Woche 28/2024: Vorfreude, Staunen und bilinguale Aufgeblasenheit

Montag: Frankreich hat gestern gewählt. Wie es aussieht, ist es noch einmal gut gegangen, damit war nach dem ersten Wahlgang am Wochenende zuvor nicht unbedingt zu rechnen. Unserer nächsten Reise dorthin in zwölf Wochen steht nach jetzigen Erkenntnissen somit nichts entgegen, freuen wir uns also vorsorglich drauf.

Zum Thema Vorfreude etwas seltsam die WordPress-Tagesfrage: „Worauf freust du dich im Hinblick auf die Zukunft am meisten?“ Mir wäre neu, wenn man sich auch auf Vergangenes oder Gegenwärtiges freuen kann.

Ansonsten war es insgesamt ein überwiegend angenehmer Tag ohne größeren Notierenswert, was für den Beginn einer neuen Arbeitswoche schon mal nicht schlecht ist.

Dienstag: Fußweg ins Werk bei Sonnenschein. Wegen der vorausgesagten hohen Temperaturen nahm ich vom ursprünglichen Plan Abstand, nach längerer Zeit mal wieder den letzten verbliebenen Anzug spazierenzutragen, eine gute und richtige Entscheidung, wie sich bereits auf dem Hinweg zeigte. Ich weiß, in Zeiten der Klimaerwärmung sollte Sonnenschein kein Grund zur Freude mehr sein, auch der Begriff „schönes Wetter“ relativiert sich in dem Lichte, doch steigerte es meine Stimmung erheblich.

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Noch mehr stieg die Laune, nachdem ich den nächsten Inseltag für kommende Woche gebucht hatte. Es ist immer gut, wenn man sich auf etwas nicht sehr fernes freuen kann.

„Hallo Herr B.“ begann eine Mail, die ich Cc erhielt, im Folgenden wurde Herr B. geduzt. So wie früher, vielleicht heute hier und da heute auch noch, Beschäftigte im Einzelhandel. Im weiteren Verlauf stellte Herr B. mit „gerne per du“ die Kommunikationssymmetrie wieder her.

Mittags gab es in der Kantine Königsberger Klopse. Am Tisch war ich der einzige, der das Gericht vollständig verzehrte, während der eine keine Rote Bete, die andere keine Kapern mochte. Der Verzicht auf erstere wurde bereits bei der Ausgabe geäußert und berücksichtigt, der verschmähten Kapern nahm ich mich an, auf dass nichts umkomme.

Ich kann mir nicht den Namen des neuen britischen Premierministers merken. Vielleicht lohnt sich das auch gar nicht.

Mittwoch: Nach einem heißen Sommertag war das Wetter heute durchwachsen, zwischendurch immer wieder Regen, am frühen Abend erneut sehr heiß. Nachmittags auf der Rückfahrt vom Tagwerk fuhr ich einem beeindruckenden Wolkenereignis hinterher, das zum Glück in ausreichender Entfernung wirkte.

Auf dem Foto wirkt es noch etwas bedrohlicher als in echt

Immer häufiger ist der Duft von Cannabis zu vernehmen, so auch heute, als ich abends aus Besorgungsgründen durch die Innere Nordstadt ging. Ich habe überhaupt nichts dagegen, warum auch, schließlich ist es jetzt erlaubt, indes nicht verpflichtend. Oder: Spaß muss sein, um eine reichlich abgenutzte Phrase zu bemühen.

„Ich muss das noch mal challengen“ hörte ich in einer Besprechung. Warum nur können die Leute nicht mehr normal reden? Irgendwo hörte oder las ich vor einiger Zeit den Begriff „bilinguale Aufgeblasenheit“ und notierte ihn, um ihn bei passender Gelegenheit anzubringen. Voila.

Donnerstag: „Döner Game“ nennt sich eine innerstädtische Fleischzerspanungsstätte, die demnächst eröffnet, wie ich morgens sah. Meine Großmutter, des Englischen nicht mächtig, aß vermutlich ihr Leben lang kein einziges Döner, so wie ich noch keinen Bubble Tea trank und es für den Rest meiner Jahre nicht zu tun beabsichtige. Jedenfalls hätte sie dazu wohl gesagt: Mit Essen spielt man nicht.

Freitag: „Bushido kündigt Karriereende an“ meldet der SPIEGEL. Eine Nachricht, die man, auch mit anderen Namen, gerne öfter lesen möchte.

Die Bonner Oberbürgermeisterin (2. von links) hat eine barrierefreie Stadtbahnstation in Betrieb genommen. Wünschen wir allzeit gute Fahrt.

