Woche 5/2024: Führungskultur und eine Schönheitsschramme

Montag: Bereits seit gestern verunziert eine Verwundung meine Stirn, die am Vorabend durch einen Kratzunfall in gänzlich unamourösem Zusammenhang gerissen wurde. Im Gegensatz zum berühmten Zauberlehrling Harry P. aus H. erlaubt sie keine Schlüsse auf etwaige magische Fähigkeiten meinerseits, vielmehr auf die gewisse Dusseligkeit einer mir nahestehenden Person. Zu recht könnte ich mich nun entstellt fühlen, bemühe mich jedoch, es als vorübergehende Schönheitsschramme zu betrachten.

„Was hast du denn da gemacht?“ – „Das trägt man jetzt so.“

Stets nur vorübergehend auch das Dasein auf Erden: Der kurzfristig durch seinen obersten Dienstherrn abberufene Bonner Stadtdechan wird in der Zeitung in bestem Katholikengeschwurbel als „Hirte und Menschenfischer“ bezeichnet. Da lohnt eine nähere Betrachtung: Ein Hirte beraubt friedliche Schafe oder Ziegen ihrer Bewegungsfreiheit, indem er sie mit Hunden bedroht. Was ein Fischer mit dem ihm ins Netz gegangene Fang anschließend macht, ist auch nur bei sehr großer Phantasie (es misshagt mir weiterhin, das Wort mit F zu schreiben, obwohl ich ansonsten ein Freund der „neuen“ Rechtschreibung bin) als Nächstenliebe zu betrachten. Für einen Kirchenmann passt es wohl.

Dienstag: Der Fußweg ins Werk war begleitet von Morgenröte über dem Siebengebirge und Himmelszeltverschmutzung durch ausgefranste Flugzeughinterlassenschaften.

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Eines der Wörter, die nicht aussterben, obwohl ihre Zeit längst abgelaufen ist: Auch etwa fünfundzwanzig Jahre nach Ausmusterung der letzten Tageslichtprojektoren, die Älteren kennen die Dinger noch, werden Seiten einer Powerpoint-Präsentation als „Folien“ bezeichnet.

Am Futterteller vor dem Bürofenster sah ich erstmals eine Amsel, die sich wesentlich weniger scheu zeigte als die dort sonst sich labenden Elstern und Rabenkrähen. Auch das Rotkehlchen kam ab und zu und griff einige Körner ab. Nur die Halsbandsittiche, sonst alles andere als zurückhaltend, verschmähen das Angebot.

Mittwoch: Die Stadt Bonn hat begonnen, die Adenauerallee, eine vierspurige Ausfallstraße Richtung Bad Godesberg, probeweise mit gelben Linien und Baken umzugestalten; den Autos stehen nur noch zwei Fahrspuren zur Verfügung zugunsten breiter Fahrradspuren. Das war und ist sehr umstritten, nicht nur allgemein, auch innerhalb unseres Haushalts. Mit dem zugegeben einseitigen Blick des radfahrenden Autoskeptikers und unter Inkaufnahme innerfamiliärer Meinungsverschiedenheit begrüße ich die Maßnahme sehr und würde mich freuen, wenn es dauerhaft so bleibt.

Im Maileingang morgens die Einladung einer mir unbekannten Kollegin mit dem Betreff »Glamour! Stars! Euer Ticket nach Hollywood!« – Im Einladungstext ging es ähnlich weiter: »… ein neues Abenteuer … Shooting-Star … spannendes neues Vorhaben … damit wir es gemeinsam rocken können … Es werden geniale Sachen entstehen 😊 … Ich kann es kaum erwarten, euch alle beim Meeting zu sehen!« Dabei geht es nicht um ein Event in loser Bekleidung, sondern um irgendein neues IT-System, das da vorgestellt werden soll. Bei solchen Gelegenheiten fühle ich mich zunehmend alt und frage mich, ob das noch meine Arbeitswelt ist. Dennoch sagte ich zu. Wenn die Dame so überdreht ist wie ihre Einladung, wittere ich Blogfutter.

Mittags Hochbetrieb in der Kantine. Schon vor zwölf waren die meisten Tische belegt, zahlreiche Hungrige streiften mit ihren Tabletts durch die Reihen auf der Suche nach einem freien Platz. Dessen unbeeindruckt bleiben viele nach dem Essen sitzen und plaudern mit ihren Tischgenossen, manche fast so lange wie das Mahl zuvor gedauert hat. Im Gegensatz zu den Sitzenbleibern räume ich nach dem Dessert meistens sofort den Platz, nicht oder nicht nur, weil ich ein freundlicher Mensch bin, sondern weil es mir mit zunehmender Belegung viel zu unruhig wird.

Die hängenden Zweige der Trauerweiden im Rheinauenpark beginnen, grün zu schimmern. Jedes Jahr wieder ein tröstlicher Anblick. Im Übrigen endet heute der Januar. Das ist nicht schlimm, ich halte diesen Monat für entbehrlich. Ähnliches gilt, wenngleich darin geboren, für den Februar.

Donnerstag: Der Vormittag war ausgefüllt von einer am Bildschirm zu verfolgenden Informationsveranstaltung des Vorstands, nicht als „Townhall“ tituliert, vielleicht haben sie selbst gemerkt, wie albern das ist. Auf der Bühne die für uns zuständige Vorstandsdame (etwas in mir sträubt sich gegen die Verwendung des Begriffs „Vorständin“, auch wenn das mittlerweile allgemein gebräuchlich ist), und die nächste Führungsebene darunter, zufällig nur Herren. Es war interessant, kurzweilig, angenehm.

