Füßlinge

Der Sommer bringt es mit sich, dass die Menschen sich lockerer, luftiger kleiden, wobei, je nach individueller Erscheinung, Mut, Selbstbild und Maß des Kleidungsverzichts der Grad zwischen erfreulichem Anblick und Fremdscham bisweilen sehr schmal ist. Ein Klassiker ist hier die angeblich vor allem bei männlichen Deutschen zu beobachtende Kombination aus Socken und Sandalen. Doch wird nach meiner Beobachtung diesem Dauerbrenner textiler Verirrung langsam der Rang abgelaufen durch ein Bekleidungsstück, dessen genaue Bezeichnung mir unbekannt ist, man nennt es wohl Füßling oder Söckling, also diese kleinen Dinger, die aussehen wie Socken, die man direkt oberhalb der Ferse abgeschnitten hat.

Nun möchte ich den Füß-/Söckling nicht grundsätzlich schlechtschreiben, hat er doch im Gefüge menschlichen Modebewusstseins seine Daseinsberechtigung, auch kann sein Anblick in Kombination mit geschlossenen Sportschuhen und wohlgeratenem Bein durchaus erfreulich sein, wie folgende Abbildung belegt:

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Was jedoch völlig inakzeptabel ist, liebe Herren, ist das Tragen des Füßlings im Zusammenspiel mit langen Hosen, erst recht Anzughosen, und Lederschuhen!

Fazit: Damit der Füßling nicht zum Fiesling wird, achte man darauf, wann und womit man ihn trägt.

6. Aktualisierung: Liste der nervigsten Redewendungen und Floskeln

Es ist wieder einige Zeit vergangen seit der letzten Aktualisierung der Liste. Mittlerweile haben neue und auch mehrere gar nicht so neue Phrasen menschlich-geschäftlicher Kommunikation den Weg in meine Notizen gefunden, welche ich der Liste anfüge; die Neuzugänge finden Sie ab der Nr. 109.