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Samstag: Im Gegensatz zu anderen Haushaltsmitgliedern begegne ich Haushaltsgeräten zumeist mit Gleichgültigkeit oder, wenn sie (also die Geräte, nicht die Mitglieder; wobei, doch, die bisweilen auch) Geräusche erzeugen, ablehnender Skepsis. Das gilt nicht für den neuesten Zuwachs des heimischen Geräteparks: ein Fensterputzroboter. Im Prinzip das gleiche wie ein Staubsauger- oder Rasenmähroboter, nur eben für senkrechte Fensterscheiben. Ich weiß nicht, wie das funktioniert, jedenfalls fährt der quadratische Kasten von etwa zwanzig Zentimeter Kantenlänge wie ein Insekt oder eine Schnecke die Scheiben entlang, ohne herabzufallen, dabei verspritzt er in regelmäßigen Abständen eine Reinigungsflüssigkeit. Immer wieder erfreulich, wenn ich auch in meinem Alter noch ins Staunen gerate. Staunen Sie selbst;

Sonntag: Donald Trump wurde bei einem Anschlag nur am Ohr verletzt. Politiker aus aller Welt bringen ihr Entsetzen über die Tat zum Ausdruck, sogar Joe Biden soll seinem Widersacher Genesungswünsche übermittelt haben. Daher ist es selbstverständlich moralisch verwerflich, wenn der erste Gedanke beim Vernehmen dieser Nachricht lautet: wie schade.

Das Sonntagswetter war unentschlossen. Die Lektüre der Sonntagszeitung auf dem Balkon erfolgte noch an der (bei mir sehr niedrig gezogenen) Gänsehautgrenze, beim anschließenden Spaziergang wären kurze Hosen angebracht gewesen. Auf den Rasenflächen am Poppelsdorfer Schloss zahlreiche Menschen in unterschiedlichen Entkleidungsstufen, vertieft in ihre Datengeräte. Gegen Ende leitete mich Appetit auf bayrisches Bier zu einem geeigneten Lokal in der Innenstadt, wo großflächig tätowierte Arme inzwischen Einstellungsvoraussetzung zu sein scheinen. Dessen ungeachtet ließ ich mich nieder zum Biertrinken und Leutekucken.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

#WMDEDGT im Januar: Plagen des Alters und akute Vorfreude

Am fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn auf dem Brüllen-Blog.

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In den frühen Morgenstunden wachte ich auf mit einem Ziehen im Rücken, das mich seit einigen Tagen bei längerem Liegen plagt. Nach mehreren Umlagerungen fand ich eine Position, die mir bis zum Aufstehen des Liebsten ein schmerzfreies Weiterschlafen ermöglichte. Plagen des Alters.

Normalerweise fahre ich freitags mit dem Fahrrad ins Werk, es sei denn, es regnet. Heute regnete es nicht, im Gegenteil, es war ein ausgesprochen blaubehimmelt-freundlicher Tag, dennoch nahm ich die Stadtbahn, die dank Schulferien morgens erfreulich pünktlich und mit reichlich Platz kam. Grund war ein Friseurintermin am frühen Abend. Am Salon kann man das Fahrrad nur schlecht abstellen, daher die Bahn. Mir schräg gegenüber ein junger Mann in modisch scheinzerschlissener Hose, Kaugummi kauend, der mich bestätigte in der Feststellung, Menschen sollten in der Öffentlichkeit nicht Kaugummi kauen, weil sie das oft wesentlich dümmer erscheinen lässt als sie womöglich sind.

Der Arbeitstag verlief angenehm unaufregend mit einer abgesagten Besprechung, fast immer gleichsam ein kleines Geschenk. Mittags in der Kantine gab es freitagsgemäß Fisch, genauer Heringsfilet nach Hausfrauen-Art mit Salzkartoffeln in erstaunlich reichhaltiger Portion, danach Schokoladenpudding. Nach der Mittagspause wurde mein neuer Rechner geliefert und angeschlossen. Nach ersten Erkenntnissen läuft alles problemlos, nur das Headset will sich nicht mit Teams verbinden, was mir mangels Gesprächsbedarfs verschmerzbar erschien. Die IT-Kommunikation weist in einer begleitenden Mitteilung darauf hin, dass es ein paar Tage dauern kann, bis wieder alle Funktionen in vollem Umfang zur Verfügung stehen; wenn etwas nicht auf Anhieb läuft: »Das ist ganz normal!“ – wie einst (oder immer noch? Ich weiß es nicht) Dr. Sommer in der BRAVO. Der Techniker, der den Rechner tauschte, stammte übrigens, wie ich, aus Ostwestfalen, wie sich im Gespräch herausstellte. Wir plauderten ein wenig über vergangene Zeiten in Bielefeld und die landschaftlichen Reize der Region, ehe wir uns gegenseitig ein angenehmes Wochenende wünschten.

Der Haarschnitt am Abend fiel wunschgemäß aus (nicht zu kurz, etwas in Form bringen, was man halt so sagt auf die Frage „Was machen wir heute mit Ihren Haaren?“), die begleitenden Gespräche blieben im Rahmen meines ostwestfälischen Redebedarfs.

In einem Zeitungsartikel über das aktuelle Regierungshandeln las ich erstmals den Begriff „Ampel-Gehampel“ und bin mir nicht sicher, ob ich das witzig oder hohlphrasig finde, neige zu zweiterem.

Die Bestätigung für unser Ferienhaus in Südfrankreich, zwei Wochen ab Mitte Juni, ist eingetroffen und löst akute Vorfreude aus.

Der weitere Abend wird zur Einleitung des Wochenendes voraussichtlich Schaumwein und einen Gaststättenbesuch mit meinen Lieben umfassen. Zuvor wünsche ich Ihnen allen ein schönes Wochenende.

