Woche 25/2022: Perfekter Service, unaufgeregter Regen und haarige Männerbeine

Montag: Der erste Tag der zweiten Urlaubswoche begann mit einem guten Frühstück. Wir sind in Beaune (Burgund) in einem sehr guten Hotel. Zu loben ist (neben den ausreichend dimensionierten Saftgläsern) die Frühstückszeit bis elf Uhr; vergangene Woche auf dem Schiff mussten wir bis neun am Platz sein, was täglich ein unurlaubshaftes Frühaufstehen erforderte. Daran gewöhnt, war ich auch heute bereits um sieben wach und hätte erforderlichenfalls aufstehen können. Mangels Erfordernis blieb ich liegen, schlief nochmal ein und träumte, ich führte ein Privatgespräch mit Angela Merkel. Sie war sehr sympathisch, wir verstanden uns bestens. Keine Sorge, es geht mir gut.

Nach dem Frühstück fuhren wir durch die Umgebung. Es ist immer noch heiß, wenngleich etwas weniger als die Tage zuvor.

Das Burgund ist bekannt für seinen Drogenanbau im höheren Preissegment.
La Rochepot
Chagny

Während der Fahrens sahen wir immer wieder regionaltypisch helle Rinder, die augenscheinlich zufrieden grasten oder sich im Schatten der Bäume niedergelassen hatten. Eigentlich hat es so ein Rind gut: Es sorgt sich nicht um morgen, Klima, Krieg und Corona, was ziehe ich an, hat stets zu fressen, und zu gegebener Zeit wird es nach letaler Entnahme zu Rumpsteak, Kotelett und anderen Leckereien verarbeitet, wohingegen wir nach Ende der Laufzeit nutzlos vergraben oder verbrannt, bestenfalls kompostiert werden.

Dienstag: Der Tag begann trübe und deutlich kühler. Morgens regnete es leicht, was uns nicht davon abhielt, (als einzige) das Frühstück beschirmt auf der Hotelterrasse einzunehmen. Wenn man hier ein gekochtes Ei essen möchte, bereitet man es sich selbst zu. Dazu steht ein Behälter mit kochendem Wasser bereit. Das rohe Ei legt man in eine farbig markierte Haltevorrichtung, die an den Behälterrand gehängt wird, auf dass wallendes Wasser das Ei garend umspüle. Zur Kontrolle der Kochzeit dienen Sanduhren mit drei, vier und fünf Minuten Rieseldauer. Die von mir gewählten vier Minuten erwiesen sich als zu kurz, nach dem Köpfen war das Ei innen noch sehr flüssig. Morgen versuche ich sechs Minuten nach Armbanduhr, vielleicht auch sieben, ich habe ja Zeit.

Pünktlich zum Mittag, als wir zu einer weiteren Tour in die Umgebung aufbrachen, brachen auch die Wolken auf und die Hitze kehrte zurück. Daher sah ich bei der Einkehr am Nachmittag in Nuits-Saint-Georges zunächst davon ab, einen Rosé zu bestellen.

Sonnenbrillen sind albern.

Mittwoch: Das Frühstücksei war perfekt. Seine Zubereitung indes mysteriös: Wie geplant hängte ich es in den Behälter mit kochendem Wasser, um es sieben Minuten später herauszuholen. Irgendwann brachte mir die Bedienung unaufgefordert ein gekochtes Ei an den Tisch. Ob es das von mir zuvor eingehängte war, weiß ich nicht, und woher sie von meinem Siebenminuteneiwunsch wusste blieb ihr Geheimnis. Wie auch immer – so geht perfekter Service.

Vormittags verließen wir Beaune mit Ziel Arbois im Jura, wo der Liebste Unterkunft außerhalb des Ortes gebucht hat. Uns wurde eine Suite zugewiesen mit einem Sprudelbecken für zwei Personen im Schlafzimmer, von dem wir aus Gründen der Ressourcenschonung jedoch keinen Gebrauch machten.

Allee bei Chaussin, etwas nachbearbeitet

Bei Ankunft gab es ein Gewitter, das in angemessenem Abstand an uns vorbeizog, wohingegen es in der Gegend um Beaune ziemlich heftig gewütet haben muss.

Das Hotel am nächsten Tag, ohne Gewitter

Direkt unter unserem Balkon rauscht ein kleiner Wasserfall. Inwieweit er die Nachtruhe beeinträchtigt, wird sich zeigen. Zur Not haben wir noch die Ohrstöpsel vom Schiff.

Donnerstag: Ohrstöpsel waren nicht erforderlich. Das Zimmer ist nach außen gut schallisoliert.

Vormittags, als die Sonne noch nicht allzu sehr stach, machten wir einen Rundgang durch die örtlichen Fluren, vorbei an einem weiteren Wasserfall. Nachmittags unternahmen wir eine Ausfahrt in die Umgebung mit Weinkauf. Auch hier im Jura gibt es gute Weine, wobei manche durch ihre Sherry-Note zunächst gewöhnungsbedürftig sind.

Bei Les Planches-près-Abois

Auf dem Rückweg machten wir Halt in einem Supermarkt, um uns einen Überblick über das lokale Schaumweinangebot zu verschaffen. Während des Schauens räumte ein offenbar gut gelaunter Angestellter Weinflaschen von einer Palette in die Regale, dabei pfiff er „Désormais“ von Charles Aznavour und verschaffte mir so für den Rest des Tages einen durchaus angenehmen Ohrwurm.

