Die Neunziger – Suchen und Finden

Hier Teil drei meiner Reise durch die Jahrzehnte. Nachdem wir auf die Siebziger– und Achtzigerjahre geschaut haben, betrachten wir nun die

Neunzigerjahre.

Das Jahrzehnt begann, politisch bemerkenswert, mit der Auflösung des Ostblocks, allen voran der mächtigen UdSSR, und der Wiedervereinigung Deutschlands. Aus der DDR wurden über Nacht die „fünf neuen Bundesländer“, auch „Beitrittsgebiet“ genannt, scherzhaft „Neufünfland“ oder böse „Dunkeldeutschland“. Nicht alle waren über die neue Freiheit glücklich, viele Betriebe und Fabriken wurden abgewickelt, wie man es nannte; zahlreiche Bürger des vormaligen Arbeiter- und Bauernstaates verloren ihre Arbeitsplätze, die von Helmut Kohl versprochenen blühenden Landschaften mussten ihnen wie Hohn vorkommen.

Ich war zum ersten Mal Anfang 1990 jenseits der Zonengrenze, als es die DDR formal noch gab. Von Bielefeld fuhren wir mit dem Auto nach Wernigerode in den Harz, dort fuhr die schmalspurige, noch überwiegend mit Dampfloks betriebene Harzquerbahn der Deutschen Reichsbahn nach Nordhausen ab. Bislang kannten wir sie nur aus Berichten in Eisenbahnzeitschriften, nun konnten wir sie uns endlich anschauen und mitfahren, ohne schikanöse Grenzkontrollen befürchten zu müssen. Das war ganz was anderes als die Gütersloher Dampfkleinbahn, hier müssen die Loks schwer am Berg arbeiten, bis heute.

Ich als Wessi

In den Folgejahren besuchten wir weitere dampfbetriebene Schmalspurbahnen in Mecklenburg und Sachsen, die erstaunlicherweise alle bis heute überlebt haben. Wobei die Begeisterung für mein langjähriges Lieblingshobby langsam nachließ: Die HO-Modellbahn auf dem Dachboden war abgebaut, um größer und besser wieder aufgebaut zu werden. Auch die L.G.B.-Bahn im Garten wurde wegen Gartenarbeiten vorübergehend demontiert. Beide wurden indes nicht wieder aufgebaut, zum einen aus Zeitgründen, zum anderen aufgrund akuter Interessenverschiebung; später zog ich bei meinen Eltern aus, noch später aus Bielefeld weg nach Bonn, dazu kommen wir noch. Das Hobby Modelleisenbahn hatte sich bis auf weiteres erledigt. Nur der Dampfkleinbahn blieb ich noch an vielen Wochenenden treu.

Hinzu kam meine noch junge Selbsterkenntnis zwischenmenschliche Präferenzen betreffend. Erst im Jahr zuvor hatte ich mir nach längerer Verdrängung endlich eingestanden, dass ich mit Mädchen eine allenfalls freundschaftliche Beziehung aufbauen konnte, wohingegen mit Jungs so einiges denkbar und wünschenswert erschien. Diese Einsicht war zwar sehr befreiend, allerdings fehlten mir vorläufig Ideen für eine Konkretisierung. Eine große Hilfe war mir dabei mein alter Schulfreund C., der für sich dieselbe Erkenntnis schon einige Jahre zuvor gewonnen und sich gut darin eingerichtet hatte. Er hatte einen Freund, der des öfteren wechselte, und er kannte sich bestens aus in einschlägigen ostwestfälischen Treffpunkten.

Ein solcher war „Muttis Bierstube“ in der Bielefelder Innenstadt, eine von außen unauffällige Gaststätte am Kesselbrink. Dorthin nahm er mich an einem Samstagabend mit, wobei es mehrere Überredungsversuche brauchte, ehe ich dazu bereit war. Ganz geheuer war mir das ganze nicht: Man(n) konnte nicht einfach hineingehen wie in andere Kneipen, sondern wir standen vor einer Eisentür und mussten klingeln. Kurz darauf öffnete sich ein Kläppchen in der Tür, wir wurden begutachtet und augenscheinlich für eintretenswert befunden, die Pforte ward uns aufgetan.