Warum ich das berichte: Ich finde, die Führungskultur bei uns hat sich in den letzten Jahren sehr zum Guten geändert. Nicht nur äußerlich ist das erkennbar, niemand trug heute Anzug und Krawatte, stattdessen einheitlich Polo mit Unternehmenslogos. Man duzt sich untereinander, geht freundlich und respektvoll miteinander um. Ich habe das anders in Erinnerung*. Bis vor wenigen Jahren führte uns ein Vorstandshengst mit Starallüren, der über den Wassern schwebte, darunter C[irgendein Buchstabe]O‘s, für die Angst ein gängiges Führungsinstrument war. Niemals wäre einem von ihnen, wie heute geschehen, ein Anflug von Selbstkritik über die Lippen gekommen, diese Herren waren gleichsam Götter, sie machten keine Fehler. Inzwischen haben fast alle Göttlichen, darunter zum Glück auch der Hengst, den Konzern mehr oder minder freiwillig verlassen, nur einer von ihnen ist noch da, in einem anderen Unternehmensbereich, wo er dem Vernehmen nach weiterhin sein Unwesen treibt. Auch seine Zeit wird ablaufen, weil diese Art der Führung zu nichts Gutem führt. Nein, früher war nicht alles besser. So wie es jetzt ist, darf es bis zu meinem Ruhestand gerne bleiben.

*Vgl. hier

Heimweg zur blauen Stunde

Freitag: Die Schönheitsschramme auf der Stirn ist weitgehend weggebröckelt, nur bei genauem Hinsehen ist noch eine kleine Macke zwischen den Sorgenfalten auszumachen. Alles wird gut.

Nicht gut: Der neue Fahrradstreifen an der Adenauerallee wird gegenüber dem Beethoven-Gymnasium gerne von autofahrenden Eltern missbraucht, um die schulpflichtige Brut abzusetzen, nun müssen sie dazu nicht mehr recht umständlich in die Ladebucht für Elektoautos einparken. Darüber wird zu reden sein.

Gut zu wissen: Hadelog hat heute Namenstag. Der hatte es wohl auch nicht leicht auf dem Schulhof.

In letzter Zeit stoße ich gehäuft auf die Verwendung von „so“ anstatt „sehr“, zum Beispiel wenn es heißt „Dieser Steckrübeneintopf ist so gut“. Das ist ohne Zweifel völlig unerheblich, und doch lässt es meinen Sprachnerv ein wenig zucken.

Ähnliches gilt für „Happy Flow“, wenn etwas so funktioniert wie es soll.

Samstag: In Münster kann man jetzt nackt ins Museum gehen, um die Akt-Ausstellung „Nudes“ zu betrachten, ist dem Kulturteil der Zeitung zu entnehmen. Ob das den Kunstgenuss steigert, vermag ich nicht zu beurteilen, indes warum nicht, wer es mag.

Bekleidet in Uniform war nachmittags ein Auftritt auf einer karnevalistischen Großveranstaltung im Bonner Südwesten zu absolvieren. Gesamtdauer mit An- und Abfahrt sowie Wartezeit etwa zweieinhalb Stunden, Dauer unseres Auftritts etwa drei Minuten. Das nimmt man im Kampf gegen Griesgram und Muckertum selbstverständlich gerne auf sich.

Sonntag: Letztlich ist es nur die Erhöhung einer unbedeutenden, wenngleich mittlerweile erschreckend großen Zahl, die zu würdigen die Menschheit für notwendig befindet. Jedenfalls danke ich allen, die sich heute extra die Mühe gemacht haben, mich deswegen in Wort oder Schrift zu kontaktieren, mache es gleichzeitig niemandem zum Vorwurf, nicht daran gedacht oder es nicht für erforderlich gehalten zu haben.

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Kommen Sie gut und unverletzt durch die Woche, wenn Sie mögen auch nackt, mit oder ohne Karneval.

Woche 1/2024: Auf ein Neues

Montag: Auf ein Neues. Den Silvesterabend gestern verbrachten wir ruhig und entspannt, fast bin ich versucht zu schreiben: altersgerecht, bei vorzüglichem Essen und begleitenden Weinen in einem Restaurant in Bad Godesberg. Bereits kurz nach 23:30 Uhr kehrten wir zurück, rechtzeitig, um mit einem Glas Champagner in der Hand vom Balkon aus zuzuschauen, wie andere Leute ihr Geld statt ins Restaurant zu tragen lieber in die Luft jagten. Ein jeder wie er mag, ich bewerte das nicht, womöglich gar mit einem kopfschüttelnden „Wie-kann-man-nur“.

Dank gemäßigter Alkoholzufuhr am Vorabend erwachten wir heute katerfrei, dennoch fiel das Frühstück wegen allgemeiner Appetitlosigkeit aus, was auf die immensen Nahrungsmengen der Vortage zurückzuführen ist, irgendwann ist es mal gut. Für alle Fälle beziehungsweise später aufkommenden Hunger holte ich dennoch Brötchen und verband das sogleich mit einem Spaziergang an den Rhein, der sich inzwischen wieder in sein Bett zurückgezogen hatte.

Blick Richtung Norden

Gemessen an den erheblichen Geldmengen, die vergangene Nacht augenscheinlich in Knall, Licht und Rauch verwandelt wurden, lagen heute erstaunlich wenige Böller- und Raketenabfälle auf den Straßen. Nur die Rheinuferpromenade war nennenswert beschmutzt.

Nachmittags verfasste ich einen ausführlichen Jahresrück- und ausblick, allerdings nicht hier, sondern im nichtöffentlichen Papier-Tagebuch.