Jetzt, da ich dieses notiere, sitze ich auf dem Balkon, unter mir rauscht der Hauswasserfall, aus Südwesten grollt das nächste Gewitter heran. So könnte ich Tage, Wochen verbringen: sitzen, schauen, lesen, etwas schreiben. Gerne auch ohne Gewitter.

Freitag: Morgens regnete es. Als wollte das Wetter uns den Abschied zur Abreise leichter machen. Wobei ich Regen ja grundsätzlich mag, in Maßen, versteht sich, nicht in verheerenden Sturzfluten. Dieser war guter Regen, unaufgeregt fiel er senkrecht zu Boden, ohne Böen, Hagel, Blitz und Donner. Beim Frühstück hätte ich gerne noch länger zugeschaut, wie vor dem Fenster dicke Tropfen im Gewässer unterhalb des kleinen Wasserfalls Blasen schlugen. Aber wir mussten los, wenn es am schönsten ist, Sie wissen schon.

Unaufgeregter Regen

Der Regen blieb während der Fahrt ständiger Begleiter, mal als graue Front in der Ferne, mal waren wir mittendrin und zuckelten aus Sicherheitsgründen langsam hinter Lastwagen her, warum nicht, wir hatten es nicht eilig. Die Welt wäre wohl friedlicher, nähmen wir Menschen es gelassener hin, dass Dinge so lange dauern, wie sie eben dauern.

Aufgeregter Regen

Dann meldete das Auto auch noch Öldurst, der an der nächsten Raststätte gestillt wurde.

Samstag: Zu Hause ist es auch schön. Spätestens nach der ersten Nacht im eigenen Bett, der ersten Sitzung auf heimischer Brille wird dies immer wieder deutlich.

Besorgungen ließen mich die menschengefüllte Fußgängerzone aufsuchen. Im Vorbeigehen sah ich aus den Augenwinkeln einen jungen Mann am Straßenrand sitzen, vor sich drei Becher mit Schildern, die ich erst richtig wahrnahm, als ich schon dran vorbei war; die visuelle Wahrnehmung benötigte wohl ein paar Sekunden, bis sie in den zuständigen Hirnwindungen angekommen war. Auf den drei Schildern stand: „LSD“, „Bier“ und noch was anderes, vielleicht „Tabak“, ich wollte nicht nochmal zurück gehen. Auch weiß ich nicht, ob hierdurch die Spendenbereitschaft der Vorbeigehenden positiv beeinflusst wurde.

Im Übrigen habe ich den subjektiven Eindruck, der Anteil der Gehenden, die ihr Umfeld ausschließlich über das Display ihres Datengerätes wahrnehmen, ist nochmals angestiegen.

Sonntag: Unter der Überschrift „Das nervt uns im Sommer“ beklagt die Sonntagszeitung neben anderem behaarte Männerwaden in kurzen Hosen. »Shorts lassen erwachsene Männer wie Kinder wirken. Verschwitzte, behaarte Unterschenkel sind unappetitlich. Vor allem aber lassen sie jedwede Eleganz vermissen«, so der vermutlich männliche Verfasser, ganz klar ist das nicht erkennbar. Als Alternative rät er, einen langen Rock zu tragen. Mit Verlaub – das ist so ziemlich das Dümmste, was ich seit langem gelesen habe. Was ist lächerlicher, deprimierender anzusehen als rasierte Jungsbeine, womöglich noch tätowiert? Und über Männer in Röcken möchte ich mich lieber nicht äußern. Deshalb für alle, die es ähnlich sehen, dieses:

Archivbild aus dem vergangenen Jahr

Was wirklich nervt: Wenn man mich, wie jetzt geschehen, „Liebe:r Carsten“ anschreibt.

Auch aus der Sonntagszeitung:

F.A.S. vom 26.6.2022

Ich verstehe die Frage nicht.

Gesehen am Wegesrand während des Spaziergangs; wieder so etwas, wo ich gerne die Geschichte dahinter wüsste:

Bonn, Friedrichstraße

***

Das war es mal wieder mit dem Urlaub. Die Vorfreude auf die Werktätigkeit ab morgen hält sich in Grenzen, aber das kommt bestimmt noch. Kommen Sie gut durch die Woche!

Woche 20/2022: Herbst im Mai und kosmopolitisch in der Eifel

Montag: Vierte und letzte Etappe der Tagungstournee in Bad Breisig. Dieses Mal bin ich mit der Bahn angereist, die bereits wenige Minuten nach Abfahrt in Bonn wegen einer Bahnübergangsstörung auf freier Strecke stehen blieb, vielleicht war dem Schrankenwärter unpässlich. Doch ist es nicht zu beklagen, mit nur zwei Minuten Verspätung kamen wir am Ziel an, nach Bahnmaßstäben, wonach alles bis sechs Minuten als pünktlich gilt, somit vor der Zeit.

Das Hotel heißt „Vier Jahreszeiten“, wobei mittlerweile augenscheinlich der Herbst dominiert. Auch das ist nicht zu beanstanden, ich mag den Herbst, auch im Mai. Und der Jüngste bin ich auch nicht mehr, da darf hier und da schon mal die Farbe etwas gilben.