Viel war noch nicht los, wir waren zu früh, vor Mitternacht brauchte man dort nicht hinzugehen, erklärte mir C. Die anwesenden Männer waren überwiegend älter, einige von ihnen bestätigten die gängigen schwulen Klischees: nasale Stimme, blond gesträhnte Föhnfrisuren, dünne Oberlippenbärte, auffällige Ohrringe, bizarre Brillenmodelle, Zigaretten mit abgeknickten Handgelenken haltend, ab und zu kreischte einer auf. So sollte ich auch werden? Ein unbehaglicher Gedanke. Immerhin waren sie bekleidet und blieben auf Distanz. (Gaststätten, in denen das anders war, lernte ich gut zehn Jahre später kennen, dazu kommen wir in den Zweitausendern.)

Auch beruflich änderte sich einiges für mich. Auf wohlmeinendes Drängen eines Vorgesetzten bewarb ich mich in die gehobene Beamtenlaufbahn, obwohl ich mich im mittleren Dienst wohl fühlte: Die Identifikation mit dem Unternehmen war nach wie vor hoch, die Arbeit machte Spaß, nur die Bezahlung hätte besser sein können. Wider Erwarten wurde ich angenommen, bereits zum 1. März 1990 wurde ich zum „Postinspektoranwärter“ ernannt, das bedeutete eine erneute, dreijährige Ausbildung mit Studienabschnitten in Köln und dem südhessischen Dieburg, immer wieder unterbrochen von Praxisblöcken in verschiedenen Dienststellen in Bielefeld.

Das Grundstudium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Köln dauerte sechs Monate, ich hasste es: Untergebracht waren wir in einem Wohnheim mit Doppelzimmern und zentralen Waschräumen und Toiletten je Stockwerk. Mit meinem Zimmergenossen H. kam ich gut klar, dennoch wünschte ich mir sehnlichst immer wieder eine Tür, die ich schließen konnte, um mal allein zu sein. Einige wenige ältere Kollegen hatten das Glück eines Einzelzimmers, ich beneidete sie sehr darum.

September 1990 auf einer von der FH organisierten Veranstaltung, daher die Krawatte. Und nach mehreren Kölsch, daher der Blick.

Dass unser Wohnheim in Köln in unmittelbarer Nähe zum schwulen Ausgehviertel am Rudolfplatz lag, wusste ich nicht. Viel hätte mir die Kenntnis mangels Einzelzimmer auch nicht genützt.

Etwas angenehmer waren die Bedingungen später in Dieburg, wo die Bundespost ihre eigene Fachhochschule betrieb. Es gab mehrere Wohnheime, dort waren wir in Einzelzimmern untergebracht, immerhin mit Waschbecken. Dafür gab es nicht die speziellen Ausgeh- und Kennenlernmöglichkeiten wie in Köln. Wenn man davon ausging, dass etwa fünf Prozent der Menschen das eigene Geschlecht bevorzugen, musste es auch hier unter den Studenten einige geben, aber wie sollte ich das herausfinden? Die Möglichkeiten des Internets und heute allgegenwärtiger Datengeräte mit Apps zur Kontaktsuche hatte ich noch nicht. Immerhin kam ich im dritten und letzten Studienabschnitt während einer Geburtstagsfeier meinem Kurskameraden A. näher. Doch hielt das nicht lange, die Folge war lang anhaltender Herzschmerz meinerseits bis zum Ende des Studienabschnitts und ein wenig darüber hinaus.