Woche 20/2023: Eisheilige, Imkernde und (kein) Brückentag

Montag: Vergangene Nacht träumte ich von einer erheblichen Mailflut im Büro. Kaum war eine Nachricht bearbeitet, trafen zwei neue Imponderabilien ein, zeitweise im Minutentakt, es nahm kein Ende. Die Wirklichkeit zeigte sich heute wesentlich ruhiger, es kostete Mühe, in die Gänge zu kommen und die anstehenden Aufgaben anzugehen. Stattdessen kam eine weitgehend unnötige und an anderen Tagen als lästig empfundene Besprechung gelegen, die keine aktive Teilnahme meinerseits erforderte und es mir stattdessen ermöglichte, eine halbe Stunde lang aus dem Fenster zu schauen und Strichliste zu führen, wie oft jemand „tatsächlich“ sagt (vierzehn mal).

Immerhin trat ich optisch hervor. Einem inneren Bedürfnis folgend wählte ich morgens nach längerer Zeit einen Anzug und ordentliche Schuhe als Arbeitskleidung. Nachdem in den zurückliegenden drei Jahren diesbezüglich eine gewisse allgemeine Lotterei zu beobachten ist, fühlte es sich gut und richtig an, auch wenn es nicht zur Gewohnheit werden muss. Auf eine Krawatte verzichtete ich.

Als ich abends Brötchen für das Abendessen holte, kam ich an einer Dreiergruppe vorbei, zwei Damen und ein Herr (letzterer in Anzug mit Krawatte), die in der Fußgängerzone standen und den Vorübergehenden Druckwerke zur Mitnahme reichten. Daneben ein Schild mit der Aufschrift »Für eine gesunde Psyche«. Wie gesund mag es für deren Psyche sein, wenn niemand stehen bleibt für ein Gespräch, oder wenigstens im Vorbeigehen ein Heft abnimmt?

Dienstag: Heute war es wieder ziemlich kalt, mutmaßlich Nachwirkungen der Eisheiligen. Fragte man mich nach deren Namen, so antwortete ich als weitgehend ungläubiger Mensch Malaga, Waldmeister, Langnese, Schöller und Fürst Pückler. Wie auch immer – Der Wind, der mir auf dem Rückweg vom Werk die ganze Zeit kühl ins Gesicht blies, rüttelte am fragilen Kartenhaus meiner guten Laune.

Mittwoch: Wegen des Feiertages morgen und der sich daraus ergebenden Gelegenheit eines langen Wochenendes wird heute mit zahlreichen Staus auf deutschen Straßen gerechnet. Dazu einst ein gewisser Blaise Pascal: »Tout le malheur des hommes vient d’une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos, dans une chambre.« Übersetzt: »Das ganze Unheil der Menschen kommt nur daher, dass sie nicht gelernt haben, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben.« Ein Satz voller Wahrheit.

Heute ist Weltfernmeldetag. Eine schöne Gelegenheit, an das verblichene Fernmeldewesen zu erinnern, das längst durch die Telekommunikation abgelöst worden ist.

Die Zeitung berichtet über einen Straßenbaum in der Bonner Innenstadt, der gestern ohne Ankündigung und nachvollziehbaren Grund einfach umgekippt ist. Dazu der Leiter des für die Stadtbegrünung zuständigen Amtes: »Bäume sind Lebewesen, die manchmal unberechenbar reagieren.« Besondere Vorsicht daher im Mai, wo sie laut traditionellem Liedgut zum Ausschlagen neigen.

Donnerstag: Vielen Dank den Christen für diesen arbeitsfreien Tag, den ich wenig blogabel verbrachte mit lange Schlafen, einem längeren Spaziergang über den Rhein (also über die Brücken, nicht übers Wasser, das konnte nur der Himmelfahrer) und Lesen auf dem Balkon, letzteres erstmals, da die Sonne der Jahreszeit angemessen wärmte, unter der neuen Markise. Ein Lob der Viertagewoche; mit dem Thema bin ich noch lange nicht durch.

Was es alles gibt
Parkidylle mit friedlichen Kastanien

Freitag: Dank dem Brückentag, den andere eingelegt hatten, war es heute im Büro sehr ruhig, ich hatte die Etage, womöglich das ganze Gebäude für mich alleine. Die erste freitägliche Teams-Besprechung fiel dank geringer Teilnehmerzahl erfreulich kurz, die zweite ganz aus. Auch der Maileingang war gering, zudem schien die Sonne, was sich kürzend auf meinen Dortseibedarf auswirkte und mich zu einem zeitigen Feierabend veranlasste.

»In der Bahn sind Slides schneller getauscht, als du „Deadline” sagen kannst«, wirbt die Deutsche Bahn auf Twitter. Welch ein Unfug. Niemals würde ich freiwillig „Deadline“ sagen. – Apropos Tod: Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie Sie gerne sterben möchten? Idee: sich selbst verarschen und infolgedessen totlachen.

Abends aßen wir beim Italiener nicht weit von unserer Wohnung entfernt, der das Lokal erst vor kurzem übernommen hat. Wir waren sehr zufrieden und wünschen ihm künftig mehr Gäste als gestern, wo wir das Restaurant fast für uns hatten.