1.) „Okay…“ mit anhebender Stimmmodulation auf der zweiten Silbe. Mein absoluter Spitzenreiter.
1a) „Okodoki“ – die kleine, nicht minder schlimme Schwester von 1.)
2.) „Gesundheit!“ Verdammt, lasst mich doch einfach in Ruhe niesen!
3.) „Geht das zusammen oder getrennt?“
4.) „nicht wirklich“
5.) „Wir müssen die Leute mit ins Boot holen“
6.) „Wir müssen die Leute abholen“
7.) „Da bin ich ganz bei dir/Ihnen“
8.) Ganz neu und ganz schlimm: „Da bin ich fine mit“ (oder „fein“?)
9.) „Gerne!“ als Antwort auf „Danke“
10.) der Klassiker: „Mahlzeit!“
11.) „Da sind wir gut unterwegs“
12.) „Da sind wir gut aufgestellt“
13.) „Kein Thema!“
14.) „Herausforderung“ statt einfach „Problem“…
15.) „Hallo…??“ statt „Hä?“ (was zugegebenermaßen auch nicht schöner ist)
16.) „Ich freue mich auf…“ im Zusammenhang mit geschäftlichen Terminen/Angelegenheiten/was auch immer. Das glaubt ihr doch selbst nicht!
17.) „So was von [beliebiges Adjektiv|“
18.) „Ich sag mal…“
19.) „Na Urlauber…?“ am ersten Tag nach dem Urlaub. Als wenn es nicht so schon schlimm genug wäre, wieder arbeiten zu müssen!
20.) „Das geht g a r nicht!“ Wirklich nicht.
21.) „Wie [beliebiges Adjektiv, zumeist jedoch ‚geil‘] ist d a s denn??“
22.) „Am Ende des Tages…“
23.) „Das macht Sinn“
24.) „Super-GAU“, genau so unsinnig wie „das einzigste“
25.) „Quantensprung“. Ich nehme an, 95% derjenigen, die das Wort benutzen, kennen dessen eigentliche Bedeutung nicht.
26.) „mit Migrationshintergrund“ trieft nur so vor politischer Korrektheit.
27.) „Du, damit habe ich kein Problem.“ Da schwingt stets genau das Gegenteil mit.
28.) „wünsche … gehabt zu haben!“
29.) „Wer mich kennt, weiß, dass ich [blablabla]…“ Gerne von Vorständen und ähnlich „wichtigen“ Personen genutzt
30.) „Da müssen wir jetzt Gas geben“
31.) „Das habe ich auf dem Schirm“
32.) „spannend“ im Zusammenhang mit irgendwelchen halbwichtigen geschäftlichen Angelegenheiten
33.) „Ich bin im Moment lost“
34.) „An der Stelle…“ als Füllfloskel
35.) „Und äh…“ als Satzeinleitung, vor allem, wenn danach sekundenlang nichts mehr kommt
36.) „Dafür nicht“ als Antwort auf Danke
37.) „sexy“ in geschäftlichen und somit völlig unerotischen Zusammenhängen, typische Marketingfloskel“
38.) „Die Kuh vom Eis holen“ (eine Kollegin sagte letzte Woche: „Die Crux vom Eis“. Herrlich!)
39.) „Ins offene Messer laufen“
40.) „Im Tal der Tränen“
41.) „Da müssen wir Geld in die Hand nehmen“
42.) „Das Projekt auf die Straße bringen“
42a) „Die PS auf die Straße bringen“
43.) „Auf Augenhöhe diskutieren“
44.) „Erdrutschartiger Sieg“
45.) „Ein Schluck aus der Pulle“
46.) „Geld in die Kassen spülen“
47.) „Lohnenswert“ – dieselbe Wortfamilie wie „das einzigste“
48.) „Yummie“ – heißt wohl so viel wie lecker, was bei genauer Betrachtung nicht viel besser ist.
49.) „Zeitfenster“
50.) „Otto Normalverbraucher“
51.) „Spaß beiseite“
52.) „Da bin ich leidenschaftslos“ und
53.) „Da bin ich schmerzfrei“
54.) „wtf“ = „What the fuck“. Gerne auf Twitter genutzt, ebenso wie
55.) „#fail“ – ja, mangelhaft!
56.) „Nennen Sie mal eine Hausnummer“ an Stelle von „was kostet das“. Am liebsten würde ich dann immer mit „19b, Hinterhaus“ antworten.
57.) „Das ist mit mir nicht zu machen.“
58.) „Wir müssen jetzt unsere Hausaufgaben machen.“
59.) „Ich mache mal den Vorsitz“ – beliebter Scherz, wenn nur noch ein Platz an der Stirnseite frei ist
60.) „… bis der Arzt kommt“
61.) „Da krieg‘ isch so’n Hals!“
62.) „Das haben wir ihnen ins Stammbuch geschrieben.“
63.) „Das stimmen wir bilateral ab.“
64.) „eine undurchsichtige Gemengelage“
65.) „[beliebiges Substantiv] wird bei uns groß geschrieben.“ Nicht nur bei euch.
66.) „Roundabout“ klingt ungefähr scheiße.
67.) „Er/sie erfindet sich immer wieder neu.“
68.) „Das meint“ – meint „das bedeutet“ zu bedeuten, tut es aber nicht.
69.) „Ich speichere mal aus“ – klingt nach mentalem Stuhlgang.
70.) „Wer hat da den Hut auf?“
71.) „Ich sehe das mehr durch die […]-Brille.“
72.) „Das ist kein Showstopper.“ – nein, eher verbales Brechmittel.
73.) „Da werden Pflöcke gesetzt“
74.) „Das werfen wir denen (= andere Abteilung etc.) über den Zaun“
75.) „Wir könne hier nicht auf der grünen Wiese planen“
76.) „Das ist Brot und Butter“ – mir vergeht dabei der Appetit.
77.) „Wer sind hier die Player?“ – geht spielen.
