Woche 16: Das Leben in leeren Zügen genießen

Montag: Jedem Anfang wohnt ein Ende inne, soviel ist sicher. Doch will ich es positiv sehen, heute begann eine Woche Urlaub. Die wesentlichen Aktivitäten waren: eine Grundsatzdiskussion am frühen Abend, mit deren Details ich sie nicht belästigen will, und eine Aktualisierung der Liste.

Dienstag: Die Zeitung berichtet über empörte Bonner Eltern, weil ihr evangelisches Kind nicht eine katholische Grundschule besuchen darf, trotz „Schulweg von weniger als 500 Metern, auf dem Bürgersteig immer geradeaus, ohne die Straße oder gar eine Kreuzung überqueren zu müssen“, somit hätte das Kind es eines Tages, etwa ab der vierten Klasse, womöglich gar ohne elterliche Chauffeurdienste dorthin geschafft. Das kann man ärgerlich und gemein finden, völlig nachvollziehbar. Die eigentliche Frage ist aber doch: Warum gibt es solche „Konfessionsschulen“ überhaupt? Man stelle sich vor, andere Konzerne, vielleicht die Deutsche Bank oder Bayer, betrieben ebenfalls Grundschulen bevorzugt für Kundenkinder. Dann wäre aber was los.

Zum Geburtstag des Liebsten machten wir eine kleine Wanderung im Ahrtal: mit der Ahrtalbahn bis Dernau, dann zu Fuß rechtsahrisch bis Mayschoß, dort bei Sonnenschein die erste Rast. Zurück ging es links der Ahr auf einem Teilstück des Rotweinwanderwegs bis Dernau, wo wir nach zweiter Rast die Rückfahrt antraten. Erkenntnis: Man gelangt sehr zügig von Mayschoß nach Dernau, wenn man unterwegs nicht alle paar Meter von einem Weinausschank aufgehalten wird.

Alles Gute, mein Schatz!

Die auch als „Union“ bekannte Zankgemeinschaft hat endlich entschieden: Nun wird also Armin Laschet im Herbst voraussichtlich den Kürzeren ziehen.

Übrigens: Der Begriff „Große Koalition“ erscheint mittlerweile genauso aus der Zeit geraten wie „Kotflügel“ oder „Videothek“.

Mittwoch: „Frauen fühlen sich nicht mehr mitgemeint, wenn von Studenten oder Mitgliedern die Rede ist“, steht im General-Anzeiger. Liebe Damen: auch nicht bei Mitgliedern? Echt jetzt?

Den Urlaubstag nutzte ich für eine Reise nach Bielefeld, um meine Mutter zu besuchen, die erste längere Bahnreise seit über einem Jahr. „Das Leben in leeren Zügen genießen“, könnte der neue Werbespruch der Bahn sein. Aus Gründen der Bahnbegeisterung wählte ich einen Umweg über Münster. Kurz davor durchfuhren wie den Ort Buldern – ein schönes Wort, das auch als Verb denkbar ist, etwa wenn jemand eifrig mit etwas beschäftigt ist, dessen Sinn und Zweck sich Außenstehenden nicht unmittelbar erschließt. „Na, bist du wieder am rumbuldern?“, könnte man dann fragen. Oder so: „Kommst du zum Essen?“ – „Gleich, muss noch kurz was buldern.“

Nach Rückkehr in Bonn ließ der Bildschirm in der Stadtbahnhaltestelle wissen, dass Mecklenburg-Vorpommern die Impfung mit Astra Zeneca für alle freigibt. Unmittelbar im Anschluss folgte eine Reklame für Astra Urtyp. Manchmal mag man nicht mehr an Zufälle glauben.