Das Speisenangebot überrascht durch Vielseitigkeit

Samstag: »Bahn will Erde vermarkten«, übertitelt die Zeitung einen Artikel. Darin geht es nicht um eine von Herrn Lutz angestrebte Weltherrschaft, sondern die gewinnbringende Veräußerung von Aushub aus Bahnbaustellen.

Auch aus der Zeitung, in einem Artikel über Bienen: »Der einzige Unterschied zu den Wildbienen ist, dass die Honigbiene eine Lobby hat – nämlich den Imkernden« – Gendern im Singular sollte man Profis überlassen.

Nachmittags freute ich mich über eine Mail im privaten Eingang. Vergangene Woche erzählte ich über meinen Besuch der Lesebühne TapetenPoeten in Beuel und die Idee, dort selbst mal was vorzutragen, Sie erinnern sich vielleicht. Meine diesbezügliche Anfrage von Montag wurde heute positiv beschieden, am 5. September bin ich voraussichtlich dabei. Somit noch genügend Zeit, zu überlegen, was ich dort vortragen werde. Wenn Sie Vorschläge haben, gerne.

Abends gab es Bowle. Das kam so: Der Geliebte hatte in der Woche eine größere Anzahl Nektarinen erstanden. Da ich in diesem Haushalt der einzige regelmäßige Obstesser bin, Früchte in solcher Menge jedoch nicht zu verzehren in der Lage bin, drohten sie, der Überreife und Gammel anheim zu fallen. Daher der Bowlenbeschluss; neben den Nektarinen kamen noch eine Birne und eine Handvoll Erdbeeren unters Messer und in die Schale. Durch ein bedauerliches Versehen erfolgte der Aufguss mit einem höherpreisigen Jahrgangssekt statt des vorgesehenen Erdbeerschaumweins, was zunächst den Unmut des Liebsten hervorrief, dem anschließenden Genuss jedoch nicht abträglich war.

Am späten Abend kreiste für längere Zeit ein Hubschrauber mit erheblichem Lärm über der Stadt, zeitweise verharrte er minutenlang an einer Stelle. Vielleicht Räuber und Gendarmen für Große.

Sonntag: Erstmals in diesem Jahr erlaubte die Außentemperatur das Frühstück auf dem Balkon, bowlenbedingt noch von einer leichten Appetitlosigkeit begleitet.

Doch kommt Appetit bekanntlich beim Trinken. So schmeckte das Spazierbier nachmittags in einer Südstadt-Außengastronomie schon wieder gut. Dabei störte es mich überhaupt nicht, dass aus dem geöffneten Fenster der Gaststätte immer dasselbe Lied in Dauerschleife zu hören war, ein spanisches Stück mit bekannter Melodie und mir unbekanntem Titel. Wie mögen das die Angestellten des Lokals empfinden (beziehungsweise was macht das mit ihnen, wie manche sagen), die das stundenlang anhören müssen? Oder merken die das gar nicht mehr, so wie man sich ja angeblich auch an das Dauerrauschen gewöhnt, wenn man nahe einer Autobahn wohnt?

Wo wir gerade bei Fragen sind: Was veranlasst immer mehr junge Männer zu dieser albernen Kleinlockenfrisur bis weit über die Stirn? Wer hat ihnen gesagt, das sähe gut aus?

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Kommen Sie gut durch die Woche. Ich sehe ihr mit Vorfreude entgegen: Arbeitstage sind nur Montag und Freitag, dazwischen bin ich privat in München und ich bin mir sicher, das wird gut.

Woche 39/2022: Nahezu perfekt und relativ glücklich

Montag: Die bekannte Fischrestaurantkette bietet als „Fang der Woche“ Wels-Currywurst mit Pommes an, wie ich morgens auf dem Weg zum Bahnhof sah. Guten Appetit.

Ich reiste ins Allgäu, wo ich vier Tage lang den ersten Alleinurlaub seit – lassen Sie mich überlegen: sechsundzwanzig Jahren verbrachte. (Zuletzt war ich 1996 allein auf Gran Canaria, nachdem sich mein damaliger Freund von mir getrennt hatte und der Kessel brummte; das ist eine andere Geschichte.) Hier im Allgäu machten wir oft mit der Familie Urlaub, deshalb war es auch eine Reise in meine Jugend.

Die Bahnfahrt verlief nicht pünktlich, doch immerhin so wenig verspätet, dass ich in Ulm den Anschluss noch bekam. Bis Ulm reiste ich im Abteil, weil der gebuchte Intercity in der ersten Klasse, die ich mir gönnte, nur Abteilwagen aufwies. Derart reise ich ungern wegen der Gegenüberfußproblematik und der Gefahr, ins Gespräch verwickelt zu werden. Es sprach trotz fünf belegter Plätze jedoch niemand, einschließlich Gruß- und Abschiedsformel. Zudem hatte ich einen Fensterplatz mit Blick auf den Rhein, also nahezu perfekt.

„Tragen Sie Ihre Maske aktiv über Mund und Nase“, wurde regelmäßig durchgesagt. Wie trägt man eine Maske aktiv, und wie passiv?

