Woche 20/2025: Wackelpudding in ungewöhnlicher Darreichungsform und zunehmendes Ergrauen

Montag: Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub war, wie erste Arbeitstage nach dem Urlaub nunmal sind: mühsam, auch wenn der Maileingang keine nennenswerten Imponderabilien bereithielt. Bis auf eine kurze regelmäßige Besprechung morgens wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen; wieder hat es sich bewährt, den Tag komplett im Kalender zu blocken.

Etwas Abwechslung vom Mailmühsal brachte der Zeppelin, der vormittags mehrere Runden über der Stadt drehte, wobei ich ihn vom Schreibtisch aus gut beobachten konnte, einschließlich der Starts und Landungen auf dem Flugplatz in Hangelar. Ich glaube ich schrieb es schon: Da würde ich gerne mal mitfliegen.

Nach dem Mittagessen ging ich nach längerer Zeit mal wieder eine Runde durch den Park statt durch das Treppenhaus zurück ins Büro. Das dann wieder ab morgen wieder.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück bei Sonnenschein und blauem Himmel, also Wetter, das früher als schön bezeichnet wurde, mittlerweile aus bekannten Gründen etwas in Verruf geraten ist. Auf dem Rhein war morgens auffallend wenig Schiffsverkehr zu sehen, einzig ein Löschboot der Feuerwehr fuhr ohne erkennbare Eile südwärts, während das zugehörige Beiboot mit aufbrausendem Motor immer wieder etwa hundert Meter voraus sauste, eine Kurve über den Fluss zog und auf das Löschboot wartete. Wenn dieses eintraf, umkreiste das Kleine das Große und brauste wieder vor, und so weiter. Wie ein verspielter Hund und seine Halteperson, das war recht drollig anzusehen.

Der Arbeitstag war lebhaft: Die Büros voller Menschen und der Kalender voller Kolls. Immerhin war ein Termin, für den eineinhalb Stunden angesetzt waren, nach vier Minuten beendet. Mehrfach wurde ich über den Urlaub befragt und ich berichtete gerne, schließlich und zum Glück lesen nicht alle hier mit.

Der Treppensteig nach dem Mittagessen bereitete trotz zweiwöchiger Pause keine Probleme.

Sprachwitz des Tages in einer Präsentation: „monatlich statt biweekly“

Auf dem Rückweg suchte ich das Modellbahngeschäft meines Vertrauens auf, wo eine Bestellung eingetroffen war, über die ich mich besonders freue, weil ich nicht mehr damit gerechnet hatte, dieses grundsätzlich schon lange nicht mehr lieferbare Modell noch zu erstehen.

Die erste Probefahrt verlief sehr zufriedenstellend

Mittwoch: Nachdem ich es seit Rückkehr aus Frankreich schlicht vergessen hatte, wog ich mich morgens, um zu schauen, welche Folgen zwei Wochen Urlaub hatten mit wenig Bewegung, dafür viel Essen und Wein. Zu meiner Überraschung zeigte die Waage etwa ein Kilo weniger an als vor dem Urlaub, wer hätte das gedacht.

Arbeitstag mit einem mir bislang unbekannten Bürogenossen aus der Nachbarabteilung. Netter Kerl, nur unruhig: Er telefonierte laut und ging dabei im Raum auf und ab. Da bei mir währenddessen keine Tuduhs mit besonders hohem Konzentrationsbedarf anstanden, ich nicht gleichzeitig telefonierte und überhaupt ein (zu) freundlicher Mensch bin, sah ich von vorwurfsvollen Blicken und Bitten ab und begnüge mich damit, es hier zu notieren.

Donnerstag: „Leider bin ich derzeit im Urlaub“ steht in der Abwesenheitsmeldung eines Kollegen. Mein Mitleid ist ihm sicher.

In der Kantine gab es zum Dessert roten Wackelpudding in ungewöhnlicher Darreichungsform: in Würfel geschnitten auf Vanillesoße. Da ich es grundsätzlich ablehne, mein Essen zu fotografieren, denken Sie sich bei Bedarf gerne ein entsprechendes Bild.

Weg ins Werk, bewölkt

Freitag: Die Arbeitswoche verging erfreulich rasch. Die wichtigsten Urlaubsrückstände konnten aufgearbeitet werden, um den Rest kümmere ich mich kommende Woche, die wieder eine kleine wird mit freiem Donnerstag. Überhaupt sind die nächsten drei Wochen wegen Feiertag klein, wie ein Blick in den Kalender zeigt. Das wird Herrn Merz nicht freuen, der fordert, wir müssten alle mehr arbeiten. Warum sollte ich das tun? Damit Vorstandsmitglieder noch mehr Millionen beziehen? Sehe ich gar nicht ein.

Apropos Merz: Wenn die Zeit der aktuellen Regierung abgelaufen sein wird, sei es durch Abwahl in vier Jahren oder durch vorzeitiges Scheitern, was ihr nicht zu wünschen ist, dann kenne ich schon jetzt die zugehörige Schlagzeile in der Bildzeitung: „AUSGEMERZT!“

Apropos Regierung: Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich mich an die Wortkombination aus „Innenminister“ und „Dobrindt“ gewöhnt haben werde.

Der neuen Regierung widmet sich auch Kurt Kister in seiner Wochenkolumne Deutscher Alltag, wo auch dieses zu lesen ist:

Gerade wegen der allgegenwärtigen Computerei ist „Neustart“ längst Teil der Alltagssprache geworden, so wie „mega“ als Umschreibung für „in Ordnung“ oder „genau“ in seiner Bedeutung als zustimmendes Füllgeräusch („äähem, genau“).