Donnerstag: Ich habe beschlossen, den fertigen Bestseller über epubli zu veröffentlichen, da es mir aussichtslos erscheint und ich im Übrigen wenig Lust habe, zu versuchen, dafür einen Verlag zu finden. Um Erfahrungen mit epubli zu sammeln, habe ich zunächst ein altes Werk genommen, das ich bereits 2007 schrieb und seitdem mehrfach überarbeitet habe. Zwischenzeitlich war es auch als Bytebuch beim großen A erhältlich, jetzt nicht mehr, weil ich mit dem großen A nichts zu tun haben will, nicht als Kunde und schon gar nicht als Autor. Die Erstellung des Buchs bei epubli ging einfach und schnell, gestern wurde der Prototyp geliefert. Den heutigen Urlaubstag habe für Anpassungen und Korrekturen genutzt, eine hochgradig angenehme Tätigkeit. Ich hoffe nun, in den nächsten Tagen den Auftrag zu erteilen. Wenn alles so klappt wie erhofft, kommt dann der Bestseller an die Reihe.

Freitag: Heute beginnen die Abiturprüfungen, war morgens im Radio zu hören. Die Abiturenti‘ tun mir wirklich leid in diesen Zeiten, ich kann mir kaum vorstellen, wie das überhaupt funktionieren soll. Bei der Gelegenheit überlegte ich, wie lange das bei mir her ist, und kam auf fünfunddreißig Jahre, also fast doppelt so viele wie ein Abiturienti‘ üblicherweise alt ist. Das ist schon erschreckend genug. Noch erschreckender: Nichts, aber auch wirklich gar nichts von dem, was ich damals für die Prüfungen lernte, weiß ich heute noch, weil ich es einfach nicht benötige und nie benötigte, es wäre völlig unnützes Wissen, das wertvollen Hirnspeicherplatz blockiert. Wie auch diese bislang ungelöschten Informationen: 1) Bei meinem Arbeitgeber waren früher Kassenbücher mit dokumentenechter Tinte oder Kugelschreiberpaste nach DIN 16554 zu führen. 2) Es gab einen „Antrag auf Erstattung eines von einem Münzwertzeichengeber zu unrecht einbehaltenen Münzbetrages“. Gäbe es noch Partys, hätte das vielleicht einen gewissen Unterhaltungswert.

Den Urlaubstag nutzte ich für eine wunderbare Wanderung über den Venusberg und „hintenrum“ zurück. Falls es Sie interessiert, schauen Sie hier. (Die „Klinke“ im südlichen Teil erklärt sich durch den Abstecher zu einem Trafoturm, den ich in der Ferne sah und fotografieren musste:)

Erwähnte ich schon, dass ich Trafotürme sammle? Also natürlich nur die Bilder davon; bitte frage Sie nicht, warum, ich kann es nicht erklären. Immerhin beruhigend: Ich bin da nicht der einzige.

Ein paar „normale“ Bilder habe ich auch gemacht:

(Die Poppelsdorfer Allee in Bonn)
(Im Wald oberhalb von Poppelsdorf)
(Bei Schweinheim)
(Auch bei Schweinheim)
(Blick vom Kreuzberg, von wo aus man den Kölner Dom sieht, siehe Pfeil)

Samstag: Noch ein toller Zufall – wie heute der Zeitung zu entnehmen ist, gibt es das Verb „buldern“ schon, jedenfalls fast: „Beim Bouldern klettert man ohne Seile und Gurte an kleinen Felsformationen und Felsblöcken, die in der Regel nicht höher als sechs Meter sind.“ Ob das zu wissen nützlich oder unnütz ist, mag jedi‘ für sich entscheiden. (Toll, nicht? Das i‘-Gendern funktioniert auch bei Pronomen.)

Tom macht sich lesens- und bemerkenswerte Gedanken über das Sterben und das, was möglicherweise danach kommt:

„Doch welche Erfahrung wäre extremer als die des Sterbens. Da bietet das Gehirn zu guter Letzt nochmal alles auf, was an Neuronen, Botenstoffen, Synapsen und Elektrizität verfügbar ist, bevor das alles letztlich ausgeknipst wird.“

Habe ich auch schon, siehe dorten. (Ein früherer, lange pensionierter Kollege sagte „dorten“, wenn andere „dort“ sagen. Laut Duden ist diese schöne Wort ebenfalls längst pensioniert.)

„Schwarz – blau – schwarz – blau …“ murmelte der Geliebte am Abend vor sich hin. Zum Glück war er nicht mit einer Elektroinstallation beschäftigt, sondern mit der möglichst harmonischen Anordnung von Kaffeekapseln.