Studieren mit Selbstauslöser

Das war überhaupt mein Hauptproblem: Wenn ich einen kennen lernte, war ich sofort hin und weg und sah uns dauerhaft in Liebe verbunden. Doch die schwule Welt drehte sich anders – viele suchten das kurze Vergnügen, danach konnte man froh sein, wenn sie noch grüßten, wenn man sich das nächste Mal zufällig sah. Das zu begreifen war ein längerer, oft schmerzhafter Weg.

Kurz nach bestandener Laufbahnprüfung für den gehobenen Dienst zog ich bei meinen Eltern aus in eine Einliegerwohnung im Bielefelder Ortsteil Quelle, auf der anderen Seite des Teutoburger Waldes. Die Vermieter, ein älteres Ehepaar, das unter mir wohnte, waren freundlich, die Miete sehr günstig. Die neue Freiheit war großartig – endlich konnte ich am Wochenende spätabends noch raus, ohne „Was, jetzt noch?“ gefragt zu werden: in Muttis Bierstube, ins EXIT, ins Magnus, ins Heat, zu den Partys im Jugendzentrum Kamp oder in Paderborn. Über Nacht wegbleiben, wenn es sich spontan ergab. Besucher empfangen, ohne hinterher erklären zu müssen, wer das war; manche kamen einmal, andere öfter. Oder einfach alleine sein. Nur den mütterlichen Wäscheservice nahm ich noch gerne in Anspruch, jeden Montagabend fuhr ich zum Wäschetausch nach Stieghorst.

Mein Wohnzimmer mit zeitgenössischer Einrichtung

Erstmals hatte ich Befassung mit Computern, zunächst bei der Arbeit, später auch zu Hause mit einem Rechner, den ich gebraucht von einem Kollegen gekauft hatte und der ständig abstürzte. Die Geräte waren noch nicht vernetzt, die Bildschirme, zunächst nur schwarz-weiß, riesige Klötze, bevorzugte Software war Microsoft Works, womit immerhin Textverarbeitung und Tabellenkalkulation möglich waren.

Da die regelmäßigen Besuche der örtlichen Lokalitäten nicht zum gewünschten Ergebnis führten, meistens fuhr ich nachts enttäuscht allein nach Hause, gab ich Kontaktanzeigen mit Chiffrenummer auf. Es kam zu mehreren Treffen, einmal fuhr ich gar zu einer Verabredung nach Osnabrück. Der Richtige war indes nicht dabei, allenfalls entstand nur einseitige Zuneigung, zumeist vom Gegenüber. Vielleicht war ich zu wählerisch.

Dabei war ich – bei aller Bescheidenheit – eigentlich ganz hübsch

Doch blieb das Liebesglück auch mir nicht dauerhaft versagt: 1994 lernte ich, wiederum auf einer Geburtstagsfeier, F. kennen, mit dem ich immerhin eineinhalb Jahre zusammen blieb. Er war diesbezüglich wesentlich weiter als ich, wollte gerne mit mir zusammenziehen, am liebsten hätte er mich geheiratet und Kinder adoptiert, wenn das schon möglich gewesen wäre. Ich dagegen war sehr darauf bedacht, dass weder Eltern noch Kollegen von meiner Vorliebe für Jungs erfuhren, zumal ich inzwischen Vorgesetztenfunktion hatte und um meine Autorität fürchtete. Daran ist es letztlich mit uns gescheitert.

Zusammen mit ihm war ich das erste Mal auf Gran Canaria gewesen, einem in Homokreisen beliebten Urlaubsziel. Auch dort wurden unsere unterschiedlichen Sichtweisen des Zusammenlebens deutlich. Während ich noch an die Monogamie als allein zulässige Variante glaubte, wollte er gerne mal einen Dritten mit in den Bungalow nehmen, nicht zum Kartenspielen, was ich empört ablehnte. Ein anderes Mal überredete er mich, abends im Yumbo Centrum zusammen einen Darkroom aufzusuchen. Bereits in der ersten Minute geriet ich in Panik, obwohl nichts Unanständiges passiert war, und ich zerrte ihn schnell wieder raus.

