Woche 52/2024: Alternative Tischmanieren und Raclette über Teelichtern

Montag: Weiterhin sind wir in Beaune, Frankreich. Nachtrag zu gestern Abend: Wir waren zum Essen in einem Restaurant, das wir schon von früheren Besuchen kennen und schätzen. Es ist gut, nicht sehr teuer und der Service sehr freundlich. Während des ersten Ganges betrat ein jüngeres Paar mit einem etwa zwei Jahre alten Kind den Raum, sie wurden am Nebentisch platziert. Das Kind zeigte sich lebhaft, es lief herum, plapperte, quengelte, eine alles in allem altersgerechte Verhaltensweise, die vielleicht bei denjenigen, für die Kinderliebe nicht an oberster Stelle steht, ein gewisses Störgefühl auszulösen vermag. Bald warf das Kind das Blumentöpfchen vom Tisch, das nun, getrennt nach Topf, Pflanze und Erde auf dem Boden lag. Die Eltern scherte es nicht weiter, auch sahen sie sich nicht veranlasst, das Malheur zu beheben oder wenigstens zu melden. Als die freundliche Bedienung das sah, zeigte sie sich wenig erfreut. Offenbar hatte man mehr compréhension für kindliche Lebhaftigkeit erwartet, kurz darauf wurden Kind, Malsachen und alles andere zusammengepackt und sie verließen abschiedslos das Lokal. Am Nebentisch, also unserem, wurde dies mit Erleichterung zur Kenntnis genommen, beinahe hätten wir applaudiert. Dem Kind ist kein Vorwurf zu machen. Doch was geht in solchen Eltern vor?

Unser Tischgewächs blieb unbehelligt

Interessant an einem Hotelaufenthalt sind stets auch die anderen Gäste und ihre Verhaltensweisen. Ich vermute, wer in der Gastronomie oder Hotelbranche arbeitet, erlebt vieles, womit man erfolgreich ein Buch oder Blog füllen könnte. (Für entsprechende Blogempfehlungen wäre ich dankbar.) Beim Frühstück fiel mir heute der vielleicht zwanzigjährige Angehörige einer größeren Familie auf, der ungefähr im Minutentakt das Büffet aufsuchte, um noch etwas nachzuholen. Das ganze in kurzen Hosen. Nicht dass ich dem Anblick junger Männerbeine grundsätzlich abgeneigt wäre, aber warum trägt er im Dezember in einem Fünfsternehotel kurze Hosen? Muss der sich oder anderen etwas beweisen?

Sehr nett im übrigen das ältere Ehepaar aus Freiburg, mit dem wir abends in der Hotelbar ins Gespräch kamen. Offensichtlich sind wir nicht die einzigen, die das Verhalten und Auftreten anderer Gäste interessant finden.

Das Hotel hat drei Stockwerke, somit ist es den meisten Menschen möglich, auch ein Zimmer im oberen Stock über die Treppen zu erreichen. Dennoch folgen die meisten Gäste der natürlichen Bequemlichkeit und nehmen den Aufzug, nur selten begegnet mir jemand im Treppenhaus. Im Erdgeschoss gibt es einen Fitnessraum. Dank Aufzug ist er auch für Bewegungssuchende aus den oberen Stockwerken jederzeit bequem erreichbar.

Die Hotelbar. In dem Topf neben dem Feuer wird ausgezeichneter hausgemachter Glühwein warmgehalten, wir haben ihn mehrfach für Sie probiert.

Dienstag: Der Heiligmorgen begann nicht allzu spät und recht entspannt. Nach dem Frühstück gingen wir eine Runde durch die Stadt, die gut gefüllt war mit Autos und Menschen in letzten Besorgungsabsichten für die bevorstehende fête la Noël. Einige Geschäfte, unter anderem Textilläden, hatten bis achtzehn Uhr geöffnet, für Spätentschlossene oder mögliche Weihnachtsverweigerer.

Nach dem Stadtbummel machten wir einen Spaziergang durch den nahegelegenen Parc de la Bouzaise, wo sich Blesshühner und eine Kleingruppe Gänse (neben graugemusterten Wildgänsen auch eine weiße, letztere vielleicht kurz zuvor dem Braten entkommen) vom Fest unbeeindruckt zeigten.

Nach Rückkehr im Hotel gönnten wir uns vor dem heiligen Abend noch etwas Ruhe. Während ich auf dem Sofa die Zeitung und Blogs las, waren von den Lieben nebenan bald leise Schlafgeräusche zu vernehmen. Zwischendurch zuckte immer wieder das Datengerät auf von den tagesüblichen Grüßen und Wünschen in diversen WhatsApp-Gruppen. Im erweiterten Sinne mit Festbezug traf außerdem per Mail eine Empfehlung für bessere Erektionen ein.

Trotz gegenseitigen Nichtschenkpaktes blieben wir dann doch nicht ganz unbeschoren, woher auch immer die Geschenke kamen.

Den Abend verbrachten wir im Hotelrestaurant, wo ein siebengängiges Festmenü in passender Weinbegleitung gereicht wurde. Das war ausgezeichnet, wenn auch des Guten etwas zu viel: Spätestens ab dem vierten Gang konnte ich außer wenigen Probierhappen kaum noch was essen, das zu jedem Gang extra gereichte Brot blieb unangerührt. Das ist nur schwer mit meiner Flüchtlingskinderziehung zu vereinbaren, wonach Teller grundsätzlich leergegessen werden. Allerdings setzt die Magenkapazität hier natürliche Grenzen. Immerhin kam kein Wein um, immer das Positive sehen.