Sonntag: Ja, es ist irrational – obwohl ich selbst nicht (mehr) rauche, begegne ich Menschen, deren Blick beim Gehen oder gar Fahrradfahren aufs Datengerät gerichtet ist, mit weniger Verständnis als welchen mit Zigarette. Manchmal neige ich gar zu Aggressionen.

Es ist gefährlich (ja, Rauchen auch), vor allem raubt der Bildschirm die Aufmerksamkeit für die Dinge, die links und rechts des Weges zu sehen sind. Wie den einen zweifelhaften Humor belegenden Spruch „Denk an die Umwelt – fahr mit dem Bus“, den ich beim Spaziergang an einem modernen Nachfahren des VW-Bullis sah.

Ähnlich fragwürdiger Humor mag die Tage auch gut fünfzig Schauspieleri‘ dazu getrieben haben, in angeblich ironischen Filmchen die Pandemie-Politik zu kritisieren. (Dass ich fast niemanden davon kenne, ist bezeichnend für meinen Medienkonsum.) Dazu schreibt die F.A.S.:

Einen großen Fehler haben aber wir, die Journalisten, schon vorher begangen: Wir haben die Schauspieler darin bestärkt, sich als Welterklärer zu fühlen – eine Rolle, der manche von ihnen nicht gewachsen sind. Wir haben sie nicht nur nach ihren Filmen gefragt, sondern nach Werten, nach Weltanschauung, nach dem richtigen Leben. In Wahrheit sind diese mehrheitlich vegan lebenden Loft- oder Landhausbewohner nicht besser oder klüger als wir selbst.

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 25.4.2021

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Wie am Donnerstag angekündigt, ist der Roman „Herbsterwachen“ in einer überarbeiteten Fassung (und unter einem anderen Pseudonym) neu bei epubli erschienen, eine Geschichte über Leben, Liebe, Lust und Leiden. Weiteres finden Sie hier.

(Ja ich weiß, damit ist er auch wieder beim großen A erhältlich, aber immerhin nicht ausschließlich. Dagegen kann man wohl nichts machen.)

***Werbung zuende***

Ansonsten die Woche gehört und gelesen:

  • Gelesen: „? und ! sind keine Rudeltiere.“ (stand unter einem Forumseintrag im Netz)
  • Gehört: „Die wollmilchlegende Eiersau“

Ich wünsche Ihnen eine angenehme neue Woche!

Woche 29: Rolltreppen und andere Herausforderungen

Montag: Die Kombination aus Rolltreppen und Menschen ist immer wieder ein Quell komischer Szenen. Wie heute auf dem Heimweg: In der Stadtbahnhaltestelle Heussallee gibt es „einspurige“ Rolltreppen, die sowohl rauf als auch runter rollen, also nicht eine für jede Richtung, wie man es von Karstadt kennt. Das heißt, wenn niemand hoch- oder runterrollen will, steht die Treppe still, wird zur stillen Treppe, oder Standtreppe, oder einfach zur Treppe. Erst wenn sie jemand betritt, rollt sie los, derweil am anderen Ende eine Leuchtanzeige zum Warten anhält. Hat der Nutzer sein Ziel erreicht und kommt keiner nach, der die Treppe in nämlicher Richtung nutzen will, rollt sie noch eine gewisse Zeit weiter, ehe sie wieder im Stillstand verharrt. Erst dann kann sie in der anderen Richtung genutzt werden, ich hoffe, Sie können mir folgen. Heute nun beobachtete ich drei augenscheinlich nicht sonderlich gehbehinderte Menschen mit Rollkoffern von überschaubarer Größe, die vom Bahnsteig nach oben wollten. Aber ach, die Treppe rollte gerade herab, auch mehrere Versuche, sie durch Bitten, Beschimpfen oder Betreten der Kontaktschwelle anzuhalten, liefen zunächst ins Leere. Endlich hielt sie an und beförderte die Leute anschließend nach oben. Das ganze dauerte ein Mehrfaches dessen, als wenn sie einfach die direkt daneben liegende Steintreppe benutzt hätten, trotz der Koffer. Menschen sind komisch, immer wieder.

