Art von Humor, die heute, wenn überhaupt, allenfalls mit vorangestelltem Warnhinweis auf mögliche moralische Bedenklichkeiten gesendet würde.

Abends besuchte ich erstmals das Treffen der Bonner Ortsgruppe vom Bundesverband junger Autoren und Autorinnen e.V. (BVjA). Der Schwerpunkt lag eindeutig bei den Autorinnen, ich war der einzige anwesende – nun ja: Autor, das war nicht schlimm. Auch trete ich den anwesenden Damen wohl nicht zu nahe, wenn ich meiner Freude Ausdruck verleihe darüber, dass das j im Vereinskürzel aus gutem Grund klein geschrieben ist; soweit ich es sah, hob ich den Altersdurchschnitt durch meine Anwesenheit nicht wesentlich an.

Gehört zum Thema Ernährung: „Ich bin der Überzeugung, der Mensch ist gebaut wie ein Schwein.“ Bei manchen beschränkt sich das nicht auf die Bauweise, wäre ohne jeden Bezug auf Anwesende zu ergänzen.

Donnerstag: Der erste Inseltag des Jahres, also ein freier Tag zwischendurch. Bis zuletzt war aus Wettergründen offen, ob ich wie geplant wandern kann. Da es morgens trocken war und die Wetter-App für den weiteren Tag keine Regenfälle in Aussicht stellte, entschied ich mich für die Wanderung: dritte Rheinsteig-Etappe von Linz nach Bad Honnef, die ich vor drei Jahren (so lange ist das schon wieder her) schon einmal gelaufen war, in umgekehrter Richtung. Dabei hatte ich mich an einer Stelle gründlich verlaufen und es erst so spät bemerkt, dass auch die Wander-App nichts mehr retten konnte, es sei denn, ich wäre einige Kilometer zurück gegangen, das wollte ich nicht. Deshalb die Strecke heute nochmal, nur andersrum.

Nach Ankunft mit der Bahn in Linz ein kleines Frühstück (Rosinenschnecke und Kaffee) in einem Café, bevor es losging: Immer den blau-weißen Wegmarkierungen nach, die offenbar erst kürzlich erneuert worden sind; nur wenige Male benötigte ich die App, um nicht vom rechten Wege abzukommen. Immer wieder erstaunlich, wie neu eine Wegstrecke erscheint, wenn man sie andersrum geht. Die Entscheidung für die Wanderung heute war richtig: Das Wetter blieb trocken bis auf wenige Regentropfen gegen Mittag, die die Wanderlust nicht zu trüben vermochten, erst etwas kühl, was sich mit der ersten längeren Steigungsstrecke verlor, immer wieder zeigte sich auch die Sonne. Erkenntnis, wenn auch keine neue: Weniges ist beglückender, als frisch ergrünende, vögelbesungene Wälder zu durchstreifen.

Vergangene Pracht oberhalb von Linz
Hier meinte man es besonders gut mit der Wegweisung
Blick von der Erpeler Ley: rechts der namensgebende Ort, gegenüber Remagen
Insgesamt vier Trafotürme für die Sammlung säumten den Weg. Ein besonders schöner in Orsberg.
Beglückendes Grün
Allee oberhalb von Unkel
Moosansicht

Als am Nachmittag das Etappenziel Bad Honnef erreicht war, schien mir das zu früh zum Aufhören, obwohl ich da schon fünf Stunden gewandert war. Deshalb entschied ich mich, eine Teilstrecke der zweiten Etappe (Bad Honnef – Königswinter) anzuhängen, die beim letzten Mal im Juli 2020 wegen offenbar kurz zuvor gefällter, kreuz und quer auf den Wegen herumliegender Baumstämme und von Fahrzeugen zerfurchter Wege unpassierbar gewesen war.

Danach reichte es. Die Füße verlangten nach einer Pause, der Magen nach Nahrung. Beides fand sich in einem Imbisslokal in Bad Honnef. Manchmal lautet die einzig sinnvolle Antwort auf alle Fragen: Currywurst mit Pommes, dazu ein Weißbier.

Freitag: Anscheinend hatten die für das Wetter zuständigen höheren Mächte gestern Rücksicht genommen auf meine Wanderabsichten, bereits heute regnete und wehte es wieder heftig, deshalb war die Stadtbahn Verkehrsmittel der Wahl.

„Das ist – sportlich dürfen wir ja nicht mehr sagen – herausfordernd“, sagte eine in der Besprechung. Wer hat das wann verfügt? Warum wurde der Gebrauch von herausfordernd nicht gleich mit verboten? Ich hätte da noch ein paar weitere Vorschläge.

Es sportlich zu nennen wäre übertrieben, jedenfalls blieb ich in Bewegung, weil von unsichtbaren Mächten gesteuert die Sonnenschutz-Jalousien mehrfach versuchten, herunterzufahren, was mangels Sonnenschein besonders unsinnig war. Um sie daran zu hindern, musste ich mich jedes Mal zum Schalter neben der Bürotür begeben und sie wieder hochfahren. Anscheinend ein weiter verbreitetes Phänomen, wie bei Frau Kaltmamsell zu lesen ist.

Nachmittags bezog ich mein Büro im Mutterhaus und begann, mich einzurichten. Als erstes baute ich den zweiten Monitor ab, weil er für mein Empfinden zu viel Platz auf dem Schreibtisch beanspruchte und schon auf einem genug Unbill erscheint. Ich weiß nicht, wozu so viele mittlerweile mindestens zwei Bildschirme und ein aufgeklapptes Laptop benötigen. Die Aussicht auf Rhein, Siebengebirge und Bad Godesberg ist erfreulich, heute war sie durch heftigen Regen getrübt. Alles Weitere kommende Woche, sofern die beiden Umzugskartons aus dem bisherigen Büro gebracht werden. Es hat keine Eile.

Samstag: Morgens spielten sie bei WDR 2 wieder dieses Jerusalema-Lied. Seit den frühen Achtzigern bis vor nicht langer Zeit war WDR 2 ein von mir bevorzugt gehörter Radiosender, gerade auch wegen der Musik, das erwähnte ich sicher schon. Das hat sich geändert, seit man auch dort als Hörer ungefragt geduzt wird. Ein weiterer Grund ist vorgenanntes Lied, ich finde es gar grauenvoll, es steht auf meiner ungeschriebenen Liste der Radioabschaltgründe gleich hinter dem Wellerman und noch vor Giesingers frustrierter tanzender Mutter.

Herzlichen Glückwunsch dem Liebsten zum Geburtstag und allen, die Wiho heißen, zum Namenstag. Aus erstem Anlass suchten wir abends ein (für uns) neues Restaurant in der Nordstadt auf. Wir waren sehr zufrieden mit Qualität, Service, Preisen und voraussichtlich nicht zum letzten Mal dort.

Sonntag: Katja Scholtz in der FAS über den Verzehr von Meeresgetier:

»… ich habe es genau beobachtet in französischen Restaurants — man benötigt ein kompliziertes Operationsbesteck, lebenslange Erfahrung und vor allem sehr viel Geduld, um aus winzigen Krustentierenscheren zwei Milligramm Fleisch herauszufriemeln und dabei auch noch gut auszusehen.«

Das kenne ich gut.

