Woche 35/2025: Die erste Liegestuhlprobe verlief erfolgreich

Montag: Morgens auf dem Fahrrad war es recht kühl, vor allem an den Händen. Doch Handschuhe im August erscheinen selbst mir als ausgewiesenem Scheinfrostfühler unangemessen. Auf dem Rückweg war es dann in Anzugjacke fast etwas zu warm. Man hat es nicht leicht.

Dafür, dass die Sommerferien zu Ende sind, war es im Büro und den Nachbarzellen ungewöhnlich ruhig, auch der Eingang an Anliegen in Wort und Schrift war gering. Das darf gerne bis einschließlich Donnerstag so bleiben, danach habe ich Urlaub.

Gelesen bei Herrn Fischer und tatsächlich für gut befunden:

Also (ich hatte kurz überlegt, ob ich „genau“ schreiben sollte, fürchtete aber, dass die Ironie darin nicht rüber käme, weil schon zu viele, selbst von den klügeren viele ständig „genau“ sagen, weil sie sonst selbst nicht wissen, dass sie fertig sind mit Denken, von daher also:
Also: …

Genau.

Dienstag: Eine der wichtigsten Fragen in dieser meteorologischen Übergangszeit: Was ziehe ich an? So, dass es morgens nicht zu kalt und nachmittags nicht zu warm ist. Für den heutigen Fußweg ins Werk und zurück war langärmliges Hemd ohne Jacke genau die richtige Wahl. Auf dem Hinweg schien die Sonne, auf dem Rückweg nicht mehr, es war dennoch sehr warm, was zu einem Feierabendbier am Rheinufer motivierte. Wer weiß wie lange noch, ehe wieder Daunenjacke und Wollmütze erforderlich sind. Ebendiese trug einer, der mir morgens begegnete. Das fand sogar ich übertrieben.

Nachmittags rief mich jemand vom Bonner General-Anzeiger an, um mit mir über die Kündigung des Abonnements zu sprechen, die ich zum Ersten dieses Monats veranlasst hatte. Bereits vergangene Woche hatte er deswegen angerufen, ich hatte ihm die Gründe erklärt: Zunehmend empfinde ich die Berichterstattung als meinungslastig; mich interessiert überhaupt nicht, was unbekannte Menschen zu einem Thema meinen und am allerwenigsten, was sie dazu auf Facebook gepostet haben; das Sahnehäubchen sind Qualitätsmängel im Text wie regelmäßig dieser: „Die Stadt Bonn hat seine Mitarbeiter angewiesen …“. Dafür sind mir über vierhundert Euro im Jahr zu teuer. Das fand der Anrufer schade und wir verblieben, dass ich es mir nochmal überlege (manchmal bin ich zu weich) und er in dieser Woche noch einmal anrufe. Heute also. Zu meinem Erstaunen fragte er mich genau dasselbe wie letzte Woche. Auf meinen Einwand, dass hätte ich ihm doch schon letzte Woche erzählt, ob er sich nicht erinnere, stammelte er so etwas wie „Doch, aber ich wollte nochmal …“ Unnötige Wiederholungen, sei es in Besprechungen oder in Gesprächen wie diesen zerren erheblich an meiner Geduld, mein Tonfall wird dann schnell ungehalten bis genervt. Daran muss ich noch arbeiten. Übrigens habe ich nun das wesentlich günstigere Online-Abo gebucht.

Mittwoch: Die Schule hat wieder begonnen. Auf dem Fahrrad muss man nun wieder besonders achtgeben auf andere Radfahrer, die ohne zu schauen den Weg kreuzen oder von der Seite einbiegen, was mich morgens auf dem Weg zum Büro veranlasste, einen, der mit hoher Geschwindigkeit von vorne rechts kam und unmittelbar vor mir schräg die Straßenseite wechselte, einen Idioten zu schimpfen, was mich wiederum sofort ärgerte; nicht so sehr der Radfahrer, sondern mein verbaler Ausfall. Manchmal passiert es einfach, da kann man nichts machen.

In ein Anforderungsformular schrieb ich als fachlichen Nutzen „Fahlervermeidung“, bemerkte es und freute mich.

Abends im Bett war ich mit dem neuen Buch „Aber?“ von Max Goldt durch, auf dessen Lektüre ich mich sehr gefreut hatte. Es ist mit knapp hundertsechzig Seiten nicht sehr umfangreich, doch auch inhaltlich hatte ich etwas mehr erwartet. Viele der Texte lesen sich wie Verschriftlichungen von Comics des Duos Katz & Goldt, sind es vermutlich auch, das Gedicht zum Schluss machte mich ratlos, was an meiner lückenhaften Lyrikkompetenz liegen mag. Ich vermisse die für ihn typischen Abschweifungen und Themenwechsel innerhalb desselben Textes und Wortschöpfungen wie die legendäre „Klofußumpuschelung“ oder „beliebte Fernkugel“ als Synonym für den Ex-Planeten Pluto aus früheren Büchern. Vielleicht ist er nach so langer Zeit ein wenig aus der Übung und muss erst wieder in den richtigen Schreibfluss kommen. Hoffen wir also auf weitere Bücher von ihm in nicht so ferner Zukunft. Ich werde sie auf jeden Fall kaufen und lesen.

Donnerstag: Besser kann der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub kaum sein. Bis zum Mittag war alles Wesentliche abgearbeitet, bis zum Nachmittag kam nichts Aufwendiges, dringend zu Erledigendes mehr hinzu, so dass ich guten Gewissens und bester Laune den Heimweg antreten konnte, nachdem der Rechner in der Schreibtischschublade verstaut und das dienstliche Telefon ausgeschaltet waren. Da der Regen durch war und die Sonne wieder schien, stand einem urlaubseinleitenden Getränk auf dem Rückweg nichts im Wege.

Laut kleiner kalender ist Maus-flitz-Tag. Ah ja. Demnächst dann vielleicht Beutel-kratz-Tag.

Freitag: Was schön war: der erste Urlaubstag, externes Frühstück mit den Lieben im Sonnenschein, eine störungsfreie Autofahrt nach Beaune im Burgund, das Wiedersehen mit dem freundlichen Hotelpersonal, das erste Glas Burgunder nach der Ankunft, das Abendessen im Hotelrestaurant.