Im Herbst nach unserer Trennung war ich das zweite Mal auf der Insel, jetzt alleine. Dort fand ich bald Anschluss und erkannte auch an Unanständigkeiten die erfreuliche Seite, auch zu dritt und nicht nur im Dunklen.

Auch auf Gran Canaria, etwas später

Erst drei Jahre später, nachdem ich am Himmelfahrtstag auf einer Gruppenwanderung dem Liebsten, dem Mann fürs Leben, begegnet war, begann ich langsam, mich zu öffnen, zunächst gegenüber den Eltern, später auch Kollegen. Ablehnung oder Nachteile erfuhr ich dadurch nie. Nur mein Vater hatte Probleme damit, von mir keine Enkel erwarten zu können. Man kann es nicht allen recht machen.

Auch den Begriff der Monogamie definierten wir einvernehmlich neu, mit nicht allzu strenger Auslegung. Vielleicht erzähle ich darüber in den Zweitausendern ein wenig.

In beruflicher Hinsicht ergaben sich weitere Änderungen. Die Post wurde privatisiert und umstrukturiert, aus der Bundesbehörde sollte eine gewinnbringende Aktiengesellschaft werden. Dadurch stieg der Arbeitsdruck erheblich, erstmals haderte ich nach einer Versetzung in eine andere Dienststelle mit dem Job. Meine persönliche Arbeitsfreude und Motivation sank, weil ich das Gefühl hatte, meine Arbeit nicht mehr in der Qualität zu schaffen, die ich von mir selbst erwartete. Ich fühlte mich zerrieben zwischen den Budgetvorgaben von oben und dem Gegendruck von unten. Auch die nächste Beförderung lag in weiter Ferne. Etwas musste sich grundsätzlich ändern, wobei ein kompletter Wechsel des Arbeitgebers nicht in Frage kam.

Bei der Arbeit

Der Zufall kam mir zur Hilfe: Nach einer regionalen Veranstaltung in Dortmund kam ich mit einem Abteilungsleiter der Zentrale in Bonn ins Gespräch, dem ich mein grundsätzliches Interesse an einem Wechsel vortrug. Er notierte sich meinen Namen, einige Wochen später erhielt ich einen Anruf aus Bonn, ob ich noch interessiert wäre, in einer anderen Abteilung suchten sie jemanden mit Betriebserfahrung. Das musste ich mit dem Liebsten besprechen, immerhin hätte das einen Umzug bedeutet, wenn es klappte. Wir kamen schnell überein, es anzunehmen. Der Liebste studierte noch ein halbes Jahr, nach seinem Abschluss würde er dann ebenfalls nach Bonn kommen.

Ich bekam den Job, zunächst zur Probe, daher behielt ich erstmal meine Wohnung in Bielefeld-Quelle. In Bonn wohnte ich in einem Appartementhotel im wenig pittoresken Stadtteil Tannenbusch, was schöner klingt als es war: Wenn ich morgens die Vorhänge aufschob, blickte ich statt auf Nadelhölzer auf Hochhäuser und viel Beton. Abends nach Feierabend war ich froh, wenn ich den Fußweg von der Stadtbahn ins Hotel unbehelligt überstanden hatte, danach ging man besser nicht nochmal vor die Tür.

Wir führten eine Wochenendbeziehung. Freitagnachmittag fuhr ich mit der Bahn nach Bielefeld, sonntagabends zurück. Bereits am frühen Nachmittag wurde ich unruhig, schaute immer wieder auf die Uhr, wie viele gemeinsame Stunden wir noch hatten, ehe ich wieder zum Bahnhof musste. Ich weiß nicht, wie andere Paare das schaffen, oft über viele Jahre und viel größere Distanzen als die zweihundert Kilometer zwischen Bielefeld und Bonn. Für mich war und ist das auf Dauer nichts.