Zuviel des Guten war auch die musikalische Begleitung durch zwei Damen, die mit Geige und Harfe von Raum zu Raum zogen. Sie spielten sehr gut, sogar Stücke von ABBA und Queen, allerdings war es zu laut für Tischgespräche. Deshalb waren wir ihnen nicht böse, als sie weiter zogen und andere Gäste erfreuten.

Nach dem Essen suchten wir mit dem Paar aus Freiburg nochmals für ein Nachtglas die Hotelbar auf. In der Ecke neben dem Kamin saß ein jüngerer Mann augenscheinlich indischer Physiognomie, beschäftigt mit Buch, Datengerät und Getränken. Der saß da schon so, als wir Stunden zuvor ins Restaurant aufgebrochen waren, und er wirkte nicht unzufrieden.

Hotelfensterblick, morgens, mit Weinbergen der Côte d’Or im Hintergrund
Im Parc de la Bouzaise
Sofablick. Mehr braucht es manchmal nicht zur Zufriedenheit.
Nächstes Jahr aber wirklich nichts. (Foto: der Geliebte)

Mittwoch: Beim Aufwachen erwog ich, heute nichts oder überhaupt niemals mehr etwas zu essen. Das späte Frühstück – wir waren die letzten im Frühstücksraum, das Personal war schon mit dem Abräumen des Buffets beschäftigt – fiel mit einem Croissant und einem Pain au chocolat jeweils im Kleinformat, einem Glas Saft und einer Tasse Kaffee entsprechend geringfügig aus.

Mittags deckte ich meinen Bedarf an etwas Bewegung und frischer Luft mit einem Spaziergang über die Remparts, die zu etwa Dreivierteln erhaltene alte Stadtbefestigung um die historische Innenstadt von Beaune. Im Gegensatz zu den vergangenen Tagen waren kaum Autos auf den Straßen, nur wenige Menschen flanierten und führten ihre Hunde oder Kinder aus. Aus einem Fenster drangen Fetzen von „All I Want For Christmas“ von Mariah Carey an mein Ohr, dem in diesen Tagen kaum zu entkommen ist. And Aaaaaahahahahaii …

Nachmittags wurden die meisten Sachen einschließlich getätigter Einkäufe gepackt und ins Auto geladen, auf dass wir morgen zeitig nach Hause aufbrechen können. Wie üblich begleitet von Diskussionen zwischen meinen Lieben. Laut einem beliebten Klischee zerbrechen Ehen an falsch gedrückten Zahnpastatuben. Wie viele Partnerschaften mögen wegen unterschiedlicher Auffassungen über das richtige Packen des Autos bei der Urlaubsabreise in Schieflage geraten?

Nach dem Abendessen nahmen wir den letzten Vin Chaud à la maison in der Hotelbar. Der Inder hatte sich dort inzwischen über drei Sessel häuslich eingerichtet und wirkte weiterhin sehr zufrieden. Die Sitzgruppe gegenüber belegten ein Mann und zwei Teenagerjungs, letztere mit Alpaka-Frisuren. (Diese Bezeichnung für die aktuelle Haarmode junger Männer las oder hörte ich kürzlich irgendwo und finde sie sehr trefflich.) Gesprochen wurde fast nicht, alle drei waren intensiv mit ihren Datengeräten beschäftigt. Manchmal hielt einer dem anderen das Gerät vor die Nase, der grinste dann kurz und widmete sich wieder dem eigenen. Unterbrochen wurde ihr Tun durch einen zwischenzeitlich servierten Imbiss, der mit alternativen Tischmanieren vertilgt wurde, den Blick möglichst wenig vom Bildschirm abgewandt. Sie hatten auf ihre Weise Spaß, nehme ich an.

Rempards mit Moosansicht
Rempards mit Burgund-typischer Dachdeckkunst

Donnerstag: Nachdem auch die letzten Sachen ohne größeren Zank im Auto verstaut waren, verließen wir vormittags Beaune. „Passt bitte gut auf euch auf, die Welt wird nicht besser“, gab uns die Frau des netten Freiburger Ehepaars mit auf den Weg, womit sie zweifellos recht hat.

Auch an der Grenze zu Luxemburg gibt es Kontrollen gegen illegale Einreise. Etwas rätselhaft der Kontrollposten bei Trier: Er ist erst weit hinter der Grenze eingerichtet, nach einem Parkplatz und einer Abfahrt auf deutschem Gebiet. Schleusern wird es somit recht einfach gemacht, ihrem Geschäft nachzugehen. Bestimmt hat man sich dabei was gedacht.

Nach entspannter und sonnenbeschienener Fahrt kamen wir am späten Nachmittag in Bonn an. Dort waren die letzten fünf Törchen des Adventskalenders „Edle Tropfen in Nuss“ abzuarbeiten, was der Ankunft eine gewisse Leichtigkeit verlieh. Zum Abendessen besuchten wir den persischen Lieblingsitaliener. Nach einer Woche mit französischer Küche ist eine Steinofenpizza auch mal wieder ganz schön.

Für den letzten Urlaubstag morgen habe ich einen Wanderbeschluss gefasst.

