Über Aufzüge und das gute Gefühl

Wie ich vielleicht schon erwähnte, arbeite ich in einem Hochhaus, im siebenundzwanzigsten Stock. Um dorthin zu gelangen, bediene ich mich für gewöhnlich des Aufzuges. Ich könnte auch das Treppenhaus nutzen, theoretisch. Da ich dann früher aufstehen und, sobald ich am Arbeitsplatz angekommen bin, künstlich beatmet werden müsste, lehne ich das jedoch ab, Sie verstehen das sicher.

Ich mag keine Aufzüge, obwohl die hier besungenen sehr schnell sind und man somit zumeist nur wenig Zeit darin verbringen muss; nicht so sehr wegen der Befürchtung, mit ihnen stecken zu bleiben oder gar abzustürzen, sondern, ich beschrieb es schon an anderer Stelle, wegen der Leute, die mitfahren; Aufzugkommunikation ist mit das schlimmste, was die menschliche Sprache hervor gebracht hat, sowohl in der scheinbar witzigen als auch in der wichtig-geschäftlichen Ausprägung, vor allem morgens.

Doch gibt es einen Aspekt des Fahrstuhlreisens, welcher mich innerlich lächeln macht. Ein kleiner Knopf mit zwei nach innen gerichteten Pfeilspitzen, der scheinbar den Zweck hat, die Tür zu schließen; im Gegensatz zu seinem Bruder mit den nach außen gerichteten Spitzen ist er schon ganz abgegriffen.

Aufzug2

Ich bin mir sicher, rein technisch hat dieser Knopf keinerlei Funktion, vermutlich ist er nicht mal angeschlossen: Empirische Messungen meinerseits haben nämlich ergeben, dass sich die Aufzugtür immer gleichfrüh schließt, egal ob jemand den Knopf betätigt hat oder nicht.

Und doch erfüllt dieser unscheinbare Knopf einen wichtigen Zweck: Er gibt denjenigen, die ihn drücken, und das sind augenscheinlich nicht wenige, das gute Gefühl, Zeit zu gewinnen, wertvolle Sekunden, in denen sie an ihrem Schreibtisch produktiv sein und ihren wichtigen Beitrag zum Wohle des Unternehmens leisten können, Zeit, die sonst unwiederbringlich verloren ginge, während man darauf wartet, dass sich die Tür endlich schließt.

Was kann einem Unternehmen mehr am Herzen liegen als das Wohlergehen seiner Mitarbeiter? So gesehen ist der Knopf mit den lustigen Pfeilspitzen eine zwar vergleichsweise kleine, und doch wichtige Investition in die Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit. Die Weitsicht des Arbeitgebers sowie des Aufzugherstellers ist ausdrücklich zu loben.

Nicht massenkompatibel

Wenn ich eins von mir behaupten kann, dann, dass ich vielseitig desinteressiert bin. Was wie ein witziges Wortspiel klingt, ist leider traurige Wahrheit: Es gibt kein allgemeinpopuläres Interessensgebiet, bei welchem ich mitreden, gar eine eigene fundierte Meinung vorweisen könnte, wohingegen eine Auflistung aller Themen, von denen ich keine Ahnung habe und auch überhaupt nicht haben w i l l, den Umfang eines Romans hätte, machte sich jemand die Mühe, das alles mal aufzuschreiben.

Hier ein kleiner Auszug aus der bislang ungeschriebenen Liste meiner wesentlichen Desinteressensgebiete:

Fußball, überhaupt Sport mit Bällen: Die Freude hieran nahm mir der Schulsport, unwiderruflich. (Andere würden hier „nachhaltig“ schreiben, aber das lehne ich aus Gründen der allgemeinen Begriffsinflation ab.) Mir will einfach nicht einleuchten, was so toll daran ist, wenn Punkte erlangt werden, weil irgendwo ein Ball in, durch oder über ein Netz fliegt, schon gar nicht, wenn dies durch andere geschieht und ich selbst diesem Ereignis nur als passiver Zuschauer beiwohnen darf. Vor allem: Warum schlagen sich deswegen – zumeist männliche – Personen oft und gerne gegenseitig die Köpfe ein? Gibt es dafür auch Punkte?

Schnelle, teure oder PS-starke Autos, eigentlich Autos generell. Das war nicht immer so: Als Kind wollte ich, wenn ich mal groß bin, unbedingt einen weißen VW-Käfer haben (warum auch immer er weiß sein sollte), und mein erstes eigenes Auto, einen knallroten VW-Derby, habe ich geliebt, bis wir uns aus Gründen der Altersschwäche (der Derby, nicht ich) trennten und ein seelenloser Golf II dessen Stelle einnahm. Käfer, Derby, Ente, R4 und einige andere, das waren noch Autos mit Charakter. Die heutigen Autos kann ich kaum auseinander halten, für mich sehen sie alle nahezu gleich aus.

Angesagte Kinofilme, vor allem Action oder Krimi. Ich fragte schon mehrfach, ohne je eine Antwort gefunden oder erhalten zu haben: Warum dürfen sich Minderjährige ohne moralische Bedenken anschauen, wie sich Menschen gegenseitig Gewalt antun, nicht jedoch, wie sie, was sie ja viel öfter tun, kopulieren? Was ist jugendgefährdend daran, anderen bei einer der natürlichsten Sachen der Welt zuzuschauen, während gegen spritzendes Blut in Zeitlupe und Großaufnahme nicht einmal die katholische Kirche aufbegehrt? Obwohl, wenn man in die Vergangenheit dieser Institution schaut, liegt die Antwort vielleicht auf der Hand. – 

Im Kino war ich übrigens schon seit Jahren nicht mehr. Für das Vergnügen, mich drei mal von meinem Platz zu erheben, weil Menschen mit einer riesigen Popcorntonne und Bionade nach Abdunkeln des Lichts noch in meiner Reihe sitzen wollten, erschien mir der verlangte Eintrittspreis nicht angemessen.