Blick aus dem Hotelzimmer auf ein vorüberziehendes Gewitter

Samstag: Nach dem Frühstück im Hotel verließen wir Beaune mit Ziel Malaucène, wo wir nach staureicher Fahrt am frühen Abend ankamen. Es ist spätsommerlich warm, die Sonne scheint vom blauen Himmel und lässt die Provence in den üblichen Grün- und Ockertönen leuchten. Die erste Liegestuhlprobe verlief erfolgreich. Rosé ist im Kühlschrank. Wir sind sehr zufrieden und freuen uns auf die vor uns liegenden zwei Wochen an diesem wunderbaren Ort.

Apropos zwei – Frage 2 lautet: „Mit wem verstehst du dich am besten?“ Ganz klar: Mit dem Liebsten, und das nun schon seit vielen Jahren. Das schließt gelegentliche Zankereien nicht aus, aber ohne die wäre es ja auch etwas langweilig.

Blaugrün
„So strahlt kein Atommüll“ sagte einer.
Abendglas

Sonntag: Auch der erste Tag hier in Malaucène lag unter blauem Himmel bei Kurze-Hosen-Temperatur, dazu ab Mittag ein leichter Wind. Nach dem ersten Frühstück draußen vor dem Haus blieb ich am Tisch sitzen und stellte diesen Wochenrückblick fertig; heute besonders früh, da nachher Bonner Freundinnen, die ebenfalls zurzeit in Malaucène weilen, zum Grillen kommen. Nach Fertigstellung werde ich mit einem Buch in den Liegestuhl wechseln und dort bis auf weiteres zu einer zufriedenen Freizeitstatue erstarren. Sollte sich im Laufe des Tages noch etwas Berichtenswertes ergeben, wird es nachgereicht. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

13:30

Woche 41/2024: Kiloweise Trüffel, nicht geleerte Teller und Abschied

(Der letzte Blogeintrag vergangener Woche war der eintausendste, wie ich erst jetzt bemerkt habe. Somit ist dies der tausenderste.)

Montag: Die Woche begann bewölkt mit ein wenig Regen, dafür ungewöhnlich warm. Also nicht T-Shirt-kurze-Hosen-warm, jedenfalls nicht für mich, immerhin ließ es sich mit Pullover im Liegestuhl ganz gut aushalten. Wobei ich dazu kaum kam, nachmittags unternahmen wir eine Ausfahrt in die Umgebung: In Saint-Maurice-sur-Eygues erstanden wir in der Bisquiterie eine größere Menge regionaltypischen Gebäcks. In Vinsobres besuchten wir das befreundete Weingut, wo man gerade gut mit der Lese beschäftigt ist. Wie überall ist die Erntemenge in diesem Jahr wegen des Wetters gering, dafür wird eine hohe Qualität erwartet. Auf einen größeren (W)Einkauf verzichteten wir, irgendwann muss das ganze Zeug in unserem Keller ja mal getrunken werden. In Nyons besorgten wir im Brauerei-Werksverkauf lokales Bier und Limonade, außerdem in der Coopérative zwei Eimer Oliven für das befreundete Restaurant in Bonn.

Für das Abendessen (wegen ungünstiger Wetterprognose zu Hause) kauften wir bei Puyméras weißen Trüffel, dessen Preis, wie bei Trüffeln üblich, mit einem vierstelligen Betrag je Kilogramm ausgewiesen war. Wer kauft kiloweise Trüffel? Warum keine Preisangabe je Tonne? Für alles weitere, wie Nudeln und Knoblauch, suchten wir den Super-U in Vaison-la-Romaine auf. Gelernt, als ich einfach einen Beutel Bandnudeln aus dem Regal nehmen wollte: Man muss sich an das Produkt herantasten.

Bewölkung, morgens
Krokusse im Oktober? Nein, Herbst-Goldbecher, sagt die künstliche Intelligenz. Und eine Schnecke.
Besuch zum Aperitif am Abend (Foto: Stefan K.)
0,000018 Tonnen Weißer Trüffel; nach meinem Geschmack überbewertet, was am erkältungsbedingt immer noch eingeschränkten Geschmacksempfinden liegen mag

Dienstag: Der Regen, der seit der Nacht bis zum Mittag teils heftig fiel, verwandelte den Hof vor dem Haus in einen kleinen See. Immerhin, die von Wetter Online für heute Vormittag in tiefstem Violett angekündigte Gewitterzelle, in deren Zentrum Malaucène liegen sollte, blieb aus. Daher begab ich mich nach dem Frühstück zunächst lesend in den Liegestuhl auf der Terrasse, um mich herum zahlreiche kleine Schnecken, denen es wohl draußen zu naß war. Dabei stelle ich es mir recht heimelig vor, sich bei Regen einfach ins Spiralhäuschen zurückzuziehen und abzuwarten, bis es vorbei ist. Nach dem ersten Knacks unter der Schuhsohle bemühte ich mich, keine weiteren zu zertreten.

Land unter am Morgen
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Nachmittags schien wieder die Sonne, wir unternahmen eine kleine Wanderung durch die nähere nördliche Umgebung, die im Ort mit zwei Bierchen endete.

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Massenhaft Kakteen, als wäre es das natürlichste von der Welt, dass hier massenhaft Kakteen wachsen
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Herzliche Grüße an den Kiezschreiber, auch wenn die Schreibweise etwas abweicht.

Abends versuchten wir es mal wieder mit einem Dreigängemenü im Restaurant. Es ging einiges zurück, was will man machen. Satt ist satt.

Mittwoch: Trotz am Vorabend nicht geleerter Teller erfreuten heute blauer Himmel und warme Luft Auge und Seele, nur der Wind blies unangemessen heftig. Selbst einer Frostbeule wie mir war es problemlos möglich, große Teile des Tages ohne Jacke und Pullover zu verbringen. Nach dem Frühstück (wegen des Windes weiterhin drinnen) besuchten wir den Wochenmarkt von Malaucène, um Gegrilltes und diverse Sättigungsbeilagen für das Abendessen einzukaufen. Der Markt war wesentlich kleiner als im Sommer, die Durchgangsstraße nicht gesperrt. Als wir um kurz nach zwölf ankamen, wurden einige Stände schon abgebaut, obwohl offiziell bis dreizehn Uhr geöffnet.