Freitag: Mittags brach ich auf zur Wanderung, wegen der jahreszeitlich beschränkten Tagesbelichtung nicht sehr lang. Mit dem Bus fuhr ich bis Holzlar, von dort wanderte ich bei Sonnenschein über den Ennert und den mir bislang unbekannten Finkenberg zwischen Küdinghoven und Beuel zurück nach Bonn. Unterwegs begegneten mir vergleichsweise viele Menschen, was am Brückentag zwischen den Jahren liegen mag, viele haben frei, zudem ist die Strecke stadtnah. Jedenfalls war es wieder beglückend, auch wenn die meisten Bäume kahl Winterschlaf halten. Immerhin zeigen sich Moose und Stechpalmen verlässlich dauergrün.

Nach Ankunft in der menschenvollen Bonner Innenstadt belohnte ich mich für die Mühen mit einer Feuerzangenbowle auf dem Remigiusplatz, wo der Weihnachtsmarkt erstmals in diesem Jahr ein paar Tage länger geöffnet bleibt und zum Dreikönigsmarkt wurde, irgendwie muss es ja heißen. Neben mir bestellte und bekam jemand einen Lumumba. Wir kürzlich zu lesen war, soll man das nicht mehr sagen, weil es wohl irgendwie rassistisch ist. Herrje. Ohne Zweifel halte ich es für richtig, nicht mehr Mohrenkopf oder Zigeunerschnitzel zu gebrauchen, auch wenn mir die Diskussion darum bisweilen etwas hysterisch erscheint. Aber Lumumba? Was kommt da demnächst noch? Vielleicht Granatapfel, Götterspeise, Russisches Brot oder Matjes nach Hausfrauenart? AfD und Freie Wähler werden sich freuen, fürchte ich.

Ennert-Wald im Winterschlaf
Hardweiher
Moosansicht
Stilleben auf dem Finkenberg
Der Rhein mal von der anderen Seite

Samstag: Seit Mitternacht darf wieder Silvesterknallwerk verkauft werden. Wie das Radio morgens meldete, hatten die ersten Licht-Schall-Rauchfreunde bereits seit dem Nachmittag vor den Verkaufsstellen gewartet. Zu den Nebenwirkungen hinsichtlich Müll und Lärm befragt, antworteten sie, das hätten sie auf dem Schirm. Dann ist es ja gut.

Nicht auf dem Schirm, sondern auf dem Sofa verbrachte ich große Teile des Tages und war damit sehr zufrieden.

Abends gab es Raclette über Teelichtern, die Öfchen befanden sich in dem am Dienstag gezeigten Geschenkeberg. Das funktioniert erstaunlich gut, schmeckte bestens und machte satt. Und das Spielerische kam auch nicht zu kurz.

..

Sonntag: Im Gegensatz zu den Vortagen blieb dieser Tag trüb und kalt, die Pfützen auf den Wegen waren gefroren. Den letzten Sonntagsspaziergang des Jahres verband ich mit einer Probefahrt der neuen Straßenbahnwagen. Zum Glück kam auch gleich einer, im Moment fahren sie noch im Mischbetrieb mit den alten auf der Linie 61. Damit fuhr ich bis bis zur Endhaltestelle in Auerberg und flanierte am Rhein entlang zurück, ein gut einstündiger Marsch, den ich so noch nicht gegangen war. Die neuen Wagen laufen sehr ruhig, was dem an Straßenbahnzügen nicht so interessierten normalen Fahrgast vielleicht gar nicht auffällt.

Wagen 2253 verlässt die Endhaltestelle in Auerberg
Rheinufer gegenüber Graurheindorf

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und einen guten Start in ein neues, möglichst angenehmes Jahr. Vielen Dank, dass Sie meinen Gedanken und Erkenntnissen hier wöchentlich folgen. Passen Sie gut auf sich auf, die Welt wird voraussichtlich nicht besser.

Woche 43/2024: Getrübte Wanderlust und Schafböcke ohne nennenswerten Beitrag zur Arterhaltung

Montag: Deutschland erwartet eine durchwachsene Kürbisernte, steht in der Zeitung. Das klingt immerhin besser als verdörrt oder verhagelt. Man hätte auch „mäßig“ schreiben können, aber vielleicht würde das kürbisaffine Teile der Bevölkerung so kurz vor Halloween beunruhigen.

Montäglich durchwachsen heute auch Motivation und Arbeitseifer. Gegen Mittag geriet ich in ein Stimmungstief, das sich nachmittags wieder auflöste, nachdem ein umfangreicherer, kurzfristig zu erledigender Arbeitsauftrag, der mich morgens erreicht hatte, als nicht so aufwendig erwies wie zunächst befürchtet und zügig abgeschlossen werden konnte. Das Mittagessen, Nudeln mit Kürbiscreme, ließ ich nach knapp zwei Dritteln zurückgehen, nicht wegen Kürbisabneigung, sondern mangels Appetit.

Dienstag: Ein Tag ohne besondere Nennenswertigkeiten. Zu Fuß ins Werk und zurück, weiterhin mild. Im Büro verbrachte ich die meiste Zeit mit dem Ausfüllen von Kästchen für ein neues Projekt. Ob ich damit zum Gelingen beitrage, ich weiß es nicht. Aber egal, man bezahlt mich gut dafür, an mir soll es nicht liegen. Wie ich schon öfter anmerkte: Man kann sein Gehalt wesentlich schwerer *hüstel* verdienen.

Stimmung und Appetit waren wieder stabil, wie so häufig von Montag auf Dienstag. Mittags gab es einen ganz vorzüglichen Eintopf mit Bohnen und Lammfleisch. Danach ein kurzer Spaziergang mit dem Kollegen durch den Park.

Abends holte ich die fertigen Maßschuhe vom Schuhmacher ab, schlichte schwarze Lederschuhe, sie sind sehr schön geworden. Nicht, dass ich sie unbedingt bräuchte, aber nun habe ich sie und freue mich darüber.

