Woche 8: Schön is das Leben, scheißejal wie alt mer sin

Montag: Das von dieser Band, deren Namen ich mir nicht merken kann, Wirsindjulymond oder so, gesungene Loblied auf die perfekte Welle, den perfekten Tag verliert schon wenige Minuten später erheblich an Glaubwürdigkeit, als derselbe Radiosender von einer Steigerung der weltweiten Waffenexporte um acht Prozent seit 2012 berichtet.- Am Abend die nächste niederschmetternde Nachricht: Laut einem heute-Bericht gibt es 250 Arten von Kopfschmerzen. Lügt die Werbung etwa?

Dienstag: Das närrische Wettrüsten im Annagraben hat mit dem Anbringen einer Flagge der Bonner Ehrengarde an Haus Nummer 31 eine neue Stufe erreicht. Für Dreigestirn und Regimentsspielmannszug der KG Fidele Burggrafen wurde Gefechtsbereitschaft befohlen.

Mittwoch: Kurzer Hassmoment auf der Rückfahrt aus Köln: Das Radio spielt Madness von Muse, ich drehe die Lautstärke bis an die Grenze akustischer Erträglichkeit hoch und singe mit. Wer das Lied nicht kennt: Es beginnt recht verhalten und steigert sich zu einem grandiosen, gänsehautauslösenden Finale. Und genau in dieses quatscht der bescheuerte Moderator hinein! Wie früher, als das Herunterladen von Musik noch mittels Kassettenrekorder und Überspielkabel während Mal Sondocks Hitparade erfolge. Schon damals hassten wir den Radiosprecher dafür, wenn er uns den Anfang oder das Ende zerlaberte. Oder wenn mitten im Lied der Hinweis kam, dass keine Meldungen zu Verkehrsstörungen vorliegen.

Donnerstag: Schön is das Leben, scheißejal wie alt mer sin, mir ston immer midden drin.

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Freitag: Die Radioreklame für Seitenbacher ist scheiße, bitte verzeihen Sie meine Wortwahl, aber ein anderes Wort will mir dafür nicht einfallen. Sie war es immer schon, die ständige hysterische Widerholung des Markennamens nervt, strengt an, man will es einfach nicht hören. Insofern verwundert es, dass diese Produkte überhaupt gekauft werden.

So geht schöne Reklame:

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Samstag: Bevor ich morgen als kleiner grün-weißer Punkt im Godesberger Zoch aufgehe, möchte ich heute einfach nur hier sitzen.

Sonntag: Kamelle!

Woche 7: In karnevalistischer Mission


Montag: Die Frage „Und sonst so?“ sollte mit Stromstößen nicht unter zwei Ampere geahndet werden.

Dienstag: Skiurlaub und Apres Ski – für mich eine Idee der Hölle. Gut, das habe ich über Karneval vor noch nicht allzu langer Zeit auch gedacht.

Mittwoch: Eine Dienstreise nach Bad Breisig mit Wagenwechsel in Remagen inspirierte mich zum Gedicht.

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Donnerstag: In Rheinland-Pfalz ist es noch erlaubt, in Raucherräumen innerhalb von Gaststätten zu rauchen. Das finde ich unverantwortlich, wie auch ein Blick in meine Zigarettenschachtel am heutigen Morgen unterstreicht.

Freitag: Während der beste US-Präsident aller Zeiten die Presse beschimpft, bleiben die im Zusammenhang mit dem G20-Treffen angekündigten Ausschreitungen rund um das Bonner WCCB aus. Auch das Treffen der Bonner Ironblogger am Abend in einer beliebten Gaststätte verlief weitgehend gewaltfrei.

Samstag: Busfahrt nach Sarreguemines in karnevalistischer Mission. Mein Widerstand gegen das erste Bier brach nach genau vierunddreißig Minuten.

Sonntag: Attendre le cavaldade. Allez hop.

Woche 6: Mindestens zweimal gelächelt

Montag: Auf dem Weg ins Büro sah ich in der Heussallee die ersten Schneeglöckchen blühen. Das entlockte mir trotz Montagmorgen ein kurzes Lächeln.