Die Arbeit in der Zentrale war grundlegend anders als ich es von der Niederlassung gewohnt war. Das Gute war, ich hatte keine Personalverantwortung mehr. Dafür musste ich lernen, dass vieles mit anderen Abteilungen und Bereichen abzustimmen war, wobei stets auch auf persönliche Befindlichkeiten einiger Bereichsleiter zu achten war. Auch an meinen neuen Chef musste ich mich erst gewöhnen, der es für richtig befand, neuen Mitarbeitern erstmal „die Uhr zu stellen“. Dabei wurde er nie laut, er verstand es perfekt, auch leise jemanden zur Schnecke zu machen.

Meine erste Weihnachtsfeier der Zentrale. Von einem Rheinländer kaum noch zu unterscheiden

Doch hatte ich mich anscheinend bewährt, zum April des Folgejahres 1999 wurde ich offiziell von der Niederlassung Herford zur Zentrale versetzt. Ich musste mich nun um eine Wohnung in Bonn bemühen. Die fand ich nach längerer Suche und mehreren Besichtigungen in der Bonner Südstadt, im Dachgeschoss eines Gründerzeithauses. Das Haus war bei näherer Betrachtung eine Bruchbude, bedurfte dringend einer Renovierung. Dahinter verlief die Bahnstrecke nach Koblenz, bei der Durchfahrt von Güterzügen klirrten die Gläser im Schrank, vor allem nachts wurde meine Liebe zur Bahn auf die Probe gestellt. Vor dem Haus fuhr, nicht ganz so laut, die Straßenbahn. Die Wohnung hatte weder Schallschutz noch Balkon, die Miete betrug das dreifache meiner Bielefelder Wohnung. Dennoch verliebte ich mich spontan in die Dachkammer und fühlte mich dort sehr wohl, an den Bahnlärm gewöhnte ich mich bald.

Drei Monate nach meinem Umzug kam der Liebste nach. Das war eine erneute Umstellung, bis dahin hatte ich immer alleine gewohnt. Zudem war die Dachkammer für zwei Personen recht klein bemessen. Dennoch rauften wir uns mit unseren unterschiedlichen Gewohnheiten bald zusammen und begannen, nach einer größeren Wohnung mit Balkon zu suchen.

In technischer Hinsicht brach eine neue Zeit ein. Noch vor dem Umzug hatte ich mir das erste Mobiltelefon zugelegt, ein klobiges Ding von Alcatel mit ausziehbarer Antenne. Und in unserer Dachkammer hatten wir erstmals Internet, das über ein fiependes und rasselndes Modem aufgerufen und minutengenau abgerechnet wurde. Ich verbrachte Stunden damit, über spezielle Seiten spezielle Bilder herunterzuladen, die manchmal Minuten brauchten, um sich aufzubauen. An das Herunterladen von Musik oder gar Filmen war noch nicht zu denken, das Wort „streaming“ noch unbekannt.

Wie in den Achtzigern geschildert, hatte mir der Schulsport jede Freude an sportlicher Betätigung genommen. Nach langjähriger Abstinenz begann ich in den Neunzigern mit Laufen. Zunächst, noch in Bielefeld, mit meinem Kollegen O., in den ich, obwohl Hetero, aber ein sehr zutraulicher, eine Zeit lang ziemlich verschossen war. In Bonn behielt ich es bei, zunächst mehrere Runden um die Poppelsdorfer Allee, später am Rhein.

Auch das schwule Leben in Bonn und Köln erkundeten wir. In Bonn gab es drei Kneipen, von Art und Publikum her Muttis Bierstube in Bielefeld ähnlich, eine sogar mit Dunkelraum. Und es gab das Schwulen- und Lesbenzentrum am Frankenbad, wo man sich montagabends traf, ungefähr einmal im Monat war am Samstag eine Party. Dort lernten wir bald einige Leute kennen.