Bereits gestern Abend hatten wir für mich ein (elektrisch unterstütztes) Leihfahrrad geholt. Der Liebste hat seins schon seit Samstag für seine Alleinzeit jeden Morgen mit Kaffee in der Bar und Baguettekauf, derweil ich zu Hause das Frühstück vorbereite. Nach Rückkehr vom Markt machten wir damit heute eine Tour, wie wir sie ähnlich schon im Sommer letzten Jahres gemacht hatten: über den Berg (nicht den Mont Ventoux, im Leben fiele mir, im Gegensatz zu vielen anderen, nicht ein, den mit einem Fahrrad zu bereisen, auch nicht elektrisch unterstützt) bis Mollans-sur-Ouvèze, zurück über Entrechaux, teilweise auf der ehemaligen Schmalspurbahn-Trasse. Immer wieder von heftigen Windböen umtost, die uns mehrfach vom Sattel zu pusten versuchten.

Nach Rückkehr zogen wir uns bald ins Haus zurück, als die Sonne hinter Wolken verschwand und der Wind kühl unter das Terrassendach blies. Später kam Regen dazu und wir waren froh, zum Abendessen nicht mehr raus zu müssen.

Bei Malaucène, mit herzlichen Grüßen an das Fachblog für Bewölkung
Blick über den Berg auf den nächsten und Wolken
Mollans

Eine schlechte Nachricht erreichte uns aus Bonn, einen sehr lieben Menschen betreffend, dem wir es unter anderem zumindest indirekt verdanken, dass wir so oft und gerne hier in Malaucène sind.

Donnerstag: Vorletzter Urlaubstag, wie immer vergeht so eine Woche viel zu schnell. Während der Liebste ein paar letzte Einkäufe in Vaison erledigte, machte ich einen Spaziergang, der ungeplant zu einer Wanderung wurde, weil ein von Google Maps behaupteter Weg nicht existiert. Zum Glück hatte ich vorsorglich Wanderschuhe angezogen. So zog sich der Weg stetig ansteigend mit schönen Aussichten in die fernere Umgebung, bis der Bergkamm erreicht war und es auf der andere Seite über steinige Pfade wieder herunter ging bis Beaumont-du-Ventoux. Von da an flanierte es sich recht entspannt weiter durch Obstplantagen und Weinfelder, wie ursprünglich beabsichtigt. Zu meiner Freude begegnete mir niemand. Man möge mir verzeihen, dass mich das freut, doch manchmal, wirklich nur manchmal, betrachte ich die Abwesenheit von (anderen) Menschen als Geschenk. Was mir auch nicht begegnete, daran dachte ich erst in des Waldes Einsamkeit, waren Wildschweine, deren es hier dem Vernehmen nach reichlich gibt; in den letzten Tagen waren immer wieder Gewehrschüsse aus den umliegenden Wäldern zu hören, die Jagd ist eröffnet. Auch hielt mich glücklicherweise kein Chasseur im Pastisnebel für ein solches.

Nach ziemlich genau zwei Stunden kam ich wieder am Haus an, wo ich mich mit einem kleinen Imbiss belohnte. Kurz darauf traf auch der Liebste wieder ein und wir genossen noch etwas Liegestuhlzeit auf der Terrasse bei Sonnenschein und nur noch leichtem Wind.

Aufstieg
Aussicht
Abstieg
Reptil mitten auf dem Weg
Für Frau Lotelta
Blick auf Vaison-la-Romaine
Moos
Obst
Imbiss nach Rückkehr

Obwohl noch letzte Ausläufer der Erkältung spürbar sind, scheint der Appetit wieder hergestellt. Abends im Restaurant gelang es, das Dreigängemenü rückstandsfrei und mit Genuss zu verzehren.

Freitag: Letzter Urlaubstag. Die Sonne schien vom wolkenlosen Himmel, die Luft war zunächst kühl, im Laufe des Tages wärmte sie sich auf, ich war genötigt, den Pullover gegen ein Polohemd zu tauschen. Nachmittags begannen wir, die ersten Sachen ins Auto zu packen, ansonsten verbrachten wir die meiste Zeit auf der Terrasse, wo diese Zeilen sowie der Entwurf eines neuen Blog-Aufsatzes entstanden. Außerdem las ich den Stanišić fertig. Es bleibt dabei, das Buch kommt demnächst in den öffentlichen Bücherschrank, wenn es niemand haben möchte.

Was ich mir für den Urlaub vorgenommen hatte, jedoch nicht getan habe: an meinem Romandings weiter zu schreiben. Im Moment hänge ich etwas in der Geschichte, auch fehlen Antrieb und Inspiration. Das ist nicht schlimm, es hat keine Eile. Zudem ist, wie der SPIEGEL gestern meldete, der Literatur-Nobelpreis für dieses Jahr ohnehin bereits vergeben. (Die Meldung erreichte mich während des Aufstiegs auf den Berg. Deswegen stört ihr mich?, dachte ich. Meldet euch erst wieder, wenn der Preis an mich geht. Was man so denkt in Momenten größerer Anstrengung.)

Die Müllentsorgung verband ich mit einem Spaziergang durch die environs. Man hat hier übrigens keine verschiedenfarbigen Hausmülltonnen, die regelmäßig durch die Müllabfuhr geleert werden. Stattdessen stehen an vielen Stellen öffentliche Müllcontainer, in die man die Abfälle einwirft, immerhin seit einigen Jahren auch hier getrennt nach Verpackung, Papier, Glas und Restmüll.

Gegend und unser Haus (Pfeil)

Die übliche Urlaubsende-Melancholie und das Bedauern über die morgige Abreise hielten sich in Grenzen. Nicht, dass ich mich wieder auf die Werktätigkeit ab Montag gefreut hätte, doch löste der Gedanke daran auch kein Unbehagen aus. Vielleicht liegt das etwas an meinem neuen Arbeitszeitmodell, der nächste freie Donnerstag steht schon im Kalender.

