Henne und Ei

Auch auf die Gefahr hin, mich dem Vorwurf einer in letzter Zeit eher monothematischen Orientierung ausgesetzt zu sehen: Ich stehe zu meiner unverbesserlichen Skepsis gegenüber der geradezu religiösen Verehrung von allem technisch Machbaren, ohne Rücksicht darauf, ob es sinnvoll ist. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: Meine Bankgeschäfte zu Hause am Rechner zu erledigen statt Überweisungsträger auszufüllen, Bahnfahrkarten selbst auszudrucken statt in der Warteschlange am Schalter zu stehen, jemandem, der mir nicht allzu nahe steht, per Kurznachricht zum Geburtstag zu gratulieren statt ein Kärtchen zu schreiben oder ihn gar anzurufen, das alles sind Annehmlichkeiten, die ich nicht mehr missen möchte. Aber benötige ich wirklich eine Lausch- und Laberdose in der Wohnung, wenn ich das Licht im Klo ein- und ausschalten möchte? Für fast alles gibt es heute eine App, demnächst vielleicht auch für Laubbläser und Entfernung von Körperbehaarung. (Nicht ganz ohne Genugtuung nehme ich zur Kenntnis, dass sich nach dem aktuellen Datenskandal bei Facebook diese Skepsis zunehmender Beliebtheit erfreut. Allerdings wird das mittel- bis langfristig weder Facebook noch Google noch Amazon noch der „Digitalisierung“ generell auch nur einen Kratzer zufügen.)

Früher galt es als eisern, ein Loch ins Eis zu hacken und darin zu baden. Heute, fünf Minuten auf den Bus zu warten und nicht aufs Telefon zu kucken. Alle 18 Minuten schauen wir drauf, las ich neulich irgendwo, und das erscheint mir sehr hoch gegriffen, wenn ich die Displayboys und -girls in der Bahn und auf der Straße betrachte. Vielleicht habe ich mich auch verlesen und tatsächlich stand dort „Alle 18 Minuten schauen wir nicht aufs Telefon.“ Aber was heißt „wir“? Hier gilt dasselbe wie für den massenhaften Missbrauch des Wörtchens anlässlich von Fußballweltmeisterschaften, wenn es heißt „Wir spielen gegen England“: Ich ganz bestimmt nicht. Also nicht, dass ich es niemals aus der Tasche krame und schaue, aber jedenfalls nicht alle achtzehn Minuten, höchstens alle … ach egal.

Ich gehöre noch zu der Generation, die eine (völlig analoge) Armbanduhr trägt und der es mühelos  gelingt, ohne Kopfhörer aus dem Haus zu gehen. Auf meiner noch ungeschriebenen Liste der Dinge, die Menschen dämlich aussehen lassen, steht das Tragen von großen Kopfhörern in der Öffentlichkeit an dritter Stelle. Davor kommen Telefonieren mit flach vor den Mund gehaltenem Telefon und auf Platz eins Kaugummi kauen. Das Kauen eines Kaugummis lässt Menschen ja oft dümmer erscheinen als sie vielleicht sind. Nach den Kopfhörern kämen tätowierte Waden, Hosen mit eingerissenen Knien und mit Mützenschirm nach hinten getragene Kappen. Ach ja, und Selfiestangen. Wohl kein Gegenstand vermag die Verblödung der Menschen eindrucksvoller zu verdeutlichen. So eine Liste sollte ich wirklich bald mal anlegen.

Eins steht für mich indessen fest: Ohne einen abschießenden Beweis dafür beibringen zu können, bin ich mir der Existenz eines Zusammenhangs zwischen zwanghaftem Aufs-Telefon-Schauen und Wahnsinn sicher. Nur ist es hier wie mit der Henne und dem Ei: Offen bleibt, was Ursache und was Wirkung ist.

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(Dies ist mein erster Beitrag für das Mitmachblog.)

Woche 12: Frühlingsanfang und Glücksmomente

Montag: Wie empirische Untersuchungen belegen, sind fünf von fünf Zeitungen nicht imstande, in einem Artikel über die italienische Sängerin Gianna Nannini auf das Attribut „Rockröhre“ zu verzichten.

Dienstag: Heute ist Frühlingsanfang. Jedoch statt blauen Bandes, das durch die Lüfte flattert, nur weiße Dampfwölkchen vor den Gesichtern der in der Kälte auf die Bahn Wartenden. Apropos blau: „Hört Facebook mit?“, fragt Die Welt Kompakt. Das ist jetzt keine ernstgemeinte Frage, oder?