Gelesen im Jahresrückblick von Frau Anje und zustimmend gelacht: »Ich habe […] einen Hörtest gemacht und wenn ich es richtig verstanden habe, sagte man mir, ein Hörgerät wäre sehr sinnvoll für mich, ich bin aber nicht daran interessiert, noch mehr mitzubekommen.«

Dienstag: Morgens auf dem Fußweg in den ersten Arbeitstag des Jahres fegte vor mir auf der Uferpromenade eine Kehrmaschine lärmend das alte Jahr auf. Die neue, vergangene Woche in Beaune spontan erworbene Jacke ist bequem wie ein Federbett, ich bin sehr zufrieden. »Merry Christmas« wünschte eine Leuchtschrift am Konferenzzentrum, „… gehabt zu haben“ fügte ich gedanklich hinzu und schüttelte mich sogleich innerlich ob dieser schauderhaften Floskel, die ich während des Tages erfreulicherweise nicht zu hören bekam. Am Rheinufer besang eine Amsel den milden Morgen, in den Bäumen nahe dem Mutterhaus trafen sich Krähen (oder Raben?) wild durcheinander käckernd zum Neujahrsempfang.

Kurz zuvor hatte die Kehrmaschine das Bild verlassen
Raben oder Krähen

Im Büro herrschte noch neujährliche Ruhe, nur wenige Mails im Eingang, zwei Anrufe mit Neujahrswünschen und ein kurzes Schwätzchen im Nachbarbüro. Dafür mittags in der Kantine erstaunlich viel Betrieb. Wichtigste Aufgabe des Tages war, die geplanten Urlaube ins Zeiterfassungssystem und den Outlook-Kalender einzutragen, auf dass man sich auf etwas hinfreuen kann.

Mittwoch: Weder Raben noch Krähen, vielmehr Rabenkrähen, wie meine Kollegin, ornithologisch kundig*, auf Anfrage heute erklärte. Es ist immer gut, wenn zu kennen, der/die sich auskennt.

Abends lieferte ich für den Geliebten eine Retourensendung ein im Lotto-Zeitschriften-Tabakgeschäft in der Fußgängerzone, das eine Annahmestelle des blauen Paketdienstleisters beherbergt. An der Wand hinter der Verkaufstheke ein Plakat für eine Tabakmarke, am unteren Rand der obligatorische Hinweis »Rauchen kann tödlich sein«. Direkt darunter ein Foto des früheren, inzwischen gestorbenen Ladeninhabers. Soweit ich mich erinnere bediente er die Kundschaft zumeist rauchend, als es noch üblich war, in Innenräumen zu rauchen. Humor haben sie.

Laut einer Zeitungsmeldung wurde am Neujahrstag in unserer Straße ein Auto aufgebrochen, unter anderem entwendeten die Räuber CDs. Anscheinend nicht die Hellsten und Jüngsten.

*Ein Grobhumoriker hätte stattdessen vielleicht geschrieben: die sich gut auskennt mit Vö … – genug.

Donnerstag: Der übliche Fußweg am Rhein entlang fiel heute ins Wasser, morgens durch Regen, abends aus anderen Gründen.

Die anderen Gründe

Epubli, die Selbstverlegerplattform, auf der ich kürzlich mein vielbeachtetes Buch zum Blog veröffentlicht habe, hat überraschend die Anzeige des Buchcovers und die Vorschau deaktiviert, aus Jugendschutzgründen. Meine Anfrage nach den Gründen beantwortet die Autorenberatung damit, dass »Publikationen anhand bestimmter Schlagwörter automatisch auf potenziell jugendgefährdende Inhalte überprüft und die Vorschau solcher Titel ausblendet« werden. Stimmt, in einem der Aufsätze kommt mehrfach das f-Wort vor (mal so als kleiner Kaufanreiz), das wird der Grund sein. Offen bleibt, inwiefern der unschuldige Titelschlumpf die Jugend auf unzüchtige Gedanken zu bringen vermag; meine diesbezügliche Rückfrage blieb bislang unbeantwortet.

Freitag: Über diesen Tag ist hier alles Wesentlich notiert, dem ist nichts hinzuzufügen.

Samstag: Im Gegensatz zu gestern war heute ein trüber Tag, an dem es nicht richtig hell wurde. Nach dem Frühstück mit den Lieben in einem Café (nachdem wir für das Frühstück im Kaufhof-Restaurant, das uns empfohlen worden war, zu spät dran waren) und einer anschließenden Erledigung ging ich zum Rhein, Hochwasser kucken. So langsam zieht er sich wieder in sein Bett zurück.

Später Zeitungslektüre auf dem Sofa: Auch Tiere haben ein Recht auf eine artgerechte Ansprache, forderte Peta, gleichsam die Klimakleber unter den Tierschützern, bereits vor drei Jahren; die Zeitung berichtete erst heute darüber. So soll man nicht sagen, man habe mit jemandem „ein Hühnchen zu rupfen“ (Alternativvorschlag Peta: „Weinblätter rollen“), nicht „zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen“ (stattdessen „Zwei Erbsen auf eine Gabel laden“) oder „die Katze aus dem Sack lassen“ (sondern „die vegane Calzone aufschneiden“), auch wenn es nicht im Sinne der Katze sein kann, im Sack zu verbleiben. Wer derart unsensibel gegen die Kreatur redet, macht sich laut Peta des Speziesismus schuldig: »Wo solche Phrasen in unserem Alltag gedankenlos verwendet werden, normalisieren sich Formen der Tierquälerei.« Weitere Vorschläge sind bei Bedarf hier zu finden.

Sonntag: Der Wecker ging bereits um acht Uhr, da wir morgens eine karnevalistische Pflicht hatten. Aus nicht von mir zu vertretenden Gründen kamen wir etwas zu spät an, die anderen hatten bereits angefangen zu proben. Mich ärgert so etwas, ich bin ein großer Freund der Pünktlichkeit, bei anderen und erst recht bei mir selbst. Mein Ärger verflog indes bald, zumal ich offenbar der einzige darüber verärgerte war.