Zum Abendessen gingen wir runter in die Pizzeria, die erst seit gestern wieder geöffnet hat. Dort war es sehr laut durch eine sechsköpfige Herrenrunde am Nachbartisch, später kam noch eine vierköpfige, nicht viel leisere am Nebentisch hinzu. Hatten wohl alle Ausgang. Der Genuss von Pizza und Rosé wurde dadurch nicht wesentlich gemindert.

Malaucène-Zentrum, nach der Pizza

Samstag: Abreisetag. Morgens um sieben schlug der Wecker an, eine halbe Stunde später standen wir auf; noch hatten wir Urlaub, da kann der Wecker allenfalls unverbindliche Vorschläge machen. Eine gute Stunde später war alles Restliche zusammengeräumt, der Kühlschrank geleert, ohne Frühstück verließen wir das Haus. Bevor es in Richtung Autobahn ging, fuhren wir zu einem Obstbauern ein Tal weiter, um eine Kiste frisch geernteter Muscat-Trauben für das befreundete Restaurant in Bonn abzuholen.

Bei Abfahrt stellte Frau Navi eine Ankunft nach bereits neuneinhalb Stunden in Aussicht. Gedanklich schlug ich aus Erfahrung eine halbe bis ganze Stunde drauf für Pausen und Staus. Lyon durchfuhren wir dann ohne die übliche Umleitung auf eine Ausweichstrecke und ohne auch nur einmal staubedingt anhalten zu müssen, das ist sehr selten. So kamen wir wirklich fast zur angezeigten Zeit zu Hause an, vom Geliebten wiedersehensfreudig und mit Cremant begrüßt.

Sonntag: Der Tod ist unabwendbarer Teil des Lebens* – das sagt sich so leicht. Wenn er dann in der näheren Umgebung zuschlägt und einen lieben Menschen holt, trifft es einen doch. Was sich am Mittwoch ankündigte, wurde heute Morgen zur Gewissheit. Lieber K, wir werden dich sehr vermissen.

*Auch wenn irgendwelche Spinner glauben, die natürliche Alterung des Körpers ließe sich aufhalten und umkehren, somit wäre ewiges Leben möglich. Welch furchtbare Vorstellung.

Für uns geht das Leben vorerst weiter. Heute mit einem herbstlichen Spaziergang durch die Südstadt und an den Rhein. Hier ist deutlich mehr Herbst als in Südfrankreich. Die Außengastronomien sind noch nicht überall eingeräumt, dort, wo noch Tische und Stühle vor den Lokalen stehen, sitzt niemand mehr. Der Rhein fließt bräunlich dahin, er scheint anzusteigen.

Südstadt
Rheinufer

„Das Mittel gegen den rauen Ton“ wird eine Halspastille an einer Litfaßsäule beworben. Davon sollten einige Politiker, und nicht nur die, ganz viel nehmen.

***

Kommen Sie gut durch die Woche. Wenn auch Sie Urlaub hatten, einen guten Start in den Alltag. Sonst auch.

Woche 40/2024: Auf Kosten des Hauses

Montag: „Österreich ist nach rechts gerückt“, hieß es morgens im Radio. Vermutlich rätseln die Geologen noch, wie es dazu kommen konnte. Nicht auszuschließen ist, dass Bayern und die Schweiz nachrücken werden. (Zugegeben, das war jetzt eher flachwurzelnd.)

Ansonsten verlief der erste von drei letzten Arbeitstagen vor dem Urlaub insgesamt zufriedenstellend. Ein Kollege aus der Nachbarabteilung hatte seinen letzten Arbeitstag, ab morgen ist er Pensionär. Wie stets zu solchen Anlässen, die sich in letzter Zeit häufen, beneide ich ihn ein klein wenig. Also im positiven Sinne, fernab jeder Missgunst.

Mittags nahm ich erstmals an einem Fire Side Chat mit dem Oberchef teil, von einem Townhall Meeting kaum zu unterscheiden. Letztlich eine Informationsveranstaltung vor internem Publikum in einem Konferenzsaal, mit Interview durch eine Dame der Kommunikationsabteilung und einer Q&A Session. Hauptsache es klingt modern und bedeutend. Was solls – ich werde gut dafür bezahlt, es mir anzuhören.

Etwas in Sorge bin ich wegen eines Kratzens im Rachen, das vormittags ganz dezent anfing und sich im Laufe des Tages steigerte. Zur Sicherheit verzichtete ich zum Abendessen auf den Rosé, stattdessen Rotwein.

Dienstag: Ein gewöhnlicher Dienstag mit Fußweg ins Werk und zurück, morgens mit etwas Regen zwischendurch, das war nicht schlimm. In einer Gruppe von Schulkindern sah ich ein Mädchen, das statt Ranzen oder Rucksack einen rosa Rollkoffer hinter sich herzog (erst beim Notieren bemerke ich die R-Lastigkeit des Satzes). Nun also auch die Schüler, und warum auch nicht.

Weg ins Werk vor Regenschleier

In einer Besprechung zuckte der Sprachnerv etwas, als eine Kollegin etwas als „specialig“ (sprich: sspeschelig) bezeichnete.

Das Halskratzen konnte mit Lutschbonbons kleingehalten werden, die sich allerdings negativ auf das Geschmacksempfinden auswirken. Der Genuss von Currywurst und roter Götterspeise mittags wurde dadurch nicht beeinträchtigt, wohl aber das Glücksgefühl beim Verzehr eines Nougat-Marzipan-Baumstammes am Nachmittag. Deshalb suchte ich auf dem Rückweg statt einer Gastronomie eine Apotheke auf.

Darüber könnte Max Giesinger mal singen. Titelvorschlag: Und wenn sie surft

Mittwoch: Der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub endete zeitig und ohne die gelegentlich auftretende Vorurlaubshektik, wenn kurz vor Schluss noch Sachen reinkommen, die dringend zu erledigen sind. Nun ist es für derartige Anliegen zu spät: Der Rechner ruht in der Schreibtischschublade im Büro, das dienstliche Datengerät ist ausgeschaltet.

Die Vorfreude ist bereits da, nun muss nur noch Urlaubsstimmung aufkommen. Das Rachenkratzen ist abgeklungen, dafür läuft sich die Nase gerade ein; als erste Maßnahme wurde die vorübergehende Umstellung von Stoff- auf Papiertaschentücher bereits vollzogen. Egal: Die Sachen sind gepackt, morgen früh gehts los. Immer optimistisch bleiben.