Jugendwort des Jahres ist Aura, wie wir seit vergangener Woche wissen. Was an dem Wort besonders jugendlich sein soll, erschließt sich mir nicht, muss es auch nicht, ich bin alt. Zur Auswahl stand auch das umstrittene Wort Talahon, das ich niemals zuvor gehört hatte. Seit ich es kenne, spreche ich es oft gedanklich aus, wenn mir Exemplare dieser freiwillig(?) lächerlichen Spezies begegnen.

Morgens

Mittwoch: „Die Achse Moskau-Pjöngjang lässt Südkorea näher an die Ukraine rücken“, steht in der Zeitung. Ein weiteres tektonisches Wunder, scheint es.

Morgens auf dem Fahrrad war es wieder handkalt, kühler als an den Vortagen; neben Handschuhen sollte ich auch die Helmunterziehmütze bald mal suchen. Das ist nicht als Klage zu lesen, immerhin ist der November nicht mehr fern, der Dreimonatswandkalender im Büro deutlich dünner geworden. Morgens bis zum Mittag schaute ich vom Schreibtisch aus wieder über eine geschlossene Wolkendecke, wie bereits am vergangenen Freitag berichtet und bebildert, bei Bedarf schauen Sie bitte dort nach.

Im Büro durchgehend zu tun, nicht zu viel, gerade richtig, zeitweise mit leichtem Flowgefühl. Arbeitsschluss fast eine Stunde später als üblich, auch das ist keine Klage, das Arbeitszeitkonto freut sich. Also nicht das Konto, sondern sein Besitzer, wenn die angesammelten Stunden in den nächsten freien Tag umgewandelt werden, konkret: morgen.

Erster Einsatztag der neuen Schuhe, es geht sich bequem darin. Wie ein Kind schaute ich immer wieder drauf und erfreute mich ihrer. (Waren ja auch teurer genug.)

Die Jetpack-App, mit der ich hier meistens schreibe und die abonnieren Blogs lese, wurde mal wieder unangekündigt umgebaut. Jedenfalls die für das Tablet, die iPhone-Variante ist unverändert. Zum Reader gelangt man nun über ein Seitenmenü, das man, nachdem man das herausgefunden hat, über ein neues Symbol oben links öffnet, früher fand man ihn in der Fußleiste. Zudem steht dort jetzt „Leser“ statt „Reader“, was mir als überzeugtem Anglizismenskeptiker eigentlich gefallen sollte. Wozu das alles gut sein soll, kann ich nicht erkennen, eine Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit ist es nicht. Aber das ist ja mittlerweile häufig zu beobachten bei allen möglichen Anwendungen und Geräten.

Morgen also frei. Wegen der günstigen Wetterprognose freue ich mich auf einen Wandertag durch den Kottenforst (oder das?). Die Lokalität für die anschließende Einkehr ist auch schon gewählt.

Der frühere Tagesschau-Sprecher Jan Hofer macht nun Fernsehreklame für Trigema. Das finde ich deprimierend.

Donnerstag: Inseltag. Da wir in dieser Woche, so auch heute, einen Maler im Haus hatten, der im Laufe des Morgens eintreffen würde, stand ich bereits zur gewohnten Werktagszeit auf, was im Gegensatz zu den Vortagen, an denen ich morgens außergewöhnlich müde war, mühelos gelang. Es ist eben ein Unterschied, ob mich die Vorfreude auf einen Wandertag aus dem Tuche treibt oder auf das Büro.

Nach Proviantkauf und einem schmalen Frühstück in einer bahnhofsnahen Bäckerei fuhr ich mit der Bahn nach Alfter-Witterschlick, ein Ortsname, der wie eine akute Magen-Darm-Verstimmung klingt, wer auch immer sich den ausgedacht hat. Von dort wanderte ich durch den Kottenforst zurück in Richtung Bonn. Der Weg führte fast ausschließlich durch herbstbuntes Waldgebiet.

Zwischendurch stellte Komoot meine Pfadfinderfähigkeiten auf die Probe, als es mich über Wege leitete, die als solche nicht unmittelbar zu erkennen waren, und über einen Bachlauf, den zu überwinden nur mit einem Fußbad möglich gewesen wäre. Wobei den Füßen etwas Kühlung vielleicht ganz gut getan hätte, denn die Wanderlust war getrübt: Schon morgens beim Anziehen der Schuhe kamen sie mir sehr eng vor, vor allem der linke. Da sowohl Schuhe als auch Füße dieselben waren wie bei den letzten Wanderungen, hoffte ich, dass es sich bald fügt. Während der ersten Kilometer ging es auch ganz gut, dann begann der linke Zeigezeh zu schmerzen, erst leicht, mit jedem Kilometer mehr. Ich hielt durch, nach immerhin gut zwanzig Kilometern endete die Wanderung an der ersten erreichbaren Straßenbahnhaltestelle statt bei der vorgesehenen Gaststätte in der Innenstadt. Dorthin brachte mich dann die Straßenbahn, wo ich mich, mittlerweile Tradition, für die Mühen und Schmerzen mit Currywurst und Hellbier belohnte. Spätestens da ließ der Schmerz nach.

Als ich bei Heimkehr die Schuhe endlich ausziehen konnte, setzte erhebliches Wohlgefühl ein. Das war ihr letzter Einsatz, demnächst kaufe ich neue, bin ja ohnehin gerade in Schuhkaufstimmung. Dann, wie für Wander- und Laufschuhe empfohlen, eine Nummer größer.