Ein Restaurant am Rheinufer preist auf einer Tafel „Frische Pasta“ an, genau so in Anführungszeichen. Die vielleicht besser nicht bestellen.

Dienstag: Das Hotel wirbt mit „Erholung und Erlebnis am Rhein“. Mein Erlebnis am Morgen: Die Dusche wurde nicht warm, nicht einmal lau. Vielleicht ist jetzt auch der geeignete Zeitpunkt, das Kaltduschen zu üben, wenn bald das Gas knapp wird.

Mittwoch: Erinnern Sie sich noch, wann Sie sich das letzte Mal über Ihre eigene Schusseligkeit geärgert haben? Bei mir war das heute Abend. Das kam so: Wir waren heute zu zweit im Büro. Der Kollege hatte am späteren Nachmittag ein Gespräch mit dem Chef, danach wollte er zu uns kommen, um Wein abzuholen. Derweil machte ich, der Werktätigkeit für heute müde, Feierabend, schloss das Büro ab und fuhr nach Hause. Kurz nach 19 Uhr rief der Kollege an, er hätte bei Aufbruch zum Chef vergessen, seinen Büroschlüssel mitzunehmen, nun stand er vor verschlossener Tür. Daher überwand ich vorübergehend meine Abneigung gegen das Autofahren, lud den Wein ein und fuhr zum nicht weit entfernten Werk, den Kollegen zu erlösen und ihm dabei gleich den Wein zu übergeben. Nun dürfen Sie gerne raten, wer noch vergaß, den Büroschlüssel einzustecken. Ein Anruf beim Werks-Sicherheitsdienst löste dann das Problem.

Donnerstag: Noch eine Dienstreise, zweitägige Abteilungstagung (beziehungsweise „Offsite“, wie man das jetzt nennt) in der Eifel, derselbe Ort wie bei der letzten Dienstreise im März 2020 vor der Seuche, danach gab es aus bekanntem Grund lange Zeit keine mehr.

Nachmittags zog ein erhebliches Gewitter über das Land, vom Balkon meines Zimmers aus gut zu betrachten:

Nach dem Gewitter, als der zuvor gefallene Regen in weißen Dampfschwaden wieder gen Himmel strebte, machten wir einen gemeinsamen Spaziergang, „Walk the talk“ genannt (wtf?), was eigentlich, wie mir die englischkönnende Kollegin erklärte, mit „Den Worten Taten folgen lassen“ zu übersetzen wäre, hier also nicht sonderlich gut passte; egal, Hauptsache es ist englisch und klingt modern-kosmopolitisch, auch und gerade in der Eifel.

Und also walkten und talkten wir auf regennassen Pfaden, entsprechend sahen die Schuhe danach aus. Früher (ich merke selbst, wie ich mit zunehmendem Alter immer öfter Sätze mit diesem Wort beginne) gab es auf Hotelfluren einen Schuhputzautomaten, unter dessen rotierenden Bürsten man gleichsam im Vorbeigehen das Schuhwerk reinigen konnte, heute stand ich am Waschbecken und unterzog es mithilfe von Einwegtüchern aus dem Einwegtuchspender im Bad einer nur groben Säuberung.

Ansonsten ist das Hotel recht ordentlich. Im Zimmer gibt es Jackenhaken, was mir nicht viel nützt, da ich wegen Sommertemperaturen dieses Mal ohne Jacke reise, aber immerhin, es gibt sie. Bad und Toilette sind räumlich getrennt; das ist ungewöhnlich, aber nicht schlimm, gerade wenn man zu zweit/dritt reist, kann es von Vorteil sein. Einziges Minimanko: Sobald man das Zimmer betritt und den Lichtschalter drückt, geht der Fernseher an und belästigt den Gast mit Belanglosem. Aber das geschieht einem ja fast überall, auch ohne dass man zuvor einen Schalter betätigt.

Freitag: Als ich nach gut durchschlafener Nacht am Morgen den Vorhang zur Seite schob, waren Dorf und Umgebung in Nebel gehüllt.

Unterdessen warnte der Wetterdienst vor dem Tief „Emmelinde“, das im Laufe des Tages Nordrhein-Westfallen und das nördliche Rheinland-Pfalz mit Sturm, heftigen Gewittern, Starkregen und Hagel heimsuchen sollte, auch Tornados wären nicht auszuschließen. In Bonn wurden vorsichtshalber gar die Schulen geschlossen. Deshalb behielt ich die Wetter-App im Auge, die für die Eifel erste meteorologische Unwägbarkeiten ab dem Mittag in Aussicht stellte. Als von jeher ängstlicher Mensch mit Hang zum Katastrophisieren malte ich mir bereits aus, was uns bevorstand: Unsere Veranstaltung war bis zum Mittag angesetzt, kurz nach Abfahrt würde es losgehen – umgestürzte Bäume die Weiterfahrt verhindern, derweil daheim in Bonn eine Windhose Haus und Modelleisenbahn verheert. Würde ich meine Lieben je wiedersehen? Um zwölf trug der Kollege immer noch in aller Ruhe vor, mehrfach unterbrochen von interessierten Fragen und Anmerkungen der anderen; sahen sie nicht die drohende Gefahr? Ich schwieg indessen mit wachsender innerer Unruhe, interessierte mich nur noch für Uhrzeit und App, die die Ankunft der Apokalypse in knapp einer Stunde ankündigte.