Der Sonntagsspaziergang führte nach Endenich, wo der örtliche Modelleisenbahnclub eine Börse veranstaltete. Ich gehe da stets gerne hin, auch wenn für mich wieder nichts Kaufenswertes im Angebot war. Auf dem Rückweg ging ich an zwei jungen Männern vorbei, deren einen ich im Vorübergehen sagen hörte: „Der geht mit seinem Hund im Schnee laufen – nackt.“ Vielleicht hatte ich mich auch verhört, jedenfalls wurde mir sogleich noch etwas kälter als es ohnehin war.

***

Kommen Sie gut, trocken und warm durch die Woche, möge die neujährliche Ruhe und Vorfreude noch etwas anhalten.

Troisdorf von oben

Letzte Nacht hatte ich einen Klartraum. Vor geraumer Zeit beschrieb ich es schon einmal: Das sind diese Träume, in denen man weiß, dass man träumt, ohne aufzuwachen. Angeblich kann man das trainieren und nach ausreichender Übung sogar das Geschehen aktiv beeinflussen, was grenzenlose Möglichkeiten für Vergnügungen und Abenteuer aller Art bietet, ohne zuvor viel Geld auszugeben für Flugreisen oder Drogen, oder stundenlang in einer Warteschlange anstehen zu müssen. Unbeschäftigt auf etwas warten zu müssen ist ja für viele Menschen ohnehin eine der schlimmsten Zumutungen.

Gemäß einschlägiger Literatur* funktioniert das mit dem Klarträumen so:

Zunächst muss man sich des Träumens bewusst werden. Steht man zum Beispiel gerade in unvorteilhafter Unterwäsche in einem Supermarkt, oder man vernimmt die Nachricht, Donald Trump sei freiwillig vom Amt des Präsidenten zurückgetreten, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch. Im meinem aktuellen Fall saß ich, ausgestattet mit Trikot und Fanschal, in einem Fußballstadion und jubelte begeistert meiner Mannschaft zu, was mir im wachen Leben nicht im Traume einfiele, nicht unter Androhung einer hohen Strafe bei Weigerung oder nach Inaussichtstellung einer hohen Belohnung.

Als nächstes vergewissere man sich, dass man wirklich träumt. Hierzu kann man kurz hochspringen. Verharrt man für einige Sekunden in der Luft, statt der Schwerkraft folgend sogleich wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen, befindet man sich entweder auf dem Mond, oder man träumt. Vielleicht träumt man auch, man sei auf dem Mond, aber betrachten wir diese Variante hier nicht weiter, um das ganze nicht unnötig zu verkomplizieren. Ich wählte stattdessen eine andere von Experten empfohlene Methode: Ich hielt mir Mund und Nase zu und versuchte, einzuatmen. Da die Luft trotz Verschluss der dazu erforderlichen Öffnungen in die Nüstern strömte, konnte ich mir des Träumens sicher sein. Das Wichtigste ist, jetzt nicht aufzuwachen.

Dann geht es los: Wie ein Regisseur kann man nun ins Geschehen eingreifen, die Ereignisse nach Belieben lenken. Ich riss mir die blöden Fußballfanklamotten vom Leib und beschloss, einen Flug über Troisdorf zu machen, weiß der Himmel, warum ausgerechnet Troisdorf. In einer beliebten Sendereihe im Fernsehen zeigen sie ja gerne alles mögliche von oben: Berlin, Nordrhein-Westfalen, Deutschland, Australien, die schönsten Müllhalden, was auch immer. Doch niemals sah ich einen Programmhinweis auf die Folge „Troisdorf von oben“; diese Lücke zu schließen mag mich beflügelt haben.

Übrigens, für Nichtrheinländer, spricht man es ohne das i aus, stattdessen wird das o gedehnt, also „Troosdorf“. Im Gegensatz zum nicht weit entfernten linksrheinischen Roisdorf, einem Ortsteil der Spargelschälerstadt Bornheim: Hier wird das i mitgesprochen, also wie „Räusdorf“. Menschen mit zweifelhaftem Humor sagen auch „Trostlos“, wenn sie Troisdorf meinen, Sie wissen schon, diejenigen, mit denen man sich nicht so gerne umgibt, weil sie auch „zum Bleistift“, „Spaßkasse“, oder „Schlepptop“ sagen.

Zurück zu meinem Klartraum. Zunächst gelang mein Flug ganz gut, ich musste meine Flügel nur wenig bewegen, um mich in der Luft zu halten, Troisdorf lag unter mir wie ein (nicht ganz so spektakulärer) Teil des Miniaturwunderlandes. Doch dann kam mir über einem Gewerbegebiet Peter Altmaier entgegen geflogen. Nackt. Als er mich nach dem Weg zum „Mäc Doof“ von „Roosdorf“ fragte, wachte ich umgehend auf und benötigte längere Zeit, bis ich wieder einschlief. Mit Klarträumen war leider erstmal aus der Traum.

Ich muss noch viel üben.

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* Zum Bleistift: „Klartraum – Wie Sie Ihre Träume bewusst steuern können“ von Jens Thiemann, Rowohlt-Verlag

Woche 21: Sommer, Wein und Abgründe

Montag: Gilt „Moinsen“ am Montagmorgen eigentlich als hinreichender Grund, eine Telefonkonferenz grußlos zu verlassen? – Summer in the city mit allen optischen und akustischen Begleiterscheinungen, wie der Singstarkrähe von gegenüber. Es ist nicht eindeutig zu erkennen, ob sie übt oder ihr ein schwerer Gegenstand auf den Fuß gefallen ist.