Dienstag: Ich müsste endlich mal wieder was richtiges bloggen.

Mittwoch: Fremde Menschen bieten mir per Elektropost Geld an. Was wissen die, was ich noch nicht weiß?

Donnerstag: Ein früher Feierabend und ein Sofa. Manchmal ist die Zutatenliste für eine Portion Lebensglück sehr kurz. – Die Werbung gebiert das Wort „Druckkopfschmerzen“. Seltsam, hat mein Drucker noch nie gemeldet.

Freitag: Die Aussicht auf ein ruhiges, unverplantes Wochenende ohne Termine und Verpflichtungen lässt mich schon am Morgen lächeln.

Samstag: In einer schlaflosen Nachtminute fiel mir ein wunderbarer Satz ein, das nahezu perfekte Wortspiel, welches diesem Blog zur Zierde gereicht hätte. Leider muss ich es Ihnen vorenthalten, da ich es vergessen habe.

Sonntag: Nordkorea erprobt Raketen, die 500 Kilometer weit fliegen und dann ins Meer plumpsen. In der Reihe der darüber Empörten stehen ganz vorne die USA, die auch in der Reihe der Atomraketensinnvollfinder ziemlich weit vorne stehen. Ist das nicht verrückt? – Mein Lieblingskiosk in der Inneren Nordstadt, der sich durch eine überwiegend attraktive Verkäuferschaft auszeichnet, schließt. Ein guter Grund, mit dem Rauchen aufzuhören. Eigentlich. Quasi. Sozusagen. Aber vielleicht erledigt sich das ja irgendwann von selbst durch die vorgenannten Raketen.

Schillernd wie ein Regenbogen

Es ist noch nicht sehr lange her, dass es mich am Wochenende raus zog ins Nachtleben, auf Partys, in Kneipen und Spelunken. Nicht an jedem Wochenende, aber doch regelmäßig. Dabei verschob sich die Motivation im Laufe der Zeit: Ließ mich anfangs, so mit siebzehn, achtzehn, der jugendliche Leichtsinn zuvörderst einen Alkoholrausch erstrebenswert erscheinen, so war es später die Suche nach dem libidinösen Abenteuer oder gar der großen Liebe. Das Internet stand mir zum Zwecke convenienter Anbahnung derartiger Bedürfnisse noch nicht zur Verfügung, man musste dazu vor die Tür.

Was ich schon damals nicht verstand: Warum wurde das immer erst so spät voll im EXIT, im Heat, in Muttis Bierstube, wie meine bevorzugten Abenteuerspielplätze in Bielefeld hießen? Warum hatte es keinen Zweck, vor dreiundzwanzig Uhr das Haus zu verlassen, begleitet von Mutters Frage „Wo willst du denn jetzt noch hin?“

Dort saß ich dann, stundenlang, nächtelang bei Bier oder, je nach gewähltem Verkehrsmittel, Cola an der Theke und schaute dem Barmann beim Gläserspülen zu, während mein Traumprinz jeden Moment eintreffen musste. Manchmal kam ich ins Gespräch, seltener zum Abenteuer, nach dessen Vollzug ich zumeist ohne jede Euphorie, dafür eher mit der Frage „War das jetzt wirklich nötig?“ in der Nacht nach Hause fuhr, manchmal noch einsamer als am Abend zuvor losgefahren. Die große Liebe fand ich dort nie. Die fand ich erst viel später, bei ganz anderer Gelegenheit bei Tageslicht, aber das ist eine andere Geschichte.