Wieder Erwarten verlief die Fahrt ungestört, unter anderem durch das Ahrtal, wo die Zerstörungen der Flut im vergangenen Juli noch immer deutlich sichtbar sind, ein bedrückender Anblick. Als wir in Bonn ankamen, schien die Sonne, das Haus stand noch. Um 19 Uhr, dem Zeitpunkt dieser Niederschrift, ist Emmelinde weitergezogen. Wieder einmal haben wir Glück gehabt.

Samstag: Erschreckend dagegen die Bilder aus Paderborn und Lippstadt, wo Emmelinde sich gestern heftig austobte, Verwüstungen und Verletzte hinterließ. Bei solchen Ereignissen denke ich: Vielleicht bleiben uns nur noch ein paar Monate oder Wochen; die Frage ist, was zuerst kommt: eine neue Virusvariante, die alles bisherige übertrifft, die nächste Wetterkatastrophe oder der Atomkrieg. An manchen Tagen ist es um meinen Optimismus nicht zum besten bestellt, bitte verzeihen Sie.

Sonntag: Im Garten blüht der Rhododendron. Das Kind, das mal meinen Namen trug, wunderte sich einst, dass es auch weiße „Rote Dendron“ gibt. Dabei gilt die Pflanze unter Experten als umstritten, als invasive Art mache sie heimischen Gewächsen den Lebensraum streitig. Gleiches gilt für die Halsbandsittiche, die mittlerweile auch hier in der Inneren Nordstadt regelmäßig zu sehen und hören sind. Das sagt der Mensch, von allen Arten die invasivste.

Hier einige Bilder vom heutigen Spaziergang:

Bonn, Friedrichstraße. Falls Sie noch auf der Suche nach einem Geschenk sind.
Geschenke auch in Bonn-Beuel. Man beachte das Grinsegesicht.
Nicht invasiv

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Woche 31/2021: Wenn ein Sachse „Workflow“ sagt

Montag: Ich möchte Sie nicht mit Details aus dem Werksalltag langweilen. Vielleicht kennen Sie auch das beglückende Gefühl, wenn der Schmerz nachlässt, etwa nachdem man mit dem Schienbein vor den Couchtisch geknallt ist oder sich – vornehmlich als Mann – die äußeren Genitalien in der Autotür geklemmt hat, kann ja alles passieren. Ähnlich beglückend fühlte es sich an, als am späteren Nachmittag der Bürorechner herunterfuhr.

Ein kleiner Ohrwurm gefällig? Bitte sehr: Heute vor fünfzig Jahren sangen Roy Black und Anita den Hit „Schön ist es, auf der Welt zu sein.“ Gern geschehen.

Dienstag: Wenn ein Sachse in einer Besprechung oder überhaupt „Workflow“ sagt, klingt das lustig.

Ich sollte aufhören, in jedem Porsche ein Arschlochauto zu sehen. Wenigstens könnte ich mir vielleicht abgewöhnen, es ihm jedesmal laut hinterherzurufen.

Heute gab es zwei Gewitter: eins am Nachmittag draußen, das andere abends am Küchentisch. Danach war die Luft vorerst gereinigt, sowohl nach dem ersten als auch dem zweiten, wobei letzteres noch ein wenig nachgrummelte.

Das Buch „Wer alles weiß, hat keine Ahnung“ von Horst Evers ausgelesen, hat mir gut gefallen. Wegen Stellen wie dieser:

„Der Freund meiner Tochter freut sich total, dass die Fitnessstudios wieder öffnen. Ich denke: Mein Leben ist ärmer, weil ich bei den Fitnessstudios vom Vermissen ausgeschlossen war.“

Als nächstes „Das Glück des Gehens“ von Shane O’Mara.

Mittwoch: Glück des Gehens am Morgen ins Werk – nur im Gehen ergeben sich oft Wahrnehmungen, die dem Auge des geräderten Verkehrsteilnehmers zumeist verborgen bleiben.

Im Übrigen ist es oft sehr einfach, meine persönliche Stimmung zu heben.

(Für das Plastikbesteck bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung. Die Hoffnung, ab sofort wieder direkt in der Kantine von einem richtigen Teller essen zu dürfen, erfüllte sich leider nicht, stattdessen immer noch nur zum Mitnehmen, warum auch immer. Ab morgen stecke ich mir wieder Messer und Gabel ein, bevor ich zum Mahl aufbreche.)

Donnerstag: Meinem Desinteresse an Olympia (wie an Sportereignissen generell) verlieh ich schon gelegentlich Ausdruck, dennoch kann man dem als Zeitungsleser und Fernsehnachrichtenkucker nicht völlig entgehen, ist auch nicht schlimm, man kann währenddessen auf das Klo gehen und die Zeitungsseiten rasch überblättern. Was mir auffällt: Es scheint aus der Mode zu sein, für die Kameras und Pressefotos auf Goldmedaillen herumzubeißen, was mir immer schon ausgesprochen sinnlos erschien. Gilt das mittlerweile auch irgendwie als rassistisch, diskriminierend oder gesundheitsschädlich, oder weigern sich die Sportler einfach, weil sie selbst nicht erkennen, wozu das gut sein soll?

„Impfen ist ein patriotischer Akt“, sagt der Gesundheitsminister. Das wäre nun wirklich einer der letzten Gründe, die mich überzeugen könnten, wenn ich denn überzeugt werden müsste.