Dienstag: Obwohl ich am Vorabend aus Gründen des Mitredenkönnens einen Blick in besonders tiefe Abgründe menschlichen Daseins wagte, indem ich mir auf RTL II Naked Attraction ansah, schlief ich vergangene Nacht ganz gut, wobei ich nicht mit Sicherheit sagen kann, was mich an der Sendung mehr entsetzte: zu sehen, wie weit Menschen für Geld gehen, oder die auffallende Unattraktivität des dargebotenen metallgespickten und großflächig tätowierten Fleisches.

Mittwoch: Andererseits – vielleicht ist Naked Attraction ja auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandels, an dessen Ende Nacktheit nicht mehr mit „igitt“ und „kuck mal“ verbunden ist, und jede(r) sich so zeigen kann wie er/sie ist, auch wenn es nicht dem gemeingültigen Schönheitsideal entspricht. Das wäre wohl nicht das schlechteste. Dennoch sehe ich mich nicht veranlasst, die Sendung noch einmal anzusehen.

Donnerstag: Auch am sogenannten Vatertag sollte es selbst in intimster Partnerschaft eine Selbstverständlichkeit sein, sich der Darmentleerung nur hinter geschlossener Toilettentür hinzugeben.

Freitag: Wie ich hörte, soll zur Vermeidung von Getränketransporten eine Bier-Pipeline zum Festgelände von Wacken gelegt werden. Seitdem träume ich von einer Rosé-Leitung, welche die südliche Côte-du-Rhône mit unserer Küche verbindet.

Samstag: Da der Wein mangels Leitung vorläufig nicht zu uns kommt, müssen wir uns zum Wein begeben, genauer: ins Ahrtal.

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Sonntag: Wie ich heute lernte, werden Menschen, die Sex mit Bäumen haben, Dentrophile genannt. Ob es auch eine Bezeichnung gibt für Leute, die zur Kopulation mit dem amerikanischen Präsidenten bereit sind, entzieht sich meiner Kenntnis.

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Man muss viel trinken!

Es begann am Freitag in der Provence, am Tag vor der Abreise nach zwei Wochen Urlaub in diesem Ort, der uns mittlerweile so vertraut ist. Die Tage waren nahe an dem, was ich mir unter dem Paradies vorstelle: Sonne, Temperaturen um die dreißig Grad, über uns fast nur blauer Himmel. Jeden Morgen um neun, manchmal auch halb zehn aufgestanden, wohingegen ich am Wochenende zu Hause selten vor halb elf aus dem Bett komme, und das auch nur, wenn es unbedingt sein muss; in Ruhe gefrühstückt vor unserem Haus, frisches Baguette, das der Liebste zuvor aus der örtlichen Bäckerei geholt hatte, und die Bonner Tageszeitung, welche dank technischer Errungenschaften auch dort tagesaktuell auf dem Datengerät zu lesen ist; dabei aufmerksam die Entwicklungen in Griechenland verfolgt und bei meinem Arbeitgeber, der sich seit geraumer Zeit in einer Art Krieg mit der Gewerkschaft befand.

Letztere trübte meine Urlaubsfreude ein ganz klein wenig – viel öfter als mir lieb war, schweiften meine Gedanken ab ins Büro nach Bonn. In diesen unruhigen Zeiten, wo man schon in einer normalen Arbeitswoche nicht wusste, was der nächste Tag bringen mochte, was sie sich wieder ausgedacht haben, die eine wie die andere Seite, um einander zu ärgern, was erwartete mich da erst nach zwei Wochen Urlaub? Nein, ich mochte noch nicht an Montag denken, der kam früh genug (und war, rückblickend, überhaupt nicht schlimm).

Zurück in die Provence: Sehr viel haben wir nicht gemacht, ein paar Ausflüge in die nähere Umgebung, nach Vinsobres, Nyons, Buis-les-Baronnies (siehe dazu auch den letzten Eintrag), Avignon (zum ersten Mal von Carpentras aus mit dem Zug, der seit diesem Jahr nach 77 Jahren wieder fährt!), Cairanne, La Fare und Châteauneuf-du-Pape. Die eingepackten Wanderschuhe blieben leider unbenutzt, dazu war es einfach zu warm. Ansonsten verliefen die Tage fast alle gleich: Nach dem Frühstück das Geschirr abgewaschen, was ich dort ausgesprochen gerne tue, fast hat es etwas meditatives; während mir zu Hause die Geschirrspülmaschine als eines der wichtigsten Hausgeräte erscheint, noch weit vor dem Fernseher, wäre sie dort das vorletzte, was mir fehlte – das letzte wäre der Fernseher.

Die meisten Stunden – mal abgesehen von schlafen – verbrachten wir im Schatten des Hofes, lesend (unter anderem Peter Mayle, der sich ja bekanntlich entschied, sein Leben ganz in die Provence zu verlagern, was aus verschiedenen Gründen für mich nicht in Frage käme, und zwei Bücher gegen den Arbeitsfetisch, welche meiner Freude, Montag wieder ins Büro zu gehen, nur wenig dienlich waren, mir andererseits aber keine für mich akzeptable Alternative dazu aufzeigen konnten), ein wenig schreibend, oder nichts tuend: Während die Gedanken schweiften (leider auch immer wieder ins Büro, siehe oben, von wo ich sie jedoch so schnell wie möglich wieder zurück riss wie einen Hund, der sich schnüffelnd nicht vom Laternenpfahl trennen kann), betrachtete ich den blauen Himmel über mir, die groben, mit Grün bewachsenen Steinmauern des Hofes, die Bienen im Lavendelstrauch, oder nur meine Füße vor mir (der linke ist auch nach der OP noch etwas krumm, aber das zu beklagen wäre wohl gleichzusetzen mit Luxus-Lamoyanz, um die altbekannte Phrase „Jammern auf hohem Niveau“ nicht noch weiter abzunutzen; im Übrigen strebe ich schon aus Altersgründen keine Karriere als Badehosen-Model oder Pornodarsteller an, vielleicht in einem späteren Leben).