78.) „Das haben wir im Scope.“
79.) „Lach doch mal!“
80.) „Topic overflow“ – was mag es bedeuten? Für Hinweise wäre ich dankbar.
81.) „Wir müssen die Anforderung aufbohren.“
82.) „Wir müssen hier ja nicht das Rad neu erfinden.“
83.) „Ich schicke Ihnen mal einen Draft.“
84.) „Wir müssen darauf achten, dass das absolut wasserdicht ist“. – Hauptsache ihr seid ganz dicht…
85.) „Da können wir Honig saugen.“
86.) „nullachtfuffzehn“
87.) „Wenn wir dieses Fass jetzt aufmachen…“
88.) „Das ist kein Hexenwerk“
89.) „Umgekehrt wird ein Schuh draus.“
90.) „Haben wir dafür schon das Go?“ – Geht mir weg!
91.) „Da bekommen wir ein Thema.“
92.) „Ich forwarde Ihnen das mal eben.“
93.) „Da sehe ich uns im Lead.“
94.) „Der Prozess wird noch nicht gelebt.“
95.) „Da muss ich mich erst mal aufschlauen.“
96.) „Das ist so 1990 [oder sonstiges beliebiges Jahr]“
97.) „Wir sind not amused“ – in der Tat wenig amüsant
98.) „Wie ist das gesettet?“
99.) „Leg dich wieder hin“ am Ende eines Telefonats – ein Klassiker
100.) „Wir brauchen da eine gute Storyline.“
101.) „Ein absolutes No Go!“ – geht wirklich nicht.
102.) „Ein absolutes Must Have!“ – also ich muss das nicht haben.
103.) „Das ist doch eher ein Nice To Have.“ – s. Nr. 102
104.) „Wir sollten dazu eine kurze TelKo machen.“
105.) „Wir sind hier doch nicht bei Wünsch dir was!“
106.) „Kannst du mich dazu kurz briefen / debriefen?“
107.) „Sind Sie morgen früh im Office?“
108.) „O-Saft“, „A-Saft“
Fortschreibung vom 26. August 2012:
109.) „Das ist kein Dealbreaker“. Klingt trotzdem zum kotzen.
110.) „Darauf haben wir uns committed.“
111.) „Sie können mich jederzeit anrufen.“ Ebenso verlogen wie
112.) „Für Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.“
113.) „Wir sollten das nicht mit der Gießkanne verteilen.“
114.) „Das ist alles in trockenen Tüchern.“ Neulich auch gehört: „… in grünen Tüchern.“
115.) „Wir können da noch Synergien heben.“
116.) „Wir sollten das zeitnah erledigen.“
117.) „Wir sollen uns nächste Woche noch mal zusammentelefonieren.“
118.) „Wir phonen morgen.“ Oder „fonen“? Der Duden kennt beides (noch) nicht.
119.) „Mailen Sie mir einfach einen Zweizeiler.“
120.) „Ich schick Ihnen das mal kommentarlos zu.“
121.) „Da müssen wir wohl eine Sonderlocke drehen.“
122.) „Wir müssen das proaktiv kommunizieren.“
123.) „Nachhaltige Maßnahmen“
124.) „Wir müssen das frühzeitig eskalieren“
125.) „Tschö mit Ö“ – wie blöd!
Ergänzungen vom 29.9.2012:
126.) „Ganzheitliche Betrachtung“
127.) „Sounding Board“ – Ja, hat irgendwas mit viel überflüssigem Geräusch zu tun.
128.) „Das ist nicht in Stein gemeißelt“
129.) „Haben wir das auf der Agenda?“
130.) „an“ anstelle von „mit“, häufig in scheinbar gehobener Gastronomie. Beispiel: „Currywurst an Pommes“
131.) „Forecast“
132.) „Den Ball zuspielen“
133.) „Ich mache da noch ’ne QS drüber“
134.) „Handlungsfelder erkennen“
135.) „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ – achtsilbiges Wortschaumgebäck für „jetzt“ (1 Silbe)
136.) „zu keiner Zeit“ – viersilbiges Wortschaumgebäck für „nie“
137.) „auf Kante genäht“
138.) „exorbitant“
Fortschreibung vom 17. November 2012
139.) „Was sind unsere lessons learned?“
140.) „Pros & Cons“
141.) „Da ist noch Spielraum nach oben“ – höfliche Umschreibung von „ziemlich scheiße gelaufen“
142.) „einen Workaround definieren“
143.) „erstmal die Füße stillhalten“
144.) „Das System läuft performant.“
145.) „Das wären ein neues Feature“
146.) „Trouble shooting“
147.) „Die Timeline ist sportlich.“
148.) „Das müssen wir noch mal festklopfen.“
149.) „Das ist keine Rocket Science.“
150.) „Sonst fällt uns das auf die Füße.“
Fortschreibung vom 7. Dezember 2012
151.) „Das ist ein ganz normaler Vorgang.“ – Umschreibung für: „Wir wissen, dass wir Mist gebaut haben, können das aber nicht zugeben.“
152.) „Das ist eine Blaupause.“
153.) „Nicht, dass daraus ein Flächenbrand entsteht.“
154.) „Da haben wir ein Gap.“
155.) „An welcher Stelle ist das Bottleneck?“
156.) „Das habe ich schon eingetütet.“
157.) „Das machen wir on the fly“.
158.) „Das habe ich schon angetriggert.“
159.) „Kann man das später umswitchen?“
160.) „Wir werden das ergebnisoffen diskutieren.“ – uns von unserer Meinung jedoch nicht abbringen lassen.
161.) „Lösungsorientierter Ansatz“ – ja was denn sonst?