Mittwoch: Auf Vorschlag der Gewerkschaft Verdi machte ich am Morgen einen Spaziergang ins Büro. Neben Bewegung an der frischen Luft gibt so ein Spaziergang stets auch Gelegenheit zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, was Menschen, die „Lübien“ sagen, wenn sie Libyen meinen, wohl sonst noch so sagen: Sülberlöffel? Kürschkonfitüre? Lündenblüten?

Donnerstag: Der Leiter des Ernst-Abbe-Gymnasiums in Berlin-Neukölln heißt übrigens Tilmann Kötterheinrich-Wedekind.

Freitag: Schlagersänger Heino löste Empörung aus, nachdem er Nordrhein-Westfalens Heimatministerin ein Doppelalbum mit Volksliedgut übergeben hatte, dem eine schwarz-bräunliche Färbung anhaften soll. Abgesehen davon, dass ich immer noch nicht weiß, was genau das Aufgabengebiet eines Heimatministeriums ist: Erkennt denn wirklich niemand die Satire, die hinter dieser Gabe steckt?

Samstag: Vergangene Nacht träumte ich, der Geliebte hätte meine Modelleisenbahn mit einer dicken Schicht Mett überzogen. Fall sich Traumdeuter unter den Lesern befinden, wäre ich für Deutungshinweise sehr dankbar. – Der Bonner General-Anzeiger berichtet über Nutrias in den Rheinauenteichen, welche ob ihrer Possierlichkeit inzwischen zu einer Attraktion geworden sind. Häufig werden sie irrtümlich mit Bisamratten verwechselt. Übrigens kann man aus ihnen auch eine warme Mahlzeit zubereiten, zum Beispiel mit Pilzen, Knödeln und Rotkohl: https://www.kochbar.de/rezept/405138/Nutria-in-Pilzsosse.html Ob sich aus ihnen auch Mett anfertigen lässt, entzieht sich meiner Kenntnis.

Wo wir gerade bei Nagetieren sind: In derselben Zeitung bringt Wolfgang Pichler unter dem Titel „Der Zug der Lemminge“ seine von mir uneingeschränkt geteilte Skepsis gegenüber der viel gepriesenen Digitalisierung zum Ausdruck. Zitat: „Es läuft etwas schief, wenn ein Haushaltsgerät mich herumkommandiert, zulabert, ausspioniert, anschwärzt, seinem Arbeitgeber verkauft. Sein Arbeitgeber: Das sollte ich sein, nicht die Firma Facemazoogle.“

Sonntag: Am Morgen erreichte mich die Nachricht vom Tod eines alten Eisenbahnfreundes. Mit ihm verbrachte ich einst wunderbare Sonntage auf dem Führerstand einer Dampflok, während derer wir uns gegenseitig Gedichte von Eugen Roth und Heinz Erhard um die Ohren hauten. Das waren echte Glücksmomente. Machs gut, lieber Schorsch! Bitte bestelle Anne, Harry und all den anderen Dampfkleinbahnern, die inzwischen bei euch dort drüben sind, liebe Grüße von mir!

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Woche 11: Ja, unbedingt!

Montag: Wie heute bekannt wurde, ist Jan Loh gestorben, den Bonnern bekannt als der „Alle-mal-malen-Mann“. Vielleicht portraitiert er nun Engel. Auch ich widmete ihm schon vor längerer Zeit einige Zeilen.

Dienstag: Nicht nur der bekannte Kleinkünstler Marc-Uwe Kling teilt sich die Wohnung mit einem Känguru, laut einem Zeitungsbericht ist ein solches Beuteltier auch voll integriertes Mitglied einer Celler Familie. Das ist dem örtlichen Veterinäramt ein Dorn im Auge, nach dessen Auffassung der Garten der Familie viel zu klein zur artgerechten Haltung des Tieres sei. In denselben Beutel greift die Leiterin des Nabu-Artenschutzzentrums: „Ich finde es gruselig, ein Känguru zu Hause zu halten. Stellen Sie sich mal vor, Sie werden ihr Leben lang zu Gorillas gesperrt, ohne Kommunikation mit Artgenossen,“ so die Artenschützerin. Was auch immer daran gruselig sein soll: Millionen von Mastschweinen, -puten und Legehennen, die einen Mangel an artgenössischer Kommunikation vermutlich nicht als ihr Hauptproblem ansehen, dürften sich darüber kaputt lachen, läsen sie Zeitung. Ob das Urteil der Dame milder ausfiele, könnte das Celler Känguru sprechen, so wie das Klingsche?