Donnerstag: Morgens brachen wir auf, sechs Stunden später erreichten wir nach recht entspannter Autofahrt Beaune im Burgund, mittlerweile traditionell unser Zwischenziel auf der Reise in den Süden. Unterkunft nahmen wir wieder im Hotel la Poste, obwohl wir beim letzten Mal unzufrieden waren, weil die gebuchte Suite (man gönnt sich ja sonst nichts) sich als geräumige Dachkammer mit defektem Dachfenster erwiesen hatte. Nachdem der Liebste sich per Mail ausführlich beschwert hatte, Cc an die französische Tourismus-Ministerin, darauf muss man erstmal kommen, zeigte sich die Hausleitung zerknirscht und bot uns an, beim nächsten Aufenthalt, also jetzt, in der besten Suite zu residieren, und zwar, das ist das beste, auf Kosten des Hauses. Ich finde das etwas übertrieben, aber nun sind wir hier und sehr zufrieden. Von der Terrasse blickt man über die Stadt und auf die Weinberge. Leider ist es inzwischen zu kühl für längeres Terrassenverweilen, irgendwas ist ja immer.

Beaune im Abendlicht
Hinten die Côte d‘Or

Was auch ist: Die Erkältung plagt mich weiterhin mit Nasenlauf, Hustenreiz und Kopfdröhnen wie nach übermäßigem Alkoholverzehr am Vorabend. Zwar hatten wir gestern Abend auf den Urlaub angestoßen, von Übermaß kann indes keine Rede sein. Jedenfalls verzichtete ich nach Ankunft in Beaune auf eine Runde durch die Stadt mit dem Liebsten und hielt ein Schläfchen; wenn man schon die beste Räumlichkeit bewohnen darf, sollte man das nutzen. Anschließend teebegleitetes Bloggen, voila.

Für das Abendessen hatte der Liebste schon vor Monaten in einem Restaurant in der Stadt reserviert. Das Essen war ausgezeichnet, wegen der Erkältung allerdings Appetit und Genuss eingeschränkt. Bedauerlich, aber nicht zu ändern.

Freitag: Zwei kleine Kritikpunkte wies das Hotelzimmer doch auf, so klein, dass eine Mail ans Ministerium unangemessen erscheint. Zum einen fehlen auch hier Jackenhaken; immer wieder frage ich mich, warum die meisten Hotels an dieser Kleinigkeit sparen. Vielleicht sollte ich gelegentlich nach Reisejackenhaken recherchieren, die man ins Türblatt einhängen kann, vielleicht gibt es sowas. Zum anderen die Dusche: Zwar mit extravaganter Armatur, doch ohne Möglichkeit, die Brause über Kopf irgendwo einzuhängen, um sich darunter berieseln zu lassen. Stattdessen muss man sich mit der Brause in der Hand bewässern. Als Spritzschutz gegen das Badezimmer ein gerade mal etwa vierzig Zentimeter breiter Glasstreifen, entsprechend sah der Boden neben der Wanne aus, als ich abgebraust war.

Extravagente Armatur

Auch die Weiterfahrt nach Malaucène verlief entspannt, auffallend viele deutsche Autos waren unterwegs. Nach Verlassen der Autobahn in Bollène wurden wir von einem LKW hinter uns bedrängt und angehupt, dessen Fahrer die zulässigen achtzig Stundenkilometer offenbar für einen nicht ernst zu nehmenden Vorschlag hielt. Im nächsten Kreisverkehr, derer es hier viele gibt, ließen wir ihn vor.

Bei Meursault

Nach viereinhalb Stunden Fahrt kamen wir an unserem Haus an. Die Sonne scheint, leichter Mistral pustet den Himmel blau. Wunderbar.

Kurz nach Ankunft. Bitte denken Sie sich den Wind dazu

Samstag: Der erste Tag in Malaucène verlief bei erfreulichem Wetter ohne besondere Unternehmungen. Alles Weitere ist hier nachzulesen.

Sonntag: Vergangene Nacht träumte ich, mein Bruder wäre mit einem Lied über Biertrinken zum Youtube-Star geworden, man muss sich wirklich wundern, was sich so ein Hirn zusammenspinnt, während man schläft. Da sich das Thema über mehrere Traumphasen hinweg hielt, schaute ich morgens zur Sicherheit nach, bekam nur die Fratze das Antlitz von FDP-Kubicki angezeigt, schloss Youtube daher schnell wieder; schlimm genug, sich mit dem den Familiennamen teilen zu müssen. Lieber M., wenn ich was übersehen habe, lass es mich bitte wissen.

Des Himmels Blau war morgens hinter einer dichten Wolkendecke verschwunden, für den weiteren Verlauf des Tages war Regen angekündigt. Der perfekte Tag zum Nichtstun. Und also taten wir: Der Liebste zog sich nach dem Frühstück zum Lesen und Genesen in die Gemächer zurück, ich begab mich in Daunenjacke in den Liegestuhl auf der Terrasse, wo ich auf Empfehlung des daheim gebliebenen Geliebten die heute-Show und Böhmermann, außerdem Nuhr vom vergangenen Freitag nachschaute, danach las ich weiter im Stanišić. Vorläufiges Urteil nach der ersten Hälfte: Nach dem Auslesen werde ich das Buch wohl in einen öffentlichen Bücherschrank bringen. Wenn Sie es haben wollen, melden Sie sich gerne. Am frühen Nachmittag kam der erwartete Regen, nur so wenig, dass die Dachziegel über der Terrasse die Tropfen aufsaugten, es rann nichts vom Dache herab. Unterdessen terrorisierte eine Gruppe PS-Freunde über längere Zeit die Umgebung, indem sie mit motordröhenden Fahrzeugen ohrenscheinlich in größerer Anzahl den Mont Ventoux überquerten.

Erst abends verließen wir Haus und Grund für das Abendessen im Ort.

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Kommen Sie gut durch die Woche. Falls Sie eine Erkältung oder Schlimmeres plagt, baldige Genesung.