Während des Spazierganges sah ich ein rätselhaftes Verkehrsschild:

Wer oder was ist frei? Halbierte Autos?

Da hat wohl jemand zu viel Pantothensäure verabreicht bekommen:

Auf einer Schachtel mit Vitaminpillen

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Kommen Sie gut durch die Woche. Ziehen Sie sich warm an, es soll kalt werden.

Woche 15/2024: Sprich ens schön

Montag: Der April bringt dieses Jahr eine Art Vorsommer mit sich, jedenfalls ab Mittag; morgens war noch die leichte Daunenjacke angebracht, nachmittags zurück wäre ein T- oder Poloshirt ausreichend gewesen. Das führte auf der Heimfahrt zu einer etwas kuriosen Situation, die vermutlich nur ich wahrgenommen habe: Während ich mit Jacke bekleidet zurück radelte, weil ich zuvor zu bequem gewesen war, sie anderweitig zu verstauen, ich weiß, eine äußerst faule Begründung, aber so war es, kam mir auf der Gegenspur ein Radler mit freiem Oberkörper entgegen. Spätestens da wurde mir heiß.

Dienstag: Bereits gegen halb fünf wachte ich auf und schlief nicht wieder ein. In dieser Zeit kam mir eine fabelhafte Schreibidee.

Zu Fuß ins Werk wie dienstagsüblich, wegen Regengefahr nicht am Rheinufer entlang, sondern an der Adenauerallee, um im Niederschlagsfalle rasch in die nächste Stadtbahnhaltestelle huschen zu können. Jedoch bestand kein Huschbedarf, die paar Regentropfen konnte der Schirm abwehren, so dass ich trockenen Fußes und Hosenbeins das Büro erreichte.

Auf der Adenauerallee, die, wie berichtet, zugunsten der Fahrräder von vier auf zwei Kraftfahrspuren reduziert wurde, war auch heute nichts von den vielbeschrienen Staus zu sehen, der Verkehr floss flüssig dahin.

Mittwoch: Frühmorgens wurde ich im Traume von einem Unbekannten an den Füßen aus dem Bett gezerrt. Beim Aufwachen schlug ich auf den Liebsten neben mir ein, vielleicht war er deswegen heute Morgen ein wenig unleidlich. Danach lag ich längere Zeit wach, ehe ich wieder einschlief. Während des Wachens stellte sich keine neue Schreibidee ein; immerhin ergab sich daraus diese Notiz.

Verkehrsbeobachtung: Immer wieder drollig, wenn Autofahrer glauben, indem sie mehrfach ein paar Zentimeter verrollen, könnten sie die Ampel zum Ergrünen bewegen.

Donnerstag: Auch heute wachte ich vorzeitig auf, immerhin erst kurz nach fünf. Was ist nur los mit meinem Schlaf? Vielleicht zu wenig Alkohol, den letzten gab es am Sonntagnachmittag. Ob ich danach wieder einschlief, kann ich nicht sicher sagen. Manchmal meint man ja, man hätte stundenlang wach gelegen, obwohl man zwischendurch schlief, ohne es zu merken.

Die Rheinnixe ist weg. Wie berichtet lag sie nach ihrer Außerbetriebnahme erst längere Zeit am Beueler Ufer, vor einigen Monaten wurde sie verlegt an ihre alte linksrheinische Anlegestelle, warum auch immer. Nun ist sie verschwunden. Leb wohl, kleine Personenfähre, die ich nur selten nutzte. Hoffentlich tut man dir nichts Böses.

Vorletzte Woche Dienstag
Heute Nachmittag

Freitag: Heute vor fünfundzwanzig Jahren zog ich von Bielefeld nach Bonn, wie die Zeit vergeht. Während der Fahrt wurde im Autoradio von dem schweren Unfall bei der Wuppertaler Schwebebahn mit Toten und Verletzten berichtet, das sich am Morgen desselben Tages ereignet hatte. Deshalb werde ich beides immer miteinander in Verbindung bringen, wenngleich es außer dem Datum keine gibt.

Vormittags auf der Betriebsversammlung sagte der Personalvorstand einen klugen Satz zu Work-Live-Balance, den ich nur sinngemäß wiedergeben kann: „Das bedeutet: hier Arbeit, da Leben. Im Idealfall lebt man auch während der Arbeit.“

„Laufen Sie am Wochenende auch Marathon?“, fragte mich mittags der Mann hinter dem Postschalter. Anschließend lachten wir beide herzlich.

Wer noch wegen der Kirschblüte nach Bonn zu reisen beabsichtigt, sollte sich beeilen

Samstag: »Wo verbringst du die Ewigkeit?«, fragt eine sich Seelenretter nennende Gruppierung per Banner hinter einem Flugzeug, das vormittags beim Balkon-Frühstück über die Innenstadt flog. Darüber habe ich mir bislang keine Gedanken gemacht, zumal ich davon ausgehe, dass die Ewigkeit ohne mich beziehungsweise meine möglicherweise rettungsbedürftige Seele ganz gut klarkommen wird.

»Wo siehst du dich in zehn Jahren?« lautet thematisch ähnlich die Tagesfrage. Vorausgesetzt, ich lebe dann noch, was keineswegs sicher ist, wie im aktuellen SPIEGEL zu lesen ist, sind wir der Auslöschung durch einen Atomkrieg näher als je zuvor, auf jeden Fall im Ruhestand. Alles andere wird man dann sehen.

Aus der Reihe Dat is rheinisch in der Tageszeitung: „Sprich ens schön!“ ermahnten rheinländische Eltern früher ihre Kinder, hochdeutsch zu reden, um außerhalb familiärer Runde einen guten Eindruck zu hinterlassen, etwa wenn man zu Besuch war. Ein Satz, der sich auch gut in Besprechungen anbringen ließe, wenn eine, wie erst gestern gehört, so etwas sagt wie „Wir sind gut ongeboardet“.

Übrigens: Der Gebrauch von „natürlich“ ist meistens genau so überflüssig wie „eigentlich“. „Tatsächlich“ sowieso.

Nach dem Frühstück zog es mich raus in die Stadt, zum einen wegen des sommerlichen Wetters, zum anderen weil der Geliebte umfangreiche Raumpflegeabsichten hegte, da will man nicht im Wege sitzen. Außerdem beabsichtigte ich, mir weiße Turnschuhe zu kaufen, da die alten mittlerweile rissig geworden sind. Ich bin nicht der Meinung, dass man mit siebenundfünfzig unbedingt weiße Turnschuhe benötigt, aber heute war mir danach, es ist nicht immer alles rational zu erklären.

Nach Erwerb der Schuhe, die ich ohne langes Suchen sofort im ersten Laden fand, verließ ich das Menschengewusel der Fußgängerzone und setzte mich auf eine Bank am Rheinufer, um Blogs zu lesen. Dabei hob ich immer wieder den Blick, um zu sehen, was es sonst noch zu sehen gab. Unter anderem auf dem Rhein einen Wassersportler auf einem Brett etwa von der Größe eines Skateboards, das, mutmaßlich elektrisch angetrieben, gut eine Handbreite über dem Wasser zu schweben schien. Was es alles gibt.

Sie können nicht anders
Begleitgetränk bei Niederschrift. Für manches ist es nie zu früh.