Mittwoch: Und wieder bewahrheitet sich: Sei immer nett zu jedermann / Schon morgen er dein Chef sein kann.

Donnerstag: Aus einem Zeitungsbericht über einen Bonner, der sich für Flüchtlinge engagiert: „Schon früher habe er jungen Leuten mit Lernschwierigkeiten beim Schreiben von Bewerbung und Lebenslauf geholfen. Seit Jahrzehnten im Personalwesen für Führungskräfte des Post-Konzerns tätig, kann er das aus dem Effeff.“

Freitag: Aus einem Interview in der PSYCHOLOGIE HEUTE: „Manchmal ist Nichtstun das Verhalten der Wahl.“ Dem stimme ich vorbehaltlos zu.

Samstag: Apropos Nichtstun: Wir müssen lernen, öfter „Nein“ zu sagen. Heute jedoch war nicht der richtige Tag zum Neinsagen, stattdessen sagte ich: Ja, unbedingt!

Sonntag: Ich bin mir völlig sicher: Dass seit knapp einer Stunde Roland Kaiser mit seinem „Warum hast du nicht nein gesagt“ mein inneres Ohr wurmt, ist nur eine alberne Laune irgendeiner abseitigen Hirnwindung, der keinerlei Bedeutung beizumessen ist. Oder, in Politiker- und Managersprache ausgedrückt: Diese Frage stellt sich nicht.

Die Vernunft ist weiblich

Eine der Hauptbeschäftigungen liegt heute darin, sich zu empören. Zurzeit wohl beliebtestes Empörungsobjekt ist der sogenannte Sexismus: Von der Wand einer Hochschule muss ein harmloses Gedicht entfernt werden, weil sich Frauen durch die vom Dichter ihnen, Blumen und Alleen entgegen gebrachte Bewunderung angegriffen fühlen; Gemälde in Museen werden verhüllt oder abgehängt, weil jetzt, nach Jahrhunderten, jemand Anstoß nimmt an einer blanken Brust. Kaum vergeht ein Tag, an dem nicht ein Prominenter angeprangert wird, weil er in der Vergangenheit mal eine schlüpfrige Bemerkung fallen ließ oder auch nur einen unzüchtigen Gedanken hegte.

Besonders die Sprache steht immer wieder im Zentrum der Kritik. An amerikanischen Universitäten soll es mittlerweile sogar Hinweise am Anfang von Texten geben, die vor möglicher Erwachsenensprache warnen, ähnlich der Warnung auf diversen Lebensmittelverpackungen vor möglichen Erdnussspuren. Wie schnell ist der junge Mensch traumatisiert, weil er in einem Botanik-Fachbuch unvorbereitet auf das Wort „Vergeilung“ stieß *.

Zugegeben: Auch ich empöre mich immer wieder gerne, manchmal mit geradezu kindischem Eifer, über schludrigen Sprachgebrauch, wie fehlende Bindestriche („Deppen Leerzeichen“) oder falschen Genus des Possessivpronomens („Qualität hat seinen Preis“). Niemals schriebe ich ein Wort mit Binnen-I, Gender-Sternchen oder -Unterstrich (und welche unschönen Varianten es sonst noch gibt), wenn eindeutig ist, was gemeint ist. Ein Mensch ist ein Mensch, eine Person ist eine Person und ein Mitglied ist ein Mitglied. (Irgendein SPD-Heini sprach neulich im Fernsehen von „Mitgliedern und Mitgliederinnen“.)

Weiterhin rege ich mich immer wieder gerne auf über fingerhutgroße Saftgläser bei Hotel-Frühstücksbüffets und das Unvermögen der Bahnindustrie, moderne Züge zu bauen, bei denen jeder Fensterplatz wirklich einen Blick nach draußen ermöglicht statt gegen eine graue Innenverkleidung. (Entstanden ist dieser Aufsatz übrigens in einem ICE, Sie ahnen vielleicht, wo ich währenddessen saß.) Doch fiele es mir nicht ein, wegen solcher Quisquilien, die dem allgemeinen Lebens-Unbill zuzurechnen sind wie Glatteis oder Max Giesinger, vor Gericht zu ziehen.