Ab Memmingen nahm ich erstmals trotz verhüllter Nase den regionaltypischen Kuhdungduft wahr und lächelte unter der aktiv getragenen Maske. Sie werden vielleicht zu recht einwerfen, dass die bedenkliche Ausbringung von Gülle Ursache dieser olfaktorischen Empfindung ist. Dem widerspreche ich nicht, möchte damit nur zum Ausdruck bringen, dass genau dieser Geruch für mich untrennbar mit den früheren Familienurlauben verbunden, somit positiv besetzt ist.

Bei Ankunft am Zielbahnhof lächelte ich noch mehr
Die Dieseltriebzüge der Baureihe 633 weisen nicht nur eine übelgelaunte Physiognomie auf, sie sind auch recht unkomfortabel und dröhnen innen sehr laut. Für längere Reisen nicht zu empfehlen.
Im Hintergrund der Niedersonthofener See

Nach Ankunft in Martinszell (eigentlich Oberdorf, der Ort Martinszell liegt etwa einen Kilometer vom gleichnamigen Bahnhof entfernt) schloss sich ein etwa einstündiger Spaziergang zur Unterkunft in Niedersonthofen an, den ich bei Sonnenschein auch innerlich strahlend zurück legte. Ich sah viel Vertrautes; gleichwohl hat sich in den vergangenen zweiunddreißig Jahren, seit ich das letzte Mal hier war, einiges verändert.

Gegen Abend der See nochmal aus der Nähe
Der Grünten, gleichsam der Mont Ventoux des Oberallgäus

Abendessen im Restaurant. Der Landgasthof ist für Einzelesser nicht optimal möbliert. So belegte ich alleine einen Sechsertisch und hatte fast ein schlechtes Gewissen, als ich das zweite Bier bestellte. Hauptsache, mir wurde kein auf Englisch das Gespräch suchender Beisitzer zugeteilt. (Da ich diesen Gedanken bei Tisch ins Notizbuch schrieb, halten sie mich jetzt vielleicht für einen Testesser von Michelin. Mal sehen wie der Service in den nächsten Tagen wird.)

Als Absacker bestellte ich einen Enzian. Schmeckte gar nicht mal so gut, außerdem ist er klar, nicht blau. Heino lügt. (Kleine Gaudi am Rande, verzeihen Sie. Ich weiß natürlich, dass Enzian blau blüht.)

Dienstag: Bereits vor dem Weckergetöse wachte und stand ich auf. Bis mittags regnete es andauernd, was mich dank Lektürevorrat nicht grämte. Als der Regen kurz nach zwölf nachließ, machte ich mich auf zu der Tour, auf die ich mich seit Buchung dieses Aufenthalts am meisten freute. Sie führte über Oberdorf (bitte nicht verwechseln mit Oberstdorf) durch das Werdensteiner Moos, über Eckartz, Freibrechts und Gopprechts zurück nach Niedersonthofen.

Auf dem Weg nach Oberdorf
Mont Grünten in Wolken, rechts hinten die Oberst(!)dorfer Alpen
Letztere aus anderer Perspektive
Zwischen Oberdorf und Eckartz
Ebenso, nun sonnenbeschienen
Gopprechts
Es muss schlimm sein, den Tag mit so einer Glocke am Hals zu verbringen. Immerhin wurden ihnen nicht, wie den meisten Artgenossinnen, in jungen Jahren die Hörner weggeätzt. Insgesamt wirkten sie relativ glücklich.

Das Werdensteiner Moos ist ein ehemaliges Torfabbaugebiet, das ab den Neunzigerjahren renaturiert worden ist. Bis dahin war es ein unzugänglicher Wald, so kannte ich es noch aus früheren Urlauben. Heute führt ein Rundweg hindurch, mit Informationstafeln zur Geschichte des Torfabbaues und Natur des Mooses/Moores.

Zwischendurch regnete es immer wieder. Dennoch – und trotz nach Rückkehr feuchter Füße – stimmten Vorfreude und Ereignis völlig überein.

(Während dieser Niederschrift übt im Gasthof nebenan die örtliche Blaskapelle. Ich mag Bayern sehr, trotz Söder, Scheuer und [bitte denken Sie sich hier ein besonders intensives Würgegeräusch] Dobrindt.)

Mittwoch: Wie morgens beim Frühstück zu hören war, werden in Kempten händeringend Busfahrer gesucht. Dabei stelle ich mir vor, wie Leute diverser Verkehrsbetriebe sich in eine wild aufgemischte Menschentraube drängen, jeden fragen „Sind Sie Busfahrer?“, und sobald jemand ja sagt, stürzen sich alle auf ihn und es kommt zum Handgemenge.

Es regnete durchgehend den ganzen Tag, wie angekündigt. Das hielt mich nicht von einem längeren Spaziergang durch Oberdorf und Martinszell ab; nach monatelanger Vorfreude blieb ich nun nicht wegen Fußfeuchtegefahr im Zimmer. Nach Rückkehr waren die Schuhe komplett durchnässt, das war es wert. Vielleicht sollte ich mir mal wasserdichte Wanderschuhe zulegen.