Freitag: Da es morgens stark regnete, fuhr ich mit der Bahn ins Werk. Die Stadtwerke weisen nun per Durchsage in Dauerschleife darauf hin, dass der Aufenthalt auf den Bahnsteigen nur im Falle von (Originalton) „Reiseabsichten“ zulässig ist, man möge die Haltestelle verlassen, wenn man nicht „auf einen Zug beziehungsweise eine Bahn“ wartet, wozu auch immer diese Differenzierung. Vielleicht aus Gendergründen? Und gilt die Fahrt ins Werk auch als Reise?

Der Arbeitstag begann mit einer Besprechung bereits um acht, in der alle durcheinander redeten. Wegen Chefteilnahme musste ich trotz tageszeitlich bedingten Desinteresses gewisse Aufmerksamkeit walten lassen. Es wurde dann dennoch ein recht angenehmer Tag.

Im Haus nebenan ist einer gestorben. Erst sechs Wochen später ist das den Hausbewohnern aufgefallen, wegen des Geruchs. Wie schlimm muss es sein, wenn einen niemand vermisst.

Samstag: Laut Zeitung sind zweiundsiebzig Prozent der Berufstätigen auch im Urlaub für Werksgedöns erreichbar. Da bin ich gerne Teil einer Minderheit, die nicht mal am Wochenende und außerhalb der Bürozeiten erreichbar ist.

Sonntag: „Es ist kein Privileg junger Menschen mehr, sich öffentlich danebenzubenehmen“, steht in der FAS. War es das jemals?

Beim Gehen gesehen:

Golgatha 2.0

Kommen Sie gut durch die Woche!

Woche 24/2021: Schonung und Regeneration

Montag: Erster Urlaubstag. „Ich mööch zo Fooß noh Kölle jonn“, für Nicht-Rheinländer: „Ich möchte zu Fuß nach Köln gehen“, sang Willi Ostermann bereits vor fünfundsiebzig Jahren. Eine ähnliche Idee kam mir vergangene Woche, als ich meinen Urlaub plante. Und also tat ich heute, wobei ich nur bis Rodenkirchen ging, von wo aus man den Dom schon deutlich sieht. Ich startete in Bonn linksrheinisch, setzte mit der Mondorfer Fähre rüber ans andere Ufer, von dort ging es bis zur Rodenkirchener Autobahnbrücke, wo ich wieder die Rheinseite wechselte und nach einer Einkehr, der ersten nach wasweißichwieviel Monaten, mit der Stadtbahn die Rückfahrt nach Bonn antrat. Auch wenn Gehen glücklich macht, was zu betonen ich nicht müde werden: Heute war es sehr anstrengend, genug des Glücks, vor allem die letzte Stunde etwa ab Köln Porz, wo ich mehrfach dachte: Porz Blitz*, wann kommt denn diese Brücke endlich? Auch das Wetter war mit Sommerhitze vielleicht nicht der ideale Wanderbegleiter. Aber die Aussicht auf den Dom ein kühles Getränk mit Hopfenanteil gab den erforderlichen Antrieb. Als nach fast siebenstündigem Marsch das erste Kölsch endlich vor mir stand, war es schön, wobei das erwartete Glücksgefühl nach entbehrungsreichen Monaten noch nicht so richtig aufkam. Das kommt bestimmt noch. Hier einige Eindrücke:

Die Mondorfer Fähre nach Ankunft ebendort
Seitenarm bei Reidt
Im Auenwald bei Niederkassel
Ein Relikt aus einer fragwürdigen Verkehrsdesign-Epoche in Niederkassel-Lülsdorf
Hinter Lülsdorf
Bei Langel
Endlich: die Brücke in Sicht
Gleich geschafft
Sie haben Ihr Ziel erreicht.

* Bitte verzeihen Sie mir, ich konnte nicht anders.

Dienstag: Die erste Hälfte des zweiten Urlaubstags diente vornehmlich der Schonung und Regeneration müder Knochen und einer Blase am Fuß.

Währenddessen gelesen: „Die einmalige Gelegenheit, das Konrad‘s sowie mich selbst neu zu erfinden, stellt eine großartige Herausforderung dar, der ich mich unbedingt stellen möchte“, sagte nicht ein Business-Kasper, sondern der Bonner Koch Felix Kaspar gegenüber der Zeitung, der demnächst die Leitung eines Hotelrestaurants übernehmen wird. Anscheinend reden Köche mittlerweile auch so. Sollen sie – Hauptsache es schmeckt.

Gegen Mittag kam ich meinen Verpflichtungen als Importeursgattin nach, indem ich die Lieferung des Drogenkuriers entgegennahm. Etwas weniger dramatisch formuliert: Ein Spediteur brachte eine Palette Wein von der südlichen Côte du Rhône für des Liebsten Geschäft. In Hoffnung auf einen kühlen Rosé am Abend machte ich mich am Nachmittag daran, die Palette aufzulösen, wie man unter uns Logistikern sagt, und die Kartons anhand der Kundenbestellungen zu kommissionieren. Zum Glück hat er wieder genug bestellt, daher schien die Hoffnung auf ein Abendglas begründet.

Nachtrag am Abend: War sie.