Genau.

Samstag: Ich habe eine Idee. Seit geraumer Zeit erfreuen sich in Bloggerkreisen tausend Fragen, die man sich selber stellen und möglichst beantworten soll, größerer Beliebtheit, zu finden unter anderem hier. Keine Angst, ich werde sie nun nicht mit der Beantwortung aller tausend Fragen langweilen – also die Idee ist, mehr oder weniger regelmäßig und zufällig, vielleicht einmal wöchentlich, mal sehen, ob ich das durchhalte, eine dieser Fragen zu beantworten. An manchen Tagen passiert ja nicht so viel, das man hier berichten könnte, das wäre ein Anlass dafür. Als Zufallsgenerator dient dabei die Umgebung, die eine Zahl zwischen 1 und 1000 liefert, so wie heute anlässlich des Spaziergangs am gegenüberliegenden Rheinufer:

Zahl des Tages: 656

Frage 656 also. Die lautet: „Könnten sich Menschen ändern?“ Da die Frage im Konjunktiv gestellt ist, lautet die Antwort schlicht: Ja, könnten sie. Tun sie indikativ aber nicht, oder höchstens äußerst ungern. Siehe unser Umgang mit dem Klimawandel, wie unter anderem hier dargelegt.

Oder hier

Oder mit Alkohol. Die Zeitung berichtet über die aufkommende Diskussion vor allem unter jungen Leuten, ob es noch zeitgemäß ist, Wein zu trinken. Als ethanophiler Mensch habe ich dazu eine Meinung, erkenne jedoch an, dass man auch anderer Meinung sein kann, das ist das schöne an der Meinungsfreiheit. Goethe hatte auch eine: „Für Sorgen sorgt das liebe Leben / Und Sorgenbrecher sind die Reben“

Symbolbild

Wegen eines Vereinsvergnügens am Abend konnten wir uns nicht den ESC im Fernsehen anschauen. Vermutlich haben wir nicht viel verpasst.

Sonntag: Der Schauspieler George Clooney sah sich kürzlich der öffentlichen Kritik vor allem in den asozialen Hetzwerken ausgesetzt, nachdem er sich für eine Rolle seinen grauen Haare braun gefärbt hatte. Nach längerem Zögern, ob ich es schreiben soll, gestehe ich: Ich habe es auch getan. Vor zwei Wochen, im Urlaub, auf mehrfaches Drängen meiner Lieben, die der Meinung waren, ich müsste was an meinem Äußeren, insbesondere gegen das zunehmende Ergrauen meines Haupthaars tun, ich wurde gleichsam dazu genötigt. Als Zeitpunkt wählte ich bewusst den Beginn eines zweiwöchigen Urlaubs, man weiß ja nie, was dabei rauskommt, vielleicht fällt die Färbung lila oder grün statt braun aus, oder die Haare fallen gleich ganz aus. Es ist dann aber gut gegangen. Während der zurückliegenden Arbeitswoche hat es scheinbar niemand bemerkt, jedenfalls hat keiner was dazu gesagt, vielleicht lästern die lieben Kollegenden jetzt auch über mich. Dürfen sie, zu recht: Mit Ende fünfzig darf, ja sollte man graue Haare haben, wenigstens einige. Ich betrachte die Färbung daher als vorläufig einmaliges Experiment, das keiner baldigen Wiederholung bedarf. Inzwischen zeigen sich an den Schläfen wieder die ersten Silberfäden. Zum Glück.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche. Möglichst sorgenfrei, mit oder ohne Wein.

Woche 37/2024: Fahrplanabweichungen, Frohlocken und Fischstäbchen

Montag: Nachdem es am vergangenen Wochenende noch richtig heiß war, scheint nun der Herbst eingetroffen zu sein mit Regenschauern und deutlich gefallenen Temperaturen, in den von mir regelmäßig gelesenen Blogs vielfach bejubelt. Obwohl großer Herbstfreund, halte ich mich mit Frohlocken noch zurück. Erstmals nach längerer Zeit verließ ich morgens das Haus in Jacke und kehrte auch darin zurück. Der Anblick noch erstaunlich vieler kurzer Hosen, dem ich sonst durchaus zugetan bin, ließ mich frösteln. Vielleicht weigern sich deren Träger konsequent, vor dem kalendarischen Herbstanfang ins lange Beinkleid zu wechseln, so wie andere nicht vor Oktober die Heizung in Betrieb nehmen, egal wie kalt es ist.

Da es morgens regnete und für den Tag weitere Schauer zu erwarten waren, nahm ich die Bahn. „Es kommt zu Fahrplanabweichungen und Verspätungen“ verkündete die elektrische Anzeige an der Haltestelle. Ich freute mich über das Wort „Fahrplanabweichungen“ und nahm den Hinweis ansonsten mit der gebotenen Gelassenheit zur Kenntnis. Ins Büro kam ich früh genug.

Dorten viel spontan aufkommender Kleinkram, der mich in seiner Summe ganz gut beschäftigte.

Laut interner Mitteilung heißt die Kopierstelle im Mutterhaus nun Print Center Campus. Das wurde aber auch Zeit.

Nach nicht übertrieben spätem Arbeitsende hatte ich einen Friseurtermin. Eigentlich hatte ich den schon am Samstag gehabt, aufgrund eines Missverständnisses war ich jedoch zu spät erschienen, deshalb ein neuer Termin heute. Vorbei die Zeiten, da Friseure montags geschlossen haben. Ich habe das nie verstanden, andererseits hat es mich auch nicht gestört, das war eben so. Ohnehin neigte und neige ich nicht oder vielleicht zu wenig dazu, gegebene Dinge zu hinterfragen, vielleicht verdanke ich dieser Haltung aber auch einen Zuwachs an Zufriedenheit, während andere sich grämen.