Sehen Sie:

Nach Ankunft in Witterschlick, das sehen Sie ja selbst
Jahreszeitlich passend
Forst I
Auch hier jede Menge Stechpalmen (extra für Sie, liebe L)
Moos
Ich war das nicht mit dem Aufkleber
Hiervon hoffte ich mehr zu sehen, traf jedoch nur auf dieses eine angefressene Exemplar
Forst II
Kurfürsten-Weiher

Freitag: „Freihandel harkt beim Agrathema“ steht in der Zeitung. Da besser mal nachhacken.

„Wir sind als Menschen dazu geboren zu arbeiten“, sagte der Bundeskanzler beim Arbeitgebertag in Berlin. Die Rheinische Post berichtet hingegen in ihrer Online-Ausgabe über sogenannte Null-Bock-Tage. Wer morgens keine Lust hat, sich an die Arbeit zu machen, teilt das dem Arbeitgeber kurz mit und bleibt im Bett, bei voller Bezahlung. In Großbritannien soll es das schon länger geben unter der Bezeichnung „reset days“, Tage des Neustarts, was wesentlich wirtschaftsverträglicher klingt als null Bock. In Deutschland ist das Konzept laut Bericht etabliert bei einem (ebenfalls) Berliner Kondomhersteller mit dem für diese Branche wirklich herzallerliebsten Namen „Einhorn“; denken Sie sich dabei gerne mein spätpubertäres Kichern, als ich das las. Wohl jeder kennt diese Tage, typischerweise der Montag. Ob es indes die Lösung ist, dann der Arbeit fernzubleiben, zweifle ich an, weil dann der Montagseffekt am Dienstag doppelt zuschlägt.

Samstag: Laut Zeitungsbericht leisten neun Prozent aller Schafböcke keinen nennenswerten Beitrag zur Arterhaltung, da sie dem eigenen Geschlecht zugeneigt sind. Ein Schäfer aus Löhne in Ostwestfalen hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Kollegen diese sprichwörtlich schwarzen Schafe abzukaufen für eine eigene schwule Herde, in der sie ihrer Liebe und Triebe nach Bockeslust nachgehen dürfen. Einundzwanzig hat er schon, für weitere hundert hat er Kapazität. Mit der gewonnenen Wolle werden (menschliche) queere Projekte unterstützt. Eine wunderbare Idee, die dem Wort „Wolllust“ eine neue Bedeutung verleiht. Glaubte ich an Wiedergeburt, wäre das ein Eintrag in der Wunschliste.

Von Woll- zu Wanderlust: Beim Kauf von Wanderschuhen in einem Sportgeschäft wurde ich an der Kasse nach langer Zeit mal wieder nach meiner Postleitzahl gefragt. Da fiel mir wieder die Aktion eines Menschen ein, der vor einigen Jahren im Netz dazu aufgerufen hatte, bei solcher Gelegenheit stets die Postleitzahl von Brunsbüttel zu nennen. Nach kurzem Hirnkramen sagte ich 25547. Später schaute ich nach: Der Aufruf des bayrischen Sängers Christoph Weiherer erfolgte bereits im November 2016, korrekt wäre 25541 gewesen. Nach so langer Zeit gar nicht schlecht gemerkt, finde ich.

Sonntag: In der vergangenen Nacht endete die diesjährige Sommerzeit. Wie die Zeitung gestern berichtete, unternehmen die EU-Verantwortlichen einen neuen Anlauf, sie endlich ganz abzuschaffen, nachdem bei einer Bürgerbefragung bereits 2018 eine Mehrheit von vierundachtzig Prozent für die Abschaffung der halbjährlichen Zeitumstellung gestimmt hatte. Wobei nur 4,6 Millionen Menschen an der Befragung teilnahmen, also etwas mehr als ein Prozent der EU-Bürger, woraus sich schließen ließe, neunundneunzig Prozent ist es egal. Ich wäre damit sehr einverstanden, auch wenn es heute bereits um siebzehn Uhr sehr dämmerig, eine halbe Stunde später fast dunkel war. Allerdings bin ich skeptisch, ob ich es noch erleben werde.

In der Sonntagszeitung las ich einen Artikel über Beinverlängerung. Vor allem junge Männer, die mit ihrer Körpergröße hadern, lassen diesen Eingriff über sich ergehen, trotz Schmerzen, gesundheitlicher Risiken und erheblicher Langwierigkeit, bis sie danach wieder einigermaßen laufen können. Man muss immer wieder staunen, was Menschen alles in Kauf nehmen für ein gesteigertes Selbstwertgefühl. In meinem Berufsleben lernte ich Führungskräfte kennen, die geringe Körpergröße stattdessen durch Arschlochhaftigkeit ausglichen und damit ziemlich weit kamen.

Apropos Gehen: Zur Erprobung der neuen Wanderschuhe wurde der Sonntagsspaziergang etwas wanderartiger gestaltet. Bei trübem Wetter, anfangs mit leichtem Regen, führte er durch die Südstadt über den östlichen Hang des Venusbergs bis nach Dottendorf, von dort mit der Straßenbahn zurück. Eine sehr schöne Waldstrecke für den Sonntagnachmittag, mit etwa neun Kilometern und eineinhalb Stunden Gehzeit ist sie gut zu schaffen. Im Gegensatz zu einer Donnerstagswanderung begegneten mir zahlreiche Spaziergänger mit und ohne Hund. Ein Paar mit Hund stand am Wegesrand und schaute in den Wald, immer wieder riefen sie etwas und der Mann blies in eine Pfeife. Offenbar widmete sich der zweite, für mich nicht sichtbare Hund einer interessanten Entdeckung. Davon ließ er sich nicht abbringen, noch lange, nachdem ich an ihnen vorbei war, hörte ich die Pfiffe, eingerahmt vom Geräusch von Blättern fallender Wassertropfen.