An Wochenenden fuhren wir oft mit der Bahn nach Köln, wo wir vor allem die zahlreichen Lokale in der Umgebung des Rudolfplatzes aufsuchten, nicht weit vom Wohnheim, wo ich neun Jahre zuvor im Doppelzimmer gehaust hatte. Manche Lokale besuchte man nicht nur zum Quatschen und Biertrinken, dazu mehr bei Betrachtung der Zweitausender.

Ich trat in Köln einem Verein schwul-lesbischer Bahnfreunde bei, auch das gibt es. Einmal monatlich traf man sich zum Stammtisch, an Wochenenden gab es ab und zu Bahntouren, bei denen eine Einkehr zu Kaffee und Kuchen ein wesentlicher Programmpunkt war. Der Eisenbahnfreund ist speziell, das wusste ich aus langjähriger (Selbst-)Erfahrung, der schwule Mann auch, wie ich im Laufe der Zeit erkannte. Die Kombination von beidem ist sehr speziell.

Werfen wir einen Blick auf Dinge, die sich in den Neunzigern außerhalb meiner kleinen Welt ereigneten.

In musikalischer Hinsicht mochte ich Oasis, überhaupt Britpop; das zweite Album der Traveling Wilburys, das „Vol. 3“ hieß, bereits ohne Roy Orbison, da zuvor gestorben; M People, Prince, Fatboy Slim, das Album „The Division Bell“ von Pink Floyd, INXS, Primal Scream, Electronic, Moby, The Verve; zu erwähnen sind weiterhin Fool’s Garden und Army Of Lovers. Zu meinem Bedauern starb die Single zu Beginn des Jahrzehnts aus, daher musste ich die wesentlich teureren Single-CDs kaufen; ganze Alben kaufte ich nur selten. Freddy Mercury starb an AIDS.

Helmut Kohl wurde nach sechzehn Jahren als Bundeskanzler abgewählt, für ihn übernahm der SPD-Mann Gerhard Schröder zusammen mit den Grünen.

Wladimir Putin wurde erstmals Ministerpräsident von Russland.

Die Amerikaner marschierten zum ersten Golfkrieg in Irak ein, Jugoslawien hörte nach den Balkankriegen auf zu existieren.

Den Jahreswechsel von 1999 nach 2000 erlebten der Liebste und ich mit Blick aus dem Dachfenster auf die Lichter der Stadt, die vielleicht gleich erlöschen würden. Das hatten IT-Experten als sogenannten Y2K-Effekt für möglich gehalten, weil viele IT-Systeme auf nur zweistellige Jahreszahlen programmiert waren und deshalb womöglich den Jahreswechsel auf 2000 nicht verarbeiten konnten. Die Lichter blieben an, die Zweitausender hatten begonnen. Dazu demnächst mehr.

Woche 12: Latein am Ende

Montag: In anderen Unternehmen ist es längst üblich, nun auch bei uns. Heute fand die Abteilungsrunde, auch als „Stand Up Meeting“ bekannt, obwohl alle dabei sitzen, per Zoom mit bewegten Bildern statt. Es ist noch etwas ungewohnt und bedarf großer Beherrschung, währenddessen nicht mehr zu gähnen, in der Nase zu bohren oder sich genüsslich in entlegenen Körperregionen zu kratzen.

Dienstag: Am späteren Nachmittag kam es zu einer Skype-Besprechung (zum Glück ohne bewegte Bilder der Mitwirkenden), bei der fünfzehn Leute durcheinander redeten. Damit nicht genug: Gleichzeitig wurde ich in eine Paralleldiskussion einiger Teilnehmer – Verzeihung: Teilnehmeri‘ – per Chat verwickelt, ich hasse diese Mehrkanalkommunikation. Ignorieren oder aus dem Fenster springen waren wegen Chefteilnahme leider keine Optionen.

