Abgeschrieben: Älter werden

„Wer nicht älter werden will, muss früher sterben“, diesen Satz las ich kürzlich, leider versäumte ich zu notieren, wo. Die Menschen sind schon komisch: Jeder will möglichst alt werden, wofür so mancher dem Genuss von Tabak, Alkohol, Fleisch und Wackelpudding entsagt; älter werden will indes niemand. Im Zeitalter allgegenwärtigen Jugendwahnes gilt es vielmehr als unerfreulich, wenn die Haare ergrauen oder gar ausfallen, Hör- und Sehvermögen nachlassen und auch manch andere Körperfunktion dezent den Fortgang der Lebensjahre erahnen lässt. 

Thomas, einer meiner absoluten Lieblingsblogger, hat zu diesem Thema einen schönen Aufsatz verfasst, den ich hier mit seiner freundlichen Erlaubnis wiedergeben darf.

***

Älter werden

Auweia! Ich bin zwar keine „sweet sixteen“ mehr (wenngleich ich mich immerhin noch als Millennial bezeichnen darf, was immerhin irgendwie jung klingt), aber als alt würde ich mich nicht bezeichnen.

Wobei Alter ja relativ ist. Es gibt da diese schöne Geschichte, die ich jedem aufdränge, wenn es um das Thema geht: Ich war achtzehn und arbeitete in einem Seniorenheim als Zivi. Eines Abends brachte ich eine Seniorin ins Bett, sie war um die achtzig, und erzählte währenddessen ein bisschen von meinem Wochenende: Wir hatten einen fünfzigsten Geburtstag gefeiert, eine große Party mit viel Tamtam. Da bekam die ältere Dame glasige Augen und sagte mit vollem Ernst: „Fünfzig, so jung wär ich auch gern nochmal.“

Diesen Moment habe ich deshalb nie vergessen, weil er mir klar machte, dass in solch einem Zusammenhang die Definition von „Alter“ ausschließlich vom Blickwinkel abhängt. Dennoch: Langsam, aber sicher gerate ich an den Punkt, die Leute zu verstehen, die Probleme mit ihrem Alter hatten, als ich noch das war, was man landläufig wohl als „jung“ bezeichnet.

Neulich klingelten zum Beispiel die Nachbarskinder und fragten nach etwas Zucker. Das allein wäre ja kein Problem gewesen. Aber sie siezten mich! Mich, der ich doch fast ihr Bruder sein könnte… oder eben ihr Vater. An der Supermarktkasse werde ich beim Kauf von Alkoholika auch längst nicht mehr nach meinem Ausweis gefragt. Grund dafür sind sicherlich die grauen Haare, sie sich seit einigen Jahren stur vermehren. Mittlerweile denke ich ernsthaft darüber nach, ob mir gefärbte Haare wohl stünden.

Und dann wären da noch all die Kleinigkeiten, die sich ändern: Die Planung einer langen Autofahrt entlang der Pinkelpausen. Das frühere Zubettgehen, weil ich „ohne ausreichend Schlaf einfach nicht richtig wach werde“. Auch wird die Uhrzeit im Satz „kein Koffein nach 18 Uhr, sonst kann ich nicht schlafen“ immer weiter nach vorne verschoben. Verabredungen sollten gegen 22 Uhr enden, weil ich dann müde werde, und sollten nicht nach 19 Uhr beginnen, weil es sich dann ja gar nicht lohnt. Einen Abend auf der Couch ziehe ich außerdem immer einem Abend vor, der nicht auf der Couch stattfindet.

Am eindrucksvollsten aber war das Gespräch mit einem Bekannten. Er ist gerade achtzehn geworden und hat kürzlich den ersten Nebenjob seines Lebens angefangen, steigt also gerade erst in eine neue Phase des Lebens ein. Während wir uns neulich unterhielten, erwähnte er nebenbei, dass er das Verhalten einiger seiner Freunde für kindlich halte und manchmal das Gefühl habe, er sei ja doch schon ziemlich alt. Mir fiel bei der Aussage fast der Kaffee aus der Hand: „Ich bin doppelt so alt wie du!“ Das hatte natürlich nur den Effekt, dass ich teilnahmsvolle Blicke erntete und ernstes Schweigen angesichts meines geradezu urgroßvaterhaften Lebensalters.