Mittwoch: Am dritten Urlaubstag machte ich mich auf, meine Mutter in Bielefeld zu besuchen, und zwar mit dem von mir bevorzugten Verkehrsmittel, der Bahn. Aus gleichsam bahntouristischen Gründen wählte ich für die Hinfahrt einen kleinen Umweg über Paderborn. Kurz vor Hamm diese Durchsage: „Der vordere Zugteil endet in Hamm. Der hintere fährt weiter nach Paderborn oder Kassel.“ Ein wenig irritierend die Konjunktion „oder“. Als ob sie das Ziel der Fahrt noch nicht so genau wüssten und es erst unterwegs von der Oberzugleitung mitgeteilt bekämen. Eine Art Schienenlotto. Doch ich hatte Glück, ohne weitere Verzögerung kam ich pünktlich in Paderborn an.

Donnerstag: Vierter Urlaubstag. Für die Rückfahrt von Bielefeld wählte ich, wiederum aus Gründen, die dem normalen Bahnreisenden schwer zu vermitteln sind, weshalb ich Ihnen und mir den Versuch erspare, den Umweg über Osnabrück. Der ICE, der mich von dort weiter nach Bonn brachte, fuhr mit geringer Verspätung ab, schaffte es dann, diese mit den üblichen Begründungen (technische Probleme, Signalstörung) bis Köln auf eine halbe Stunde auszudehnen. In Köln die Durchsage, die Weiterfahrt verzögere sich, weil wir auf einen frischen Lokführer warteten, der mit einem Zug anreise, der sich leider verspäte. Mir sollte es recht sein – ich hatte einen angenehmen Platz, genug Lektüre und die Klimaanlage funktionierte, was an solch heißen Tagen bei der Bahn nicht selbstverständlich ist. Mit dreiviertelstündiger Verspätung ging es schließlich weiter. – Angenommen, in jedem verspäteten Zug sitzen durchschnittlich zwei Lokführer, die irgendwo einen anderen Zug übernehmen sollen. Wie lange dauert es, bis der Bahnverkehr zum Erliegen kommt?

Freitag: Den fünften Urlaubstag verbrachte ich lesend und schreibend im Liegestuhl auf dem Balkon. Gelesen in einem Zeitungsartikel über die aktuellen chinesischen Raumfahrtaktivitäten: „Mittelfristig will China auch Menschen auf den Mond schicken.“ Regimekritiker und Oppositionelle?

Außerdem habe ich das Wagenknecht-Buch zu Ende gelesen, das so endet:

„Wenn auch die linksliberalen Akademiker unserer Zeit einsehen würden, dass sie kein Recht haben, ihren Lebensentwurf zum Maßstab progressiven Lebens zu machen und auf alle herabzuschauen, die anderen Werten folgen und eine andere Sicht auf die Welt haben, wäre viel gewonnen.“

Sarah Wagenknecht: „Die Selbstgerechten“

Das Buch hat mir sehr gut gefallen, daher kommt es nicht in den öffentlichen Bücherschrank.

Samstag: Sechster Urlaubstag, wobei die Frage erlaubt sei, ob ein Samstag überhaupt als Urlaubstag zählt, wenn man nicht verreist ist und auch sonst nichts unternimmt, was den Tag von einem gewöhnlichen Samstag unterscheidet. Aber es ist zu warm, um etwas zu unternehmen, außerdem sind mir überall viel zu viele Menschen. Daher ein weiterer Balkon-Liegestuhl-Tag, jedenfalls so lange, bis die Sonne ums Haus kam und mich in die kühlere Stube trieb.

Alles Gute zum Namenstag (laut Zeitung) an Analogika, Hildegrim, Rasso, Romuald. (Einen davon habe ich mir ausgedacht, Sie dürfen gerne raten.) Wieder stelle ich mir entsprechende Heckscheibenaufkleber vor.

Ich habe dann auch mal dieses Voila-Dings ausprobiert. Voila:

(Nächstes Mal rasiere ich mich vorher, wobei ich das linke Bild schon ziemlich scharf finde.)

Ansonsten habe ich nebenan die Chronik des Wahnsinns fortgeschrieben.

Sonntag: Die schweren Gewitter der vergangenen Nacht sind abgezogen, ohne größere Schäden zu hinterlassen. Das gilt für die meteorologischen wie ein zwischenmenschliches.

Der siebte Urlaubstag konnte bedenkenlos als solcher bezeichnet werden, siehe die Eingangsfrage gestern. Von einem gewöhnlichen Sonntag unterschied ihn das Ausbleiben der Unlust auf die dräuende Arbeitswoche ab dem späteren Nachmittag.

Weitgehend unlustig auch das Büchlein „Wer schreibt denn sowas?!“ von Joshua Clausnitzer, auf das ich vor längerem in der Zeitung aufmerksam wurde. Dort klang es interessant, Wort- und Sprachspiele waren in Aussicht gestellt, daher beschaffte ich es über den Buchhändler des Vertrauens. Der Klappentext bezeichnet es als „Humorvoll, skurril, banal und satirisch!“ Eines dieser Attribute trifft unwidersprochen zu; kleine Kostprobe: „Frauen attestieren mir immer wieder: Aufreißen kann ich! Besonders gut Chipstüten, Gummibärchen- und Kekspackungen!“ Augenscheinlich ist der Autor ein großer Freund des Ausrufezeichens. – Nun könnten Sie zu recht einwenden: „Na hör mal, was du hier so absonderst, ist auch nicht gerade hohe Literatur.“ Das stimmt, dafür ist es umsonst, sowohl im Sinne von vergeblich als auch kostenlos. Wer 12,90 Euro statt für dieses schmale Bändchen lieber für eine Flasche Rosé ausgibt, tut sich jedenfalls einen größeren Gefallen.