Woche 26/2024: Von keinerlei Fußballgetöse belästigt

Montag: Die zweite Urlaubswoche begannen wir mit einer längeren Radtour über Le Barroux, La Roque-Alric und Suzette, dank Elektrounterstützung auch in dieser herausfordernden Topografie wieder sehr vergnüglich. Das Fahrrad hat vier Fahrstufen, von wenig bis viel Schubkraft. Warum ausgerechnet die zweitstärkste Stufe „Sport“ heißt, erschließt sich nicht direkt.

Unterwegs hörte ich laut und deutlich eine Zikade zirpen. Das fand ich beruhigend, siehe meine vergangenen Dienstag geschilderten diesbezüglichen Ausfallerscheinungen.

Blick auf Le Barroux
La Roque-Alric
Drogenanbau bei Suzette mit Blick auf den Mont Ventoux
Provencepostkartenmotiv am Col de la Chaîne
Der Chronist in touristischer Betätigung

Nach Rückkehr in Malaucène suchten wir für das Belohnungsgetränk die Lieblingsbar auf. Von unserem Platz aus sahen wir auf einen Stromverteilkasten, der vermutlich nach heftiger Berührung mit einem Kraftfahrzeug völlig demoliert war, Techniker waren bereits mit der Behebung des Schadens beschäftigt. Dadurch fiel in den umliegenden Gaststätten der Strom aus. Nach einiger Zeit hatte die Techniker offenbar einen Weg gefunden, die Stromversorgung an dem zerstörten Verteiler vorbei wieder herzustellen, begleitet von einem allgemeinen erleichterten Aaah … gingen Lichter und Musik wieder an. Die Versorgung mit Kaltgetränken war zu jeder Zeit sichergestellt.

Abendessen erstmals in einem sehr netten Bistrot in Beaumont-du-Ventoux, hin und zurück mit den Fahrrädern. Während der Rückfahrt wurde beeindruckendes Abendrot geboten.

..

Dienstag: Heute unternahmen wir eine Ausfahrt in Richtung Luberon, zunächst zur als Postkartenmotiv bekannten Abbaye de Sénanque. Auf die Idee waren augenscheinlich auch viele andere Touristen gekommen, es herrschte ein ungewöhnlich hoher Andrang an Menschen und Fahrzeugen, deshalb verzichteten wir auf einen Ausstieg; wir kennen den Ort von früheren Besuchen, sehr viel wird sich seitdem nicht verändert haben.

Archivbild von 2022

Weiter ging es nach Fontaine-de-Vaucluse, um einen Blick in das Quellbecken zu werfen. Dieser wurde dem geneigten Touristen verwehrt, etwa hundert Meter vor der Naturattraktion versperrt eine massive Holzbarriere den Weg wegen Steinschlaggefahr. Auch das war verschmerzbar, aus Vorjahren kennen wir die Quelle in allen Pegelständen. Ungetrübt dagegen das Vergnügen einer Einkehr in das nahe Restaurant Philip, eine der schönsten mir bekannten Gaststätten direkt an und mit Blick auf die soeben entsprungene Sorgue.

La Sorgue kurz nach dem Schlüpfen
Alte Elektrikerregel: immer schön im Stromkreis arbeiten

Wichtiger Bestandteil eines Urlaubs ist das Schreiben von Postkarten. Das erledigte ich nach Rückkehr in Malaucène, während ein paar Regentropfen fielen. Vielleicht kommen die Karten ja vor uns in Deutschland an.

Mittwoch: Das Ende des Urlaubs rückt näher. Nach Besuch des örtlichen Wochenmarktes sowie der Poststelle zum Erwerb von Briefmarken* unternahmen wir die letzte Radtour, morgen geben wir die Räder wieder ab. Diese führte durch den Nachbarort Entrechaux. Bei der Planung der Tour führte uns die Komoot-App gleichsam hinter die Fichte, ein Streckenabschnitt erwies sich als fahrraduntauglicher Waldpfad über groben Schotter, beinahe wäre der Liebste abgeworfen worden. Nach spontaner Umplanung wurde es dennoch ganz schön.

*Sondermarken mit Baguette-Motiv, die angeblich sogar danach riechen, wenn man daran reibt. Ich rieche allerdings nichts, jedenfalls nichts brotähnliches. Vielleicht ist nicht nur mein Gehör eingerostet.

Entrechaux

Daran schloss sich ein ruhiger, von sanftem Lufthauch umspielter Liegestuhlnachmittag an. Für das Abendessen hatten wir vormittags auf dem Markt eingekauft, im Haus waren ausreichend Getränke vorrätig, somit bestand kein Grund, das Grundstück heute noch einmal zu verlassen.

Einer der zahlreichen Vorzüge dieses Ortes: Man wird von keinerlei Fußballgetöse belästigt.

Donnerstag: Bezüglich des Wochentags gilt weiterhin der bereits in der Vorwoche geäußerte, mit noch deutlicherer Betonung auf och nö.

Ein sehr heißer Tag ohne nennenswerte Luftbewegungen. Nach dem Frühstück fuhr der Liebste zur Einkäufe-Erledigung nach Vaison, ich blieb im Schatten sitzen und widmete mich einer bereits vor drei Jahren begonnen, danach nicht mit gebotener Konsequenz weitergeführten Schreibarbeit. Der Schreibfluss stellte sich bald wieder ein, die Worte flossen zu Papier. In meinem Kopf ist die Geschichte, ganz ohne autobiografische Anteile, Liebesbeziehungsgewusel und Kopulationsanbahnungen, schon lange fertig, sie muss nur noch aufgeschrieben werden. Bis zu meiner Pensionierung könnte es geschafft sein, vielleicht auch erst wenig später. Es hat keine Eile.

Nachmittags brachten wir die Fahrräder zurück, anschließend kühlten wir uns innerlich unten im Ort per Getränke, ehe wir uns durch die Hitze wieder nach oben zu unserem Haus bemühten. Erstmals in diesem Urlaub erlag ich nach Rückkehr der Verlockung der äußerlichen Kühlung im Schwimmbecken und erwog kurz, auch das Abendessen darin einzunehmen.

Ich äußerte es bereits, wiederhole es aus gegebenem Anlass gerne: Roxanne von The Police ist ein ganz und gar furchtbares Lied.