Während der Niederschrift höre ich durch die geöffnete Balkontür den Regen auf die Markise prasseln, derweil der Geliebte Tee kocht. Das kann nicht mehr lange dauern mit dem Frohlocken.

Das war jetzt ganz schön viel Text für einen recht ereignislosen Tag.

Dienstag: Im Gegensatz zu gestern stockte heute die Schreibinspiration etwas. Das ist nicht schlimm, wer soll und will das auch immer alles lesen, nicht wahr. Ein fast ganz normaler Dienstag mit Fußmarsch ins Werk und zurück, wobei der Rückweg nicht mit einer gastronomischen Einkehr verbunden wurde. Zum einen lud das zwar trockene, doch kühle Wetter nicht zu einem Freiluftbier (immer wieder erstaunlich, welche Wörter von der Rechtschreibkorrektur nicht beanstandet werden) ein, zudem hatte ich einen ersten Anprobetermin beim Schuhmacher, wo ich vor mehreren Wochen einem spontanen Entschluss folgend Maßschuhe in Auftrag gegeben habe. Dazu vielleicht demnächst mehr.

Weg ins Werk
Das kann ja mal passieren.

Erstmals seit Wochen wurde das Abendessen, gemäß einer alten Familientradition dienstags Döner, am Küchentisch statt auf dem Balkon eingenommen, als Begleitgetränk Tee statt Wein. Willkommen im Herbst.

Mittwoch: Erstmals in dieser Woche mit dem Fahrrad ins Werk. Pünktlich zur Abfahrt hörte der Regen auf, nachdem es die Nacht durchgeregnet hatte, so dass die vorsichtshalber übergezogene Regenjacke nicht erforderlich war. Manchmal ist es fast etwas unheimlich, wie es sich fügt.

Mittags in der Kantine gab es Fischstäbchen, die habe ich ewig nicht gegessen. Sie schmeckten gut, so wie ich sie in Erinnerung hatte, alles andere wäre ja auch bedenklich. Zufällig sah ich gerade gestern Werbung eines Herstellers dieses Produkts, worin das „Frosta-Reinheitsgebot“ angepriesen wurde, am Ende hieß es „Frosta ist für alle da“, in womöglich unbewusster Anlehnung an die frühere Bac-Reklame, die Älteren erinnern sich vielleicht, „Ach Kinder … mein Bac, dein Bac – Bac ist für uns alle da!“ Eher ein Grund, auf den Verzehr von Fischstäbchen zu verzichten.

GLS brachte eine Sendung, darin ein Buch, eine Anthologie, zu der ich vor vielen Jahren, als ich noch gerne über Liebe und Triebe schrieb, einen Text beigetragen hatte und die nun, unter neuem Verlag und neuem Titel, wieder aufgelegt wurde. Kommt auf den wachsenden Stapel der ungelesenen Bücher.

Falls es Sie interessiert: erschienen im MAIN Verlag, ISBN 978-3-95949-735-0, 14€. Ich erhalte kein Honorar, was Sie nicht davon abhalten soll, es zu kaufen.
Ich brauche einfach mehr Zeit

Der Liebste hat Grillzubehör gekauft.

Von Profis für Profis

Beim Laufen abends merkte ich die dreiwöchige Unterbrechung wegen der Tagungs-Tournee, es lief sich sehr schwerfällig trotz idealer Lauftemperatur und ausgewählter Musikbegleitung im Takt der Schritte, was mich normalerweise beflügelt. Daher nur die kurze Strecke. Ab sofort wieder regelmäßig, immer schön in Bewegung bleiben, gerade im Alter.

Ansonsten Vorfreude auf den freien Tag morgen.

Donnerstag: Gelobt sei die Teilzeit. Den ersten „planfreien“ Tag nutzte ich für eine Wanderung über die vierte Etappe des Natursteigs Sieg von Merten bis Eitorf. Das Wetter war mir wohlgesinnt, um die fünfzehn Grad, meistens sonnig und trocken, erst bei Ankunft in Eitorf leichter Regen. Pünktlich um elf Uhr und mitten im Grünen plärrte das Datengerät los anlässlich des Warntages, kurz darauf heulten aus den Tälern rundherum die Sirenen hoch. Bis heute empfinde ich das Geräusch als gruselig, vor allem den auf- und abschwellenden Ton für Luftalarm. Wenn mir als in Friedenszeiten Aufgewachsener das schon so geht, was müssen dann erst diejenigen empfinden, die das noch als Ernstfall erlebt haben?

Die Strecke ist angenehm zu gehen und nicht sehr anstrengend, die Kennzeichnung gut, nur an wenigen Stellen musste ich in die App schauen, um die richtige Abzweigung zu nehmen. Die Bäume stehen noch in sattem Grün, abgesehen von den zahlreichen Fichtenleichen, die kahl in die Höhe ragen, dennoch lag bereits der würzige Hauch des Herbstes in der Luft. Immer wieder spürte ich unsichtbare Fäden des Altweibersommers (darf man das noch schreiben?) im Gesicht. Nur einmal begegnete mir ein anderer Wanderer. Insgesamt war es wieder beglückend.