Die Wanderschuhe erwiesen sich als geeignet und bequem, somit kann diese Woche in Schuherwerbshinsicht als erfolgreich betrachtet werden.

Dörfliche Idylle in Dottendorf, hinten im Dunst der Venusberg

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Kommen Sie gut durch die Woche und viel Spaß mit Halloween, wenn Sie es nicht lassen können.

Woche 37/2024: Fahrplanabweichungen, Frohlocken und Fischstäbchen

Montag: Nachdem es am vergangenen Wochenende noch richtig heiß war, scheint nun der Herbst eingetroffen zu sein mit Regenschauern und deutlich gefallenen Temperaturen, in den von mir regelmäßig gelesenen Blogs vielfach bejubelt. Obwohl großer Herbstfreund, halte ich mich mit Frohlocken noch zurück. Erstmals nach längerer Zeit verließ ich morgens das Haus in Jacke und kehrte auch darin zurück. Der Anblick noch erstaunlich vieler kurzer Hosen, dem ich sonst durchaus zugetan bin, ließ mich frösteln. Vielleicht weigern sich deren Träger konsequent, vor dem kalendarischen Herbstanfang ins lange Beinkleid zu wechseln, so wie andere nicht vor Oktober die Heizung in Betrieb nehmen, egal wie kalt es ist.

Da es morgens regnete und für den Tag weitere Schauer zu erwarten waren, nahm ich die Bahn. „Es kommt zu Fahrplanabweichungen und Verspätungen“ verkündete die elektrische Anzeige an der Haltestelle. Ich freute mich über das Wort „Fahrplanabweichungen“ und nahm den Hinweis ansonsten mit der gebotenen Gelassenheit zur Kenntnis. Ins Büro kam ich früh genug.

Dorten viel spontan aufkommender Kleinkram, der mich in seiner Summe ganz gut beschäftigte.

Laut interner Mitteilung heißt die Kopierstelle im Mutterhaus nun Print Center Campus. Das wurde aber auch Zeit.

Nach nicht übertrieben spätem Arbeitsende hatte ich einen Friseurtermin. Eigentlich hatte ich den schon am Samstag gehabt, aufgrund eines Missverständnisses war ich jedoch zu spät erschienen, deshalb ein neuer Termin heute. Vorbei die Zeiten, da Friseure montags geschlossen haben. Ich habe das nie verstanden, andererseits hat es mich auch nicht gestört, das war eben so. Ohnehin neigte und neige ich nicht oder vielleicht zu wenig dazu, gegebene Dinge zu hinterfragen, vielleicht verdanke ich dieser Haltung aber auch einen Zuwachs an Zufriedenheit, während andere sich grämen.

Während der Niederschrift höre ich durch die geöffnete Balkontür den Regen auf die Markise prasseln, derweil der Geliebte Tee kocht. Das kann nicht mehr lange dauern mit dem Frohlocken.

Das war jetzt ganz schön viel Text für einen recht ereignislosen Tag.

Dienstag: Im Gegensatz zu gestern stockte heute die Schreibinspiration etwas. Das ist nicht schlimm, wer soll und will das auch immer alles lesen, nicht wahr. Ein fast ganz normaler Dienstag mit Fußmarsch ins Werk und zurück, wobei der Rückweg nicht mit einer gastronomischen Einkehr verbunden wurde. Zum einen lud das zwar trockene, doch kühle Wetter nicht zu einem Freiluftbier (immer wieder erstaunlich, welche Wörter von der Rechtschreibkorrektur nicht beanstandet werden) ein, zudem hatte ich einen ersten Anprobetermin beim Schuhmacher, wo ich vor mehreren Wochen einem spontanen Entschluss folgend Maßschuhe in Auftrag gegeben habe. Dazu vielleicht demnächst mehr.

Weg ins Werk
Das kann ja mal passieren.

Erstmals seit Wochen wurde das Abendessen, gemäß einer alten Familientradition dienstags Döner, am Küchentisch statt auf dem Balkon eingenommen, als Begleitgetränk Tee statt Wein. Willkommen im Herbst.

Mittwoch: Erstmals in dieser Woche mit dem Fahrrad ins Werk. Pünktlich zur Abfahrt hörte der Regen auf, nachdem es die Nacht durchgeregnet hatte, so dass die vorsichtshalber übergezogene Regenjacke nicht erforderlich war. Manchmal ist es fast etwas unheimlich, wie es sich fügt.

Mittags in der Kantine gab es Fischstäbchen, die habe ich ewig nicht gegessen. Sie schmeckten gut, so wie ich sie in Erinnerung hatte, alles andere wäre ja auch bedenklich. Zufällig sah ich gerade gestern Werbung eines Herstellers dieses Produkts, worin das „Frosta-Reinheitsgebot“ angepriesen wurde, am Ende hieß es „Frosta ist für alle da“, in womöglich unbewusster Anlehnung an die frühere Bac-Reklame, die Älteren erinnern sich vielleicht, „Ach Kinder … mein Bac, dein Bac – Bac ist für uns alle da!“ Eher ein Grund, auf den Verzehr von Fischstäbchen zu verzichten.

