Woche 15/2024: Sprich ens schön

Montag: Der April bringt dieses Jahr eine Art Vorsommer mit sich, jedenfalls ab Mittag; morgens war noch die leichte Daunenjacke angebracht, nachmittags zurück wäre ein T- oder Poloshirt ausreichend gewesen. Das führte auf der Heimfahrt zu einer etwas kuriosen Situation, die vermutlich nur ich wahrgenommen habe: Während ich mit Jacke bekleidet zurück radelte, weil ich zuvor zu bequem gewesen war, sie anderweitig zu verstauen, ich weiß, eine äußerst faule Begründung, aber so war es, kam mir auf der Gegenspur ein Radler mit freiem Oberkörper entgegen. Spätestens da wurde mir heiß.

Dienstag: Bereits gegen halb fünf wachte ich auf und schlief nicht wieder ein. In dieser Zeit kam mir eine fabelhafte Schreibidee.

Zu Fuß ins Werk wie dienstagsüblich, wegen Regengefahr nicht am Rheinufer entlang, sondern an der Adenauerallee, um im Niederschlagsfalle rasch in die nächste Stadtbahnhaltestelle huschen zu können. Jedoch bestand kein Huschbedarf, die paar Regentropfen konnte der Schirm abwehren, so dass ich trockenen Fußes und Hosenbeins das Büro erreichte.

Auf der Adenauerallee, die, wie berichtet, zugunsten der Fahrräder von vier auf zwei Kraftfahrspuren reduziert wurde, war auch heute nichts von den vielbeschrienen Staus zu sehen, der Verkehr floss flüssig dahin.

Mittwoch: Frühmorgens wurde ich im Traume von einem Unbekannten an den Füßen aus dem Bett gezerrt. Beim Aufwachen schlug ich auf den Liebsten neben mir ein, vielleicht war er deswegen heute Morgen ein wenig unleidlich. Danach lag ich längere Zeit wach, ehe ich wieder einschlief. Während des Wachens stellte sich keine neue Schreibidee ein; immerhin ergab sich daraus diese Notiz.

Verkehrsbeobachtung: Immer wieder drollig, wenn Autofahrer glauben, indem sie mehrfach ein paar Zentimeter verrollen, könnten sie die Ampel zum Ergrünen bewegen.

Donnerstag: Auch heute wachte ich vorzeitig auf, immerhin erst kurz nach fünf. Was ist nur los mit meinem Schlaf? Vielleicht zu wenig Alkohol, den letzten gab es am Sonntagnachmittag. Ob ich danach wieder einschlief, kann ich nicht sicher sagen. Manchmal meint man ja, man hätte stundenlang wach gelegen, obwohl man zwischendurch schlief, ohne es zu merken.

Die Rheinnixe ist weg. Wie berichtet lag sie nach ihrer Außerbetriebnahme erst längere Zeit am Beueler Ufer, vor einigen Monaten wurde sie verlegt an ihre alte linksrheinische Anlegestelle, warum auch immer. Nun ist sie verschwunden. Leb wohl, kleine Personenfähre, die ich nur selten nutzte. Hoffentlich tut man dir nichts Böses.

Vorletzte Woche Dienstag
Heute Nachmittag

Freitag: Heute vor fünfundzwanzig Jahren zog ich von Bielefeld nach Bonn, wie die Zeit vergeht. Während der Fahrt wurde im Autoradio von dem schweren Unfall bei der Wuppertaler Schwebebahn mit Toten und Verletzten berichtet, das sich am Morgen desselben Tages ereignet hatte. Deshalb werde ich beides immer miteinander in Verbindung bringen, wenngleich es außer dem Datum keine gibt.

Vormittags auf der Betriebsversammlung sagte der Personalvorstand einen klugen Satz zu Work-Live-Balance, den ich nur sinngemäß wiedergeben kann: „Das bedeutet: hier Arbeit, da Leben. Im Idealfall lebt man auch während der Arbeit.“

„Laufen Sie am Wochenende auch Marathon?“, fragte mich mittags der Mann hinter dem Postschalter. Anschließend lachten wir beide herzlich.

Wer noch wegen der Kirschblüte nach Bonn zu reisen beabsichtigt, sollte sich beeilen

Samstag: »Wo verbringst du die Ewigkeit?«, fragt eine sich Seelenretter nennende Gruppierung per Banner hinter einem Flugzeug, das vormittags beim Balkon-Frühstück über die Innenstadt flog. Darüber habe ich mir bislang keine Gedanken gemacht, zumal ich davon ausgehe, dass die Ewigkeit ohne mich beziehungsweise meine möglicherweise rettungsbedürftige Seele ganz gut klarkommen wird.