Es bleibt die Frage, wie sich das Wort „Alter“ in zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren anfühlen wird. Sicher ganz anders als jetzt. Und ganz bestimmt fange ich bald an mit „diese Jugend heute“-Sätzen…

Quelle: http://www.schreiblehrling.de/aelter-werden/

Morgen kommt die Dildofee

Ein modernes Unternehmen zeichnet sich durch Innovationen aus, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. „Zufriedene Mitarbeiter sind der wesentliche Faktor unseres Erfolgs“, so oder ähnlich die bekannten Parolen. In diesem Sinne zu loben ist die Initiative eines großen Konzerns, seinen Mitarbeitern in der Zentrale eine Art Kontaktbörse anzubieten, um Mitesser für den Lunch zu finden, wobei die Auswahl zufällig erfolgt. Das heißt: Ich melde mich als Interessent an, und schon werde ich gewissermaßen temporär verkuppelt mit einer mir unbekannten Person, um mit ihr zu Mittag zu essen. Das ganze hat auch einen Namen: Mystery Lunch.

Treffender hätte man es nicht bezeichnen können. Mir ist es ein absolutes Rätsel, was jemanden bewegen könnte, dort mitzumachen. Wie soll so etwas schon ablaufen? Man trifft also jemanden fremdes zum Essen, im günstigsten Falle ist man sich sympathisch. Aber selbst dann: Während des Essens wird man über irgendein völlig uninteressantes geschäftliches Zeugs reden („Aus welchem Bereich kommen Sie?“ – „Ach das ist ja interessant!“ – „Und in welchen Themen sind Sie unterwegs?“), vielleicht spricht man auch über körperliche Gebrechen, etwa so:

„Ich sehe gerade, sie haben nur ein Bein.“

„Ja, das andere habe ich mir zum Wohle des Konzerns ausgerissen. – Und Sie, warum haben Sie eine Glatze?“

„Als die letzten Maßnahmen zur Personalabsenkung bekannt gegeben wurden, habe ich mir die Haare gerauft.“

Ich bevorzuge stattdessen den mittäglichen Kantinenbesuch mit meinen direkten und bekannten Kolleginnen und Kollegen, zumal einem ungeschriebenen Gesetz folgend während dieser Zeit keine Gespräche über geschäftliche Angelegenheiten geführt werden.

Die Tage schwappte das Gespräch bei Tisch ein klein wenig über die Ufer angemessener tischthematischer Gepflogenheiten: Eine Kollegin wusste über eine Mitschülerin ihrer im Grundschulalter befindlichen Tochter zu berichten, die im Unterricht frei und offen vom Besuch der Dildofee bei ihrer Mutter und ihren Freundinnen erzählt hatte. Wie ein Nachfragen meinerseits ergab, handelte es sich dabei offenbar um eine den bekannten Tupperpartys ähnliche Verkaufsveranstaltung, nur eben nicht mit Aufbewahrungsbehältnissen für Lebensmittel als Verkaufsgegenstand. Dem Vernehmen nach suchte und fand die Lehrerin anschließend das Gespräch mit den Eltern des Mädchens. Das hätte ich wirklich sehr gerne belauscht.

Daraufhin erzählte eine andere Kollegin von ihr entfernt Bekannten, die sehr erfolgreich Liebesspielzeug in naturnaher Gemüseform vertrieben. Ich verkniff mir die spontane Bemerkung „Nach dem Motto ‚Bonduelle ist das famose Zartgemüse für die Dose‘, ha ha ha“, Mann weiß ja nie, wie derart feinsinniger Witz bei Frauen ankommt, wie schnell hat man wegen sowas einen #Aufschrei am Hals oder gar eine Paragraphenkette am Arsch.

Schließlich berichtete eine weitere Kollegin vom zweifelhaften Humor eines Mannes, der im Supermarkt einer Dame, die eine Gemüsegurke in ihren Korb gepackt hatte, zugerufen haben soll: „Nehmen sie doch zwei, dann haben Sie eine zum Essen!“ Mein jähes Auflachen wurde durch die empörten Blicke der anwesenden Damen empfindlich gedämpft.