Sonntag: In Bonn ist Marathonlauf. Auch einem an Sportereignissen Uninteressierten wie mir entgeht das nicht, etwa durch zahlreiche Menschen zu Fuß und Rad in der Stadt mit Insignien der Teilnahme wie Trikot, Startnummer, Rucksack und Umhängeband in den Farben des großen Sponsors, der, nebenbei bemerkt, auch mich seit vielen Jahren sehr zuverlässig sponsort, wenn auch nicht für Marathonlaufen. Das ist überhaupt das Beste an so einem Lauf, die Teilnahme ist völlig freiwillig.

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In einer Nebenstraße zur Laufstrecke war der Gehweg trotz eindeutiger Halteverbotskennzeichnung durch zahlreiche Autos zugeparkt, die meisten bereits mit einem Gruß des Ordnungsamts unter dem Scheibenwischer. Das führt vielleicht wieder, wie bereits bei anderen Anlässen geschehen, zu Empörungsäußerungen gegen die Stadt mit der absurden Begründung, man habe doch immer zu Marathon dort geparkt, niemals hätte man dafür einen Strafzettel erhalten. Regelverstoß als Gewohnheitsrecht.

Auch so eine dumme Gewohnheit

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Gut gemeint – eine Fabel

Die alte Eule hatte ihr Leben weitgehend gelebt. Nachdem der alte Euler erst erkrankt, dann gestorben war, hatte sie die gemeinsame Wohnhöhle verlassen und sich im selben Wald eine neue, kleinere gesucht. Darin hatte sie sich behaglich eingerichtet und fühlte sie sich sehr wohl. Sie blühte noch einmal auf, den alten Euler vermisste sie nicht allzu sehr. Sie war noch im Besitz ihrer Kräfte, fing sich Mäuse, besuchte die anderen alten Eulen im Wald oder empfing sie bei sich in ihrer gemütlichen Höhle. Ihre Kinder waren schon lange ausgeflogen in andere, entfernte Wälder, wo sie ihr eigenes Leben lebten. Manchmal besuchten sie die alte Eule, dann freute sie sich. Wenn sie danach wieder weg waren, freute sie sich auch.

Eines Tage lernte die alte Eule bei einem Ausflug im Wald die junge Elster kennen, sie freundeten sich an. Von da an kam die Elster häufig zu Besuch, sie brachte der Eule Mäuse und andere Leckereien mit, auf dass die Eule nicht mehr selber jagen musste. Manchmal, wenn es der Eule nicht so gut ging, blieb die Elster über Nacht bei ihr; wenn die Eule zu Doktor Uhu musste, kam die Elster mit und gab dem Doktor Ratschläge, was der Eule fehlte. Bald sah man die beiden nur noch gemeinsam. Die anderen Tiere im Wald fragten sich, warum die alte Eule nur noch in elsterlicher Begleitung anzutreffen war. Kam sie nicht mehr allein zurecht?

Manchmal, wenn die Elster bei ihr war und auf sie einschnatterte, wünschte sich die Eule Ruhe, mehr Zeit allein mit sich. Auch merkte sie, wie für sie das Mäusefangen immer beschwerlicher wurde, da sie zunehmend aus der Übung kam. Manchmal stritten sie sich, was die Eule sehr traurig machte; früher hatte sie sich nie gestritten, selbst die Marotten des alten Eulers hatte sie stets mit Gleichmut ertragen. Dann flog die Elster weg, kehrte aber bald zurück.

„Sollen wir mit der Elster mal ein ernstes Wort reden?“, fragten die Eulenkinder, als sie zu Besuch waren. Nein, das wollte die Eule nicht, tat doch die Elster so viel für sie, viel mehr, als die Kinder von ihren fernen Wäldern aus zu tun vermochten, und wofür sie der Elster sehr dankbar waren. „Komm in unseren Wald, dort ist es auch schön. Dann bist du in unserer Nähe“, sagte der eine Eulensohn. Das wollte die Eule auch nicht, zu sehr hätte sie ihre Höhle, ihren Wald und die anderen alten Eulen vermisst. Doch die wurden immer weniger, eine nach der anderen starb oder wurde vom Fuchs geholt. Auch für sie würde vielleicht bald die letzte Nacht anbrechen, aus der kein neuer Tag erwacht. Bis dahin hätte sie gerne, wenigstens ab und zu, in Ruhe weitergelebt. Und die eine oder andere Maus selbst gefangen, damit sie es nicht ganz verlernt.

***

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen, Eulen und Elstern können nicht ganz ausgeschlossen werden.

Woche 14/2024: Voller Einsatz und ein spontanes Wiedersehen

Montag: Mein Dank gilt der Christenheit für diesen weiteren arbeitsfreien Tag*. Da morgens anhaltender Regen auf das Fensterbrett vor dem Schlafzimmer prasselte und keine besonderen Verpflichtungen anstanden, blieben wir auch heute etwas länger liegen. Das Frühstück begann erst, als in anderen Haushalten schon das Osterlamm (oder der -blumenkohl, je nach Ernährungsgewohnheiten) aufgetischt wurde.

Danach hielten mich Regen und Feiertag nicht davon ab, Flaschen zum Altglascontainer zu bringen, wir waren diesbezüglich seit Rückkehr aus Frankreich recht produktiv. (Dort im Übrigen auch, jedoch kümmerten sich andere um die Entsorgung geleerter Flaschen.) Ich weiß, an Feiertagen darf man keine Flaschen einwerfen, doch schert mich das nicht: Erstens befindet sich in Hörweite der Container keine Wohnbebauung, zweitens ist es Motorrädern auch an allen Tagen erlaubt, ungehemmt durch die Gegend zu knallen.

Die Entsorgung verband ich mit einem Spaziergang an den Rhein und durch die Innere Nordstadt, die auch heute von Kirschblütenbegeisterten gut besucht war, nicht ganz so stark wie an den Vortagen. Dabei wunderte ich mich über mehrere Menschen, die trotz Trübnis Sonnenbrille trugen.

* Gab es schon Überlegungen, nur noch Kirchenmitgliedern den freien Tag zu gewähren, um den zunehmenden Kirchenaustritten zu begegnen und die darbende Wirtschaft zu stärken? Nur ein Gedanke, um Himmels Willen kein Vorschlag an gesetzgebende Stellen oder die FDP.

Dienstag: Wie üblich nach einem Urlaub kostete es am ersten Arbeitstag wieder erhebliche Energie, Interesse aufzubringen, für was zu interessieren ich gut bezahlt werde. Hinzu kam ab Mittag schwere Müdigkeit, zumal ich in der letzten Nacht nicht sehr gut geschlafen hatte. Zudem mutet ein leichtes Kratzen im hinteren Rachen wie der Beginn einer neuen Erkältung an, was ich, da die alte kaum vollständig abgeklungen ist, dem Körper persönlich übel nehmen würde.

Ansonsten zeigte sich der Arbeitstag gnädig: die Zahl der Mails überschaubar, darunter keine heute zu erledigenden Dringlichkeiten, nur eine Besprechung. Ab morgen dann wieder voller Einsatz.

