Geißel der Menschheit

kreuzmüll

Ich bin wohl der letzte, der sich öffentlich zum Weltgeschehen äußern sollte. Weder habe ich die Bankenkrise verstanden, noch könnte ich erklären, wer aus welchem Grund gerade in Syrien, Irak, Libyen, Ägypten, Afghanistan, Israel oder der Ukraine gegen wen kämpft, und warum Deutschland dazu den einen Waffen liefert und den anderen nicht; ich durchblicke ja nicht einmal das Sitzplatznummerierungssystem der Bahn.

Dennoch, auch auf die Gefahr hin, dass man mich ob meiner vereinfachten, undifferenzierten Sichtweise einen naiven Idioten schilt, behaupte ich, ja bin ich aus tiefstem Herzen überzeugt: Die größte Geißel der Menschheit sind nicht Krankheiten, nicht Naturkatastrophen und auch nicht mobile Datengeräte. Des Menschen größte Geißel sind und waren Religionen, egal wen sie preisen und wie sie sich nennen. Und dazu muss ich gar nicht so weit wie in die vorgenannten Länder schauen.

Sommertag

Heute war möglicherweise der letzte spätsommerliche Tag in diesem Jahr, wer weiß das schon so genau. Das heißt: zum letzten Mal Temperaturen über 20 Grad, zum letzten Mal Biergarten, Menschen in kurzen Hosen und Ende der Grillsaison (während ich diese Zeilen schreibe, hüllt eine dunkle Qualmwolke von unserem Balkon aus die Innere Nordstadt ein, Verzeihung liebe Nachbarn, kommt so bald nicht wieder vor!)

Ob des schönen Wetters waren wir draußen, wo es wieder manches zu sehen und knipsen gab:

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Panico

panik

Lieber Beueler Gastwirt,

letzten Mittwoch ließen Sie meiner lieben Kollegin S. in ungelenken Worten eine Nachricht zukommen, in der Sie sie darum baten, nicht länger ihr Lieblingsitaliener sein zu müssen:

„Liebe S.
habe eine schlechte Nachricht ich weiß das du demnächst oder schon da bist in Afrika seit da wir grosse angst haben von ebola möchten wir jeglichen Kontakt zu Personen vermeiden die nach Afrika fliegen es ist wirklich kein Spaß wir bitten aus angst unser Restaurant zu vermeiden und unsere grosse sorge zu akzeptieren wir haben alle diese Entscheidung nicht einfach treffen möchten aber da wir wirklich grosse sorge haben was dieses Thema angeht möchte n wir das ihr bitte Rücksicht nimmt es ist vielleicht für euch nichts besorgniserregend aber für uns ja ich Bitte deshalb unsere Entscheidung zu akzeptierten da wir angst vor ebola haben und unser Restaurant vermeidet wir möchten euch alles gute wünschen und bitte nicht persönlich nehmen das wir den persönlichen Kontakt vermeiden
mit freundlichen grüßen … “

Hm – solche Formulierungen kennen wir vor allem aus Spammails, die uns beispielsweise nach Zahlung einer Gebühr von nur wenigen tausend Euro die Überweisung eines Millionenbetrages in Aussicht stellen oder uns über die Vorzüge einer Penisvergrößerung zu überzeugen suchen. Indes, die Rückfrage von S. , die tatsächlich eine Woche zuvor aus Tansania zurückgekehrt war, wo sie zusammen mit ihrem Mann den Kilimandscharo bestiegen hatte, ergab: Das war kein Spam, das haben tatsächlich Sie geschrieben. Respekt.

Bitte lassen Sie mich der erste sein, der Ihnen zu dieser weitsichtigen Entscheidung gratuliert. Gerade in der Gastronomie ist neben der eigenen auch die Gesundheit der Gäste ein hohes Gut, unsere Behörden lassen da bekanntlich und zum Glück nicht mit sich spaßen. Da gilt es, Opfer zu bringen, notfalls auch den Verlust eines Stammgastes, der dafür sicher Verständnis hat und kein Aufhebens daraus macht, indem er zum Beispiel seinen Freunden und Bekannten von Ihrer freundlichen Bitte erzählt, zumal diese, wenn sie klug sind, ebenfalls von ihm Abstand nehmen.