Bereits kurz vor vierzehn Uhr erreichte ich das Ziel, Eitorf. Da es, wie oben erwähnt, regnete und zudem zehn Minuten später eine Bahn fuhr, suchte ich gar nicht erst nach einer geeigneten Gaststätte für das Wanderabschlussgetränk (hier schlägt die Rechtschreibprüfung an) und nahm stattdessen die Bahn zurück. Erst nach Rückkehr in Bonn erfolgte die Belohnung für die Mühen mit Oktoberfestbier und Fleischpflanzerln (für Außerbayrische: Frikadellen, Buletten) im bayrischen Brauhaus. Am Nebentisch zwei Herren, die offenbar schon länger dort verweilten. Als ein dritter dazukam, fiel der Satz: „Setz dich, wir sind gerade von swinging states auf Swingerclub gekommen.“

Hier ein paar Eindrücke des Tages:

Für die Sammlung (Merten)
Moosbetrachtungen I
Talblick
Stechpalme für Frau Lotelta
Rastplatzlyrik
Moosbetrachtungen II
Totes Holz
Moosbetrachtungen III
Käfer laben sich an einer Nacktschnecke. Vielleicht für Gartenfreunde eine Alternative zu Schneckenkorn, wobei man nicht weiß, worüber sie sich hermachen, wenn sie mit den Schnecken fertig sind.
Die Sieg in Eitorf

„PFERDE WETTEN“ steht in großen Buchstaben auf einem Schaufenster in der Bonner Innenstadt. Offen bleibt, um was die Gäule wetten.

Laut Zeitungsbericht haben über vierzig Prozent der elf- bis siebzehnjährigen schon mal einen Porno gesehen, oh Zeiten, oh Sitten! – Aha. Wo ist das Problem? Vermutlich haben über achtzig Prozent aus derselben Altersgruppe schon Tatort gesehen, wo Mord und Totschlag im Mittelpunkt stehen. Darüber wird nie berichtet. Warum auch.

Freitag: Heute ist Freitag, der dreizehnte. Wenn Sie das beunruhigt, sind Sie Paraskavedekatriaphobiker, falls Sie das noch nicht wussten. Sonst auch.

Mein Tag begann mit diesem Lied morgens im Radio, das, da wiederhole ich mich, meine Laune stets zu heben vermag, und das mich als angenehmer Ohrwurm durch den Werktag begleitete.

Beim Morgenkaffee das erste Mal gelacht:

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Der Werktag verlief ohne nennenswerte Imponderabilien. In der Präsentation zu einer Besprechung stand „Scheiss Experience“, erst dachte ich, mich verlesen zu haben, doch das stand da wirklich. In derselben Runde sagte einer „Sonst bekommen wir ein Fuck up“. Dass die sich nicht schämen. Später, in einer anderen Besprechung, war „Das wäre ein kleiner Super-GAU“ zu hören; was so gesagt wird, wenn man nicht weiter nachdenkt.

Samstag: „… hat Wladimir Putin außerdem zwei Söhne aus seiner Partnerschaft mit der Rhythmischen Sportgymnastik-Olympiasiegerin Alina Kabajewa“, ist in der Zeitung zu lesen.

Vor Jahren, als ich noch regelmäßig den Radiosender 1live hörte (heute ertrage ich das Gelaber nicht mehr), lief dort täglich eine Juxserie, deren Titel mir entfallen ist. Ich erinnere mich nur noch an den in jeder Folge gesagten Satz „Du hast doofe Ohren“, am Ende explodierte immer eine Bombe. Wie ich darauf komme: In der Fußgängerzone sah ich einen, der offenbar früher diese riesigen Ösenringe in den Ohren getragen hatte. Nun nicht mehr, die großräumig durchlöcherten Ohrläppchen hingen schlaff herunter. Der hatte wahrlich doofe Ohren.

Sonntag: Der Sonntagsspaziergang fiel kurz aus, er führte in das Kult41, wo acht Autorinnen und ein Hobbyschreiber ihre selbstverfassten Texte für die „Bonntastik V“ vortrugen. Anschließend wurde ich für das Bürgerradio interviewt, das kommt auch nicht oft vor. Die vorgetragenen Texte und noch viel mehr gibt es auch als Buch, wenn Sie hier mal schauen möchten.

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern.

#WMDEDGT im Dezember: Wörtliche Rede und Vorfreude

Am fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn auf dem Brüllen-Blog.

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Während der Zeitungslektüre zum ersten Kaffee am Morgen las ich diesen Satz: »Es wird Zeit, dass Bund und Land sich ehrlich machen.« Sich ehrlich machen – eine weitere Floskel für die Liste.

Ehrlich machen sollte sich auch eine Metzgerei in der Bonner Innenstadt, an deren Fenster seit Tagen, wenn nicht Wochen, ein handschriftlicher Zettel angebracht ist: »Heute nur Barzahlung«.

»Wir bringen das Mittelmeer in Ihre Küche«, wirbt ein paar Meter weiter ein Fachgeschäft für olivenhölzerne Haushaltswaren. Das muss nun wirklich nicht sein.

Der dienstagsübliche Fußmarsch ins Werk erfolgte bei Trockenheit und etwas milderer Temperatur gegenüber den letzten Tagen. Auch der Rheinpegel liegt wieder auf einem normalen Niveau, mal sehen, wie lange angesichts der Schneefälle der vergangenen Tage im Süden.

..

Kurz nach Ankunft im Büro klopfte ein Kollege an die Tür, den ich nur selten sehe, weil er im Gegensatz zu mir meistens zu Hause arbeitet. Es kam zu einem längeren Plausch über Gott und die Welt, was in diesem Fall wörtlich zu verstehen ist; trotz meiner grundsätzlichen Abneigung gegen wörtliche Rede am frühen Morgen (also vor neun Uhr) war es sehr angenehm.