Woanders is‘ auch sch …
Verstehe ich nicht

Mittwoch: Wegen Regens nahm ich morgens die Bahn. Am Hauptbahnhof stieg ein mitteljunges Paar mit geöffneten Handbieren ein, setzte sich in die Vierergruppe neben meiner und begann, sich über einen offenbar unwohlmeinenden Kioskbesitzer auszulassen, unter anderem fiel das Wort „Gammler“. Kurz darauf setzte sich ein junger Mann ihnen gegenüber, der sogleich ins Gespräch einbezogen wurde, indem sie ihm als erstes Bier anboten, das er dankend ablehnte mit Hinweis auf anstehende Werktätigkeit. Sie ließen nicht locker und entlockten ihm, dass er ein in Bonn geborener und lebender Kroate ist, woraufhin der Mann sagte: „Kroatien … da fällt mir gleich Cevapcici ein. Isst du gerne Cevapcici, oder ist die Frage diskriminierend?“ – „Fühlst du dich mehr als Deutscher oder Kroate?“ – „Wenn Deutschland gegen Kroatien Fußball spielt, für wen bist du dann?“ So ging das weiter, geduldig und schüchtern beantwortete der Junge alle Fragen. Ich bewunderte ihn, gleichzeitig tat er mir leid. Ich an seiner Stelle hätte mir wohl einen anderen Platz gesucht oder wäre ausgestiegen und mit der nächsten Bahn weitergefahren. Womöglich sind Kroaten geselliger oder toleranter gegen dummes Geschwätz als Ostwestfalen, aber vermutlich ist das wieder eine unzulässige Verallgemeinerung.

Im Büro der übliche Kram. Wenn eine Mail beginnt mit »Hi, wie beim letzten Meeting zum Thema schon anmoderiert«, tendiert meine Lust zum Weiterlesen gegen Zero.

Es ist nicht mehr zu übersehen: Diese Spezies wird zunehmend irre. Wenn Sie mal wirklich nichts besseres zu tun haben, rufen Sie den angegebenen Link auf, das ist recht unterhaltsam zu lesen.

Donnerstag: Die Tage las ich einen interessanten Artikel darüber, dass Produkte durch scheinbare Innovationen für den Anwender schlechter werden. Als Beispiele wurden Herde und Autoarmaturen genannt, die statt über klassische Drehknöpfe und Schieberegler nur noch über unverständliche Displays zu bedienen sind.

Ähnliches erfuhr ich gestern, als Microsoft mir vorschlug, die App To Do zu verwenden statt der Outlook-Aufgabenverwaltung, die mir ein wichtiges Werkzeug bei der täglichen Werktätigkeit ist. Neuerungen gegenüber durchaus aufgeschlossen stimmte ich zu und war sogleich enttäuscht, was nicht oder allenfalls sehr entfernt an der Bezeichnung der App lag. Sie ist unübersichtlich, ich vermisse die Gruppierung nach „Nicht begonnen“, „In Bearbeitung“, „Wartet auf anderen“ usw., auch empfand ich die Nutzung als wenig selbsterklärend. Daher nutze ich ab heute wieder die Outlook-Funktion und bin damit sehr zufrieden.

»Welche olympischen Sportarten siehst du dir am liebsten an?« lautet die Frage des Tages. Da fragen sie den Richtigen. Mangels Interesse schaue ich mir niemals sportliche Aktivitäten irgendwelcher Werbeträger an. Hinzu kommt, ich halte das IOC für eine korrupte Verbrecherbande, genauso die FIFA. Aber wenn man mich unter Gewaltandrohung und Alkoholentzug zwingen würde, wähle ich Turmspringen der Männer. Nicht aus sportlichem Interesse, rein aus optischen Gründen.

Freitag: Aus zeitlichen Gründen war es mir heute nicht möglich, mich an der Aktion #WMDEDGT von Frau Brüllen zu beteiligen. Das ist nicht als Klage zu verstehen, ganz im Gegenteil. Grund war ein recht spontanes Wiedersehen am Nachmittag und Abend mit der lieben Blogfreundin Frau Kraulquappe, über das ich mich sehr freute.

Foto: Der Liebste

Samstag: Lästige Vereinspflichten erforderten unzeitiges Aufstehen in der Frühe und eine Autofahrt nach Ostwestfalen. Beides, sowohl die Fahrt als auch die Pflicht, verliefen zufriedenstellend; im Anschluss besuchte ich die Mutter in Bielefeld, mit der ich einen erfreulichen Abend zu zweit verbrachte. An dessen Ende saßen wir in milder Abendluft mit einem Abendglas auf dem Balkon und schauten, die Straßenbahnendhaltestelle in Sichtweite, den Bahnen beim Ankommen und Abfahren zu. Das war sehr schön.

Pöter (m), ostwestfälsche Bezeichnung für eine hintere südliche Körperregion

Sonntag: Auch die Rückfahrt verlief ohne nennenswerte Ereignisse, noch vor Einsetzen des Oster-Rückreiseverkehrs kam ich nach gut zwei Stunden in Bonn an. Gleichwohl wurde meine grundsätzliche Abneigung gegen das Autofahren bestätigt. Augenscheinlich ist es nicht mehr erforderlich, beabsichtigte Fahrstreifenwechsel zuvor durch Blinken anzukündigen; die diesbezügliche Anpassung der Straßenverkehrsordnung muss mir entgangen sein.

Apropos Autobahn: Hat unser großartiger Verkehrsminister wirklich geäußert, ein Tempolimit sei schon deshalb nicht sinnvoll, weil der dadurch entgangene Zeitgewinn viele Autofahrer dazu bewegen würde, stattdessen die kürzere Strecke über die Dörfer zu wählen, das wäre der Landbevölkerung nicht zuzumuten?* Das ist ja noch besser als das Argument fehlender Verkehrsschilder vor einiger Zeit, Sie erinnern sich vielleicht. Fast kommt es heran an den von Marie Antoinette mutmaßlich nie gesagten Satz mit dem Brot und dem Kuchen. Es ist offensichtlich: Die FDP will uns hinter die Fichte führen.

*Aufgelesen hier im LandLebenBlog

Nach Rückkehr und kurzem Erlebnisaustausch mit meinen Lieben begab ich mich auf den üblichen Spaziergang, nach längerer Autofahrt besonders erforderlich. Die Innere Nordstadt lockt weiterhin zahlreiche Kirschblütenposer aus aller Welt, doch nicht mehr lange: Die ersten grünen Blätter wachsen aus dem pinken Gewölk, die Blütenblätter werden blasser und beginnen, abzufallen.

Jeder ist auf seine Art bekloppt

Der Lieblingsbiergarten hat seit gestern wieder geöffnet, das freut mich besonders. Dort hielt ich Einkehr auf ein Dunkles mit Brezen und las die Blogs der letzten drei Tage nach, wozu ich bislang nicht kam. Man war wieder überaus fleißig.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, lassen Sie sich hinter keine Fichte führen, weder von der FDP noch sonst wem.

Woche 13/2024: Nahezu unerschütterliche Höflichkeit und instagramable Gesichtszüge

Montag: Da man auch im Burgund nicht permanent nur essen und Wein trinken kann, liehen der Liebste und ich uns heute die hoteleigenen Fahrräder und fuhren damit durch Weinberge und -dörfer bis ins etwa fünfundzwanzig Kilometer entfernte Santenay, nach kurzer Rast mit Pain au chocolat und Rosinenschnecke (ohne Weinbegleitung) aus der örtlichen Boulangerie wieder zurück. Wie bereits im letzten Sommerurlaub wusste ich die bedarfsweise Unterstützung durch einen Elektroantrieb bei solchen Touren wieder sehr zu schätzen.