Niedersonthofener See im Regen, Blick zum Westufer

Mein Unterkunft gewährendes Gasthaus hatte heute Ruhetag, deshalb aß ich abends (ebenfalls sehr gut) in einem Wirtshaus etwas außerhalb des Ortes. Es heißt „Sonne“, immerhin ein Lichtblick an diesem Regentag. Und doch: Alleine zu essen macht auf Dauer keinen Spaß. Drei Tage Alleinzeit sind vorerst genug, ich freue mich auf die Rückkehr in die Arme der Lieben morgen Abend.

Auf dem Rückweg vom Essen war der Grünten verschwunden, vergleiche Montag, letztes Bild

Donnerstag: Tag des Abschieds vom Allgäu. Noch immer regnete es, was den Abschiedsschmerz auch hier (siehe vergangene Woche) ein wenig linderte.

Ein letzter Blick zurück auf das umwölkte Niedersonthofen

Die Züge waren sehr voll, bereits der (viel zu kurze) Regionalexpress nach Ulm in der zweiten Klasse vollbesetzt. Wo wollten die vielen Leute hin an einem gewöhnlichen Donnerstagmittag? Vorausschauend hatte ich ja erste Klasse gebucht und fand ein angenehmes Plätzchen. Hinter Kempten geleitete die Zugbegleiterin ein älteres Paar, dessen männlicher* Teil nicht gut zu Fuß war, in das Erste-Klasse-Abteil und bat uns bereits darin Sitzende um Verständnis. Meine Frage, wofür, schließlich hatte ich nur für einen Platz bezahlt und den auch bekommen, wurde mit Kaffee-Gutscheinen für alle Abteilinsassen beantwortet, den ich allerdings zurückließ, da er nur an bestimmten süddeutschen Bahnhöfen einlösbar war, von denen ich bis Jahresende voraussichtlich keinen mehr aufsuchen werde.

*mutmaßlich, man darf das ja nicht mehr einfach so behaupten anhand äußerlichen Anscheines.

Im ICE nach Mannheim saß vor mir eine Frau, die allerlei Business-Blödsinn in ihr Telefon absonderte, und diesen Satz: „Tobi und ich haben diese Challenge, wer zuerst die Heizung andreht.“ Cool, hätte man wohl früher gesagt; wie man heute sagt, weiß ich nicht und es ist mir auch egal.

Ab Mannheim wurde mir das außergewöhnliche Vergnügen zuteil, in einem Panoramawagen der Schweizer Bundesbahn Platz zu nehmen. Eine angenehmere Art zu reisen ist kaum denkbar, obwohl man sich auch hier gegenüber sitzt, immerhin ohne diesen beengenden Tisch dazwischen.

Wenn gegen Ende einer längeren Reise das Siebengebirge zu sehen ist, geht mir jedes Mal das Herz auf

Weitere Beobachtungen und Erkenntnisse innerhalb und außerhalb des Zuges:

  1. In Memmingen gibt es Lärmschutzwände mit Lurchlöchern. Das sind kleine Öffnungen am Boden, darüber in etwa ein Meter Höhe jeweils ein Schild mit einem stilisierten Schwanzlurch oberhalb eines auf der Spitze stehenden Dreiecks, somit für die Durchgang begehrenden Lurche viel zu hoch angebracht.
  2. Selbst Fabrikschornsteine wurden im neunzehnten Jahrhundert schmuckvoller gebaut als heute die meisten Wohnhäuser.
  3. Bei Jungs mit knöchelfrei getragenen Hosen schwanke ich häufig zwischen „wie erotisch“ und „wie albern“. Bei Männern über vierzig bin ich mir sicher.
  4. Es ist lächerlich, einen Fachhandel „Küchen Kompetenz Centrum“ zu nennen.

Freitag: Immer noch Urlaub. Dies nahm ich zum Anlass, auswärts zu frühstücken, in einer Gaststätte in der Bonner Südstadt, die bei Ankunft wenige Minuten nach Öffnung schon gut besucht war, nicht nur von Menschen im Rentenalter. Haben die nichts zu tun? Grund mag das anheimelnde Ambiente des Lokals sein; die Qualität des gereichten Frühstücks spricht indessen nicht dafür: Zum „Französischen Frühstück“ wurde kein Baguette serviert, dafür ein Körbchen mit einem Croissant (immerhin), einer Scheibe Vollkornbrot und einem Brötchen. Letzteres war offenbar billigste Aufbackware, das bereits beim Aufschneiden in mehrere Teile zerbröselte. Daher werde ich dort wohl nicht mehr so bald frühstücken.

Im Rewe sind die ersten Weihnachts-Süßwaren erhältlich, was wieder einige Konsumenten auf die Palme (beziehungsweise Tanne) bringen wird. Ich blieb am Boden, freute mich und packte einige Nougat-Marzipan-Riegel ins Körbchen.

Samstag: Ein ungewöhnlich milder Tag. Mittags in der Fußgängerzone bemerkte ich, wie nur drei Tage Allgäu ausgereicht haben, mich von Menschen in größerer Zahl zu entwöhnen und wie wenig ich es vermisst habe – Leute, die langsam vor mir her gehen und einfach stehen bleiben; Kinderwagen, die mir in die Hacken geschoben zu werden drohen; Fahrräder und Elektroroller im Fußgängerslalom; Tier-/Kinder-/Umwelt- Wasauchimmerschützer, die arglose Passanten an ihre Stände zu zerren suchen, um ihnen ein Gespräch aufzuzwingen.

