Montag: Der erste Tag der zweiten Urlaubswoche begann mit einem guten Frühstück. Wir sind in Beaune (Burgund) in einem sehr guten Hotel. Zu loben ist (neben den ausreichend dimensionierten Saftgläsern) die Frühstückszeit bis elf Uhr; vergangene Woche auf dem Schiff mussten wir bis neun am Platz sein, was täglich ein unurlaubshaftes Frühaufstehen erforderte. Daran gewöhnt, war ich auch heute bereits um sieben wach und hätte erforderlichenfalls aufstehen können. Mangels Erfordernis blieb ich liegen, schlief nochmal ein und träumte, ich führte ein Privatgespräch mit Angela Merkel. Sie war sehr sympathisch, wir verstanden uns bestens. Keine Sorge, es geht mir gut.
Nach dem Frühstück fuhren wir durch die Umgebung. Es ist immer noch heiß, wenngleich etwas weniger als die Tage zuvor.



Während der Fahrens sahen wir immer wieder regionaltypisch helle Rinder, die augenscheinlich zufrieden grasten oder sich im Schatten der Bäume niedergelassen hatten. Eigentlich hat es so ein Rind gut: Es sorgt sich nicht um morgen, Klima, Krieg und Corona, was ziehe ich an, hat stets zu fressen, und zu gegebener Zeit wird es nach letaler Entnahme zu Rumpsteak, Kotelett und anderen Leckereien verarbeitet, wohingegen wir nach Ende der Laufzeit nutzlos vergraben oder verbrannt, bestenfalls kompostiert werden.
Dienstag: Der Tag begann trübe und deutlich kühler. Morgens regnete es leicht, was uns nicht davon abhielt, (als einzige) das Frühstück beschirmt auf der Hotelterrasse einzunehmen. Wenn man hier ein gekochtes Ei essen möchte, bereitet man es sich selbst zu. Dazu steht ein Behälter mit kochendem Wasser bereit. Das rohe Ei legt man in eine farbig markierte Haltevorrichtung, die an den Behälterrand gehängt wird, auf dass wallendes Wasser das Ei garend umspüle. Zur Kontrolle der Kochzeit dienen Sanduhren mit drei, vier und fünf Minuten Rieseldauer. Die von mir gewählten vier Minuten erwiesen sich als zu kurz, nach dem Köpfen war das Ei innen noch sehr flüssig. Morgen versuche ich sechs Minuten nach Armbanduhr, vielleicht auch sieben, ich habe ja Zeit.
Pünktlich zum Mittag, als wir zu einer weiteren Tour in die Umgebung aufbrachen, brachen auch die Wolken auf und die Hitze kehrte zurück. Daher sah ich bei der Einkehr am Nachmittag in Nuits-Saint-Georges zunächst davon ab, einen Rosé zu bestellen.

Mittwoch: Das Frühstücksei war perfekt. Seine Zubereitung indes mysteriös: Wie geplant hängte ich es in den Behälter mit kochendem Wasser, um es sieben Minuten später herauszuholen. Irgendwann brachte mir die Bedienung unaufgefordert ein gekochtes Ei an den Tisch. Ob es das von mir zuvor eingehängte war, weiß ich nicht, und woher sie von meinem Siebenminuteneiwunsch wusste blieb ihr Geheimnis. Wie auch immer – so geht perfekter Service.
Vormittags verließen wir Beaune mit Ziel Arbois im Jura, wo der Liebste Unterkunft außerhalb des Ortes gebucht hat. Uns wurde eine Suite zugewiesen mit einem Sprudelbecken für zwei Personen im Schlafzimmer, von dem wir aus Gründen der Ressourcenschonung jedoch keinen Gebrauch machten.

Bei Ankunft gab es ein Gewitter, das in angemessenem Abstand an uns vorbeizog, wohingegen es in der Gegend um Beaune ziemlich heftig gewütet haben muss.

Direkt unter unserem Balkon rauscht ein kleiner Wasserfall. Inwieweit er die Nachtruhe beeinträchtigt, wird sich zeigen. Zur Not haben wir noch die Ohrstöpsel vom Schiff.
Donnerstag: Ohrstöpsel waren nicht erforderlich. Das Zimmer ist nach außen gut schallisoliert.
Vormittags, als die Sonne noch nicht allzu sehr stach, machten wir einen Rundgang durch die örtlichen Fluren, vorbei an einem weiteren Wasserfall. Nachmittags unternahmen wir eine Ausfahrt in die Umgebung mit Weinkauf. Auch hier im Jura gibt es gute Weine, wobei manche durch ihre Sherry-Note zunächst gewöhnungsbedürftig sind.