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Pünktlich um vier Uhr nachmittags kam dann Nachbar K herüber, um uns zum Nachmittagsbier abzuholen, welches wir in der Bar unter schattigen Platanen zu uns nahmen. Man soll bei Hitze viel trinken. Vor dem Abendessen stand stets ein Pastis mit eisgekühltem Brunnenwasser auf dem Tisch. Das Essen nahmen wir anschließend in einem der Restaurants oder nebenan in K’s kühlem Hof zu uns, dazu selbstverständlich Wein, meistens Rosé, und aus Gründen des Anstandes und einer Anmutung von Vernunft unverdünntes Wasser. Nach dem Essen dann noch ein Nachtglas Rosé vor unserem Haus bei flackerndem Kerzenlicht, meistens wurde daraus eine Flasche. Danach ins Bett, selten später als 22 Uhr. Das schaffe ich zu Hause selbst unter der Woche kaum.

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Wie das immer so ist – ich schaue auf den Kalender und denke: noch sieben Wochen bis zum Urlaub (dem ich dieses Mal so sehnsüchtig wie schon lange nicht mehr entgegengesehen hatte). Wie schnell vergingen diese sieben Wochen, und wie schnell erst recht die zwei Wochen Urlaub, trotz gepflegtem Nichtstuns!

Doch dieses Mal nahm der Urlaub ein wenig erfreuliches Ende. Am Freitag, ein sehr schwüler und heißer Tag, machten wir den Ausflug mit dem Zug nach Avignon. Schon auf dem Bahnhof von Carpentras fühlte sich der Liebste nicht recht wohl, dieses Unwohlsein verstärkte sich nach der Ankunft in Avignon, so dass wir in der dortigen Markthalle nur schnell das nötigste kauften, ein Vorgang, der sich unter normalen Voraussetzungen über Stunden erstrecken kann, und fuhren mit dem nächsten Zug zurück. Wieder in unserem Haus angekommen, verschlechterte sich sein Zustand weiter, so dass wir schließlich entschieden, einen Arzt zu rufen.

Doch wie macht man das in einem provencalischen Dorf am Freitagabend? Ruft man auch die 112 wie bei uns? Selbst wenn das geklärt ist, wie macht man sich verständlich bei mangelhaften Sprachkenntnissen wie den meinen? Das Idyll, welches mir die Tage zuvor als eine Art Paradies erschienen war, wurde plötzlich zu einem Ort der Bedrohung, in dem ich mich nackt und hilflos fühlte.

Doch dann lernte ich Hilfsbereitschaft kennen: Ich schilderte dem Wirt der Bar, der etwas deutsch spricht, mein Problem, und plötzlich kam eine rege Diskussion unter den Barbesuchern auf mit dem Ergebnis, man müsse die Feuerwehr rufen. Ein sehr freundlicher, deutsch sprechender Belgier rief schließlich dort an und übersetzte die Fragen der Gegenseite und meine Antworten zu Alter, Art der Beschwerden und so weiter, auch wartete er mit mir, bis der Rettungswagen eintraf. Niemals wieder soll aus meinem Mund ein Wort gegen Belgier kommen, wenn sie zum Beispiel wie die Bekloppten über französische Autobahnen rasen.

Sie untersuchten den Liebsten, wahrscheinlich Hitzschlag, und brachten ihn zur Sicherheit ins Krankenhaus von Vaison-la-Romaine. Ich fuhr mit K in unserem Wagen hinterher, das Nachmittagsbier und der Pastis des Abends waren rasch vergessen, ich fühlte mich nüchtern (und war es wahrscheinlich auch).

In Vaison angekommen, lernte ich kennen, was ich bislang nur aus irgendwelchen Fernsehserien kannte: im Krankenhaus sitzen und auf die Nachricht hoffen, dass alles in Ordnung sei; bei Dallas saßen sie, so weit ich mich erinnere, in jeder zweiten Folge im Dallas Memorial Hospital und warteten – auf Pamela, die vom Pferd gefallen war, auf Sue Ellen, die besoffen vor den Baum gefahren war, und mit dem alten Jock Ewing war auch immer was, vielleicht war es auch Bobby oder Cliff Barnes, was weiß ich, egal; unglaublich, was für unsinnige Gedanken einem in dieser Situation durch den Kopf gehen, wenn man nichts tun kann außer zu warten, dem Rauschen des Klimagerätes zuzuhören und die französischen Präventionsplakate auswendig zu lernen: „Bei Hitze viel trinken und genug essen, bei anhaltendem Unwohlsein die 15 anrufen“, aha, die 15 also, war das auch geklärt. Die bereitliegenden Zeitschriften rührte ich nicht an. Zum Glück war K bei mir, wartete mit mir und konnte übersetzen, wenn die gute Nachricht kam.

Die kam dann auch: Die Diagnose Hitzschlag wurde bestätigt, wir konnten zu ihm, er hatte schon wieder etwas Farbe im Gesicht. Zwei Infusionen und ein Abendessen später konnten wir zu dritt zurück fahren. Selten bin ich so gerne Auto gefahren!