Sonntag: Zwei Wochen Urlaub sind zu Ende, somit die großen Vorfreude-Ereignisse für dieses Jahr aufgebraucht. Erfreuen wir uns also weiterhin an Kleinigkeiten, die das Leben auch im Alltag bereithält.

Wie solches – das Ende eines jeden menschlichen Seins kann schöner kaum beschrieben werden:

… sie werden wohl jenen unbeliebten, aber notwendigen natürlichen Prozessen zum Opfer gefallen sein, mittels welcher die Kreisläufe des Organischen immer weiter zu kreisen befähigt sind.

Max Goldt: Preisung der grotesken Dame

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Ich wünsche Ihnen einen erfreulichen Feiertag, eine angenehme Woche und mir einen nicht allzu unlustschweren Neustart in den Arbeitsalltag. Zum Glück erst Dienstag.

Woche 33/2022: Knieleid und Konferenzgeschwätz

Montag: Heimarbeit ist großer Mist, mir ist völlig rätselhaft, warum so viele davon so begeistert sind. Heute ging es nicht anders: Mittags wurde ich abgeholt zu einer Dienstreise bis Mittwoch in Leipzig, da wäre es wenig sinnvoll gewesen, vorher noch ins Werk zu fahren.

Hinzu kam ein gewisses Wehleid wegen der am vergangenen Wochenende zugezogenen Wunden, die sich während der Fahrt in unterschiedlicher Weise bemerkbar machten. Es ist erstaunlich, wie sehr solch vergleichsweise harmlosen Wehwehchen auf das Gemüt drücken, das montags ohnehin in desolatem Zustand ist.

Kurz vor dem Ziel durchfuhren wir heftigen Regen, zum Glück ohne Hagel, Sturm und andere meteorologische Unwägbarkeiten, dafür mit so richtig viel Wasser, das kennt man inzwischen kaum noch. Auch die Temperatur sank vorübergehend auf knapp über zwanzig Grad herunter, so dass ich mir später beim Abendessen draußen ein Pullöverchen überzog. Wenn auch als einziger weit und breit, aber das störte mich nicht.

Auf dem Weg dorthin kam uns eine Gruppe Jugendlicher entgegen. Als wir uns auf Höhe eines Restaurants begegneten, wo, in Restaurants nicht unüblich, welche aßen, zeigte ein Mädel hinein und sprach zu den anderen: „Seht mal, die essen da!“ Geben die Sachsen ihnen Kindern nichts zu essen?

Dienstag: Trotz eines gewissen Hellhörigkeit des Hotels (der Zimmernachbar pfeift sich offenbar gerne ein Liedchen) und der unter dem Fenster deutlich vernehmbaren Straßenbahn schlief ich gut.

Blick aus dem straßenbahnumtosten Hotelzimmer

Erkenntnis aus Tag eins unserer Veranstaltung: Am besten präsentiert man nur aus „Folien“ (erstaunlich, dass das gut zwanzig Jahre nach dem Tageslichtprojektorzeitalter immer noch so heißt), die man selbst erstellt hat; alles andere gerät schnell zu Powerpoint-Karaoke. Es lief dennoch ganz gut. Nachmittags war ich kurz in der Apotheke, Pflaster nachkaufen. Mehr Leipzig brauchte ich heute nicht, auch wenn es zweifellos eine schöne Stadt ist.

Auch wenn die Schönheit der Stadt im Innenhof des Hotels nicht gar so deutlich wird
Hotelhumor

Gelesen hier: „Ich müsste umschulen, auf einen Job, bei dem man nicht denken muss. Man dürfte aber auch nichts anderes machen müssen, denn es ist alles zu anstrengend. Was macht man denn da, was wird man da?“ – Beamter, was sonst? (Ich darf das schreiben, ich bin einer und weiß deshalb, dass diese Art der Selbstpolemik jeglicher Grundlage entbehrt.)

Mittwoch: In unserem Hotel ist jeden Tag Nikolaustag, wenn der Gast es will. Als Zeichen, dass man zur Schonung der Umwelt auf die Zimmerreinigung verzichtet, stellt man nicht seine Schuhe vor die Tür, sondern hängt ein bereitliegendes Jutebeutelchen an die äußere Türklinke. Zur Belohnung wird vom Personal ein Äpfelchen und ein Müsliriegel hinein gelegt, die mir heute Morgen als Frühstück dienten, da ich Hotelfrühstücke bei Veranstaltungen wegen morgendlicher Gesprächsgefahr grundsätzlich meide. Eine kreative Form der Personaleinsparung (an jeder zweiten Klinke hing das Beutelchen), gleichsam für‘n Appel und‘n Ei Müsliriegel.

„Gesundheit/Gesundheit/sundheit/ndheit/heit/t!“ – Warum ich es auf Tagungen und in größeren Gruppen nach Möglichkeit vermeide, zu niesen.