Der Arbeitstag floss recht erfreulich dahin; die gestern herrschende Generalunlust hatte sich gelegt, wie so häufig von Montag auf Dienstag. Vor dem Fenster kam immer wieder die Elster zu Besuch, vielleicht waren es auch mehrere abwechselnd, und machte(n) sich, nachdem das von mir dort aufgestellte Futterhäuschen auf mysteriöse Weise abhanden gekommen war, über das nun auf einem profanen Teller dargereichte Vogelfutter her. Ansonsten habe ich zweimal Nein gesagt. Das war gar nicht schwer und fühlte sich gut an.

Der SPIEGEL meldet das »Pisa-Debakel«, nach dem »Pisa-Schock« von 2001. Was kommt als nächstes, Pisa-Krise, -Katastrophe, -Misere? -Horror? Wir werden es vielleicht noch erleben, wenn nicht andere Imponderabilien dazwischenkommen.

Zum Mittagessen in die Kantine gingen wir zu sechst, bis Ende 2019 nichts Besonderes. Jetzt, da ich es gewohnt bin, mittags zumeist allein, allenfalls mal zu zweit zu essen, weil fast alle überwiegend zu Hause arbeiten, empfinde ich derartige Gruppenessen als gewöhnungsbedürftig bis anstrengend. Anscheinend hat meine Sozialtoleranz während der Coronazeit einen irreparablen Schaden genommen. – Gegessen habe ich vegetarisch: Kartoffelpolenta an Grünkohlsalat, ganz gut, hätte etwas mehr sein dürfen. Zum Dessert gab es laut Karte »Schichtdessert von Erdbeeren und Waldmeister-Quark-Creme«. De facto ein Schälchen mit sehr fester, säuerlicher grüner Götterspeise (wenig göttlich), darauf fünf bis sechs kleine Erdbeeren, wo auch immer die herkommen Anfang Dezember, gekrönt mit einer Haube aus einer sahneartigen Vanillecreme. An den meisten Tagen bin ich mit dem Angebot der Kantine höchst zufrieden, heute würde ich allenfalls ein Ausreichend vergeben.

Ab Mittag setzte Regen ein, der sich bis zum Arbeitsende hielt. Deshalb verzichtete ich auf den Fußweg zurück (und auf die Einkehr auf einen Glühwein am Rheinpavillon) und nahm die Bahn. Den Glühwein gab es dann an einer etwas abgelegenen Bude auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt, der trotz Regen recht gut besucht war, insbesondere die überdachten Trinkstellen.

Abends war ich ein weiteres Mal auf dem Weihnachtsmarkt, nun mit dem Liebsten, zum Abendessen (erst Reibekuchen, dann Bratwurst) und auf ein Warmgetränk, derweil bei immer noch leichtem Regen eine feuchte Kälte langsam durch die Jacke drang.

Auf dem Rückweg reservierten wir für den Vorheiligabend in unserem Lieblingsrestaurant. Es ist immer schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.

Woche 47/2022: Mopsfilet im Blätterteigmantel

Montag: Der Werktag begann mit einer Besprechung bereits um acht Uhr und endete mit einer solchen, die bis fast siebzehn Uhr ging. Daran gemessen war die Tageslaune erstaunlich gut.

Für die zahlreichen Rückmeldungen auf meine Betrachtungen der vergangenen Woche danke ich sehr. Wie ich von Frau Christine erfuhr, ist meine geschilderte Abneigung gegen Koriander genetisch bedingt, das war mir bislang nicht bekannt. Für die einen schmeckt er (mutmaßlich) nach Seife, für andere ganz passabel. So ähnlich wie die Sache mit der Spargelpipi, also nicht der Geschmack (das vielleicht auch, bei sehr speziellen Vorlieben, ich möchte das nicht weiter vertiefen), sondern der Geruch, der nur bei bestimmter genetischer Veranlagung der Produzenten entsteht. Oder wahrgenommen wird – wie auch immer.

Gänzlich unbekannt war mir bis heute auch der Name Amalberg, dessen Träger laut Zeitung heute Namenstag haben. Wie immer bin ich zu bequem, zu recherchieren, ob so wirklich jemand heißt, und warum. Klar, weil die Eltern das dem Standesbeamten in die Urkunde diktiert haben. Aber wie kamen sie darauf?

Seit jeher, nicht nur zu Zeiten irgendwelcher Meisterschaften und Ligen, graust es mich, wenn in geschäftlichen Zusammenhängen jemand sagt „Das ist wie beim Fußball“ und dann einen albernen Vergleich zum gerade behandelten Thema zieht. Nicht nur mich:

(Bitte klicken Sie auf das Bild, weiter unten kommt noch was.)

Im Übrigen nahm die Telekom heute die letzten Münzfernsprecher außer Betrieb, womit ein weiteres schönes deutsches Wort demnächst nur noch im Lexikon der ausgestorbenen Wörter zu besichtigen ist. Außerdem ist heute Tag des Fernsehens, hörte ich gerade im Radio. Auch das noch.

Dienstag: Morgens ging ich zu Fuß ins Werk. Beim Gehen kann ich wunderbar über verschiedenes nachdenken. Heute dachte nicht besonders intensiv nach, da es nichts Spezielles zu bedenken gab. Stattdessen erfreute ich mich an dem durchaus angenehmen Ohrwurm, der beim Wecken aus dem Radio in mein Hirn gekrochen war.