 Als ganz schlimme Belästigung empfinde ich übrigens unaufgefordert dargebrachte Inhaltsangaben zu Filmen, die ich nicht gesehen habe und die anzusehen ich auch nicht beabsichtige.

Fernsehen: Tatort, Wetten, dass…?, Bauer sucht Frau, Dschungelcamp, Deutschland sucht den Superstar und wie sie alle heißen kenne ich nur vom Hörensagen und aus meiner Twitter-Timeline, kurz bevor ich sie genervt verlasse und beschließe, eine mehrtägige Twitterpause einzulegen (was mir so wenig gelingt wie Tage ohne zu essen). Selbstverständlich mache ich es niemandem zum Vorwurf, sich das anzuschauen, aber warum muss man das gesehene allen anderen mitteilen? Die, die es interessiert, schauen es selbst, die anderen schauen es nicht, weil… nun raten Sie mal, warum!

 – Ich verrate Ihnen etwas, aber das bleibt bitte unter uns: Ich selbst habe mal eher zufällig an einem Casting teilgenommen für das „RTL Strafgericht“, offenbar fanden die mich ganz gut, denn sie engagierten mich für eine Folge, sogar in einer sprechenden Rolle. So gut war ich aber dann wohl doch nicht, denn weitere Engagements blieben – leider oder zum Glück – aus. Das ist lange her und es ist inzwischen viel Gras darüber gewachsen, also sprechen Sie mich bitte nicht darauf an, ich würde es ohnehin abstreiten.

Hunde, Katzen, sonstige Haustiere. Es gibt Menschen auch in meinem engeren Bekanntenkreis, die ihrem Hund oder ihrer Katze mehr Aufmerksamkeit schenken als andere Menschen ihren Kindern. Ich finde das unerträglich. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich als Haustiere bloß Fische, einen Wellensittich und mehrere Schildkröten hatte, zu denen sich möglicherweise nicht ganz so schnell eine emotionale Verbindung aufbaut wie zu einem treublickenden Fellträger.

Die neuesten Apple-Produkte. Gut, ich gebe zu: seit ich ein iPhone besitze, möchte ich nichts anderes mehr haben, auch mit meinem MacBook bin ich sehr zufrieden. Diese Geräte habe ich, weil der Liebste diesbezüglich stets auf dem neuesten Stand ist und ich seine Altgeräte „auftragen“ darf. Sie sind zuverlässig, benutzerfreundlich und von angenehmen Design. Aber deswegen muss man doch nicht in Hysterie verfallen, wenn die Firma mit dem angefressenen Apfel etwas neues ankündigt!

Die Anzahl meiner „Freunde“ auf Facebook und was sie so schreiben. (Oder besser: schrieben, denn Facebook und ich, wir haben uns inzwischen einvernehmlich getrennt, und zwar ohne die Option „Wir können ja Freunde bleiben“.)

Kostprobe:

A: „Bin gerade kacken.“

B: „Guten Schiss!“

C, D und E gefällt das.

Twitter ist natürlich viiiiel besser.

Kleinkinder, vor allem wenn ich mehr oder weniger subtil aufgefordert werde, sie niedlich zu finden. Es tut mir leid: Ich habe keine eigenen Kinder, möchte keine, und ich kann mit ihnen auch nichts anfangen; das klingt möglicherweise hart, ist aber so. Aber keine Sorge: ich tue Kindern nichts, ganz bestimmt nicht, niemals. Ihre Eltern dagegen, die sich von ihnen auf der Nase herum tanzen lassen oder die kein anderes Thema mehr haben als ihr Balg, möchte ich bisweilen anschreien.

Die Jobs anderer Leute. Mein eigener interessiert mich ja schon kaum, jedenfalls außerhalb der von meinem Arbeitgeber bezahlten Zeiten. Warum müssen Menschen in ihrer Freizeit über berufliche Dinge reden, und dann auch noch mit mir, haben die nichts anderes? Aber vielleicht sind die ansonsten genau so desinteressiert wie ich…

Die Krankheiten anderer Leute. Ein ganz ganz furchtbares Gesprächsthema, eigentlich das schlimmste überhaupt, noch vor Fußball, Kindern und Autos. Dennoch für viele Menschen von so hohem Unterhaltungswert, dass eine Serie wie die Schwarzwaldklinik sehr erfolgreich werden konnte.

Reisen in ferne Länder. Alles außerhalb Europas zieht mich in keiner Weise an, insbesondere nicht USA (zu bekloppt dieses Volk), Afrika (zu wild) und Asien (zu fremd). Im Grunde muss ich gar nicht weit verreisen, um mich zu erholen, hierfür genügt mir ein schattiges Plätzchen unter Bäumen, idealer Weise mit Blick auf das Meer, einen See oder Fluss, dazu ein kühles Getränk und ein Stapel Bücher.

Skiurlaub. Welch Absurdität, dort Urlaub dort zu machen, wo es kalt ist und Schnee liegt, und danach mit einer Horde dick bekleideter betrunkener Menschen DJ Ötzi zu hören!

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Dies war eine kleine Auswahl der Dinge, die mich nicht interessieren. Demnächst dann eine Liste der Dinge, die mich interessieren. Aber keine Sorge, die wird wesentlich kürzer.