Dazu hatte ich, der Autofahren nicht gerade als seine Lieblingsbeschäftigung bezeichnen würde, am nächsten Tag reichlich Gelegenheit, denn die Rückfahrt nach Bonn stand an. Da der Liebste noch immer etwas angeschlagen war, fuhr ich fast die gesamte Strecke, 970 Kilometer durch bis zu 40 Grad Hitze mit einem langen Stau in Lyon. Wenn innerhalb des Hauses der Geschirrspüler das wichtigste Gerät ist, dann ist es außerhalb die Klimaanlage des Autos, und die funktionierte tadellos und trug erheblich dazu bei, dass es ihm im Laufe der Fahrt immer besser ging. Doch nach elf Stunden Fahrt in Bonn angekommen, schlug die rheinische Schwüle mit voller Wucht zu und brachte sein wiedererlangtes Wohlbefinden innerhalb einer Stunde zum Schmelzen.

Da die drückende Hitze der Bonner Tallage auch am Sonntag nicht nachließ, verschlechterte sich der Gesundheitszustand weiter, so dass wir am frühen Nachmittag erneut den Notarzt riefen. Das erwies auch hier trotz Nummern- und Sprachkenntnis als gar nicht so einfach: Ich wählte die 112, beschrieb das Problem und beantwortete die üblichen Fragen. Der freundliche Herr der Notrufzentrale verwies mich an eine zentrale Arztrufzentrale. Diese nannte mir Name und Anschrift einer diensthabenden Ärztin, deren Praxis von 16 bis 17 Uhr geöffnet sei. Nach dem vorsichtigen Hinweis meinerseits, dass wir aber jetzt sofort Hilfe benötigen, wurde mir auch die Mobilnummer der Ärztin genannt. Die hatte jedoch anscheinend gerade zu tun, jedenfalls nahm sie meinen Anruf nicht an. Also wieder die 112, wo ich den freundlichen Herrn schließlich überreden konnte, einen Rettungswagen zu schicken, der auch bald kam.

Der weitere Verlauf war ähnlich wie zwei Tage zuvor in Frankreich: kurze Untersuchung im heimischen Bett, dann Transport in die Notaufnahme der Uniklinik auf dem Venusberg. Ich mit C in unserem Auto hinterher. Warten im heißen und vollen Wartesaal. „Sie können nun zu ihm“, hieß es bald. Untersuchung, Infusionen, Bestätigung der Diagnose Hitzschlag, „Haben wir ganz viele in diesen Tagen, die Leute trinken zu wenig.“

Wieder raus, warten. Draußen bewölkte es sich inzwischen, die Sonne verschwand, die Hitze blieb. Ich holte mir eine große Flasche Wasser aus dem Café, man muss viel trinken, ich weiß, spätestens jetzt weiß ich es. Wieder rein, Zustand und Laune des Liebsten verbesserten sich mit jedem Tropfen der Infusion. Gegen 18 Uhr platzten die Wolken, dicke Hagelkörner schlugen zu Boden und knallten auf die Blechdächer der Fahrradständer. Nach vielleicht zehn Minuten war es vorbei, Eisbrocken schmolzen, der Boden dampfte. Die letzte Infusion war durch, „Sie können nun gehen“, beschied ein netter junger Arzt dem Liebsten, „und nicht vergessen: viel trinken!“ Mit dreifacher Erleichterung fuhren wir nach Hause, über von Blättern und Zweigen grün bedeckte Straßen und durch tiefe Pfützen. Unterwegs kauften wir bei einer Tankstelle so viel Mineralwasser, wie wir tragen konnten.

Welche Erkenntnisse habe ich nun daraus gewonnen?
Erstens: Es ist fahrlässig, ja dumm, in ein anderes Land zu fahren, ohne die Nummer des Notrufs zu kennen.
Zweitens: Das schönste Idyll wird zur Bedrohungskulisse, wenn ein Notfall eintritt.
Drittens: Rosé, Bier und Pastis gelten nicht als Getränke im Sinne der Hitzschlagprävention.
Viertens: Nichts gegen Belgier!
Fünftens: Es ist schön, Freunde wie K und C zu haben. DANKE für euren Beistand in den Stunden bangen Wartens!!!
Sechstens: Man muss viel trinken.

Nachtrag: Komische Käffer

(Aufgeschrieben am 8.7., mangels Netz erst heute veröffentlicht)

burlesque

Am Wochenende 6./7. Juli feierte man im südfranzösischen Dorf Vinsobres die „Fête des communes burlesques“, also frei übersetzt das Fest der komischen Orte. Genauer: der Orte mit komischen Namen. Insgesamt vierzig Orte aus ganz Frankreich präsentierten sich bei einer Parade und mit Ständen, an denen jeweils örtliche Spezialitäten angeboten wurden – Backwaren, Früchte, Käse, Kunsthandwerk und natürlich viel Wein.

Hier eine Auswahl „komischer Orte“, jeweils mit einem Übersetzungsversuch im Rahmen meiner beschränkten Französischkenntnisse:

Arnac-la-Poste – Abzockerei der Post, wohl übersetzbar mit Portoerhöhung
Ballots – Dummköpfe, das französische Pendant zu Bielefeld-Deppendorf
Beaufou – Schön, aber bekloppt
Corps-Nuds – nackte Körper, die Teilnehmer waren jedoch überwiegend bekleidet
Mariol – Spaßvogel, muss so etwas wie Köln sein
Monteton – Meine Brust. Irgendwas mit Titten.
Saint-Arnac – heilige Abzocke, also Kirchensteuer
Saint-Barbant – heilige Öde, also in etwa Fastenzeit
Saint-Pompon – heiliger Bimbam
Simplé – ganz einfach zu übersetzen
und schließlich der gastgebende Ort:
Vinsobres – nüchterner Wein. Ich kann Ihnen versichern, nach einer Flasche des ausgezeichneten Vinsobres-Weins ist man alles andere als nüchtern.