1999 zog ich mit dem Liebsten nach Bonn. Dort liegt Köln mit seiner großen Szene gleichsam vor der Haustür oder, je nach Betrachtungsweise, Bonn vor den Toren Kölns. Die Suche nach der großen Liebe hatte sich glücklicherweise inzwischen erledigt, das gelegentliche Interesse an Spaß und Abenteuer war hingegen noch nicht ganz verklungen und gemäß gegenseitiger Vereinbarung auch erlaubt. Oft nahmen wir den Zug um kurz nach halb elf, zusammen mit anderem feierfreudigem Jungvolk, zu dem wir uns auch noch zählten. Vom Bahnhof Köln Süd liefen wir zum Rudolfplatz, wo unsere Kneipen waren, erster Anlaufpunkt das Corner. Irgendwann kam der Punkt, wo unser Bedarf an Schlagermusik gedeckt war und uns der Sinn nach „ernsterer“ Unterhaltung war. Diese fanden wir im Midnight Sun, einem Etablissement, dessen Zweck detailliert zu beschreiben die Richtlinien von WordPress in moralisch-sittlicher Hinsicht möglicherweise überschreiten würde.

Oft war ich auch alleine dort, weil der Liebste nach Kölsch, Corner und Kuhn* des Vergnügens müde mit dem nächsten Zug zurück nach Bonn fuhr, während ich noch ein paar Stündchen blieb. Nicht selten war es bereits wieder hell draußen, wenn für mich die Mitternachtssonne untergegangen war und ich von Bier und Befriedigung beschwingt gen Südbahnhof ging.

Das Midnight Sun gibt es nicht mehr. Irgendwann wurde es umbenannt in Basement, aber da hatte ich schon die Lust an durchkreuzten Nächten weitgehend verloren. Inzwischen ist auch das Basement Geschichte, letzten Herbst wurde es gar als Lagerraum angeboten.

Mittlerweile habe ich das Alter jener Herren erreicht, bei deren Anblick ich mich in all den Spelunken fragte: Was will der alte Sack denn noch hier? Ja, ich bin nun selbst ein alter Sack, und wissen Sie was? Das ist herrlich! Mit meinem Spiegelbild bin ich noch einigermaßen zufrieden, selbst am Montagmorgen. Ohne Wehmut schaue ich auf die oben geschilderten Nächte zurück, in denen ich vieles erlebte. Doch die ruhigen Frei- und Samstagabende, die ich jetzt mit meinen beiden Lieben zu Hause verbringe, möchte ich nicht dagegen tauschen. Rausch und Abenteuer inbegriffen, manchmal bis in die Morgenstunden, wenn auch anders.

Dafür bin ich sehr dankbar.

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* Kuhn, Dieter-Thomas, Schlagersänger; beliebt nicht nur im Corner, aber dort besonders: „… schillernd wie ein Regenboooooooooohogen …“

Woche 5: Der Lack ist ab

Montag: Vielleicht drückten Gott ja Gram und Sorgen, als er schuf den Montagmorgen.

Dienstag: Trotz des spektakulären Rücktritts von Rüdiger B. Grube verlief die Bahnfahrt nach Neu-Ulm erfreulich angenehm, pünktlich und in korrekter Wagenreihung. Hierzu erschien mir ein Begleitgetränk angemessen.

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Neu-Ulm liegt übrigens in Bayern, im Gegensatz zum benachbarten Ulm, welches in Baden-Württemberg liegt. Nun können Sie wieder mit Wissen glänzen. Gerngeschehen.

Mittwoch: Auf der Liste der ewigen Ärgernisse stehen nach wie vor die stets lächerlich winzigen Saftgläser bei Hotelfrühstücksbuffets ziemlich weit oben.

Donnerstag: Warum stehen ältere Menschen im Zug immer schon eine Viertelstunde vor Erreichen ihres Zielbahnhofs von den Sitzplätzen auf? Aber vielleicht mache ich das ja auch bald. Ab übermorgen.

Freitag: Manchmal, wirklich nur manchmal, wäre ich gerne ein paar Tage lang alleine in einem kleinen Haus auf einer Hallig.

Samstag: Letztlich ist 50 auch nur eine Zahl. Trotzdem klingt 39k weniger dramatisch.

Sonntag: Das neue Lebensjahrzehnt startet mit Husten und Schnupfen. Kein Zweifel, der Lack ist ab.