Die Flecken sind übrigens keine Verunreinigung des Bildes, was nach Ablösung von Dias durch Digitalbilder ohnehin nur noch selten vorkommt, sondern Kondensstreifen (Mitte) und Vögel (rechts)

Der Rückweg führt am Mutterhaus vorbei durch den nördlichen Ausläufer des Rheinauenparks, ehe man an den Rhein gelangt. Dort, in dem Parkausläufer, ging abends eine Frau einige Meter vor mir her. Hinter einer Wegabzweigung, an der ich rechts abbog zum Rheinufer, sie indes geradeaus weiter gegangen war, blieb sie plötzlich stehen und führte einige Schritte aus, die an Stepptanz erinnerten, freilich ohne das typische Klackediklackediklack, vielmehr ein Scharredischarredischarr, da sie die Tanzschritte auf Kiessand statt auf Parkett vollzog. Vielleicht kam sie gerade von einem Tanzkurs und wollte das soeben Erlernte noch einmal kurz vertiefen. Augenscheinlich hatte sie mich hinter sich nicht bemerkt; wenn man sich unbeobachtet fühlt, tut man ja manchmal merkwürdige Dinge, ich kenne das von mir selbst, ohne das weiter ausführen zu wollen.

Am Rheinufer kam mir ein jüngeres gemischtes Paar eingehakt entgegen. Wenige Meter vor unserer Begegnung griff sie an die ihr abgewandte Wange ihres Begleiters und zog sein Gesicht zu sich hin, um einen Kuss anzufordern und zu bekommen, keinen langen Knutscher Jungverliebter, sondern einen kurzen Wegekuss. Als wollte sie signalisieren, dass sie bereits vergeben ist. Vielleicht hatte sie mich auch durchschaut und wollte mir zu verstehen geben, dass er vergeben ist. Die Welt ist voller Missgunst.

Mir selbst gönnte ich am Rheinpavillon einen Glühwein mit Amaretto, heute in weiß; dazu wurden Spekulatius gereicht.

Im Zwiebelblog las ich erstmals das herrliche Wort „Wortkörperschonung“. Es bezeichnet übrigens nicht eine Ansammlung in Reihe gepflanzter Wortstämmchen, auf dass sie dereinst zu langen Wörtern und ganzen Sätzen heranwachsen.

Mittwoch: In der Zeitung las ich erstmals das Wort Absentismus. Im Netzduden steht als Bedeutung, nachdem man sich der Werbung erwehrt hat: »gewohnheitsmäßiges Fernbleiben vom Arbeitsplatz«. Somit etwas, das als mittelfristiges Lebensziel erstrebenswert erscheint.

Klaus S. aus St. S. nimmt in einem Leserbrief an den Bonner General-Anzeiger daran Anstoß, als Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel nicht mehr als Fahrgast bezeichnet zu werden, sondern als Mitfahrender. »Bin ich als Restaurantgast denn heutzutage auch ein Mitesser?« fragt er am Ende. Nein, lieber Herr S., Mitessender.

Als Fahrradfahrender wurde ich abends auf der Rückfahrt vom Werk nass geregnet, woran ich indes keinen Anstoß nehme. Als praktizierender Absentist wäre mir das nicht passiert.

Am Montag der 42. Woche berichtete ich über die obsolete Operation am rechten Ellenbogen, weil mein Körper die Sache in der Zwischenzeit selbst erledigt hatte. Hierüber erhielt ich heute eine Rechnung der Chirurgischen Praxis über 17,70 Euro. Für knapp zehn Sekunden Anschauen und die Anmerkung „Da haben Sie Glück gehabt“ recht ordentlich.

Donnerstag: Der Radiosender WDR 4 rief heute auf zum „FEIER-DEIN-EINZIGARTIGES-TALENT-TAG“. (Ja, da fehlt ein E, ist mir auch aufgefallen, aber so steht es auf deren Internetseite.) Hörer sollten sich melden und erzählen, was sie besonders gut können. Während des Fußweges ins Werk dachte ich darüber nach, wegen was ich dort anrufen könnte, wenn mir derlei Rundfunkgeschwätz fremder Leute nicht grundsätzlich zuwider wäre. Das Ergebnis meiner Überlegungen war ernüchternd, mir fiel nichts ein. Es mag ein paar Dinge geben, die ich ganz gut kann, etwa Rechtschreibung einschließlich korrekter Verwendung von -s, -ss und -ß, mir per Mnemotechnik meine Kreditkartennummer merken oder den Zauberwürfel entzaubern; auch in beruflicher Hinsicht zeigten sich meine Chefs bislang zufrieden mit meinen Leistungen. Doch findet sich nichts darunter, das besonders hervorsticht, eher ist in allem, was ich tue, Mittelmaß meine Richtschnur. Sollte ich indessen meine Inkompetenzen aufzählen, fiele mir spontan vieles ein, zum Beispiel Autofahren, Trompete spielen oder Kinder hüten. Daher hat dieser Talentfeiertag für mich eine Relevanz wie Mariä Lichtmess oder Bundesligafinale.

Morgens gesehen an einem städtischen Laubsammelwagen

„Wir hatten einen smoothen Hochlauf“ hörte ich in einer Besprechung und nahm es auf in die Liste, die bei der Gelegenheit aktualisiert wurde und mittlerweile über fünfhundert Einträge enthält. Vielleicht zählt das auch als Talent.

Freitag: „Wie gehts dir“, wurde ich gefragt. Nun: Während andere vor Hunger und Kummer nicht in den Schlaf kommen, ist an manchen Tagen meine größte Sorge, was ich heute ins Blog schreiben soll. Ich glaube, es geht mir ganz gut.