Diese Treffen haben in Frankreich schon eine längere Tradition. Warum gibt es das nicht in Deutschland? Komische Orte hätten wir genug, spontan fallen mir ein: Katzenelnbogen, Linsengericht, Oberkotzau, Titisee, Fucking, Mülldorf, Bassgeige, Darmstadt, Wixhausen, Helpup; alleine Köln wäre mit Bilderstöckchen, Zollstock und Kalk gut vertreten, und Düsseldorf ist ja an sich schon irgendwie komisch.

Sie kennen weitere Orte mit komischen Namen? Dann scheuen Sie sich nicht, einen kleinen Kommentar zu hinterlassen!

Schöner träumen

Neulich las ich einen interessanten Artikel über so genannte Klarträume. Das sind Träume, in denen das erlebte während des nächtlichen Hirnfegens nicht als gegeben oder real hingenommen wird, so absurd es im Nachhinein auch erscheint, vielmehr ist dem Träumenden sein Träumen bewusst, ja schöner noch: angeblich kann er sogar aktiv in das Geschehen eingreifen, die Handlung ganz nach seinen Wünschen beeinflussen. Ist das nicht phantastisch? Stellen Sie sich folgende Situationen vor:

Sie sitzen in einer nicht endenden, total langweiligen Besprechung, man diskutiert über die Präsentation an der Wand, ein wahres Monster in Power Point. Jetzt kommen Sie: ein Gedanke, schon läuft „Die nackte Kanone“, wo eben noch Diagramme und Zahlenkolonnen langweilten, oder ein Porno vielleicht, nur Ihr Geschmack entscheidet.

Sie gehen guter Dinge die Straße entlang, da sehen Sie von weitem Ihren Kollegen Hannes entgegenkommen, der Sie gleich gnadenlos zulabern wird über sein dämliches Projekt, außerdem hat er üblen Mundgeruch und pikst ständig mit dem Zeigefinger gegen Ihre Brust, wenn er mit Ihnen spricht. Er hat Sie längst gesehen und winkt schon, Sie können ihm nicht ausweichen, zwischen Ihnen und ihm kein Busch und kein Hauseingang am Straßenrand, nur zwei hohe Mauern. Nun Ihr Einsatz: Sie heben die linke Augenbraue, es öffnet sich eine Klappe, ein Löwe springt heraus, stürzt sich auf Hannes und verspeist ihn mit Haut, Haaren, Piksefinger und Mundgeruch, derweil eine unsichtbare Zirkuskapelle „Salto Mortale“ spielt.

Sie stehen in einem Fußballtor, haben nicht den blassesten Schimmer, wie es dazu kommen konnte, aber das spielt jetzt keine Rolle: Ihre Mannschaft liegt am Boden, einige weinen bereits, der gegnerische Stürmer rast auf Sie zu, Sie können bereits des Wutes Glanz in seinen Augen sehen, Dampfwölkchen blasen aus seinen Nüstern, während drumherum zigtausende johlen, Fangesänge und Trompeten dröhnen, Kameras auf Sie gerichtet. Er holt aus zum finalen Schuss – Sie sagen das Zauberwort, vielleicht „Meisenknödelpresse“ oder „Qwertzu“, zu lang sollte es in diesem Fall nicht sein, dann werfen Sie sich instinktiv zur Seite, um von dem nahenden Geschoss nicht zerfetzt zu werden. Einen knappen Meter vor der Torlinie verwandelt sich der Ball in einen grün-pinken Pinguin, der mit seinen Stummelflügelchen flattert und über das Tor hinweg fliegt, hinaus aus dem Stadion, bis er als kleiner Punkt am Himmel hinter dem Stadionrand verschwindet.

Die Möglichkeiten sind unbegrenzt, jedenfalls bis zum Wecker: man kann nackt und ohne Raumschiff zum Saturn fliegen, sich eine Güterzug-Ellok kaufen und in den Vorgarten stellen oder damit zur Arbeit fahren, oder Sex haben mit wem man will, sogar mit Josef Ratzinger oder Angela Merkel, oder beiden gleichzeitig, je nach Neigung und Vorlieben.

Aber wie macht man das, klarträumen? Man muss es trainieren. Jeder hat wohl diese mitunter seltsamen Traumszenen, die sich regelmäßig wiederholen: Die einen fliegen freihändig über Stadt, Land und Fluss, andere stehen nackt in einem vollen Aufzug, wieder andere werden von blutrünstigen Bestien verfolgt, was wohl die Klassiker sind; jeder hat da seine eigenen nächtlichen Erlebnisse. Wenn Sie sich also in einer solchen Situation befinden, ist die Wahrscheinlichkeit groß, zu träumen. Die Kunst liegt nun darin, dies zu erkennen, ohne aufzuwachen. Dann kann es losgehen: Wie ein Zauberer können Sie nach Herzenslust die Dinge um sich herum beherrschen und verändern.

Also: Wenn Sie das nächste Mal in der Hamburger Elbphilharmonie einem Konzert lauschen, scheuen Sie sich nicht, eine spontane Programmänderung herbeizuführen, Madonna statt Mozart etwa.

Wenn Sie das nächste Mal ohne Hose durch die Fußgängerzone laufen, zwingen Sie Ihre Mitmenschen, sich ebenfalls ihrer Kleidung zu entledigen. Sollte sich der gewünschte Effekt nicht in einer angemessenen Zeit einstellen, wachen Sie besser auf. Gelingt auch das nicht, zwicken Sie sich kräftig in den Unterarm. Sollten Sie einen deutlichen Schmerz spüren, ziehen Sie sich dezent ins nächste Bekleidungsgeschäft zurück und lassen Sie künftig beim Ankleiden größere Sorgfalt walten.