Genau das tat eine Dame aus dem Saarland, die dort zu erreichen suchte, in Formularen der Sparkasse künftig als „Kundin“ angesprochen zu werden und nicht länger allgemein als „Kunde“. „Ich sehe das überhaupt nicht mehr ein, dass ich als Frau totgeschwiegen werde“, so ihre Argumentation, die ein wenig an Frau Hoppenstedt in dem bekannten Loriot-Sketch erinnert, nachdem der Reporter von Radio Bremen sie gefragt hat, was ausgerechnet sie als Frau dazu bewogen habe, das Jodeldiplom zu machen. Die Saarländerin klagte über mehrere Instanzen bis zum Bundesgerichtshof.

Doch es gibt Lichtblicke im dichter werdenden Nebel der Vernunftsverschleierung:

Unsere Bundeskanzlerin daselbst (ohne Binnen-Dings) wies erst kürzlich das Ansinnen der Gleichstellungsbeauftragten des Familienministeriums ab, unsere Nationalhymne umzudichten; unter anderem sollte „Vaterland“ zu „Heimatland“ werden (was ich persönlich nicht besonders schlimm fände, und Herr Seehofer als zuständiger Minister vermutlich auch nicht).

Und der Bundesgerichtshof hat die oben genannte Klage aus dem Land der Kramp-Karrenbauers nun abgewiesen. Die seit jeher gebräuchliche männliche Kollektivform sei auf Formularen klar und ausreichend. Das Hinzufügen des weiblichen Geschlechts (und konsequenterweise weiterer) würde Formulare und Texte unnötig verkomplizieren.

Allen Damen, die mir nun böse sind, sei gesagt: Ich erkenne an und hege keinen Zweifel daran, dass die Vernunft weiblich ist.

(Im Übrigen hätte auch ich allen Grund, mich diskriminiert zu fühlen: Wann sieht man mal eine Werbung, in der zwei oder drei Männer oder Frauen eindeutig als Lebens- und Liebespartnerschaft in Erscheinung treten? Stattdessen immer nur Vater, Mutter, zwei Kinder und der Hund in einem weißen Neubaugebiet-Eigenheim, oder junge Hetero-Paare mit Dreitagebart (er) und entblößten Fesseln (beide), die sich mit Fotogrinsen gegenseitig Lebensmittel in den Mund schieben. Komisch, dagegen wettert niemand.)

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Siehe hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Vergeilung

Woche 10: Was so geschwätzt wird

Montag: Sie: „Ich muss pipi – Ich auch – dann sind sie aufs Klo gegangen.“ – Er: „Nee, alles fein.“ – Was im Aufzug so geschwätzt wird.

Dienstag: »Selbst Manager müssen meditieren, damit sie als Führungskräfte besser „performen“ (um mal das Beispiel eines Wortes zu nennen, auf das wirklich zu verzichten wäre).« DER SPIEGEL

Mittwoch: „Das Kaskadierende Kommunikationsvorgehen erlaubt ein frühes Abholen aller beteiligten Adressaten.“ Poesie per Präsentation.

Donnerstag: »Justin Timberlake – Alles, was der macht, ist state of the art«, sagt die Frau im Radio. Sie muss es wissen. Augenscheinlich nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist der Uniclub Bonn, wo auch heute, fast Mitte März, noch immer die Lichterkette in der Tanne erstrahlt.

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Aber möglicherweise ist das auch Absicht, weil sich wieder irgendwer diskriminiert fühlen könnte, wenn der Baum nur von Ende November bis Anfang Januar brennt. Die Menschen sind ja heutzutage so empfindlich und empören sich aus den absurdesten Gründen, am liebsten im Netz. Dabei spielen sich die wahren Dramen immer noch in der Realität ab, zum Beispiel in der Kaffeeküche einer örtlichen Konzernzentrale:

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Freitag: Amazons Alexa, so wird berichtet, bekommt plötzliche und grundlose Lachanfälle, manchmal auch mitten in der Nacht. Laut dem Lieferanten der Lausch- und Laberdose handelt es sich um einen technischen Fehler, an dessen Beseitigung gearbeitet wird. (Ob „mit Hochdruck“, wie bei solchen Gelegenheiten sonst gerne betont wird, ist nicht bekannt.) Vielleicht freut sie sich einfach, weil Jeff Bezos nun reichster Mensch der Welt ist. Ich kenne übrigens Kollegen, die ebenfalls immer wieder mitten im Gespräch augenscheinlich grundlos und fern jeder Komik auflachen. Vielleicht sollte deren Verdrahtung auch mal überprüft werden.