Die Liste wird laufend fortgeschrieben. Ergänzende Vorschläge nehme ich wie immer gerne entgegen. Jederzeit. Ganz ehrlich. Ein kommentarloser Zweizeiler genügt.

Über Werbung

Meine Kindheit wurde wesentlich geprägt durch das Werbefernsehen. Damals war Werbung im Fernsehen noch ruhiger, entspannter, sauberer, auch belästigte sie uns nicht ununterbrochen, es gab sie nur werktags bis zwanzig Uhr, WWF stand für „Westdeutsches Werbefernsehen“ und nicht für den Schutz der bedrohten Kreatur. Auch wurden Filme nicht durch ständige Werbepausen unterbrochen, was hohe Anforderungen an die Kondition unserer Blase stellte, wollten wir nichts verpassen; besser man trank vor und während der Ausstrahlung nicht zu viel. Und die folgende Sendung wurde nicht präsentiert von einer Biermarke oder einem führenden Damenbinden-Hersteller.

Wir Kinder liebten das Werbefernsehen im Zweiten wegen der Mainzelmännchen, die ich auch als Plastikfiguren besaß und die nach ihrer Verjüngungskur mittlerweile auch ihre Unschuld verloren haben. Die ARD versuchte eine Zeit lang, dagegen zu halten mit Ute, Schnute, Kasimir, drei verzogenen Zeichentrick-Blagen, die – zum Glück – bald wieder von der Mattscheibe verschwanden.

Die Fernsehwerbung meiner Kindheit brachte Werbespots von nahezu ewiger Haltbarkeit hervor, hier einige unvergessliche Beispiele:

Der General: Eine brave Hausfrau gibt ein paar Spritzer davon ins Putzwasser, schon ertönt Marschmusik, ihr wachsen Schulterklappen und militärische Abzeichen an der Bluse, woraufhin sie den Aufnehmer schwingt in einer Anmut, die erst Jahre später wieder erreicht wurde von Freddy Mercury mit dem Staubsauger im Musikvideo zu ,I Want To Break Free‘.

Der Persil-Mann: Wie einst Professor Grzimek, wenn ein putziger Nager auf sein Pult kackte, liebkoste er die grün-weiße Waschmittelpackung und lobpreiste sein Produkt in einem ruhigem, sachlichen Ton, der für heutige Werbeverhältnisse, da Werbung mit der hektischen Aufgeregtheit eines unter harten Drogen stehenden Sportreporters auf uns eindrischt, undenkbar wäre.

Frau Sommer pries das Verwöhnaroma von Jacobs-Kaffee und rettete damit so manche missglückte Kaffeetafel. Eine verwandtschaftliche Beziehung zu Dr. Sommer von der BRAVO wurde bislang weder bestätigt noch bestritten. Unsterblich ihr Leitsatz, der auf nahezu alle Lebensbereiche zutrifft: Mühe allein genügt nicht!

Der Weiße Riese bewarb seine Riesenwaschkraft mit einer kilometerlangen Wäscheleine voller weißer Laken, wie sie wohl nur ein mittelgroßes Hotel in entsprechender Anzahl besitzt. Zudem musste die erforderliche Waschmaschine die Größe eines Kanzleramts haben.