Von Frosch gibt es jetzt sensitives Duschgel. Laut Duden also von übersteigerter Feinfühligkeit, überempfindlich. Brauche ich nicht, überempfindlich bin ich selbst.

Dienstag: Herr Levin schreibt über das Schreiben:

„… denn das erste Werk ist aus der Rückschau immer peinlich und schlimm.“ – „… und schließlich die vielen, denen irgendwo unterwegs die Luft ausgeht mit drölf versandeten Romananfängen in der Schublade.“

Das kommt mir alles sehr bekannt vor. Dennoch: Irgendwann wird mein Bestseller erscheinen.

Mittwoch: Gehört in einer Besprechung: „Ich habe ja öfter schon heureka gerufen, und dann ist trotzdem wieder ein Panzer über mich drüber gefahren.“

Gehört im Aufzug: „Der ist aber auch ein bisschen sportlich unterwegs “

Donnerstag: Nun also AKK. Natürlich ist es einfach und häufig auch gerechtfertigt, auf Politiker zu schimpfen. Aber wie lange wird es noch gute und fähige Leute geben, die diesen harten Job auf sich nehmen, anstatt lieber Werbung zu machen für Hundefutter oder Mittel gegen nächtlichen Harndrang? Zu Risiken und Nebenwirkungen schauen Sie nach Großbritannien, Italien oder in die USA. (Wobei ich nicht behaupte, AKK für gut und fähig zu halten.)

Freitag: „Mama, bekomme ich einen Keks?“ – „Wo isst man denn um diese Zeit schon Kekse?“ – „Na hier.“ So zitiert WDR 2 am Morgen einen per Facebook zugegangenen Mutter-Kind-Dialog. Goldig. Infos die brauche, und für die Rundfunkgebühren zu entrichten als süße Pflicht, ja als pures Vergnügen erscheint.

Samstag: „Wir bieten Herausforderungen“, steht in einer Stellenanzeige. Vermutlich würde ich mich dort nicht bewerben.

Eine Herausforderung der menschlichen Vernunft stellt die aktuelle Anzeige für ein SUV dar:

„Von null auf 100 km/h in 3,7 Sekunden. … Ein kurzer Druck auf den roten Startknopf und Gänsehaut-Feeling stellt sich ein. … hat die Power unter der markanten Motorhaube, von der jeder Autofan träumt. 522 kW (710 PS) Leistung … Das eindrucksvolle Ergebnis sind ein faszinierendes Fahrerlebnis und einer der atemberaubendsten Sprints, die man in einem SUV erleben kann … Kein Wunder, dass der Fahrer … die allermeisten Verkehrsteilnehmer überwiegend im Rückspiegel sieht. … Nappaleder-Sportsitze, die so geformt sind, dass sie Fahrer und Passagiere selbst bei schnellen Kurvenmanövern sicher in Position halten können. … vierflutige Auspuffanlage … Ein SUV, das sich sehen lassen kann und das man fühlen und hören muss.“

Das mit dem hören müssen ist wohl traurige Wahrheit, wenn so ein Autoposeräffchen in der Stadt die vierflutige Auspuffanlage einem überdimensionierten Knallfurz gleich aufbrausen lässt, um sogleich wieder abzubremsen, weil die zehn Meter vor ihm liegende Ampel rot zeigt. Irgendwie scheinen die bei Jeep die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt zu haben.

Sonntag: Manchmal wüsste ich zu gerne die dahinter stehende Geschichte.

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Zum Glück

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Unlängst entdeckte ich anlässlich der Recherche für meinen im Entstehen begriffenen Bestseller in einem alten Tagebuch den Eintrag vom 29. Januar 1997:

„Seit ein paar Tagen beschäftigt mich ein an sich völlig abwegiger Gedanke: Wie wäre es, wenn ich mit 30 wirklich hetero würde? Mal abgesehen davon, daß das wahrscheinlich nicht „auf Knopfdruck“ möglich sein wird, finde ich den Gedanken gar nicht schlecht, mir eine Freundin zu suchen, mit der ich – keine Hochzeit und keine Kinder vorausgesetzt – vielleicht sogar glücklich werden könnte, wenn es denn die „richtige“ ist! Denn eins weiß ich: Ich bin es leid, ständig meinem Glück hinterherzulaufen ohne jede Aussicht auf Erfolg. Die Frage ist nur, ob das wirklich besser würde wenn ich ’ne Hete bin!“

So hätte mich die Verzweiflung ob nicht gelingender Freundfindung fast in die Zwangsheterosexualität getrieben. Doch das allein reichte nicht. Zum Glück, wie ich heute weiß.