Aber reicht es wirklich aus, nur Afrikabesucher Ihrer Gaststube zu verweisen? Erste Ebolafälle sind bekanntlich auch in den USA und Spanien aufgetreten, hier erscheint mir Konsequenz angezeigt. Auch ist Ebola nicht die einzige Gefahr, die droht. Daher hier einige Ratschläge, welchen weiteren Personen Sie Ihre Gastfreundschaft umgehend kündigen sollten (sie werden es bestimmt nicht persönlich nehmen):

Schwule, Bekannte von Schwulen und Leser von Ralf-König-Comics. Aids ist längst noch nicht besiegt.

Schweinefleischesser, Sparschweinbesitzer und Menschen mit schweinischen Gedanken. Die nächste Schweinegrippewelle kommt bestimmt, H1N1 ist zu unrecht etwas in Vergessenheit geraten.

Italiener. Man weiß noch nicht genau, was es ist, aber es muss hochansteckend sein. Anders ist nicht zu erklären, warum sie mehrfach Silvio Berlusconi zu ihrem Häuptling wählten und komische Nachrichten an ihre Gäste schreiben.

Am besten überhaupt alle Menschen – irgendwas hat ja jeder, und wenn es ein erheblicher Dachschaden ist. Vielleicht wäre es überhaupt das beste, Sie machen Ihren Laden zu, setzen sich auf den Arsch an den Po und verdingen sich künftig als Spampoet.

Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung
Ihr Stancer

(Name und Anschrift des Lokals sind der Redaktion bekannt)

Abgeschrieben: Über was bloggen wir?

Vor einer Woche war ich auf dem Treffen der Bonner Ironblogger, um das Geld anderer Leute zu versaufen, ich berichtete schon. Dort war des öfteren die Frage zu hören: „Und über was bloggst du so?“ Gute Frage, die ich für mich nicht beantworten kann. Weder Mode, Technik- und Internetzeugs, Musik, Sport, Politik, Weltgeschehen, Fotografie, noch Essen und Trinken, meine Familie oder was man sonst noch alles thematisieren kann ist mein Schwerpunkt. Ja, über all das schreibe ich auch, wenn mir gerade was dazu einfällt. Alltägliches und ausgedachtes halt. Eine sehr originelle Antwort fand Stefan: „Ich blogge nicht.“ Tut er zum Glück aber doch, nämlich genau zur oben gestellten Frage. Mit seiner freundlichen Erlaubnis gebe ich den Text hier wieder:

***

»Und, über was bloggst du so?«

Die Frage, über was ich blogge, wird mir bei exakt einem sozialen Ereignis gestellt: Wenn die Ironblogger sich treffen. Auch vergangene Woche wieder, mehrfach am Abend. Das Gespräch läuft ungefähr so:

»Und, über was bloggst du so?«
»Ich blogge gar nicht.«
»Hahaha, du bist also zufällig hier und isst einfach auf unsere Kosten mit? Sehr gut!«

Einige Zeit später, meistens dann, wenn das unangenehme Schweigen einsetzt, wird der zweite Versuch gestartet, um das Gespräch aufrechtzuerhalten. Denn meine erste Antwort war ja ganz offensichtlich nur ein Scherz! Bloggt nicht, ist aber auf einem Ironblogger-Treffen. Hahaha, Spaßvogel!

»Jetzt mal ehrlich, über was bloggst du denn jetzt?«
»Ich blogge nicht!«
»???«

Und das macht das unangenehme Schweigen oft noch unangenehmer ? wobei ich das gar nicht schlimm finde, denn wenn man sich beim Blind Date auf einem Ironblogger-Treffen das erste Mal unterhält, hat man vielleicht nicht direkt diesen Zugang zueinander. Da entstehen Gesprächslücken. Gar nicht schlimm.

Dennoch zur Erläuterung: Ich habe wirklich nicht das Gefühl, dass ich blogge. (Ich höre den Chor im Hintergrund: »Wir auch nicht!«) Schon gar nicht über etwas. Und noch weniger so, dass ich benennen könnte, über was genau ich blogge. Stattdessen diszipliniert mich das Ironblogger-Ding einfach dazu, regelmäßig einen Text zu verfassen. Thema offen, Länge offen, Stil offen, Tiefe offen, Zeitpunkt offen, Ergebnis offen. Dieses Blogdings hier, und deshalb heißt es auch so, ist einfach nur der Ort, an dem ich diese Schreibtherapie verfolge; insbesondere, weil ich meine Schreibe bekanntermaßen nicht mag und der Hoffnung bin, dass sich durch die Regelmäßigkeit daran etwas ändert, möglichst zum Besseren. Deshalb: Ich blogge nicht. Ich therapiere hier. Mich.