Unvergesslich bleibt Klementine, die nicht müde wurde uns zu versichern, dass Ariel nicht nur sauber, sondern rein wäscht. Ich bin mir sicher, sie hat mein Frauenbild und meine sexuelle Präferenz wesentlich beeinflusst, noch heute sind mir kurzhaarige Frauen in Karohemden suspekt.

Tilly hörte sich mit mütterlicher Sanftmut die neuesten Liebesverstrickungen ihrer Kundin an, bis es ihr reichte und sie deren Hand in ein zufällig bereit stehendes Schälchen mit Spülmittel versenkte. Geschirrspülmittel? Nein, Palmolive! Bis heute habe ich diese Werbung nicht verstanden, insbesondere nicht, wen oder was Tilly darstellte und warum da immer dieses Schälchen mit Spülmittel stand, als sei es das selbstverständlichste von der Welt, wie ein Schälchen Erdnüsse oder Chips.

Ziemlich nervig dagegen fand ich die namenlose Bac-Familie: „Hat irgendwer mein Bac gesehen?“ – „Wieso DEIN Bac?“ – „Och Kinder, mein Bac, dein Bac… Bac ist für uns alle da!“

Die Ardo-Gardinen-Frau versicherte uns glaubhaft, dass es sich lohne, auf die Goldkante zu achten. Bei meinen anschließenden Recherchen im Wohnzimmer stellte ich enttäuscht fest, dass unsere Gardinen anstelle der unverzichtbaren Goldkante nur eine Schnur mit unscheinbaren Bleikügelchen enthielt.

Niemand konnte so vollbusig-lasziv „Mandelsplplplitter“ sagen wie jene junge Dame in einem Milka-Verkaufsstand irgendwo auf der Alm. Während unserer Allgäu-Urlaube hielt ich stets Ausschau nach ihr – wegen der Schokolade, versteht sich -, leider gab es auf den Almen nur Kühe mit großen Glocken, jedoch keine ebensolche Schokoladenverkäuferinnen. Mein Glaube an die Werbung erfuhr einen ersten Riss.

Eine Dame darf in dieser Aufzählung nicht fehlen: Marie-Luise Hasel aus der Dr.-Oetker-Versuchsküche. Völlig unaufgeregt konnte sie uns jede Backmischung aus ihrem Hause schmackhaft machen. Zu ihr hatte ich echtes Vertrauen, statt ihrer hätte auch meine Großmutter dort sitzen können.

Frau Sommer, Klementine, Tilly, Herr Kaiser von der Hamburg-Mannheimer, Marie-Luise Hasel, der Persil-Mann, das waren die wahren Helden des Alltags. Heute gibt es keine Werbefernseh-Helden mehr, oder sie sind alt und gebrechlich geworden, lesen in der Apotheken-Umschau, was gesund macht, benötigen Produkte gegen müssen müssen, Vergesslichkeit, Müdigkeit, Unruhe, fahren mit dem Lifta-Treppenlift aufs Klo, wo sie Dank eines Produkts gegen harten Stuhl endlich wieder können können.

Die letzten Helden wirken wie tragische Gestalten aus einer anderen Zeit, denken Sie nur an den Trigema-Chef (nein, nicht den Affen, den anderen) oder den Geschäftsführer von Liqui Moly, der uns anfleht, doch bitte bitte seine Motorenöle zu kaufen. Ein besonders tragischer Held ist Gummibärchen-Gottschalk, weil er einfach nicht erkennt, dass wir ihn nicht mehr sehen, geschweige denn hören wollen. Es naht der Tag, da Mario Barth für ein Beruhigungsmittel oder Viagra wirbt. Da weiß man was man hat – guten Abend!

Mitgehört: Aufzuggespräch

Wie sehr ich Aufzuggespräche am Morgen mag, besonders, wenn ich ihnen als unbeteiligter Mitfahrer nicht entgehen kann, erwähnte ich schon gelegentlich. Heute Morgen reiste ich auf dem Weg in mein Büro mit zwei schwarzbeanzugten Laptoptaschenträgern (LTT), die folgendes von sich gaben:

LTT 1: „Was macht die Front?“
LTT 2: „Sie ist ganz schön unterwegs und sorgt für Umsatz.“

So so, die Front ist also unterwegs, interessant. Bevor ich gezwungen war, einen von beiden zu beißen, war ich zum Glück in meinem Stockwerk angekommen und schrieb das vorstehende sogleich auf, noch bevor ich meinen Rechner startete.