GLS brachte eine Sendung, darin ein Buch, eine Anthologie, zu der ich vor vielen Jahren, als ich noch gerne über Liebe und Triebe schrieb, einen Text beigetragen hatte und die nun, unter neuem Verlag und neuem Titel, wieder aufgelegt wurde. Kommt auf den wachsenden Stapel der ungelesenen Bücher.

Falls es Sie interessiert: erschienen im MAIN Verlag, ISBN 978-3-95949-735-0, 14€. Ich erhalte kein Honorar, was Sie nicht davon abhalten soll, es zu kaufen.
Ich brauche einfach mehr Zeit

Der Liebste hat Grillzubehör gekauft.

Von Profis für Profis

Beim Laufen abends merkte ich die dreiwöchige Unterbrechung wegen der Tagungs-Tournee, es lief sich sehr schwerfällig trotz idealer Lauftemperatur und ausgewählter Musikbegleitung im Takt der Schritte, was mich normalerweise beflügelt. Daher nur die kurze Strecke. Ab sofort wieder regelmäßig, immer schön in Bewegung bleiben, gerade im Alter.

Ansonsten Vorfreude auf den freien Tag morgen.

Donnerstag: Gelobt sei die Teilzeit. Den ersten „planfreien“ Tag nutzte ich für eine Wanderung über die vierte Etappe des Natursteigs Sieg von Merten bis Eitorf. Das Wetter war mir wohlgesinnt, um die fünfzehn Grad, meistens sonnig und trocken, erst bei Ankunft in Eitorf leichter Regen. Pünktlich um elf Uhr und mitten im Grünen plärrte das Datengerät los anlässlich des Warntages, kurz darauf heulten aus den Tälern rundherum die Sirenen hoch. Bis heute empfinde ich das Geräusch als gruselig, vor allem den auf- und abschwellenden Ton für Luftalarm. Wenn mir als in Friedenszeiten Aufgewachsener das schon so geht, was müssen dann erst diejenigen empfinden, die das noch als Ernstfall erlebt haben?

Die Strecke ist angenehm zu gehen und nicht sehr anstrengend, die Kennzeichnung gut, nur an wenigen Stellen musste ich in die App schauen, um die richtige Abzweigung zu nehmen. Die Bäume stehen noch in sattem Grün, abgesehen von den zahlreichen Fichtenleichen, die kahl in die Höhe ragen, dennoch lag bereits der würzige Hauch des Herbstes in der Luft. Immer wieder spürte ich unsichtbare Fäden des Altweibersommers (darf man das noch schreiben?) im Gesicht. Nur einmal begegnete mir ein anderer Wanderer. Insgesamt war es wieder beglückend.

Bereits kurz vor vierzehn Uhr erreichte ich das Ziel, Eitorf. Da es, wie oben erwähnt, regnete und zudem zehn Minuten später eine Bahn fuhr, suchte ich gar nicht erst nach einer geeigneten Gaststätte für das Wanderabschlussgetränk (hier schlägt die Rechtschreibprüfung an) und nahm stattdessen die Bahn zurück. Erst nach Rückkehr in Bonn erfolgte die Belohnung für die Mühen mit Oktoberfestbier und Fleischpflanzerln (für Außerbayrische: Frikadellen, Buletten) im bayrischen Brauhaus. Am Nebentisch zwei Herren, die offenbar schon länger dort verweilten. Als ein dritter dazukam, fiel der Satz: „Setz dich, wir sind gerade von swinging states auf Swingerclub gekommen.“

Hier ein paar Eindrücke des Tages:

Für die Sammlung (Merten)
Moosbetrachtungen I
Talblick
Stechpalme für Frau Lotelta
Rastplatzlyrik
Moosbetrachtungen II
Totes Holz
Moosbetrachtungen III
Käfer laben sich an einer Nacktschnecke. Vielleicht für Gartenfreunde eine Alternative zu Schneckenkorn, wobei man nicht weiß, worüber sie sich hermachen, wenn sie mit den Schnecken fertig sind.
Die Sieg in Eitorf

„PFERDE WETTEN“ steht in großen Buchstaben auf einem Schaufenster in der Bonner Innenstadt. Offen bleibt, um was die Gäule wetten.

Laut Zeitungsbericht haben über vierzig Prozent der elf- bis siebzehnjährigen schon mal einen Porno gesehen, oh Zeiten, oh Sitten! – Aha. Wo ist das Problem? Vermutlich haben über achtzig Prozent aus derselben Altersgruppe schon Tatort gesehen, wo Mord und Totschlag im Mittelpunkt stehen. Darüber wird nie berichtet. Warum auch.

Freitag: Heute ist Freitag, der dreizehnte. Wenn Sie das beunruhigt, sind Sie Paraskavedekatriaphobiker, falls Sie das noch nicht wussten. Sonst auch.

Mein Tag begann mit diesem Lied morgens im Radio, das, da wiederhole ich mich, meine Laune stets zu heben vermag, und das mich als angenehmer Ohrwurm durch den Werktag begleitete.

Beim Morgenkaffee das erste Mal gelacht:

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Der Werktag verlief ohne nennenswerte Imponderabilien. In der Präsentation zu einer Besprechung stand „Scheiss Experience“, erst dachte ich, mich verlesen zu haben, doch das stand da wirklich. In derselben Runde sagte einer „Sonst bekommen wir ein Fuck up“. Dass die sich nicht schämen. Später, in einer anderen Besprechung, war „Das wäre ein kleiner Super-GAU“ zu hören; was so gesagt wird, wenn man nicht weiter nachdenkt.