Auf dem Bonner Weihnachtsmarkt gibt es jetzt eine Hundebäckerei. Liebhaber von Mopsfilet im Blätterteigmantel muss ich allerdings enttäuschen: Es ist nur Gebäck für des Menschen besten Freund im Angebot. Vielleicht Pansenplätzchen, ich habe mangels Haustier nicht genauer geschaut.

Samstag: Wie die Zeitung mehrspaltig berichtet, ist man in Wachtberg-Ließem empört, weil auf einem Straßenabschnitt wegen Asphaltmängeln die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf dreißig Stundenkilometer reduziert wurde und die Polizei deren Einhaltung zu allem Übel nun auch noch kontrolliert hat, wobei jeder fünfte Wagen zu schnell fuhr. Der Ließemer Ortsvorsteher zeigt sich befremdet: Zahlreiche „abgezockte“ Bürger hätten sich bereits bei ihm gemeldet und „absolutes Unverständnis für die Maßnahme“ geäußert. Nicht empörend, vielmehr verwunderlich finde ich, wie breit die Zeitung darüber berichtet und dabei gewisses Verständnis für die Zuschnellfahrer durchklingen lässt. Der Artikel endet mit dem Satz »Das städtische Presseamt beantwortete am Freitag eine Anfrage zur Ließemer Straße bis Redaktionsschluss nicht.« Warum sollte es auch.

Sonntag: Wieder eine Woche beendet ohne nennenswerte Imponderabilien.

Beendet habe ich auch die Lektüre des Buchs „Von der Nutzlosigkeit erwachsen zu werden“ von Georg Heinzen und Uwe Koch aus dem Jahre 1985, das ich vor längerer Zeit einem öffentlichen Bücherschrank entnahm. Dabei handelt es sich nicht um einen Ratgeber im Sinne von „Auch im fortgeschrittenen Alter jung bleiben“, vielmehr ist es ein Roman und beginnt so:

»Ich bin nicht Lokomotivführer geworden. Alles ist anders gekommen, als ich gedacht habe. Ich bin auch nicht Präsident geworden oder Urwalddoktor, nicht einmal Studienrat. Eigentlich bin ich gar nichts geworden.

Ich bin nicht Vater, nicht Ehemann, nicht ADAC-Mitglied. Ich habe keinen festen Beruf und kein richtiges Hobby. Mir fehlt alles, was einen Erwachsenen ausmacht, die Aufgaben, die Pflichten, die Belohnungen. Ich bin kein Vorgesetzter und keine Autoritätsperson, ich habe keinen Dispositionskredit und trage keinerlei Unterhaltslasten, außer für mich selbst.«

Nach längerer Zeit mal wieder ein Buch, bei dem ich bedauerte, dass es zu Ende war. Es kommt vorläufig nicht zurück in den öffentlichen Bücherschrank.

***

Kommen Sie gut durch die neue Woche, auch wenn die deutsche Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft ausgeschieden ist. (Zum Zeitpunkt dieser Niederschrift, 17:30 Uhr, steht das Spiel noch bevor. Ich werde es mir nicht anschauen, so wie ich mir niemals Fußballspiele anschaue, egal wo und warum sie stattfinden, weil mich Fußball nicht interessiert. Das soll mich nicht daran hindern, einen Tipp abzugeben.)

Woche 26/2022: Keine nennenswerten Imponderabilien

Montag: Der erste Arbeitstag nach zwei Wochen Urlaub zog sich in müder Lustlosigkeit. Immerhin ruhig mit nur einem Besprechungstermin und einer erstaunlich geringen Anzahl an Mails, die keine nennenswerten Imponderabilien enthielten und bis zum Nachmittag weitgehend abgearbeitet oder gelöscht waren. Das ist ja immer wieder das Schöne, vieles erledigt sich von selbst.

Überschattet war der Tag von der traurigen Nachricht über den Unfalltod einer Kollegin, der mal wieder deutlich macht, wie wichtig es ist, das Leben täglich zu genießen, auch montags nach dem Urlaub. Warum erkennen wir das immer erst zu solchen Anlässen?

Der Oberste US-Gerichtshof hat bereits in der vergangenen Woche das Recht auf Abtreibungen eingeschränkt, das haben Sie sicher mitbekommen. Wie heute in der Zeitung zu lesen ist, will man sich als nächstes mit dem Gebrauch von Verhütungsmitteln, der Zulässigkeit intimer gleichgeschlechtlicher Beziehungen und der Homo-Ehe befassen. Sie meinen, das ist halt Amerika? Ja, noch ist es das. Mir wird bang. (Lesen Sie dazu gerne auch die Ausführungen von Herrn Fischer.)

Mit einer Art fieser Erheiterung lese in Blogs und Zeitung die Berichte über die derzeitigen Zustände an deutschen Flughäfen, Wartezeiten bei Sicherheitskontrollen, abhanden gekommenes Gepäck und ausgefallene Flüge, und denke: Warum tun die sich das an?

Nach Rückkehr aus dem Werk hörte ich erstmals nach längerem wieder die Singstarkrähe von gegenüber, die mit einem nicht identifizierbaren „Lied“ die Siedlung beschrie.

Unterdessen fand ich im Briefkasten einen persönlichen Brief aus Badgastein vor, über den ich mich sehr freue.