Über den freien Willen

„Dein Wille geschehe“ – die bibelfesten unter Ihnen mögen diesen Satz noch als Bestandteil des Vaterunser kennen. Wenn auch die Bibelfestigkeit in heutiger Zeit eine immer geringere Rolle spielt, so hat dieser Satz an Aktualität nichts verloren, im Gegenteil: Einige Geisteswissenschaftler vertreten die Ansicht, der freie Wille des Menschen sei nicht in dem Maße existent, wie wir es bislang dachten und es uns vielleicht wünschten; im Grunde seien wir trieb- und instinktgesteuert wie die Motte, die ziellos die Kerzenflamme ansteuert und verglimmt.

Erst neulich las ich hierzu wieder ein interessantes Interview, in dem unter anderem die Frage aufgeworfen wurde, wie denn unter dieser Annahme mit Straftätern umzugehen sei; kann man sie für ihre Taten wirklich zur Verantwortung ziehen, wenn sie nicht aus freiem Willen heraus handelten, sondern vielmehr eine innere oder äußere Macht, die sie selbst nicht beeinflussen können, ihnen die Hand führte, als sie der Oma die Handtasche raubten oder schlimmeres taten? Aber so weit will ich gar nicht gehen, diese Diskussion überlasse ich anderen.

Fest steht: Ich habe keinen Zweifel an der Begrenztheit des freien menschlichen Willens, dazu muss ich nicht auf Gauner und Verbrecher schauen, ein Blick in den Spiegel genügt. Es fängt schon morgens an, wenn der Wecker mir auf den Wecker geht und mich aus dem Bett treibt. Von freiem Willen ist dieses Aufstehen zur Unzeit, nur weil mein Arbeitgeber mich gerne sehen möchte, weit entfernt.

Nehmen wir das weite Feld des Genusses. Ein Glas guten Weines umschmeichelt Gaumen und Seele, ein zweites lässt das Licht der Leichtigkeit leuchten, ein drittes unterstreicht die erfreulichen Auswirkungen der ersten beiden. Dazu ein bis zwei Zigarettchen, und das Leben ist unbeschwert schön. Bis dahin. Dann verabschiedet sich der freie Wille, vielleicht geht er schlafen, oder er wird gefangen genommen und verschleppt, wie auch immer, jedenfalls wache ich am nächsten Mittag auf, der Schädel brummt, der Magen mosert, in der Küche schauen mich zwei leere Weinflaschen und eine leere Zigarettenschachtel unschuldig an.

Eines der anschaulichsten Kapitel menschlicher Willenlosigkeit ist der Geschlechtstrieb, dessen ursprüngliche Funktion der Arterhaltung längst ein kümmerliches Randdasein fristet, was ich keineswegs beklage, im Gegenteil. Was treiben wir doch manchmal für einen Aufwand für diese paar Minuten hin und her, bis das schöne Gefühl kommt, gehen nächtelang in dunklen Spelunken auf die Jagd, auf dass eine(r) – na ja – anbeiße; manche geben richtig viel Geld aus für triebmindernde Dienstleistungen, was ich ebenfalls keineswegs anprangere, weder die Nutzer- noch die Anbieterseite. Gäbe es hingegen einen freien Willen, bliebe man mit dem oder der Liebsten, oder in Ermangelung derer, alleine zu Hause und genösse das Leben bei einem Buch oder einem Glas Wein, siehe oben.

Ein weiteres Feld, welches nur schwer mit der Existenz eines freien Willens in Einklang zu bringen ist, sind die so genannten sozialen Netzwerke, Facebook, Twitter und wie sie alle heißen. (Ja, dieses Blog natürlich auch, siehe vorangegangenen Blog-Eintrag.) Was veranlasst einen Menschen, sich derart vor aller Welt zu entblößen, durch Geschwätz und Bilder? Die Antwort ist einfach: das Streben nach Aufmerksamkeit in Form von Rückmeldungen, „Gefällt mir“-Daumen, Sternchen, immer mehr „Freunde“ und „Follower“, einem gewissen Ruhm innerhalb der jeweiligen virtuellen Welt, der außerhalb dieser keinen Cent wert ist. Das Buhlen um Beachtung ist gewissermaßen der natürliche Feind des freien Willens.