***

Vorstehenden Zeilen sind mein Beitrag zu gleich zwei Blogaktionen:  Projekt *.txt und Schreibprojekt 9+1.

Woche 1: Das Unwort 2017 ist möglicherweise bereits gefunden

Montag: Allen, die sich ob des Wortes „Nafris“ empören, möchte ich ein entschiedenes „Heul doch!“ entgegenrufen. Über das Wetter heult indessen keiner: „Endlich Schnee“ eskalieren sie vor Freude. Endlich? Schnee? Es sagt doch auch niemand „Endlich Zahnschmerzen“.

Dienstag: Jede Woche mindestens zwei Stunden am Bestseller arbeiten, so die Vorgabe für das neue Jahr. Für diese Woche erledigt. Oder Haken dran. Oder Check, wie es auf dümmlichdeutsch heißt.

Mittwoch: Wenn in der Waage Wahrheit liegt, habe ich drei Kilo zugenommen über den Jahreswechsel. Vermutlich eine von Russland gesteuerte Fehlanzeige.

Donnerstag: Radiowerbung für Radiowerbung. Gleichsam die Onanie des Konsumterrors.

Freitag: Manche Dinge vergehen nie. Zum Beispiel der Fluchtreflex, welcher augenblicklich Besitz von mir ergreift, sobald Menschen meiner näheren Umgebung beginnen, über Fußball zu reden.

Samstag: CDU und CSU ist es möglicherweise gelungen, bereits im Januar das Unwort des Jahres 2017 zu erfinden: „Atmender Deckel“.

Sonntag: Nebel und Eis.

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Woche 50:Explodierende Kraftwagen sind unerwünscht

Montag: 7 Uhr, die Woche zieht sich. – Beim Verlassen des Hauses singt eine Amsel, als habe sie sich im Kalender vertan. – Für den Rest des Tages singt mein Ohrwurm Happy Xmas (War is over); das ist nicht zu beklagen und allemal besser als Last Christmas oder Die Weihnachtsbäckerei.

Dienstag: Ein Besuch im Modellbahnfachgeschäft meines Vertrauens freut das Herz und erleichtert das Bankkonto.

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Mittwoch: In einer Besprechung hörte ich eine mir neue Businesskasperfloskel: „Wir können das nicht mitgehen.“ Das? Was? Egal, kommt demnächst auf die Liste.

Donnerstag: Ein zwischendurch eingeschobener Resturlaubsabbautag ohne besondere Verpflichtungen schenkt mir Zeit, den Beststeller voranzubringen.

Freitag: Wir haben Mitte Dezember, und noch immer hörte ich nicht Last Christmas im Radio.

Samstag: Ausflug nach Metz. Auf der Hinfahrt überholten wir einen PKW mit Anhänger, an dem ein Schild angebracht war mit der Aufschrift „Artgerechter Lebendviehtransport“. Da der Anhänger weder über Fenster noch erkennbare Lüftungsöffnungen verfügte, frage ich mich, welche Art von Vieh dort artgerecht transportiert wurde: Maulwürfe? Grottenolme? – Ansonsten sind in Metz explodierende Kraftwagen unerwünscht:

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Sonntag: Manchmal mag ich diese trüben Wintertage sehr.