In den Weinbergen wurde emsig gearbeitet an den noch blattlosen Reben, auf dass der Jahrgang 2024 gelinge und von Kennern zu Höchstpreisen gekauft werde. Währenddessen stellte ich mir vor, statt Wein würde man seit Jahrhunderten Hanf anbauen und in Deutschland würde jetzt über die Legalisierung von Alkohol debattiert.

Kirschblüte bei Meursault
Vergangene Pracht in Meursault
‎⁨Chassagne-Montrachet⁩
Bei ‎⁨Chassagne-Montrachet⁩
Nicht nur dieser Ort steht zurzeit Kopf. Mehr dazu bei Bedarf hier.

Der Geliebte blieb unterdessen in Beaune und kaufte den hiesigen Lidl leer, auf dass wir am Samstag nicht mit zu viel Luft im Wagen nach Hause fahren.

Dienstag: Im Gegensatz zu gestern zeigte sich der Tag regnerisch-trüb. Nach dem deutlich späteren Frühstück begaben wir uns in die örtliche Kultur, genauer ins Cité des Climats et vins de Bourgogne, ein neu gebautes Informationszentrum über, wie sollte es anders sein: Wein. Thematisch reicht die gut gemachte, teilweise interaktive Ausstellung von der erdgeschichtlichen Entstehung der Region über Anbau und Herstellung bis zum korrekten Servieren von Wein und Cremant, wobei über den weit verbreiteten Irrtum aufgeklärt wird, Rotwein und Käse seien natürliche Verbündete; zu vielen Käsesorten passt Weißwein viel besser. Damit die Wissensvermittlung nicht zu theoretisch-trocken bleibt, wird auch ein Probierschlückchen gereicht.

Une œvre d’art
Die Bedürfniseinrichtungen in der zugehörigen Gastronomie sind sehr sauber

Mittwoch: Mindestens zweimal fand ich heute das Verhalten von Menschen, sagen wir: bemerkenswert. Zuerst im Frühstücksraum des Hotels, wo sich morgens eine größere Gruppe aufhielt, deren Mitglieder sich offenbar kannten, vielleicht Angehörige derselben Firma auf einer geschäftlichen Veranstaltung. Nach vollzogenem Frühstück hielt man sich noch länger auf, lief von Tisch zu Tisch und blieb dort schwatzend stehen. Eine Frau stand längere Zeit direkt an unserem Tisch und telefonierte. Nur meine nahezu unerschütterliche Höflichkeit hielt mich ab, ihr einen Platz auf meinem Schoß oder direkt meinen Stuhl anzubieten.

Vormittags nahmen wir an einer durch das Hotel vermittelten Führung durch ein örtliches Weingut teil. Mit uns vier Amerikaner, deren eine äußerlich gewisse Ähnlichkeit mit Yoko Ono aufwies. Sie verbarg ihr Antlitz zeitweise hinter einer riesigen Sonnenbrille und widmete ihre Aufmerksamkeit lieber ihrem Datengerät statt dem Vortrag. Das fand ich ungezogen gegenüber der jungen Erklärerin.

Donnerstag: Nachdem die Business-Bande offenbar abgereist war, herrschte morgens im Frühstücksraum wieder angenehme Ruhe. Zu hören waren nur leises Gemurmel, Frühstücksgeklapper, dezente Hintergrundmusik und das Rauschen des Eierkochbeckens. Am Ende kamen wir mit einem deutschen Paar ins Gespräch, das sich dankbar zeigte für ein paar Tipps zu Unternehmungen in der Umgebung, deren wir reichlich geben konnten.

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Dijon, berühmt für seinen Senf, den es immer noch gibt, obwohl dort inzwischen weder welcher angebaut noch hergestellt wird, sagt der Liebste; ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Ansonsten machten wir dort außer ein paar Einkäufen (Textilien und Tee) und der Stärkung in einem Bistrot nichts erwähnenswertes. In der Markthalle herrschte eine Stunde vor Schließung schon Abbaustimmung, viele Stände waren bereits abgeräumt, die Bar zu unserem Bedauern geschlossen.

Dijon mit beeindruckenden Schornsteinen

Beim Überfliegen eines Zeitungsartikels über einen Bonner Sternekoch (beziehungsweise Sternkoch, er hat nur und immerhin einen) empfand ich Dankbarkeit dafür, dass meine Eltern für mich die Namen Carsten Rainer und nicht Rainer Maria ausgewählt haben.

Freitag: Heute ist Karfreitag. Die Franzosen, seit geraumer Zeit die saubere Trennung von Staat und Religion gewöhnt, schert das nicht. Derweil wird in Deutschland, wie jedes Jahr, darüber diskutiert, ob das Verbot von Tanzvergnügen an stillen Feiertagen noch zeitgemäß ist. (Meines Erachtens nicht. Wer Jesus betrauern möchte, kann das tun, doch sollte die ungläubige Mehrheit dadurch nicht behelligt werden.)

Nach dem Frühstück gingen meine Lieben mit kommerziellen Absichten in die Stadt. Da mich Einkäufe eher langweilen, machte ich einen Spaziergang in die nähere Umgebung des Hotels, unter anderem durch einen recht hypschen Park. Wegen einsetzenden Regens ging ich bald zurück mit feuchten Zehen und der Erkenntnis, dass die letztens erstandenen Adidas-Schuhe nur für trockenes Wetter geeignet sind.

Beeindruckende Unterwasservegetation
(Keine) Einkehrmöglichkeit im Parc de la Bouzaise

Samstag: Die Woche in Beaune ist vorüber. Nach dem Frühstück und Begleichung der beachtlichen Hotelrechnung (im Rahmen der Erwartung, das war es wert) machten wir uns bei trübem Regenwetter auf den Rückweg nach Bonn.

Kurz vor Luxemburg plagte meine Lieben Appetit auf Schnellessen, deswegen suchten wir an einer Raststätte das dortige Restaurant zum güldenen M auf. In einem solchen war ich schon seit Jahren nicht mehr. Man bestellt nicht mehr persönlich am Tresen unter Beantwortung zahlreicher Fragen, sondern wählt und bezahlt das Gewünschte an einem großen Bildschirm, erhält einen Beleg mit Wartenummer und holt das Mahl nach Aufruf nämlicher Nummer am Tresen ab. (In unserem Fall musste erst eine Servicedame den Beleg operativ aus dem Bestellapparat entnehmen, da er ihn nicht freiwillig preisgab. Ganz ohne Menschen geht es eben nicht, hat auch was Tröstliches.) Mein erster Cheeseburger nach langer Zeit zeigte mir, wie sehr ich derlei vermisst habe: überhaupt nicht. Aber wahrscheinlich war ich einfach nur verwöhnt nach einer Woche burgundischer Küche.

Danach suchten der Geliebte und ich die Toilettenanlage im Untergeschoss auf. Nach Überwindung der Bezahlschranke gerieten wir versehentlich in die Damenabteilung, wie wir erst beim Verlassen der Anlage bemerkten; bei der Beschilderung sehe ich Verbesserungspotential. Erstaunlicherweise wurden wir weder beschimpft, noch sind Verluste primärer Geschlechtsorgane zu beklagen.