Weitere Belege ließen sich mühelos finden, doch möchte ich Sie nicht länger mit meinen Schwächen und Unzulänglichkeiten langweilen. Ich muss jetzt auch Schluss machen, der Fernseher ruft.

Grundsätze der Aufgabenerledigung im abhängigen Beschäftigungsverhältnis

In dieser Woche hatte ich das Vergnügen, an einem Seminar meines Arbeitgebers für Selbst- und Zeitmanagement teilzunehmen, was keineswegs ironisch gemeint ist, das Seminar war wirklich gut, auch wenn ich nicht so ganz viel neues gelernt habe, weil ich mich schon lange mit diesem Thema befasse und mir deshalb einbilde, schon vorher einigermaßen strukturiert gearbeitet zu haben. Aber es gibt ja bekanntlich nichts, was sich nicht noch verbessern ließe.

Für alle, die dieses Thema interessiert, hier noch einmal eine Zusammenfassung der (für mich) wichtigsten Erkenntnisse, garniert mit einigen eigenen Erfahrungen, die vermutlich so (noch) in keinem einschlägigen Lehrbuch zu finden sind. Vielleicht schreibe ich eines Tages selbst mal eins.

Umgang mit einer neue Aufgabe
Der Büroalltag könnte so schön sein, würde man nicht ständig mit E-Mails belästigt, aus welchen nicht selten neue Aufgaben erwachsen. Bei Eintreffen einer neuen Aufgabe stelle man stets folgende Überlegungen an:

1.) Muss diese Aufgabe überhaupt erledigt werden?

a) wenn nein: ignorieren, E-Mail löschen oder, wer sich das nicht traut, ablegen.

b) wenn ja: weiter zu 2.)
2.) Muss ICH diese Aufgabe erledigen?

a) wenn nein: an richtigen Bearbeiter weiter leiten (bzw. an einen Kollegen, in dessen Wortschatz das Wörtchen „Nein“ nicht vorkommt) oder sich beim Aufgabensteller für nicht zuständig erklären.

b) wenn ja: weiter zu 3.)
3.) Aufgabe nach dem Eisenhower-Prinzip priorisieren

a) Wichtig und dringlich (A-Aufgabe): sofort oder möglichst bald erledigen.

b) Wichtig, aber nicht dringlich (B-Aufgabe): Bearbeitung terminieren und termingerecht erledigen, bevor sie zur A-Aufgabe wird.

c) Dringlich, aber nicht wichtig (C-Aufgabe): mit so wenig Aufwand wie unbedingt nötig erledigen. Merke: Es muss nicht immer Powerpoint sein, oft genügt ein einfaches Word-Dokument.

d) Weder wichtig noch dringlich: siehe 1.) a). Wenn das nicht möglich ist, mit geringer Priorität und geringstmöglichem Aufwand irgendwann erledigen. Sofern es sich dann nicht inzwischen von selbst erledigt hat.


Hinweis: unangenehme Aufgaben oder solche mit geringem Lustfaktor bearbeite man möglichst als erste innerhalb der Priorität (A, B, C). Auch beachte man stets das Pareto-Prinzip, wonach 80% der vom Chef / vom Unternehmen geforderten Ergebnisse nur 20% des Zeitaufwandes erfordern; der Rest geht also für unwichtiges drauf.