Nachts darauf hatte ich einen Traum. Einen komischen Traum, wobei Träume ja, bei Hellem betrachtet, meistens ziemlich komisch sind, jedenfalls in der Rückschau, sofern man sie nicht ohnehin vergessen hat. In diesem komischen Traum also ging ich mit einer Tasche durch die Gegend, in welcher sich neben anderen Habseligkeiten ein künstlicher Gummipenis befand. Die Gründe, welche mich dazu bewegten, einen Gummipenis mit mir zu führen, sind nicht mehr nachvollziehbar, auch erscheint es mir wenig angebracht, danach zu forschen.

Und also geriet ich an einen Menschen, der Kraft seines Amtes dazu befugt war, Taschenkontrollen durchzuführen, und also kontrollierte er. „Was haben wir denn hier“, rief er laut, auf dass alle Umstehenden es hörten, wedelte mit dem Tascheninhalt durch die Luft und grinste mich an. „Das ist ein künstlicher Gummipenis“, antwortete ich selbstbewusst, „mit dem kann man…“ Weiter weiß ich nicht, vermutlich wachte ich an dieser Stelle auf.

Wäre diese Begebenheit Realität gewesen statt ein Produkt nächtlichen Hirnfegens, würde es sehr lange dauern, bis ich darüber lachen könnte. Und mindestens nochmal so lange, bis ich darüber schriebe.

Spargelzeit

Einstmals, als alle Mammuts und Beeren verzehrt waren,
Suchte der Mensch im Boden nach etwas Essbarem.
Bald fand er eine Wurzel und biss in sie hinein
und dachte „Mmh, wie lecker, die stecke ich mal ein.“
Was einst er fand, getrieben von Hunger und Urinstinkt,
liebt heut’ er noch, mit Butter – auch wenn danach der Urin stinkt.

Spargel - 1

Kritik der Digitale

In diesen Tagen treffen sich in Berlin rund achttausend Menschen zur re:publica, der alljährlichen heiligen Messe der Digitalgemeinde. Ich war noch niemals dort, und die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering, dass sich daran jemals etwas ändern wird, beim besten Willen wüsste ich nicht, was ich dort soll. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, keineswegs entziehe ich mich der Digitalisierung (sonst könnten Sie diese Zeilen hier gar nicht lesen), indes beschleicht mich eine zunehmende Skepsis gegenüber ihrer allgegenwärtigen Vergötterung und Heiligsprechung.

Für fast alles gibt es heute eine App, die Zimmerbeleuchtung lässt sich nur noch mit Hilfe des Smartphones ein- und ausschalten, die Klospülung reagiert geruchsabhängig, Kühlschränke bestellen automatisch nach, wenn das Dosenbier alle ist, und Autos fahren demnächst autonom, womit der Begriff „Automobil“ erst so richtig seine Bedeutung entfaltet. Zum Glück wird das Analoge voraussichtlich dennoch nicht völlig verdrängt werden, oder können Sie sich vorstellen, digital zu küssen, zu lieben, ein Trüffeloemlette zu genießen, den Duft von Flieder oder frisch gemähtem Gras aufzunehmen?

Der SPIEGEL veröffentlichte hierzu kürzlich einen bemerkenswerten Artikel von Harald Welzer. Auch wenn ich nicht mit allen Thesen des Verfassers übereinstimme: Die Idee, die staatlichen und gewerblichen Datenhaie gezielt und systematisch zu überfüttern, finde ich ausgesprochen reizvoll.

Dig1

Dig2

So, nun gehen Sie bitte nach draußen, die Sonne scheint heute herrlich. Ach Sie sind schon draußen? Dann stecken Sie dieses Ding weg und genießen Sie ein kühles Getränk im nächsten Biergarten. Oder laufen Sie wenigstens nicht gegen eine Laterne.

Zum Weltlachtag

Heute ist nicht nur Tag der Arbeit, zudem Namenstag von Arnold, August und Maximilian, sondern auch Weltlachtag. Stand jedenfalls gestern in der Zeitung. Hierzu wünsche ich Ihnen viel Vergnügen mit einem Dichterwort:

Kostenübernahme
Ein guter Scherz zur rechten Zeit,
Ein Bier, sich zuzuprosten,
Erfreun das Herz, vor allem wenn
Ein anderer trägt die Kosten.

***

Nachtrag: Herzlich zum Lachen brachte mich heute die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung mit einer Beschreibung des BMW i3, obwohl mein Interesse für Autos als eher homöopathisch zu bezeichnen ist:

bmw i3 - 1

bmw i3 - 2