Auf dem Rückweg machten wir Halt in einem Supermarkt, um uns einen Überblick über das lokale Schaumweinangebot zu verschaffen. Während des Schauens räumte ein offenbar gut gelaunter Angestellter Weinflaschen von einer Palette in die Regale, dabei pfiff er „Désormais“ von Charles Aznavour und verschaffte mir so für den Rest des Tages einen durchaus angenehmen Ohrwurm.
Jetzt, da ich dieses notiere, sitze ich auf dem Balkon, unter mir rauscht der Hauswasserfall, aus Südwesten grollt das nächste Gewitter heran. So könnte ich Tage, Wochen verbringen: sitzen, schauen, lesen, etwas schreiben. Gerne auch ohne Gewitter.
Freitag: Morgens regnete es. Als wollte das Wetter uns den Abschied zur Abreise leichter machen. Wobei ich Regen ja grundsätzlich mag, in Maßen, versteht sich, nicht in verheerenden Sturzfluten. Dieser war guter Regen, unaufgeregt fiel er senkrecht zu Boden, ohne Böen, Hagel, Blitz und Donner. Beim Frühstück hätte ich gerne noch länger zugeschaut, wie vor dem Fenster dicke Tropfen im Gewässer unterhalb des kleinen Wasserfalls Blasen schlugen. Aber wir mussten los, wenn es am schönsten ist, Sie wissen schon.

Der Regen blieb während der Fahrt ständiger Begleiter, mal als graue Front in der Ferne, mal waren wir mittendrin und zuckelten aus Sicherheitsgründen langsam hinter Lastwagen her, warum nicht, wir hatten es nicht eilig. Die Welt wäre wohl friedlicher, nähmen wir Menschen es gelassener hin, dass Dinge so lange dauern, wie sie eben dauern.

Dann meldete das Auto auch noch Öldurst, der an der nächsten Raststätte gestillt wurde.
Samstag: Zu Hause ist es auch schön. Spätestens nach der ersten Nacht im eigenen Bett, der ersten Sitzung auf heimischer Brille wird dies immer wieder deutlich.
Besorgungen ließen mich die menschengefüllte Fußgängerzone aufsuchen. Im Vorbeigehen sah ich aus den Augenwinkeln einen jungen Mann am Straßenrand sitzen, vor sich drei Becher mit Schildern, die ich erst richtig wahrnahm, als ich schon dran vorbei war; die visuelle Wahrnehmung benötigte wohl ein paar Sekunden, bis sie in den zuständigen Hirnwindungen angekommen war. Auf den drei Schildern stand: „LSD“, „Bier“ und noch was anderes, vielleicht „Tabak“, ich wollte nicht nochmal zurück gehen. Auch weiß ich nicht, ob hierdurch die Spendenbereitschaft der Vorbeigehenden positiv beeinflusst wurde.
Im Übrigen habe ich den subjektiven Eindruck, der Anteil der Gehenden, die ihr Umfeld ausschließlich über das Display ihres Datengerätes wahrnehmen, ist nochmals angestiegen.
Sonntag: Unter der Überschrift „Das nervt uns im Sommer“ beklagt die Sonntagszeitung neben anderem behaarte Männerwaden in kurzen Hosen. »Shorts lassen erwachsene Männer wie Kinder wirken. Verschwitzte, behaarte Unterschenkel sind unappetitlich. Vor allem aber lassen sie jedwede Eleganz vermissen«, so der vermutlich männliche Verfasser, ganz klar ist das nicht erkennbar. Als Alternative rät er, einen langen Rock zu tragen. Mit Verlaub – das ist so ziemlich das Dümmste, was ich seit langem gelesen habe. Was ist lächerlicher, deprimierender anzusehen als rasierte Jungsbeine, womöglich noch tätowiert? Und über Männer in Röcken möchte ich mich lieber nicht äußern. Deshalb für alle, die es ähnlich sehen, dieses:

Was wirklich nervt: Wenn man mich, wie jetzt geschehen, „Liebe:r Carsten“ anschreibt.
Auch aus der Sonntagszeitung:

Ich verstehe die Frage nicht.
Gesehen am Wegesrand während des Spaziergangs; wieder so etwas, wo ich gerne die Geschichte dahinter wüsste:

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Das war es mal wieder mit dem Urlaub. Die Vorfreude auf die Werktätigkeit ab morgen hält sich in Grenzen, aber das kommt bestimmt noch. Kommen Sie gut durch die Woche!