Dienstag: Energiesparen ist möglich. Man kann zum Beispiel mit insgesamt fünfunddreißig Sekunden Wasserlaufzeit duschen, einschließlich Vorlauf bis zum Erreichen der angenehmen Temperatur, wenn man beim Einseifen konsequent den Hahn abdreht; ich habe das mal für Sie ausprobiert. Nimm dies, Putin.

Abends war ich laufen, obwohl es dazu etwas zu warm war, aber irgendeine Ausrede findet sich ja immer. Nach Rückkehr wunderte ich mich über die polizeiliche Absperrung der Wilhelmstraße, in unmittelbarer Nähe zu unserer Wohnung. Da ahnte ich noch nicht, dass kurz zuvor ein menschlicher Kopf vor dem in nämlicher Straße befindlichen Landgericht abgelegt worden war; den mutmaßlichen Rest fand man etwas entfernt in Rheinnähe. Du liebe Güte.

Mittwoch: O du schöner Westerwald, Eukalyptusbonbon. Vielleicht kennen Sie dieses alte Volkslied, das in meiner Jugend gerne zum Bier gesungen wurde; je mehr Bier, desto lauter. Aus beruflichem Anlass hielt ich mich eineinhalb Tage in Hachenburg im Westerwald auf, wo unsere Abteilung sich traf. Nach nicht übertrieben langer Beschäftigung mit fachlichen Themen gingen wird zum Freizeitprogramm über, das aus einer Besichtigung der örtlichen Brauerei bestand, wo der Abend schließlich ausklang, ohne Eukalyptusbonbons.

Mehr Freiheit ist kaum denkbar

Bei Ankunft an der Brauerei war der Hof voll an schwarzen Autos, minütlich kamen weitere hinzu und warteten geduldig, um sich einen weißen, für ein alkoholfreies Produkt des Hauses werbenden Schriftzug schräg über die Motorhaube kleben zu lassen. Als Belohnung gab es zwei Kästen des nämlichen Getränkes. Was Menschen alles tun, wenn es was umsonst gibt.

Warten für Werbung für kalten Kaffee

Auch sonst war es ganz schön:

Biergarten

Donnerstag: Morgens nach dem Aufwachen hallte der Brauereibesuch noch etwas nach. Währenddessen verhöhnte mich mein Ohrwurm mit „Es geht mir gut“ von Marius Müller-Westernhagen.

Laut Zeitungsbericht empfiehlt ein Experte, Gas nicht per Gießkanne zu verteilen. Es ist immer schön, das augenscheinlich Offensichtliche von einem Fachmann bestätigt zu wissen. Wie viele Kannenfüllungen benötigte man allein für fünfunddreißig Sekunden Brausebad?

Freitag: Jede Krise gebiert ihre eigenen Begriffe, siehe „Herdenimmunität“, „Inzidenzwert“ oder „Kontaktpersonennachverfolgung“. Erstmals las ich heute in der Zeitung das Wort „Gasmangellage“ und ahne, das künftig öfter zu hören und lesen.

Nachmittags standen wir bei Getränken und Häppchen zusammen, um einen Kollegen in den Ruhestand zu verabschieden, und also sprachen wir: „Lass uns über was anderes als Corona reden.“ – „Einverstanden. Gaskrise? Atomkrieg?“ Gelacht haben wir dennoch.

Der am Dienstagabend gefundene Kopf wurde nach gerichtsmedizinischer Erkenntnis erst abgetrennt, nachdem der ursprüngliche Inhaber eines natürlichen Todes gestorben war. Der kurz nach dem Fund gefasste Ableger hat sich somit nicht des Mordes schuldig gemacht, sondern der „Störung der Totenruhe“, auch so ein Straftatbestand, über den Herr Buschmann vielleicht mal nachdenken sollte.

Samstag: Nach Erledigung der üblichen Samstagsgeschäftigkeiten hielt ich Einkehr in der Lieblings-Weinbar. Bei Rosé unterhielt ich mich als einziger Gast bestens mit dem Wirt, daher wurden aus dem beabsichtigten einen Glas drei. Man hat von dort aus ausgezeichnete Aussicht auf die draußen Vorübergehenden, weshalb ich dieses Lokal sehr mag, gerade am Samstagmittag. Während der Unterhaltung sah ich einen, der an der gegenüberliegenden Straßenbahnhaltestelle an einem „Durstlöscher“-Päckchen saugte und sich dabei ausgiebig selbst fotografierte oder filmte. Kein Zweifel, die Welt wir immer bekloppter. (Leergesaugte Durstlöscher-Packungen liegen inzwischen in nahezu gleicher Zahl in der Gegend herum wie Einweg-Kaffeebecher.)

Sonntag: Heute war in Köln CSD. Nach Jahren der Abwesenheit und Seuche war ich wieder dabei, nahm auch an der Parade teil, obwohl mittlerweile für derlei etwas zu alt. Doch erstmals war auch mein Arbeitgeber mit Wagen und bemerkenswert großer Gruppe vertreten, daher wollte ich mir das nicht entgehen lassen.

Auf der Deutzer Brücke, kurz nach Beginn
Eine Abwechslung gegenüber den üblicherweise zur Schau gestellten Muskelaufbauten

Danach war mein Bedarf an größeren Menschenansammlungen, wummernder Bassbeschallung von vorne und hinten sowie hormonell herausfordernden Anblicken am Wegesrand gedeckt, daher nahm ich die nächste Bahn zurück nach Bonn, die durch ihre Belegung einen Eindruck verschaffte von den Auswirkungen des gepriesenen Neuneurotickets.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche mit stets einem Hauch Gas in der Leitung. Genießen Sie gehobenen Hauptes das Leben.