Alle unvermeidlichen (d. h. selbst zu erledigenden) Aufgaben fixiere man schriftlich mit Priorität und vorgesehenem Erledigungstermin und berücksichtige sie in der

Tagesplanung
Den Arbeitstag plane man möglichst am Vorabend nach der „ALPEN-Methode“:
A – Aufgaben für den Tag zusammenstellen („Was will ich morgen alles erledigen?“)
L – Länge/Zeitbedarf für jede Aufgabe schätzen und Gesamtbedarf ermitteln („Wie lange brauche ich dafür voraussichtlich?“), dabei
P – Puffer einplanen: maximal 60% der Arbeitszeit verplanen, den Rest für Unvorhergesehenes freihalten („Wer weiß…“).
E – Entscheidungen über Priorisierung (A, B, C) treffen, immer wieder prüfen, welcher Aufwand für einzelne Aufgaben gerechtfertigt ist und ob sie nicht doch delegiert bzw. abgedrückt werden können („Wie kann ich die Aufgabe möglichst effizient bearbeiten?“).
N – Notieren im Zeitplan: Welche Aufgabe soll wann bearbeitet werden? Dabei Blöcke bilden (z. B. A-Aufgaben oder Telefonblock) und persönliche Leistungskurve (Mittagstief!) sowie Zeiten der geringsten Störungen von außen berücksichtigen („Wann mache ich was?“)

Grundsätzlich:

– Jeden Arbeitstag möglichst positiv beginnen und beenden, z. B. durch Rituale.

– Festlegen, wie lange man heute im Büro bleiben wird, geplantes Arbeitsende möglichst konsequent einhalten. Wenn man wider Erwarten früher fertig ist: früher gehen.

- Täglich eine „stille Stunde“ reservieren für persönliche Planung und Rückschau.

– Ausreichend Pausen machen, also wirklich Pausen und nicht währenddessen E-Mails
 lesen.

– Erfolge feiern, Lob annehmen und die eigene Leistung nach oben bzw. außen nicht relativieren („War ja nicht so schwer“)

– Den Feierabend planen und sich darauf freuen!

– Keine Arbeit mit nach Hause nehmen, auch nicht gedanklich (ja, das ist oft gar nicht so einfach…)

– Geplante, aber unerledigte Aufgaben auf den nächsten Tag übertragen (wenn möglich; wenn nicht, länger im Büro bleiben).

Umgang mit Störungen und Kommunikationsmitteln
– Sämtliche Benachrichtigungen über den Eingang neuer E-Mails deaktivieren!
– Wenn vom Unternehmen bzw. Chef geduldet, Anrufbeantworter und Mobilbox deaktivieren; auf verpasste Anrufe grundsätzlich nicht zurückrufen, es sei denn, der Anrufer bittet per E-Mail oder SMS ausdrücklich darum, oder Sie haben auf diesen Anruf gewartet. Oder der Anrufer ist der Chef…
– E-Mails in Blöcken bearbeiten, z. B. nur alle drei Stunden; E-Mail-Blöcke im Tagesplan berücksichtigen.
– Wenn man sich gerade auf eine wichtige Aufgabe (A oder B ) konzentrieren muss, grundsätzlich nicht ans Telefon gehen. Wenn es wichtig ist, wird sich der Anrufer nochmals melden, oder eine E-Mail schreiben.
– Unangemeldeten Besuchern keinen Platz anbieten. Wenn erforderlich, deutlich machen, dass es jetzt gerade nicht passt mit dem Angebot, sich später zu melden (und das dann möglichst auch tun).
– Am Telefon gleich zur Sache kommen, nicht lange rumsülzen. Smaltalk ist überbewertet und hält alle Beteiligten unnötig auf.
– Wichtig: „Nein“ sagen können! Wer es nicht kann, muss es üben; vielleicht nicht gerade beim Chef, das ist nur was für Fortgeschrittene.

Zum Schluss noch ein Hinweis:
Bevor man die innere Kündigung ausspricht, prüfe man, ob man die Situation oder die eigene Einstellung zum Job ändern kann. Wenn nicht, suche man sich einen anderen Job, so schwer und unbequem es auch erscheint. Trotz innerer Kündigung weiter zu arbeiten, macht auf Dauer krank. Dennoch: es ist legitim, ab und zu, aber auch wirklich nur ab und zu, wenn mal wieder „oben“ eine unsinnige Entscheidung getroffen wurde, zu denken: „Na gut, ich spiele euer Theater mit, schließlich bezahlt ihr mich gut dafür“. Aber nur denken!

Weitere Tipps zur möglichst angenehmen Gestaltung des Arbeitsalltags nehme ich gerne entgegen.