Davon abgesehen finde ich die Frage als Gesprächseinstieg, zumal auf einem Ironblogger-Treffen, schon so ein bisschen bescheuert. Klar, wir haben alle diese eine Gemeinsamkeit, deshalb sind wir ja vor Ort. Aber man kann doch über das Essen reden oder was man am Tag so erlebt hat oder was jemand sonst so beruflich oder privat macht. Mit diesen Zusatzinformationen geht man anschließend nach Hause und liest im besten Fall das Blogdings der (neuen) Gesprächspartner mit ganz anderen Augen und mit einer neuen inneren Stimme. Darum geht es doch: Den Menschen ein bisschen besser kennenzulernen, dessen Texte man ? ab dann ? regelmäßig liest. Oder auch nicht. Aber wenn das Menschliche passt, ist es auch egal, über was die- oder derjenige bloggt. Und fragen muss ich danach schon gar nicht, ich kann es einfach lesen.

Quelle: http://hinterlektuelles.wordpress.com/2014/10/06/und-uber-was-bloggst-du-so/

***

Dem ist meinerseits nicht viel hinzuzufügen. Doch, vielleicht eins noch: Sollte ich erklären, was mich zum Bloggen antreibt, so könnte ich es nicht genau sagen. Klar, die pure Freude am Schreiben, vielleicht auch, wie bei Stefan, gewisse therapeutische Motive. Ich kann nur mit großer Sicherheit sagen, was es nicht ist: das Verlangen nach Klicks und „Likes“, zumal Blog.de sowas gar nicht anbietet; verhallt ein von mir für gelungen gehaltener Text (das kommt vor) ohne jegliche Reaktion im virtuellen Raum, so beugt mich nicht der Gram, mein Kopfkissen bleibt in der Nacht vor Tränen verschont. Na gut, über einen Kommentar freue ich mich schon. Oder wenn jemand, wie auf dem Ironbloggertreffen geschehen, zu mir sagt: „Ich lese dein Blog wirklich gerne.“ Das geht dann runter wie Oktoberfestbier.

Über schiefe Bilder

Neulich war zu vernehmen, dass Peter Maffay einen höheren runden Geburtstag zu feiern wusste, wie hoch genau, erinnere ich mich nicht, siebzig oder achtzig vielleicht, es erscheint mir nicht sehr wichtig, zumal Tonträger Peter Maffays keinerlei raumeinnehmenden Platz in unserem Wohnzimmerregal für sich beanspruchen. Gut, die Single Es war Sommer hätte ich durchaus gerne, Sie wissen schon: „Ich war sechszehn – und sie einunddreißig…“ Woran ich mich jedoch erinnere, ist das althergebrachte und auch in diesem Zusammenhang wieder herangezogene Bild, Herr Maffay sei noch immer „fit wie ein Turnschuh“.

Ob das gut oder schlecht für ihn ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Zunächst stellt sich die Frage: gibt es das überhaupt noch, Turnschuhe? Turnschuhe waren früher das, was man morgens in einen von Mutti selbstgenähten Stoffbeutel packte und mit zur Schule nahm, um darin später zusammen mit den anderen Kindern zu erniedrigenden Ballspielen wie Völkerball oder Turnübungen gezwungen zu werden; noch heute befällt mich beim Anblick von Turnhallen und Sportplätzen ein tiefes Unbehagen, woran sich wohl bis zum hoffentlich noch fernen Ende meiner Tage nichts mehr ändern wird. Auch Turnschuhminister gab es schon, wobei sich deren Kompetenzbereich – so fern dieser Begriff in diesem Zusammenhang angezeigt ist – nicht zwingend auf den Schulsport oder überhaupt irgendeine Art körperlicher Aktivität erstreckte.

Betritt man heute ein Sportfachgeschäft, so trifft man dort auf Sneaker, Lifestyleschuhe (ein Wort zum Grausen) sowie spezielle Schuhe für alle möglichen Arten sportlicher Betätigung: Laufen, Tennis, Fußball, Skateboardfliegen, Basketball, Poolbillard, Schach, Angeln und Halma. Fragte man den jungen, äußerlich durchtrainiert wirkenden Fachverkäufer jedoch nach Turnschuhen, könnte man sich seines mitleidig-irritierten Blickes gewiss sein, eine unschöne Situation für beide Seiten, daher fragt man besser nicht.