Sonntag: Morgens um sieben von Blasendruck geweckt hörte ich in der Ferne zahlreiche Glocken durcheinander läuten, ganz leise und nicht störend. Vielleicht, weil die österliche Läuteordnung das so vorsieht, ich kenne mich da nicht aus. Nur die nahe Stiftskirche schwieg ohrenscheinlich, vielleicht hatte der zuständige Glöckner verschlafen, oder die Glocken waren mit der Bahn nach Rom gereist und standen nun auf der Rückreise wegen einer Stellwerksstörung vor Koblenz. Oder ein Anwohner hat erfolgreich gegen das Frühläuten geklagt.

Die Uhrenumstellung hatte ich erst für die kommende Nacht im Sinn (oder „auf dem Schirm“, wie es im Werk oft heißt), war deswegen etwas überrascht, bereits heute eine Stunde später das Bett zu verlassen. Das ist nicht schlimm, bis zum Montagmorgen, der in der kommenden Woche auf Dienstag fällt, wird sich das eingependelt haben.

Nach dem späten Frühstück, erstmal in diesem Jahr auf dem Balkon, unternahm ich einen besonders langen Spaziergang, zumal das wöchentliche Gehpensum urlaubsbedingt nicht erreicht war. In der Inneren Nordstadt zieht die berühmte Blüte der Zierkirschen wieder zahlreiche Besucher aus aller Welt an, um instagramable Fotos von sich zu machen beziehungsweise machen zu lassen. Dabei stellen sie, insbesondere die jungen Frauen, Posen und Gesichtszüge zur Schau, die nur schwer zu beschreiben und erst recht nicht nachzuahmen sind.

So jedenfalls nicht

Am frühen Abend unterbrach heftiger Regen mit Gewitter das Treiben, dies bitte ich ohne jede Schadenfreude zu verstehen. Nachdem der Regen durch war, der Himmel im Osten noch dunkel, füllte sich die Breite Straße wieder, auch die Blüten haben keinen Schaden genommen, ich habe extra noch mal für Sie nachgeschaut. Wenn Sie also ebenfalls eine Reise nach Bonn zum Blütenschauen planen, lassen Sie sich nicht davon abhalten, noch lohnt es sich.

***

Kommen Sie gut durch die Woche. Joyeuses Pâques.

Woche 12/2024: Teilweise gleichgültig

Montag: Bereits um halb neun die erste Besprechung, die volle Konzentration und aktive verbale Teilnahme meinerseits erforderte. Das mag ich frühmorgens und erst recht montags überhaupt nicht. Man kann es sich nicht immer aussuchen.

Eine lästige Begleiterscheinung der Werktätigkeit sind Zielvereinbarungen und Leistungsbeurteilungen, aus denen sich die Höhe der jährlichen Bonuszahlung ergibt. Ich halte das für entbehrlich, ein Bonus motiviert mich nicht, besser, schneller oder mehr zu arbeiten. Wenn man mir also zusätzlich zum regelmäßigen Monatsgehalt etwas draufzahlen möchte, wogegen nichts einzuwenden ist, könnte man das wesentlich vereinfachen: Man nehme hundert Prozent der sogenannten variablen Vergütung, meinetwegen auch nur achtzig oder neunzig, teile sie durch zwölf und schlage sie monatlich dem Regelgehalt zu, das würde viel Zeit sparen. Aber mich fragt ja keiner. Zusätzlich muss mein Chef jedes Jahr eine Potentialeinschätzung zu meiner Karriereentwicklung abgeben. Ich habe diesbezüglich nur noch geringe Ambitionen, er weiß das, dennoch verlangen es die Regularien. Neben viel Lob und Anerkennung meiner zweifellos guten Arbeit *räusper* schrieb er: »Wirkt bzgl. Veränderungen teilweise etwas gleichgültig«. Treffender hätte er nicht auf den Punkt bringen können, dass mir mittlerweile vieles, um das allgemeines Geschrei gemacht wird, an südlichen Körperregionen vorbei geht. Offensichtlich kennt er mich gut.

Mit entspannter Gleichgültigkeit ließ ich am Nachmittag mehrere wirklich schlecht gemachte Präsentationen mit viel zu viel Text und wirren Grafiken über mich ergehen. Schnell verlor ich das Interesse am Inhalt und achtete nur noch darauf, wie oft die Vortragenden „Genau.“ sagten (sehr oft). Das ist nicht schlimm, weder wird das Vorgetragene später abgefragt noch ist es sonstwie prüfungsrelevant.

Abends las ich in der Zeitung: »Phänomen Kinderfüße – Ob nach der Kita oder dem Spielplatzbesuch: Jungs und Mädchen transportieren unglaubliche Mengen Sand in ihren Schuhen. Ein Orthopäde versucht, das Mysterium aufzuklären« Das Sommerloch scheint dieses Jahr besonders früh zu gähnen.

Dienstag: Des nachts geträumt: Kurz nach meiner Geburt beugten sich mehrere Wissenschaftler in weißen Kitteln über mein Kinderbettchen, einer sagte: „Wenn wir wüssten, wie es dazu kommen konnte, hätten wir die Welt entschlüsselt.“

Morgens gedacht: Kino und heimischem Bad ist gemeinsam, dass ich die gleichzeitige Anwesenheit anderer Menschen dort als äußerst störend empfinde. Deshalb meide ich Kinos schon seit längerem, wohingegen ich um den allmorgendlichen Badaufenthalt nicht herumkomme.

Dienstagsüblich ging ich zu Fuß ins Werk mit den üblichen Erschei- und Begegnungen.

Stau auf der Konrad-Adenauer-Brücke, in Zeiten knapper Zeit allgemein nur Südbrücke genannt

Als Fußgänger nimmt man Details am Wegesrand wahr, die dem Rad- und Autofahrer im Vorbeisausen zumeist verborgen bleiben.

Experten raten, mit Trinken nicht zu warten, bis der Durst kommt

Seit gestern ist das Büro neben meinem nach jahrelangem Leerstand wieder belegt, durch die hellhörig-dünne Rigipswand dringt wörtliche Rede, anscheinend telefoniert mein neuer Nachbar Umwohnender gerne. Für mich bedeutet das Umgewöhnung und Zurückhaltung bei den üblichen Selbstgesprächen, sobald ich mich allein wähne.

Vormittags kam die dicke Taube angeflogen, lief vor dem Fenster ein paar mal auf und ab, schaute abwechselnd auf den leeren Futterteller und auffordernd-vorwurfsvoll mich an, ehe sie wieder abflog und nicht wiederkehrte. Ich tat beschäftigt.

Mittwoch: Hey Basti, Alex, Chris und Flo, glaubt ihr wirklich, eure Eltern hätten für euch diese schönen Namen ausgesucht, damit ihr sie derart lächerlich verstümmelt?

Donnerstag: Am Rheinufer wurde morgens eine Schießbude aufgebaut, davor stand ein Taxi aus vergangenen Zeiten. Wenig später verstand ich: Sie waren Bestandteil von Dreharbeiten für eine ZDF-neo-Serie, wie ein an einem Pfahl angebrachter Aushang informierte. We häufig mag ich mich schon über Dinge am Wegesrand gewundert haben, bei denen es sich in Wahrheit um Filmrequisiten handelte. Manchmal dann für einen ziemlich schlechten Film.