Freitag: Auch den letzten Urlaubstag verbrachten wir ohne besondere Aktivität bei erheblicher Hitze. Nach dem Frühstück trug ich zum letzten Mal den Liegestuhl in den Garten unter die Zypresse, um mich der Lektüre zu widmen und am Dasein zu erfreuen. Die Rasenfläche drumherum ist übersät mit kleinen weißen Schnecken zwischen wenigen Millimetern und maximal etwa einem Zentimeter Größe. Nicht hunderte, es müssen tausende sein, die regungslos an den Halmen harren und dort die Hitze verschlafen, an manchen Büschen in größeren Gruppierungen. So viele, dass es nicht möglich ist, den Garten zu betreten, ohne einige von ihnen zu zertreten, wie sie, vergeblich, durch sanftes Knacken unter jedem Schritt kundtun. Tut mir leid.

..
Nur der HERR hat sie gezählet

Nachmittags suchten wir zur äußeren Kühlung nochmals das Schwimmbecken auf, wo ich, als Karma-Ausgleich für die zertretenen Schnecken, mehrere Großameisen, Minigrashüpfer und einen Marienkäfer vor dem Ertrinken rettete. Die Grashüpfer waren allerdings zu blöd und hüpften gleich wieder rein.

Auf den Gang in den Ort zur inneren Kühlung verzichteten wir wegen der Hitze, erst abends gingen wir runter zur traditionellen Letztabendpizza.

Ansonsten lag die übliche Urlaubsendmelancholie über dem Tag. Die meisten Sachen sind gepackt, morgen früh verlassen wir diesen wunderbaren Ort mit der Aussicht auf Rückkehr für eine Woche Anfang Oktober. Falls bis dahin Reisen nach Frankreich noch ratsam erscheinen, keine neue Pandemie ausbricht oder anderes Ungemach droht, man muss ja leider mit vielem rechnen. Bis dahin ist es zu Hause in Bonn auch ganz schön.

Samstag: Vielleicht um den Abreiseschmerz zu lindern lag morgens gelblicher Dunst in der schon warmen Luft, die nächste Lieferung Saharasand. Über den Bergen dunkle Bewölkung, Vorboten der für heute erwarteten schweren Gewitter, insofern war der Abreisetag gut gewählt. Die Gelbfärbung blieb während weiter Strecken der Fahrt erhalten, ab und zu fiel etwas Regen, der sandige Pusteln auf dem Wagen hinterließ.

À bientôt! (Warum das Schild – nicht nur hier – umgedreht ist, können Sie bei Bedarf hier nachlesen.)

Die Außentemperatur lag laut Anzeige stets um die dreißig Grad, sogar noch am frühen Abend in der Eifel, was einen interessanten Widerspruch bildete zum trüben Himmel und der Klimaanlagenkühle im Wagen. Nur bei den Halten zum Fahrerwechsel bestätigte sich die Richtigkeit der Anzeige.

Nach zehneinhalb Stunden Fahrt kamen wir zu Hause in Bonn an, wo der Geliebte im Rahmen seiner Möglichkeiten Wiedersehensfreude zeigte.

Zur Nacht kamen auch hier heftige Gewitter auf.

Sonntag: Eines der nächtlichen Gewitter grummelte bis zum Mittag noch etwas nach.

Während des Brausebades sang Bob Marley im Radio „No Woman No Cry“. Wenn du wüsstest, rief ich ihm gedanklich zu.

Auch heute passten meteorologische Optik und Temperatur nicht zusammen. Nur selten zeigte sich kurz die Sonne, dennoch war es auch für eine wandelnde Frostbeule wie mich im T-Shirt draußen gut auszuhalten. Der erste Sonntagsspaziergang nach dem Urlaub fiel daher lang aus mit Einkehr in der Südstadt. Am Nebentisch unterhielten sich zwei junge Frauen mit dem üblichen Vokabular wie „krass“, „what?“ und „mega“. Außerdem fiel mehrfach „random“, das ich nachschlagen musste. Danach war ich mir nicht sicher, ob es immer passte.

Ein Blick über den Rhein auf das sonnenbeschienene Siebengebirge brachte schließlich erneut die Erkenntnis: So ganz schlecht ist es hier auch nicht. Und der Juli-Inseltag steht schon im Kalender.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 24/2024: Kopulationsjuchzer aus dem Nebenzimmer in der Morgenstunde

Montag: Da sich direkt an den regulären Arbeitstag ein Abteilungstreffen in Bad Honnef mit Übernachtung anschloss, nahm ich morgens statt Fahrrad die Stadtbahn. Die kam wegen einer nicht zu übersehenden Störung – alle paar Meter bremste sie ruckartig ab – nur eine Haltestelle weit, am Hauptbahnhof hieß es aussteigen bitte und die nächste Bahn nehmen, die unmittelbar folgte, immerhin. Warum sollte ein alter Stadtbahnzug auch montags besser in die Gänge kommen als der müde Fahrgast darinnen.

Die Formulierung „Magst du …“ anstelle von „Würdest du bitte …“ mag ich auch besonders.

Auch nicht schlecht: „Sorry, dass ich das highjacke“, gehört und notiert in einer Besprechung.

Gunkl schreibt: „Zwischen den Zeilen sind meist nur Unterstellungen des Rezipienten.“

Dienstag: Nach längerer Zeit mal wieder eine kollegiale Zusammenkunft mit gemeinsamem Abendvergnügen. Dank einigermaßen umsichtiger Getränkezufuhr am Vorabend und nicht allzu später Nachtruhe (die letzten hatten es bis halb vier in der Frühe am Glas ausgehalten) ging es mir heute passabel, zu keiner Zeit drohte trotz zeitweise gewisser Längen im Veranstaltungsverlauf die Gefahr zufallender Augen.

Nach der Tagung ließ ich mich am Mutterhaus absetzen, brachte den Rechner ins Büro, räumte den Maileingang auf, verfasste eine Unmutsbekundung wegen nicht erfolgter Lieferung einer Stellungnahme, die ich bis spätestens heute benötigt hätte, um die vierwöchige Verzögerung einer Angelegenheit zu vermeiden, und ging guter Laune zu Fuß nach Hause.