Samstag: „… hat Wladimir Putin außerdem zwei Söhne aus seiner Partnerschaft mit der Rhythmischen Sportgymnastik-Olympiasiegerin Alina Kabajewa“, ist in der Zeitung zu lesen.

Vor Jahren, als ich noch regelmäßig den Radiosender 1live hörte (heute ertrage ich das Gelaber nicht mehr), lief dort täglich eine Juxserie, deren Titel mir entfallen ist. Ich erinnere mich nur noch an den in jeder Folge gesagten Satz „Du hast doofe Ohren“, am Ende explodierte immer eine Bombe. Wie ich darauf komme: In der Fußgängerzone sah ich einen, der offenbar früher diese riesigen Ösenringe in den Ohren getragen hatte. Nun nicht mehr, die großräumig durchlöcherten Ohrläppchen hingen schlaff herunter. Der hatte wahrlich doofe Ohren.

Sonntag: Der Sonntagsspaziergang fiel kurz aus, er führte in das Kult41, wo acht Autorinnen und ein Hobbyschreiber ihre selbstverfassten Texte für die „Bonntastik V“ vortrugen. Anschließend wurde ich für das Bürgerradio interviewt, das kommt auch nicht oft vor. Die vorgetragenen Texte und noch viel mehr gibt es auch als Buch, wenn Sie hier mal schauen möchten.

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern.

Woche 26: Und jetzt?

Montag: Anlässlich eines Außentermins am Vormittag sprintete ich zweimal vor dem Gebäude meines Arbeitgebers hin und her. Zuerst – da ich das Hinweisschild erst kurz vor der planmäßigen Abfahrtszeit bemerkte -, von der Bushaltestelle zu der aufgrund einer Baustelle etwa hundert Meter vorher eingerichteten Ersatzhaltestelle, dann, als der Bus an der Ersatzhaltestelle vorbei fuhr, um an der ursprünglichen zu halten, wieder zurück. Das war bestimmt sehr lustig anzusehen.

Dienstag: Eine besondere Spezies, die stets einen lächerlichen Anblick bietet, sind Läufer, zumeist männlich, die beim Laufen einen dreirädrigen Hochleistungskinderwagen vor sich herschieben. Als hätten sie das Kind eigens zu diesem Zweck in die Welt gefi gesetzt.

Eine in meinen Augen sehr sympathische Spezies ist die Hummel. Als der Liebste und ich am späteren Abend, kurz nach halb zehn, beim Abendglas auf dem Balkon saßen, war noch eine an unseren Balkonblumen tätig. Musste wohl Überstunden machen wegen Personalmangels.

Mittwoch: Anscheinend veranstaltete McKinsey heute einen Wandertag.

„Ich wüsste wirklich gerne, was ihr da den ganzen Tag macht“, sagte der Geliebte anlässlich einer für mich normalerweise unüblichen Plauderei über meine Arbeitsstelle. Ja, das wüsste ich manchmal auch gerne.

Aus gegebenem Anlass fielen die Autokorsos nach dem WM-Spiel erfreulich zurückhaltend aus. Übrigens: Falls jemand Verwendung hat für schwarz-rot-gelbe Wolldecken, Regenschirme und eine Fahne, möge er sich melden.

Donnerstag: Ein Zettel in der Etagen-Kaffeeküche zeugt von Ratlosigkeit.

Allerdings bezieht sich der Hinweis weder auf „unser“ Ausscheiden aus der Fußballweltmeisterschaft noch auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, sondern auf eine größere Menge schmutzigen Geschirrs, welches in die Spülmaschine einzuräumen versäumt wurde.

Freitag: Wir werden alle sterben – das hat in gewisser Weise auch was Tröstliches. Nehmen wir beispielsweise diesen Typen, der mir in der Bahn gegenüber saß: Braungebrannt, Glatze mit Rauschebart, was ja stets irgendwie falsch herum wirkt, bullig aufgepumpt mit Anabolika oder so ’nem Zeugs, Oberarme wie eine norditalienische Fleischereifachverkäuferin, großflächig tätowiert an Armen und Hals (und wahrscheinlich auch anderen Stellen, derer ich glücklicherweise nicht ansichtig wurde), dazu Jogginghose (natürlich hackenfrei) und ein knappes Leibchen. Während er da so saß und mit flach vor dem Mund gehaltenen Telefon und reichlich Sch-Lauten telefonierte, drängte sich mir folgende Frage auf: Müssten wir nicht viel mehr als den Tod oder das Welken der eigenen Jugend den schrecklichen Moment fürchten, wenn uns unsere eigene Lächerlichkeit bewusst wird?

Samstag: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum. Wir tun es“, las ich auf der Autobahn an der Rückwand eines Wohnmobils aus dem Kreis Rottweil, welches in etwa die Abmessungen eines Linienbusses hatte. Das stellt wohl eine abgemilderte Variante von „Eure Armut kotzt mich an“ dar.

Sonntag: Genug – eine gute und sinnvolle Initiative gegen den allgegenwärtigen Wachstums- und Konsumwahn: https://www.genug.de/ Nur mit einer Aussage stimme ich nicht völlig überein: „Wenn wir unsere Ressourcen weiter plündern, entscheiden wir uns für den Krieg der Menschen untereinander und mit der Erde.“ Dem halte ich entgegen: Der Erde ist das völlig egal. In erdgeschichtlichen Maßstäben sind wir weniger als ein Mückenstich, von dem sie sich nach unserem Verschwinden schnell erholen wird.