»Wo siehst du dich in zehn Jahren?« lautet thematisch ähnlich die Tagesfrage. Vorausgesetzt, ich lebe dann noch, was keineswegs sicher ist, wie im aktuellen SPIEGEL zu lesen ist, sind wir der Auslöschung durch einen Atomkrieg näher als je zuvor, auf jeden Fall im Ruhestand. Alles andere wird man dann sehen.

Aus der Reihe Dat is rheinisch in der Tageszeitung: „Sprich ens schön!“ ermahnten rheinländische Eltern früher ihre Kinder, hochdeutsch zu reden, um außerhalb familiärer Runde einen guten Eindruck zu hinterlassen, etwa wenn man zu Besuch war. Ein Satz, der sich auch gut in Besprechungen anbringen ließe, wenn eine, wie erst gestern gehört, so etwas sagt wie „Wir sind gut ongeboardet“.

Übrigens: Der Gebrauch von „natürlich“ ist meistens genau so überflüssig wie „eigentlich“. „Tatsächlich“ sowieso.

Nach dem Frühstück zog es mich raus in die Stadt, zum einen wegen des sommerlichen Wetters, zum anderen weil der Geliebte umfangreiche Raumpflegeabsichten hegte, da will man nicht im Wege sitzen. Außerdem beabsichtigte ich, mir weiße Turnschuhe zu kaufen, da die alten mittlerweile rissig geworden sind. Ich bin nicht der Meinung, dass man mit siebenundfünfzig unbedingt weiße Turnschuhe benötigt, aber heute war mir danach, es ist nicht immer alles rational zu erklären.

Nach Erwerb der Schuhe, die ich ohne langes Suchen sofort im ersten Laden fand, verließ ich das Menschengewusel der Fußgängerzone und setzte mich auf eine Bank am Rheinufer, um Blogs zu lesen. Dabei hob ich immer wieder den Blick, um zu sehen, was es sonst noch zu sehen gab. Unter anderem auf dem Rhein einen Wassersportler auf einem Brett etwa von der Größe eines Skateboards, das, mutmaßlich elektrisch angetrieben, gut eine Handbreite über dem Wasser zu schweben schien. Was es alles gibt.

Sie können nicht anders
Begleitgetränk bei Niederschrift. Für manches ist es nie zu früh.

Sonntag: In Bonn ist Marathonlauf. Auch einem an Sportereignissen Uninteressierten wie mir entgeht das nicht, etwa durch zahlreiche Menschen zu Fuß und Rad in der Stadt mit Insignien der Teilnahme wie Trikot, Startnummer, Rucksack und Umhängeband in den Farben des großen Sponsors, der, nebenbei bemerkt, auch mich seit vielen Jahren sehr zuverlässig sponsort, wenn auch nicht für Marathonlaufen. Das ist überhaupt das Beste an so einem Lauf, die Teilnahme ist völlig freiwillig.

..

In einer Nebenstraße zur Laufstrecke war der Gehweg trotz eindeutiger Halteverbotskennzeichnung durch zahlreiche Autos zugeparkt, die meisten bereits mit einem Gruß des Ordnungsamts unter dem Scheibenwischer. Das führt vielleicht wieder, wie bereits bei anderen Anlässen geschehen, zu Empörungsäußerungen gegen die Stadt mit der absurden Begründung, man habe doch immer zu Marathon dort geparkt, niemals hätte man dafür einen Strafzettel erhalten. Regelverstoß als Gewohnheitsrecht.

Auch so eine dumme Gewohnheit

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Kommen Sie gut durch die Woche.

2 Gedanken zu “Woche 15/2024: Sprich ens schön

  1. Anonymous April 15, 2024 / 08:00

    Das Elektro-Surfbrett, das sie beschreiben, wird vermutlich ein eFoil gewesen sein. Ich sah so etwas mit Verwunderung das erste Mal auf dem Étang de Thau, vermutlich auf der Jagd nach Austern.

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  2. Hans-Georg April 15, 2024 / 09:30

    Zu Mittwoch, 2. Absatz: So geht es mir auch wenn ich Fußgänger beobachte, die an einer für sie roten Ampel auf dem Signalknopf rumballern.

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