Gehört von einem Kollegen, dem ich derartiges gar nicht zugetraut hätte: „Ein guter Schluss ziert alles.“

Mittwoch: Nach meinem Empfinden, was die Verwandtschaft zu „empfindlich“ besonders deutlich macht, ist es zurzeit juniunangemessen kalt, was (noch) schlichtere Gemüter auf die Idee bringen könnte, das mit der Klimaerwärmung sei nur grünes Geraune.

Mittags begab ich mich vom Mutterhaus ins Nebengebäude, wo ich selbst bis vor Kurzem noch meinen Schreibtisch hatte, weil sich dort eine liebe Kollegin mit Sekt und Imbiss (und ein paar Tränen) in den Ruhestand verabschiedete. Wieder eine, die es geschafft hat und die ich ein wenig vermissen werde.

Vormittags erreichte mich die Meldung über eine äußerst lästige IT-Imponderabilie, die zum Glück sehr schnell gelöst werden konnte. Ansonsten verlief der vorletzte Arbeitstag vor dem Urlaub ohne nennenswerte Brisanz, was ich mir für morgen ebenfalls und ganz besonders erhoffe.

Donnerstag: »Dagegen ist für Carsten Kubicki der „Unsinn“ ein Sprach-Knüller. „Es bringt in wunderbarer Weise den alltäglichen Irrsinn in der Welt auf den Punkt.“«, steht im General-Anzeiger, der letzte Woche dazu aufgerufen hatte, man möge sein Lieblingswort einsenden. Eingesandt hatte ich nicht Unsinn sondern Unfug, aber ich bestehe nicht auf einer Richtigstellung; Sie wissen es ja jetzt.

Aus Wörtern werden Sätze, die sich manchmal zu sprachlichen Diamanten verdichten, wie hier in der FAZ:

„Tatsächlich hatte Hofreiter alle Symptome der Dissoziation bedienend erstaunlich hyperkomplex und ausufernd unterschieden zwischen Realität und Wahrnehmung, als habe das Wahre und Gute in seiner Partei einen ontologischen Status inne, der ihm offenbar selbst im unbewussten Knochenbau sitzt und nur bei gestörter Wahrnehmung in Abrede gestellt werden kann.“

Alles klar?

Im Übrigen verlief der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub geschmeidig, mit gutem Gewissen und bei leerem Maileingang schaltete ich zur vorgesehenen Zeit Rechner und dienstliches Datengerät aus und ging sonnenbeschienen zu Fuß nach Hause.

Freitag: Erster Urlaubstag. Nachmittags erreichten wir Beaune, wo wir eine Nacht bleiben, ehe es morgen weitergeht nach Malaucène. Das Hotel, erst kürzlich renoviert, macht äußerlich einen gehobenen Eindruck, lässt indes innerlich in Details zu wünschen übrig. Für die eine Nacht völlig ausreichend.

Frontansicht
Detailansicht

Abendessen in einem Restaurant in der Stadt, erfreulich unbehelligt von Fußballgeschrei und -gehupe.

Aus der Zeitung:

Über Elektroroller: „Im vergangenen Winter hatten (die Anbieter) demnach jedoch ihre E-Scooter-Flotte in einzelnen Städten wegen Glatteis und Schneefall proaktiv deaktiviert.“

Über die Bahn: „Im Regionalverkehr der Deutschen Bahn war fast jede zehnte Toilette im vergangenen Jahr defekt“ – Ein Phänomen der letzten etwa dreißig Jahre. Zuvor, ich erinnere mich noch gut, waren Toilettenstörungen in Zügen undenkbar, weil sich nach dem Geschäft unten eine Klappe öffnete und die Hinterlassenschaften auf den Gleiskörper entließ. Ein weiterer Beleg dafür, dass früher nicht alles besser war, nur vieles anders.

Samstag: Ein weiteres Detail, das dem Hotel allenfalls als gewisse Hellhörigkeit anzulasten ist, waren Kopulationsjuchzer aus dem Nebenzimmer in der Morgenstunde. Beim Frühstück hielt ich Ausschau, wem dieses Vergnügen möglicherweise zuzuordnen wäre, fand jedoch unter den anwesenden Personen keine, bei denen ich mir das vorstellen konnte oder wollte.

Absurde Synonymsucht in der Zeitung: „In der benachbarten Region Cherson zog sich Moskau im November 2022 aus der größten Stadt und Hauptstadt gleichen Namens zurück.“

Nach dem Frühstück setzten wir die Fahrt fort nach Malaucène, das wir nach staureicher Fahrt am Nachmittag erreichten. Unterwegs sahen wir blühende Lavendelfelder, entsprechende Bilder denken Sie sich bitte, auch der Lavendel ist in diesem Jahr früh dran. Nachdem wir die Autobahn verlassen hatten, hüllte sich das Zielgebiet in Gewölk, auch der sonst weithin sichtbare Mont Ventoux verschwand vollständig darin. Als wir nach Ankunft das Haus übernahmen, schien die Sonne bei angenehmen zwanzig Grad. So darf es gerne bleiben.

Gewölk

Nach dem Auspacken und Einrichten holten wir im Städtchen die Fahrräder ab, die der Liebste vorbestellt hatte, auf dass wir in Bewegung bleiben, wenn auch elektrisch unterstützt.

Unsere Maison

Abendessen am Ankunftstag traditionell in der Pizzeria. Nach Rückkehr schauten wir à la maison in Rosébegleitung dem Himmel bei der Dunkelwerdung zu, derweil der Mond um die Bäume lugte.

Sonntag: Der erste Tag am Urlaubsort verlief, wie die Tradition es fordert, in süßer Liegestuhl-Untätigkeit vor dem Haus, jedenfalls bei mir, während der Liebste die erste Radtour in die nähere Umgebung unternahm. Über uns blauer Himmel, dazu ein sanfter, wohltemperierter Lufthauch. Aus dem Haus kommt leise Radio Nostalgi, in den Bäumen nebenan zwitschern Vögel, genauer: Rotkehlchen und Berglaubsänger, wie der Liebste per App ermittelte. Ich bin für derlei Recherchen ja meistens zu bequem. Alles in allem sehe ich die Vorfreude der letzten Wochen als erfüllt an.

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Kommen Sie gut durch die Woche mit möglichst wenig Unfug.