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Blogparade: Mit der Hand

Die Schreiberin des Blogs KREUZBERG SÜD-OST ruft dazu auf, mal was Handgeschriebenes zu veröffentlichen, ein Aufruf, dem ich gerne nachkomme, schreibe ich doch nach wie vor gerne mit der Hand, zum Beispiel meinen Bestseller, teilweise auch Entwürfe für hier. Einen Text mit einem Stift auf Papier zu schreiben, fühlt sich anders, gleichsam echter an, als ihn mit der Tastatur auf einen Bildschirm zu bringen. Finde ich. Wenn die Worte erst fließen, was manchmal recht lange dauern kann, dann fließen sie am geschmeidigsten auf diese altmodische Weise, womit ich nicht behaupten möchte, dass das, was am Ende dabei raus kommt, auch für den Leser erbaulicher ist als in die Tasten gehauenes. Jedenfalls halte ich es für einen großen Fehler und den Verlust eines wichtigen Kulturgutes, Kinder in der Schule nicht mehr die Schreibschrift zu lehren.

Nun denn: Die folgenden Zeilen notierte ich am 7. September 2014 im Urlaub in mein Notizbuch, als mich nach dem Frühstück und vor dem ersten Rosé plötzlich Schreiblust überkam. Vielleicht war es auch beim oder nach dem ersten. Da mir nichts besseres einfiel, schrieb ich über das Schreiben:

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Trotz der mir völlig zu unrecht vorgeworfenen Sauklaue (ich wüsste wirklich gerne, wer dieses Wort in die Welt gesetzt hat; weder sind Hausschweine des Schreibens mächtig, außer Miss Piggy vielleicht, noch verfügen sie über Klauen*) können Sie die Zeilen vielleicht entziffern. Ich betone dies extra, weil ich private Texte üblicherweise in der mir vor vielen Jahren selbst beigebrachten Sütterlin-Schreibschrift verfasse; das sieht dann so aus:

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(Sie sehen den ersten Entwurf des Aufsatzes Apphängig vom 13. Januar 2013.)

Ich finde, dies ist eine sehr schöne und ungewöhnliche Blogparade, vielleicht fühlt sich der eine oder die andere dazu motiviert, uns ebenfalls eine kleine Handarbeit zu Gesicht zu bringen.

Nachtrag vom 26. Januar 2016:
Soeben erfahre ich, dass Schweine zu den Klauentieren gehören. Somit ist der zweite Teilsatz obsolet. Ich lasse ihn trotzdem stehen.

Nicht-Vorsätze für 2016

Jahreswechsel – in diesen Tagen erstellen wieder viele Menschen eine Liste mit Dingen, die sie im neuen Jahr besser, öfter, weniger, gar nicht mehr oder überhaupt endlich machen wollen. Läsen sie diese Liste nach zwölf Monate erneut, stellten sie fest, dass sie nichts, aber auch gar nichts von alledem in die Tat umgesetzt haben. Zu ihrem Glück werden sie die Liste jedoch spätestens Ende Februar vergessen haben. (Endlich mal ein Satz in Futur 2.)

Ich dagegen erstelle traditionell jahresendlich eine Liste mit Dingen, die ich im neuen Jahr nicht angehen, umsetzen, erreichen oder ändern will. Das Erfolgserlebnis am Jahresende ist garantiert. 2016 werde ich nicht:

Alte Freundschaften pflegen. So gerne ich es würde – ich schaffe es einfach nicht.

Mit dem Bestseller vorankommen.

In der Fastenzeit fasten. Sonst auch nicht.

Das Rauchen aufgeben.

Keinen Sonntag mehr mit Kater aufwachen.

Vegetarier oder gar Veganer werden.

Sushi essen.

Den neuen Starwars-Film ankucken.

Englische Liedtexte verstehen.

Kaugummi kauen.

Die Begeisterung für die Fußball-EM teilen.

Mir freiwillig ein Fußballspiel anschauen.

„Wir“ sagen, wenn die deutsche Nationalmannschaft gemeint ist.

Verständnis für jede Form von Ideologie oder Fanatismus aufbringen.

Einen vielbeachteten Tweet oder Blogtext schreiben.

Die Liste ist natürlich nicht abschließend, zum Beispiel habe ich auch nicht vor, nach Marathon zu laufen, mir einen albernen Dutt zu binden oder ein Ohr abzuschneiden. Aber man weiß ja nie… In diesem Sinne: Vielen Dank an alle, die mein Zeugs ab und zu lesen; Ihnen allen ein gutes neues Jahr!

