Woche 26: Und jetzt?

Montag: Anlässlich eines Außentermins am Vormittag sprintete ich zweimal vor dem Gebäude meines Arbeitgebers hin und her. Zuerst – da ich das Hinweisschild erst kurz vor der planmäßigen Abfahrtszeit bemerkte -, von der Bushaltestelle zu der aufgrund einer Baustelle etwa hundert Meter vorher eingerichteten Ersatzhaltestelle, dann, als der Bus an der Ersatzhaltestelle vorbei fuhr, um an der ursprünglichen zu halten, wieder zurück. Das war bestimmt sehr lustig anzusehen.

Dienstag: Eine besondere Spezies, die stets einen lächerlichen Anblick bietet, sind Läufer, zumeist männlich, die beim Laufen einen dreirädrigen Hochleistungskinderwagen vor sich herschieben. Als hätten sie das Kind eigens zu diesem Zweck in die Welt gefi gesetzt.

Eine in meinen Augen sehr sympathische Spezies ist die Hummel. Als der Liebste und ich am späteren Abend, kurz nach halb zehn, beim Abendglas auf dem Balkon saßen, war noch eine an unseren Balkonblumen tätig. Musste wohl Überstunden machen wegen Personalmangels.

Mittwoch: Anscheinend veranstaltete McKinsey heute einen Wandertag.

„Ich wüsste wirklich gerne, was ihr da den ganzen Tag macht“, sagte der Geliebte anlässlich einer für mich normalerweise unüblichen Plauderei über meine Arbeitsstelle. Ja, das wüsste ich manchmal auch gerne.

Aus gegebenem Anlass fielen die Autokorsos nach dem WM-Spiel erfreulich zurückhaltend aus. Übrigens: Falls jemand Verwendung hat für schwarz-rot-gelbe Wolldecken, Regenschirme und eine Fahne, möge er sich melden.

Donnerstag: Ein Zettel in der Etagen-Kaffeeküche zeugt von Ratlosigkeit.

Allerdings bezieht sich der Hinweis weder auf „unser“ Ausscheiden aus der Fußballweltmeisterschaft noch auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens, sondern auf eine größere Menge schmutzigen Geschirrs, welches in die Spülmaschine einzuräumen versäumt wurde.

Freitag: Wir werden alle sterben – das hat in gewisser Weise auch was Tröstliches. Nehmen wir beispielsweise diesen Typen, der mir in der Bahn gegenüber saß: Braungebrannt, Glatze mit Rauschebart, was ja stets irgendwie falsch herum wirkt, bullig aufgepumpt mit Anabolika oder so ’nem Zeugs, Oberarme wie eine norditalienische Fleischereifachverkäuferin, großflächig tätowiert an Armen und Hals (und wahrscheinlich auch anderen Stellen, derer ich glücklicherweise nicht ansichtig wurde), dazu Jogginghose (natürlich hackenfrei) und ein knappes Leibchen. Während er da so saß und mit flach vor dem Mund gehaltenen Telefon und reichlich Sch-Lauten telefonierte, drängte sich mir folgende Frage auf: Müssten wir nicht viel mehr als den Tod oder das Welken der eigenen Jugend den schrecklichen Moment fürchten, wenn uns unsere eigene Lächerlichkeit bewusst wird?

Samstag: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum. Wir tun es“, las ich auf der Autobahn an der Rückwand eines Wohnmobils aus dem Kreis Rottweil, welches in etwa die Abmessungen eines Linienbusses hatte. Das stellt wohl eine abgemilderte Variante von „Eure Armut kotzt mich an“ dar.

Sonntag: Genug – eine gute und sinnvolle Initiative gegen den allgegenwärtigen Wachstums- und Konsumwahn: https://www.genug.de/ Nur mit einer Aussage stimme ich nicht völlig überein: „Wenn wir unsere Ressourcen weiter plündern, entscheiden wir uns für den Krieg der Menschen untereinander und mit der Erde.“ Dem halte ich entgegen: Der Erde ist das völlig egal. In erdgeschichtlichen Maßstäben sind wir weniger als ein Mückenstich, von dem sie sich nach unserem Verschwinden schnell erholen wird.