Ein Turnschuh, so es ihn also noch gibt, kann alles mögliche sein: alt wie Peter Maffay oder neu wie das iPhone 6. Hell wie eine verbotene 100-Watt-Glühbirne oder dunkel wie der Montagmorgen. Leicht wie Chucks oder schwer wie diese Klumpschuhe, die alberne Jugendliche mit noch viel alberneren Mützen vor einiger Zeit gerne trugen. Mühelos ließen sich zahlreiche weitere Eigenschaftspaare finden, die dem Leser erspart seien. Eines jedoch kann ein Turnschuh mit Sicherheit nicht sein: fit. Ohne dieses Wort im Duden, im Oxford Dictionary oder wo auch immer nachgeschlagen zu haben, bedeutet es in etwa so viel wie gesund, körperlich und geistig aktiv und belastbar, alles in allem Eigenschaften, welche Herrn Maffay zu wünschen sind, die auf einen Schuh zu übertragen indes nur schwerlich in Übereinstimmung mit meinem Vorstellungsvermögen zu bringen sind, was an dessen Eingeschränktheit liegen mag. Körperlich und geistig aktive Fußbekleidung käme mir jedenfalls nicht ins Haus.

Wenn ich lese, Peter Maffay sei „fit wie ein Turnschuh“, so erscheint vor meinem geistigen Auge ein alter, ausgetretener Adidas-Schuh mit Löchern an der Seite und abgelöster Sohle, bei dem die rissige Außenhaut großflächig abblättert und dem ein unangenehmer Geruch entströmt. Wahrlich kein Kompliment.

Journalisten bedienen sich ja gerne altausgetretener, schiefer Bilder. Hat mal wieder ein Sturm gewütet, so ließ er Bäume umknicken „wie Streichhölzer“. Das möchte ich gerne mal sehen: jemand versucht, sich im Angesicht einer Windhose eine Zigarette anzünden, und *knacks* muss er sein Vorhaben auf windstillere Zeit verschieben, weil sein Zündholz durch aufgebrachte Luftbewegung zerbrochen wurde.

Immer wieder hört man Menschen klagen, sie „leiden wie ein Hund“. Diese Klage kann man getrost als Jammern auf höchstem Niveau abtun. Schauen Sie sich die Hunde in Ihrer Umgebung an, leiden die? Im Gegenteil, sie werden verhätschelt wie Blagen und bekommen ein Leckerchen verabreicht, wenn sie ihr Geschäft brav auf dem Gehweg oder in anderer Leute Vorgärten erledigt haben. Die einzigen Hunde, deren Leid ich vorbehaltlos anerkenne, sind Möpse, zum einen weil sie konstuktionsbedingt mit ständigen Atembeschwerden zu kämpfen haben und zum anderen, weil sie so unglaublich scheiße aussehen. Vermutlich bedingt das eine hier das andere: offenbarte mir mein Spiegelbild so ein Mopsgesicht, bliebe mir auch die Luft weg. Möglicherweise entgeht die Rasse nur deshalb dem Schamestod, weil ihre Angehörigen selten ihres Antlitzes angesichtig werden, sind doch die meisten Spiegel weit über Mopsniveau angebracht. Ja, wenn irgendwer Grund zur Klage hat, dann Möpse. Dagegen erscheint fit wie ein Turnschuh als ein vergleichsweise erträgliches Schicksal.

mops
(Quelle: Welt Kompakt)

Müssen müssen – über die Ästhetik stiller Orte

Die Ästhetik von Toiletten wird in deutschen Feuilletons nur unzureichend gewürdigt, dienen sie doch der Befriedigung eines Bedürfnisses, dem sich auch im einundzwanzigsten Jahrhundert kein Mensch entziehen kann, trotz bisweilen auftretender unangenehmer Begleiterscheinungen wie mangelhafter Handtrocknungsmöglichkeit oder missmutig dreinblickender Damen neben einem Münzteller. Immerhin verbringen wir nicht wenig Lebenszeit mit der Betrachtung von Kacheln, während wir farbige Duftsteine, aufgemalte Fliegen oder kleine Fußballtore bewässern. Gelegentlich dienen Toiletten auch als Rückzugsort zur Linderung weitergehenden zwischenmenschlichen Drängens, was hier jedoch nicht weiter ausgeführt werden soll.

Die nachfolgenden Bilder entstanden gestern Abend im Meyer´s zu Bonn-Poppelsdorf anlässlich des dritten Treffens der Bonner Ironblogger. Einer der eisernen Schreiber ist Christian, der in seinem Blog Fokus Lokus der medialen Vernachlässigung dieser wichtigen Orte ein Ende setzt und dessen Hinweise für die Anfertigung von WC-Bildern hier streng beachtet wurden.

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