Schiesshalle mit Schreibfehler

Vormittags geriet ich beim Erstellen einer Anwendungsbeschreibung in den Zustand, der allgemein als Flow bezeichnet wird. Das ist auch mal ganz schön.

„Da scheint am Code was faul zu sein“, hörte ich in einer Besprechung, woraufhin kurzzeitig olfaktorisches Ungemach in meine geistige Nase drang.

„Hallo … mögen Sie Kinder?“ – „Nein, ich finde Kinder furchtbar.“ – „Auch Ihre eigenen?“ – „Das sind die schlimmsten.“ – Dieser Dialog hätte ablaufen können, als mich auf dem Heimweg in der Innenstadt eine junge Frau ansprach, die zum Infostand einer Kinderschutzvereinigung gehörte, der geschickterweise so an einer baustellenbedingten Engstelle platziert war, dass man ihm und seiner Besatzung nicht ausweichen konnte. Tatsächlich lief es so ab: „Hallo der Herr, darf ich Sie kurz …“ – „NEIN DANKE.“ – „Sind Sie Anwalt?“, rief sie mir noch hinterher, wie auch immer sie darauf kam.

Das schlimmste Kind ist im Übrigen das aus der Kijimea-Reklame. Ähnlich wie der überdrehte Seitenbacher-Schwabe ein überzeugender Grund, das beworbene Produkt zu meiden.

Freitag: Würde ich dazu neigen, mich über Dinge aufzuregen, hätte ich morgens Gelegenheit dazu gehabt, als ein stehend warnblinkender Lieferwagen die Radspur an der stark befahrenen Adenauerallee in voller Breite blockierte und mich mit dem Rad auf den Gehweg nötigte. Statt zu zürnen machte ich ein Foto davon und schickte es mit dem vorgesehenen Formular ans Ordnungsamt. Das nützt überhaupt nichts, indes war mir heute danach.

Die frühe Besprechung am Montag war nicht vergebens: Vorletzte Woche Mittwoch beklagte ich, dass sich eine Werksangelegenheit aus rein formalistischen Gründen voraussichtlich um vier Wochen verzögern wird, »Es sei denn, bestimmte Kollegen drücken ein Auge zu, was so wahrscheinlich ist wie Trumps Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur und die Erreichung der Klimaziele durch die Bundesregierung«, schrieb ich dazu. Die Welt kann hoffen: Kurz vor Arbeitsende erreichte mich die Nachricht, dass die Kollegen zugestimmt haben. Für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass Beteiligte hier mitlesen: Vielen Dank!

Samstag: Morgens brachen wir auf nach Beaune im Burgund, wo wir nach etwa fünf Stunden weitgehend ereignisloser Fahrt angekommen sind. (Da wir zum Zeitpunkt der Notiz noch hier sind, ist Perfekt wohl die korrekte Zeitform.) Das Hotelzimmer war bei Ankunft noch nicht bezugsfertig, deshalb gingen wir in die Stadt auf einen ersten weinbegleiteten Imbiss. Das Wetter zeigt sich aprilig mit Sonne und ab und an etwas Regen, dazu weht kühler Wind durch die Straßen. Ansonsten fanden wir die Stadt und das Hotel dem ersten Eindruck nach so vor, wie wir sie zuletzt nach Weihnachten zurückgelassen hatten. Wir sind sehr zufrieden.

Sonntag: Zu sonntagsunangemessener Zeit waren wir morgens auf, weil der Geliebte weit vor acht Uhr, somit lange vor meiner Sprechzeit, nicht mehr schlafen konnte und das Gespräch suchte. Offensichtlich war die Weinmenge am Vorabend unzureichend, das müssen wir bei der Abendplanung künftig berücksichtigen.

Nach dem Frühstück unternahmen wir eine Ausfahrt nach Cluny, wo wir die Reste der einstmals größten christlichen Kirche der Welt besichtigten, bevor sie den Menschen der Region als Steinbruch diente; im achtzehnten Jahrhundert nahm man es mit dem Denkmalschutz noch nicht so genau. Man muss nicht gläubig sein, um von den Rudimenten auch heute noch angemessen beeindruckt zu sein.

Auf dem Weg dorthin machten wir Halt in Chagny, wo heute Markt war. Neben den üblichen Produkten wie Käse, Obst, Gemüse, Brathähnchen, Billigtextilien und Handyhüllen war an einem erstaunlich gut frequentierten Stand lebendiges Geflügel zu erstehen. Die Tiere wurden einem Gatter entnommen und in einen geräumigen Karton verbracht, der zugeklebt dem Käufer übergeben wurde. Das ließen die Vögel ohne erkennbaren Widerstand über sich ergehen, als hätten Sie mit ihrem Schicksal abgeschlossen. Manchmal ist das ja von allen Optionen die beste.

Was würde PETA sagen?
Robuster Marktbeschickerhumor

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Abgeschossen ist nun auch dieser Wochenrückblick, kommen Sie gut durch die neue Woche.

Woche 11/2024: Bedankt euch bei den Tauben

Montag: Es regnete den ganzen Tag, deshalb war die Stadtbahn heute Verkehrsmittel der Wahl. Dankenswerterweise wurde sie nicht bestreikt, was zurzeit alles andere als selbstverständlich ist. Bitte nicht als Klage verstehen, ich gönne den Öffentlichen Verkehrsbetreibenden eine angemessene Bezahlung. Wenn die nur per Arbeitskampf zu erzielen ist, ist das so, das müssen wir aushalten.

Dennoch ließ meine persönliche Stimmung heute zu wünschen übrig, allgemeine Unbehaglichkeit lag über dem Tag; sollte ich mich mit einem Tier vergleichen, wäre Miesmuschel die passende Entsprechung gewesen. An solchen Tagen machen mich schon Kleinigkeiten aggressiv, etwa Bilder mit Menschen, die ihre Finger zu Herzen formen, oder der junge Kerl, der mir auf dem Rückweg in der Bahn gegenübersaß, einen Kugelschreiber in der Hand hielt und unentwegt mit dem Daumen den Druckknopf betätigte, klick-klick-klick-klick, während seine Aufmerksamkeit, wie soll es anders sein, dem Datengerät galt. Damit nicht genug, zog er einen zweiten Kugelschreiber aus der Jackentasche, hielt nun beide in der Hand und drückte abwechselnd darauf herum, klick-kleck-klick-kleck.

Dabei bot der Tag, objektiv betrachtet, wenig stimmungstrübendes Unbill, auch dem Wetter ist nichts anzulasten, grundsätzlich mag ich Regentage, meine Laune wäre auch bei Sonnenschein nicht heller gewesen. Auch solche Tage muss man aushalten.