Woche 33: Harmonische Dreisamkeit im Mausehaus

Montag: „Zu tun gibt es ja immer was“, sagte der Mann in der Radioreklame, die mich morgens angenehmen Träumen entriss. Blöder kann man wohl nicht in eine neue Woche starten.

Als ich vor gut zwanzig Jahren im Mutterhaus die Arbeit aufnahm, waren Anzug oder wenigstens Jacket und Krawatte eine ungeschriebene Selbstverständlichkeit für männliche Büroknechte. Auch freitags. Wer ohne Krawatte ins Büro kam, konnte sich einer entsprechenden Bemerkung des Chefs sicher sein, es sei denn, die Temperaturen lagen wie zurzeit über dreißig Grad – dann verzichteten sogar Chefs auf den Halsbinder, manche öffneten gar den zweiten Hemdenknopf, auch nicht immer schön. Die Damen hatten es da deutlich besser – leichte Sommerkleider und offene Schuhe waren nie Gegenstand des Anstoßes. In dieser Hinsicht hat sich vieles zum deutlich Besseren verändert: Zunächst entfiel an Freitagen die Krawattenerwartung – womit widerlegt ist, so ungern ich das zugebe, alles, was aus Amerika kommt, sei schlecht – später auch an den übrigen Tagen. Inzwischen sind Krawattenträger klar in der Minderzahl, und das ist gut so. Sogar Männer – auch Abteilungsleiter – in kurzen Hosen zeigen mittlerweile mehr oder weniger wohlgeratene Beine. Auch das ist gut, wobei ich selbst so weit noch nicht bin. Kommt vielleicht noch, wenn ich demnächst der letzte auf dem Flur in langen Beinkleidern bin. ‪Doch so warm der Sommer auch glüht – für Kaffee ist es nie zu heiß.‬

Nicht zu heiß, trotz Anzug und Krawatte und in ganz anderer Hinsicht, war es vergangenen Samstag Florian Schroeder in Stuttgart, der für mich ab sofort zu den ganz Großen dieser Zeit zählt. Deswegen.

Ich habe übrigens beschlossen, mich nicht länger aufzuregen, wenn andere das mit dem Abstand nicht begreifen oder einfach nicht wollen; es würde meine allgemeine Lebensqualität zu sehr beeinträchtigen. Ich kann nur weiterhin für mich selbst darauf achten. Mehr kann ich für mich und andere nicht tun.

Dienstag: Vergangene Nacht schlief ich wärmebedingt schlecht, hinzu kamen akustische und olfaktorische Unwägbarkeiten von der Nebenmatratze, auf die ich nicht näher eingehen möchte. Während einer längeren Wachphase überlegte ich: Erreichen Florian Schroeder nach seinem Auftritt in Stuttgart nun wohl wüste Beschimpfungen und Morddrohungen? Wie geht man mit so etwas um? Droht mir ähnliches, nachdem ich für ihn Sympathie bekundete? Eher nicht, weil das hier nicht viele lesen. Vorteil des Kleinbloggers.

Tagsüber schrieb man mir per Mail: „Bitte geh du hier in den Lead.“ Soll ich jetzt singen, oder was?

Laut Zeitung rüsten die Stadtwerke Bonn ihre Busflotte derzeit mit Anti-Infektionsschutzwänden aus. Maschendraht?

Abends grummelte in der Nähe ein Gewitter, das etwas Regen schickte. Auch zwischenmenschlich grummelte es ein wenig, ohne konkret erkennbare Ursache; manchmal ist das so, wenn Menschen zusammen leben. Womöglich auch eine Folge der Hitze.

Mittwoch: Kurz nach Mitternacht kam das nächste Gewitter. Zunächst ein fernes Dauergrollen, das scheinbar nur sehr langsam sich näherte. Später erhellten Blitze den Nachthimmel über der Stadt und Donner rollte um die Häuser. Nicht wenige Menschen behaupten, sie schliefen besonders gut, wenn über ihnen die Naturgewalten toben; vielleicht haben sie dann auch besonders guten Sex, warum auch nicht, in dieser Hinsicht gibt es ja wenig, was es nicht gibt. Bei mir gilt das nur für nächtlichen Regen ohne Gewitter (also das mit dem Schlafen, mit dem anderen will ich Sie nicht unnötig langweilen). Eine Art erhalten gebliebener Urrespekt aus der Kindheit hält mich bei Gewitter wach. Immerhin, statt mir, bis es vorbei ist, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen, wo bald Erstickung droht, stehe ich mittlerweile auf und schaue es mir vom Fenster aus an. Dann zähle ich die Sekunden zwischen Blitz und Donner. Wie weit ist es weg? Kommt es näher? Alte Faustregel, wenn ich nicht irre: Anzahl Sekunden geteilt durch drei gleich Entfernung in Kilometern. Um kurz nach halb zwei war es vorbei. Kurz vor drei kam das nächste, recht schnell und bald wieder vorbei, dafür mit starkem Regen. Dieses Mal blieb ich im Bett und schlief dann doch noch ganz gut.