Donnerstag: Die erste Fahrradfahrt ins Werk mit wunden Knien lief besser als gedacht. Dennoch freue ich mich darauf, wenn sie wieder heile sind. Geduld. Geduld ist ja nicht unbedingt des Fahrradfahrers erste Tugend, er wartet ungern, auf grünes Ampellicht etwa oder auf Vorfahrt habende andere Verkehrsteilnehmer. Ich hingegen war heute dankbar für jede Pause; auf dem Rückweg hielt ich vor einem Zebrastreifen, um zwei junge Damen passieren zu lassen. Das schienen sie von Radfahrern nicht gewohnt zu sein, sie schauten leicht irritiert und bedankten sich brav.

Mittags in der Kantine gab es Gnocchi. Das erinnerte mich an ein italienisches Lied, das wir mal im Chor sangen, als ich noch im Chor sang und das ich nicht besonders mochte. Dennoch – oder deshalb, man weiß es nicht – hielt es sich im Hirnradio bis in den Nachmittag hinein. Der Arbeitstag war dennoch recht zufriedenstellend, trotz Kartoffelnockenlied, Knieleid und viel Konferenzgeschwätz.

Abends während der heute-Nachrichten zuckte ich kurz, als der Sprecherin während eines Beitrags über das aktuelle Fischsterben in der Oder ein ungegendertes „Forscher“ entfuhr. So weit ist es schon.

Freitag: Wo Menschen zusammenleben, knirscht es bisweilen, dabei ist es ganz einfach: Vor dem Abfuhrtag holt jemand die Mülltonnen aus ihrer Nische und rollt sie an die Straße, nach der Leerung rollt sie jemand zurück. Grundsätzlich klappt das ganz gut in unserer Hausgemeinschaft. Es sei denn, ein Trottel parkt seinen Roller so dämlich, dass die Nische versperrt ist. Nach Rückkehr aus dem Werk war der Roller verschwunden und die Tonnen standen an ihrem Platz. Es fügt sich immer alles irgendwie.

Bitte denken Sie sich die Tonnen-Nische links vor dem Roller

Im Zusammenhang mit dem leerlaufenden Rhein zitiert die Zeitung einen Lehrstuhlinhaber für Aquatische Systembiologie. Aquatisch – welch herrlich blühende Rose im Wörtersee.

Abends erprobten wir das neue Restaurant am Hotel Kanzler, das erst am Vortag eröffnet wurde, also das Restaurant, nicht das Hotel. Trotz unvermeidbarer Verkehrsgeräusche im Außenbereich, es liegt direkt an der Bundesstraße 9, waren wir sehr zufrieden, daher kommen wir bestimmt wieder. Zurück gingen wir zu Fuß, hinsichtlich Knieweh unproblematisch. Auch der Geliebte, längeren Fußmärschen sonst eher unaufgeschlossen, hielt tapfer durch.

Samstag: Die Stadt Bonn teilt mit, es sei zu einem Verkehrsunfall „mit einem Radfahrenden“ gekommen. Wenn der Sinn des Genderns an seine natürlichen Grenzen stößt.

Abends besuchten wir das Parkfest in Bad Godesberg, wo der Karnevalsverein mit einem Bühnenprogramm und einem Bierstand vertreten war; Wiedersehen macht Freude, wie sich einmal mehr bewahrheitete. Am späteren Abend, als das Bühnenprogramm längst beendet war, wurde etwa eine halbe Stunde lang auf Wunsch mehrerer junger Bierstandbesucher Musik gespielt, die wohl in die Kategorie Mallorca/Ballermann fällt, so genau kenne ich mich da nicht aus, kann mir jedenfalls gut vorstellen, wie zweifelhaft mitgrölende Menschen dazu rotes Getränk durch lange Trinkhalme aus Putzeimern saugen, falls das noch üblich und erlaubt ist. Auch das umstrittene Layla-Lied war dabei, wobei das nach meinem Empfinden noch eines der eher erträglichen war. Immer wieder erstaunlich, an was viele Menschen Spaß haben.

Sonntag: Vom Ballermann nach Bayern – Lotelta war im Allgäu am Niedersonthofener See, also genau dort, wo auch ich Ende September ein paar Tage zu verbringen beabsichtige. Der Bericht verursachte mir größere Vorfreude, wofür ich sehr danke.

Zur Knieschonung verzichtete ich heute auf den Sonntagsspaziergang, las dafür die Sonntagszeitung etwas intensiver als sonst. Darin ein längerer Artikel über die verheerenden Auswirkungen des Schulsportes auf das seelische Wohlergehen nicht so sportbegabter Kinder und Jugendlicher, der mich innerlich „Genau so ist es!“ ausrufen ließ. Daraus:

»Wenn es schlecht läuft, wird der Unterricht als Demütigung und Bloßstellung erlebt. Wöchentliche Stunden, in denen Durchhaltevermögen nicht im Ausdauersport geprobt wird, sondern in der Fähigkeit, trotz Schmach die Aufgaben zu absolvieren. Dank Mannschaftssport und Leichtathletik schält sich heraus, welche Schülerinnen und Schüler nicht so ganz dazugehören.«

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Anscheinend hat sich daran bis heute nichts geändert, noch immer wird dieser Unsinn benotet.

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Kommen Sie gut durch die Woche.