Gelesen bei Herrn Buddenbohm und „genau so ist es “ gedacht:

»Ab und zu überlege ich, allerdings nur aus müßigem Interesse, keineswegs anlassbezogen oder gar mit finsterer Absicht, bei gewissen Aspekten des Lebens, wie sie wohl für mich ausfallen würden, lebte ich allein, ohne Familie und Partnerin. Und ich denke, saisonale Deko hätte ich dann sicher nicht. Kein einziges Stück. Stets nach Möglichkeit Blumen oder auch Grünzeug der Jahreszeit auf dem Tisch, das schon, aber bunte Hasen und bemalte Eier und dergleichen … nein.«

Dienstag: Der Tag war durchgehend trübe und kühl, auch meine Stimmung aufgrund eines familiären Themas, für das ich noch keine passende Lösung weiß, zunächst weiterhin gedämpft. Sie hellte deutlich auf nach einem klärenden Telefongespräch meine künftige Wochenarbeitszeit betreffend. Wenn alles meiner Vorstellung und Hoffnung entsprechend verläuft, noch maximal neun Monate in Vollzeit, vielleicht auch nur sechs.

Trüb und kühl

Abends wurde ich untreu gegenüber meinem langjährigen Frisiersalon. Auf Empfehlung probierte ich einen anderen aus. Ohne Termin kam ich sofort dran, der Haarschnitt erfolgte ohne unnötige Wortwechsel zu meiner vollen Zufriedenheit für nicht einmal den halben Preis gegenüber vorher. Als künftiger Teilzeitarbeitnehmer muss man frühzeitig nach Einsparmöglichkeiten schauen.

Mittwoch: Aufgrund einer meteorologischen Fehleinschätzung traf ich morgens mit dem Fahrrad die falsche Auswahl des Verkehrsmittels, um ins Werk zu gelangen; der Niesel zeigte sich wesentlich ergiebiger als vermutet. Dadurch saß ich zunächst mit nassen Hosenbeinen am Schreibtisch. Als Kind und Jugendlicher waren mir nasse Hosenbeine zuwider, heute sehe ich es wesentlich gelassener, zumal nach gut einer Stunde alles getrocknet war. Andere müssen in Jogginghose zu Hause arbeiten, das ist viel schlimmer.

Mittags gingen wir kurz vor der Hauptspeisezeit zu dritt in die Kantine, dort ein jeder seinem Appetit folgend zu einer anderen Ausgabetheke. Danach verloren wir uns im allgemeinen Mahlzeitgemenge und fanden trotz intensiver Suche nicht mehr zueinander. Daher aß ich den Erbseneintopf von Mitessern unbegleitet, er schmeckte dennoch vorzüglich, den dürfte es gerne viel öfter geben. Nächstes Mal vereinbaren wir einen Sammelplatz.

Man sagt übrigens nicht mehr „Nachbarn“, es heißt jetzt „Umwohnende“, ist der PSYCHOLOGIE HEUTE zu entnehmen.

Donnerstag: Von meinen Lieben muss ich mir des öfteren den Anwurf gefallen lassen, zu viele unnötige Fragen zu stellen. Deshalb werde ich fortan und bis auf weiteres jedes Fragen im häuslichen Umfeld weitestgehend reduzieren. Doch bin ich nicht der einzige mit Fragen: „Was sind das da für gelbe Blumen?“ fragte mich heute einer ungefähr in meinem Alter, als wir mittags durch den Park gingen, und zeigte auf die Narzissen. Manchmal frage ich mich – aber nein, ich frage ja nicht mehr.

Freitag: Laut einer Zeitungsmeldung wurden die Vorstandsvergütungen bei der Deutschen Bank wegen Gewinnrückgangs und Postbank-Problemen für das Jahr 2023 gekürzt. Inklusive Boni erhalten die Herrschaften zusammen nur noch 64,6 Millionen Euro gegenüber 64,9 Millionen im Vorjahr. Das ist hart und wird ihnen zu denken geben.

Doch nicht nur Geld macht glücklich.

Das Leben geht weiter

Apropos unersättlich: Die Vogelfütterung vor dem Bürofenster wird bis auf weiteres eingestellt, obwohl der Futtervorrat noch nicht aufgebraucht ist. Grund: Bislang labten sich abwechselnd Raben, Elstern, Amseln, Rotkehlchen, Meisen und Halsbandsittiche am Teller. Sie kamen, pickten einige Körner und flogen ihres Weges; eine Tellerfüllung reichte etwa zwei Tage, ehe nachgefüllt werden musste. Jetzt pickt eine dicke Taube den Teller innerhalb einer Stunde leer, nur die Rosinen bleiben ungepickt zurück, anscheinend mag sie kein Trockenobst. Nicht, dass ich ihr das nicht gönnte, doch erscheint sie mir reichlich verfressen, das muss ich nicht unterstützen. Außerdem ist das Füttern von Tauben in Bonn verboten. Liebe Vogelschar der Gronau, es tut mir leid. Bedankt euch bei den Tauben.

Samstag: Der Wecker weckte zu samstäglicher Unzeit, da ein Mutterbesuch in Bielefeld anstand. Dort, in Mutters Stube, fiel mir eher zufällig ein, dass heute unser kleiner Hochzeitstag ist, als ich das Hochzeitsfoto auf der Anrichte sah. Kleiner Hochzeitstag, ich erklärte es vermutlich schon, weil wir heute vor sechs Jahren nach Öffnung der Ehe für alle nochmals „richtig“ heirateten, nachdem wir bereits siebzehn Jahre zuvor im Mai die Eingetragene Lebenspartnerschaft gefeiert hatten. Deshalb ist der große, oder richtige Hochzeitstag weiterhin im Mai. Kann sein, dass ich das nächstes Jahr wieder erkläre, bitte sehen Sie es mir nach.

Im General-Anzeiger wird jeden Samstag eine rheinische Redewendung vorgestellt und erklärt. Heute eine echte Delikatesse, die für Nichtrheinländer und Zugezogene wie mich unerläutert kaum zu verstehen ist: »Han, sähten se, däten se et net, ävver krieje, sähten se, künnt sin, datt se et dähte«, wörtlich übersetzt: »Haben, sagten sie, täten sie es nicht, aber kriegen, sagten sie, könnte sein, dass sie es täten«. Na, ahnen Sie, was es bedeuten könnte? Nicht? Hier die Auflösung: »Der Artikel ist laut Lieferant zurzeit vergriffen, kommt aber vielleicht bald wieder rein.« Herrlisch.

Aus einer Weinbeschreibung, ebenfalls im General-Anzeiger: »Dahinter zeichnen die Aromen ein feines Porträt mit schwarzer Kirsche, Hagebutte und Holunderbeeren, frisch gemahlenem schwarzem Pfeffer, getrockneten Malvenblüten und gespitzter Bleistiftmine.« Gespitzte Bleistiftmine. Die spinnen, die Weinexperten.

Sonntag: Jochen Schmidt in der FAS: »Ich bin immer neidisch, wenn irgendwelche Berufsgruppen streiken, weil es bei mir überhaupt niemand merken würde, es merkt ja schon niemand, wenn ich arbeite!« Ich verstehe genau, was er meint.

Immer wieder bleibe ich daran hängen, wenn jemand sagt oder schreibt, drei Maschinen Wäsche gewaschen zu haben. Dann stelle ich mir einen Waschkeller vor, in dem drei Waschmaschinen nebeneinander vor sich hin rotieren. Das ist äußerst sprachpingelig, ich weiß. Lassen Sie sich dadurch bitte nicht davon abhalten, weiterhin von drei Maschinen zu sprechen, auch wenn Sie nur eine haben. Es fällt mir dann halt auf, das soll nicht Ihre Sorge sein.

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Kommen Sie gut und möglichst behaglich durch die Woche.