Nach einem weiteren heißen Tag zog am Abend das nächste Unwetter mit Gewitter, Sturm und viel Regen über die Stadt und richtete (zum Glück nicht bei uns) größeres Unheil an. Vorher sah das vom Balkon so aus:

KW33 - 1

Hinterher nach vorne hinaus so:

KW33 - 1 (1)

Auch die interne Gewitterneigung war noch nicht ganz abgeklungen, weil Tief C sich aus nach wie vor unerfindlichen Gründen noch immer nicht aufgelöst hatte. Hingegen harmonische Dreisamkeit am späten Abend in unserem VogelMausehaus:

KW33 - 1 (2)

Donnerstag: Badgespräch am Morgen: „Stehst du schon wieder hinter mir!“ – „Nein, du stehst vor mir.“

Billie Eilish – laut Zeitung der zweitwichtigste Teenager der Welt. Nie gehört. Nachteil des Boomerdaseins. Oder Vorteil, wer weiß.

In den Medien wird behauptet, die demokratische Kandidatin für das US-Vizepräsidentenamt, Kamala Harris, sei „schwarz“. Verstehe ich nicht. Sie ist doch mindestens so „weiß“ wie Donald Trump, wenn man die Bilder vergleicht.

Freitag: Nur kurz Regen am Abend. Überhaupt regnet es zu wenig in letzter Zeit, manche Kommunen haben schon Schwierigkeiten mit der Wasserversorgung. Die Schwimmbecken sind voll, aber der Duschkopf bleibt trocken. Dagegen war die Klopapierkrise ein Witz.

Ist Ihnen mal aufgefallen, dass es in Filmen selten regnet ohne Gewitterbegleitung, einfach nur Regen? Befürchten die Filmemacher, der Zuschauer würde den Regen sonst nicht bemerken? Darüber regt sich mal wieder niemand auf.

Samstag: „Die Vorstellung, dass an irgendeiner Stelle des Internets gesiezt wird, ist geradezu abwegig“, steht im General-Anzeiger zum Schwinden des „Sie“. Der Schreiber scheint dieses Blog nicht zu kennen. Warum sollte er auch.

Sonntag: Zwei notierenswerte Sätze aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung:

„Nichts verpufft schneller als die öffentliche Empörung.“
(Rainer Hank über integres Handeln von Unternehmen)

„Heute kommen Menschen aus allen Kontinenten, um Paderborn weiträumig zu umfahren.“
(Oliver Maria Schmitt über Paderborn)

In der PSYCHOLOGIE HEUTE las ich einen interessanten Artikel über sogenannte Spätblüher, das sind Leute, die erst im fortgeschrittenen Alter ihre wahre Berufung finden. Das gibt mir Hoffnung, doch noch Karriere zu machen als erfolgreicher, angesehener … wasweißich.

Am späteren Abend nach Einbruch der Dunkelheit werkelte der Nachbar gegenüber etwas Undefinierbares auf seiner Terrasse herum, wie so häufig. Dass wir ihm offensichtlich dabei zuschauen, störte ihn nicht. Kennen Sie das, wenn Sie jemanden bei seinem unablässigen Tun betrachten und sich fragen: Was treibt ihn nur?

Woche 44: Ein Jahr Belanglosigkeiten, Konjektaneen und Quisquilien

kw44 - 1

Montag: Radio Gaga am Morgen. Der Radiomann fragt, was der erste Tag ohne Air Berlin mit den Passagieren in Düsseldorf macht.

Dienstag: Wie so viele Heimsuchungen aus den Vereinigten Staaten geht mir auch dieser sich zunehmender Beliebtheit erfreuende Kürbisgruselbrauch an tiefer gelegenen Körperregionen völlig vorbei. Wobei er ursprünglich gar nicht aus Amerika kommt, sondern aus Irland, wie ich heute erfuhr. Das lindert meine Geringschätzung überseeischer Importe allerdings kaum.

Mittwoch: Ich würde übrigens niemanden geringer schätzen, nur weil er sich die Achseln rasiert. Auch wenn es natürlich ein triftiger Grund wäre.

Donnerstag: „What next?“, fragt der Reklameschreier im Radio. Ja, was kommt als nächstes?

Freitag: Vielleicht dieses: Das Radio berichtet über durch elterlichen Ehrgeiz angeheiztes Martinslaternenwettrüsten in Kindergärten. Kind zu sein ist heute kein Vergnügen mehr. – An manchen Tagen möchte ich meinen (fern-)gesprächigen Bürogenossinnen, die ich ansonsten sehr mag, einen Becher mit frisch angerührtem Gips reichen. Zum Gurgeln.

Samstag: So wie Gewitter entstehen, wenn warme Luft auf kalte trifft, so können atmosphärische Störungen auftreten, wenn hundertfünfzig sich mit achtzig Prozent reiben. Eine unnötige Anmerkung zu einer Belanglosigkeit genügt dann, um die Stimmung für Stunden zu trüben. Das tut mir leid und ich gelobe Besserung.

Sonntag: Apropos Belanglosigkeit: Seit nunmehr einem Jahr notiere ich täglich diverse Konjektaneen und Quisquilien, um sie Ihnen hier in einem Wochenrückblick zur Kenntnis zu bringen. Besserung kann ich leider nicht in Aussicht stellen.