Heimarbeit

Nach fast zwei Wochen siechem herumlungern und Fuß hochlegen befand ich es an der Zeit, meinem Arbeitgeber wieder etwas mehr Zeit zu widmen, zumal bei der Ausübung meiner überwiegend sitzenden Tätigkeit eine uneingeschränkte körperliche Bewegungsfähigkeit zwar erfreulich, nicht jedoch zwingend erforderlich ist. Daher beschloss ich, zunächst zwei Tage lang von zu Hause aus zu arbeiten, ,Home Office‘ zu machen, wie es so unschön heißt, wobei dieser Begriff ja schon ein krasser Widerspruch in sich ist, etwa so wie Ostwestfalen.

Nach einem Arzttermin am Vormittag begab ich mich also aufs Sofa, so wie an den Tagen zuvor auch, nur statt mich in erfreulicher Lektüre zu ergehen, schaltete ich den dienstlichen Rechner ein. Ich gebe zu: ich hatte es mir wesentlich schwieriger vorgestellt, den Ablenkungen häuslicher Umgebung, gepaart mit fehlender cheflich-kollegialer Beobachtung zu widerstehen. Dabei waren die Verlockungen zahlreich – Zeitung lesen, mal kurz ins Internet, die Spülmaschine ausräumen, Wäsche zusammenlegen, endlich mit dem Schreiben meines Bestsellers beginnen, eine neue Frisur ausprobieren und wieder verwerfen, Fotoalben sortieren, lästige Überweisungen tätigen, zwei bis drei Gedichte auswendig lernen, ein Nickerchen halten, den Staub aus den Lamellen der Designer-Wohnzimmerlampe entfernen. (Gut, das mit dem Nickerchen habe ich tatsächlich gemacht.) Trotz vorstehender Reize lief es erstaunlich gut: ungestört von Telefon und Kollegen, die plötzlich in der Tür stehen und was wollen, etwa eine Auskunft oder einen Plausch halten, bekam ich einiges geschafft.

Dem Vernehmen nach bevorzugen vor allem junge Erwerbstätige zunehmend diese Form der Arbeit – zeitlich und örtlich flexibel, zu Hause, in der Wanne, so sie eine haben, in der Dusche eher selten, im Park, im Café, in der Sauna, bei Gassigehen und Liebesspiel; auch nachts und am Sonntag vor und nach Tatort. Gerade freischaffend tätige ,Freelancer‘ (nein, ich gebrauche jetzt nicht das Wort ,neudeutsch‘, denn es ist weder neu noch deutsch), Leute also, die davon leben, dass sie etwa Nordseekrabben pulen, sich lustige Werbung ausdenken, irgendwas mit Medien machen oder für Auftraggeber Texte verfassen. Da mein Geschreibsel sich nicht eignet, Geld damit zu verdienen, halte ich meinem Arbeitgeber die Treue, von Montag bis Freitag, von morgens bis zum frühen Abend, und zwar am liebsten im Büro, so absurd es manchem auch erscheinen mag, täglich mehrere Stunden mit vielen Menschen in einem großen Bürogebäude zu verbringen.

Ja, nennen Sie mich altbacken, aber ich bevorzuge es, mich zum Zwecke des Brot-, Bier- und Bucherwerbs morgens mit einem Anzug zu kleiden, mich mit fremden, mürrischen Menschen in die Stadtbahn zu quetschen und mittags mit den Kollegen in die Kantine zu gehen. Das schöne daran ist nämlich: Es gibt meinem Tag Struktur, und wenn mich das Gebäude abends wieder ausspuckt, schüttle ich den Arbeitstag ab wie ein nasser Hund das Wasser aus dem zotteligen Fell, klopfe einige imaginäre Krümel von den Schultern, und dann ist Feierabend, aber richtig. Oder Wochenende. Oder Urlaub.

Fazit – ein bis zwei Tage Heimarbeit kann ich mal machen, sie hat gewisse Vorzüge. Dennoch, und ich hätte nie gedacht, mal einen solchen Satz zu schreiben: Ich freue mich, bald wieder ins Büro gehen zu können.