Samstag: Egal, wieviel Wein du konsumiert hast: Wenn dich, während du auf dem Klo sitzt, vom Rand der Badewanne das Quietscheentchen anzwinkert, ist es Zeit, ins Bett zu gehen.

Sonntag: Aus einer Buchbesprechung in der FAS: „Da kramen die Punks der Zukunft in dem digitalen Müll, den wir hinterlassen haben, schauen sich Videos an davon, wie andere Menschen ein Videospiel spielen, und begreifen nicht, warum jemand so etwas einst gefilmt hat. (Es ist ja auch kaum zu begreifen.)“

Woche 9: Kaum macht man es richtig, schon klappt es

Montag: Dienstreise mit der Bahn nach Ulm. Warum die Plätze in Vierergruppen mit Tisch so begehrt sind, erscheint mir ebenso rätselhaft wie die Systematik der Sitzplatznummerierung. Angeblich kann man dort besonders gut arbeiten. Ich war indessen vor allem damit beschäftigt, mit einem fremden Menschen um den Fußraum zu kämpfen.

Sollte es einen Aufruf zur Nennung von Kandidaten für die Hitliste der verbraucherunfreundlichsten Verpackungen geben, schlüge ich die Zahncreme Meridol vor. Die jungfräuliche Tube ist mit einem Stopfen versehen, dem ohne technische Hilfsmittel nicht beizukommen ist, jedenfalls nicht mit denen, die einem am späten Abend in einem Hotelzimmer zur Verfügung stehen. Wenig hilfreich ist der winzig kleine Hinweis „Sicherung mit Verschlusskappe abdrehen“ am Tubenfuß, da er es immer noch der Phantasie und Kreativität des Anwenders überlässt, wie genau er dabei vorgehen muss.

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Dienstag: Eher zufällig fand ich am Morgen die Lösung des Meridol-Rätsels. Auf der Außenseite der Verschlusskappe befindet sich eine Einbuchtung, die genau auf den gezahnten Sicherheitsstopfen der Tube passt, so dass er sich mühelos abdrehen lässt. Es sei denn, man hat zuvor im Zuge der Öffnungsversuche mit der Nagelschere die Zähne zerstört. Mike Krüger lässt grüßen.

Mittwoch: „Was glaubst du, wie du einst sterben wirst?“ Diese Frage las ich neulich irgendwo in des Netzes Weiten. Das ist natürlich schwer zu beantworten, da es tausende Möglichkeiten dafür gibt. Zudem gehe ich keiner besonders gefahrgeneigter Tätigkeit nach, auch mein Tabakkonsum geht stark zurück. Vielleicht lache ich mich ja irgendwann tot, etwa über Hinweise im ICE wie den, der die Reisenden wissen lässt, Bahncard-Inhaber seien in allen IC und ICE CO2-frei unterwegs. Also nur Vollbezahler dürfen ungehemmt ausatmen, oder wie? Das wäre jedenfalls nicht die schlechteste Todesursache.

Donnerstag: Ich bin mir der politischen Unkorrektheit und der Gefahr eines Fäkaliensturmes durchaus bewusst, aber ich kann es nicht ändern: Sobald ein sehr dicker Mensch vor mir hergeht, ertönen in meinem Kopf Kesselpauken wie in der Einleitung von „Also sprach Zaratustra“.

Freitag: Laut PSYCHOLOGIE HEUTE kann jedes beliebige Geräusch als Musik empfunden werden, wenn man es nur oft und lange genug hört. Das kann ich bestätigen. Das Schnarchen des Liebsten erscheint mir wie der zweite Satz von Bruckners neunter Sinfonie: nicht besonders schön, aber es gehört dazu. — Warum wird Silvio Berlusconi von den Medien eigentlich ständig als »Cavaliere« bezeichnet, also Ritter? Das ist so, als schmückten sie Alfred Gauland mit dem Titel »Schöngeist«.

Samstag: Laut einer Radiomeldung ist im Netz möglicherweise weniger Hass unterwegs als befürchtet. — Jedenfalls muss man Menschen schon sehr mögen, wenn man an einem Samstag bei IKEA unterwegs ist und von Gewaltphantasien verschont bleibt.

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(Finde den Fehler)

Sonntag: Für die Montage von IKEA-Möbeln gilt wir für IT-Anwendungen und Zahnpastatuben: Kaum macht man es richtig, schon klappt es.