„In den meisten Kulturen gilt das plötzliche Springen aus einem Fenster als dezentes Zeichen, dass das Gespräch beendet ist.“ Wertvolle Tipps zur Gesprächsbeendigung hier.

Mittwoch: Nun also doch keine „Ruhetage“ zu Ostern, die für kommende Woche zunächst in Aussicht gestellt waren. Wie schade, über den freien Donnerstag hätte ich mich schon gefreut, gerade auch weil uns der Kalender in diesem Jahr die Feiertage 1. Mai, 3. Oktober, Weihnachten und (2022) Neujahr als zusätzliche arbeitsfreie Tage vorenthält. Auch wenn Zweck und Nutzen fraglich geblieben wären. Aber das gilt ja für Pfingsten und andere kirchliche Feiertage in ähnlicher Weise, da weiß auch kaum noch jemand, was die Christi‘ feiern und warum wir deswegen zu Hause bleiben dürfen.

Ich zähle mich nicht zu den Menschen, die immer und gerne auf die Politik schimpfen, zumal ich diesen Job nicht machen möchte. Und doch – zum ersten Mal, soweit ich mich zurück erinnern kann, habe ich Zweifel, dass die Damen und Herren noch wissen, was sie tun. Andererseits fand ich das deutliche, unverblümte Schuldbekenntnis der Kanzlerin für das Hin und Her bemerkenswert; an Ähnliches kann ich mich auch nicht erinnern.

Donnerstag: Wie jeden Donnerstag ging ich auch heute zu Fuß ins Werk, weil Gehen glücklich macht, ich wiederhole mich da, glaube ich. Auf dem Hinweg am Rhein entlang achtete ich mal wieder auf die zahlreichen Aufkleber an Laternenpfählen, die dort anzubringen manche Leute als richtig und wichtig erachten, auch das ist nichts Neues; neben den üblichen Aufrufen gegen Nazis und für Klimaschutz überwiegend eher rätselhafte Zeichen, Buchstabenkombinationen und Bildchen. Vier Botschaften blieben mir im Gedächtnis kleben, jedenfalls so lange, bis ich sie nach Ankunft im Werk notieren konnte. Die erste: „Ist das System relevant?“ Ein schönes Wortspiel und eine gute Frage, auch wenn im Unklaren bleibt, welches System gemeint ist. Das in Linkenkreisen gerne angeprangerte System an sich (was auch immer das sein soll) erscheint mir stets ein wenig zu pauschal. – Die zweite: „Ignoranz – Arroganz – Mensch“. Nicht verkehrt; Anwesende und Leseri‘ dieses Blog selbstverständlich ausgeschlossen. – Die dritte: „Unterkunft für 9 Personen gesucht.“ Neun Personen. In Bonn. Viel Erfolg. – Und die vierte: „Wer benötigt Nachhilfe in Latein?“ Eine berechtigte Frage in Zeiten, da viele mit ihrem Latein am Ende sind. Dementsprechend waren fast alle Kontaktdatenschnipsel abgerissen, vielleicht von der Politik.

(Man muss geduldig sein.)

Auf dem Rückweg schuf ich die Voraussetzung für die Verwirklichung eines Vorsatzes, den ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe, auch wenn ich Vorsätzen für neue Jahre grundsätzlich wenig Bedeutung beimesse: Bevor der Einzelhandel ab kommender Woche womöglich wieder seine Pforten schließen muss, erstand ich neue Laufschuhe. Ab morgen wird dann nach viel zu langer Pause wieder gelaufen. Oder ab übermorgen. Oder … auf jeden Fall bald.

Freitag: Seit 2002 ist die Bundeswehr in Afghanistan, zahlreiche Soldaten wurden seitdem getötet oder körperlich wie seelisch schwer verletzt. Das ist unfassbar sinnlos – eher erlaubt der Papst die kirchliche Segnung homosexueller Satanisten, als dass es dort jemals zu Frieden mit den Taliban kommt, bitte sehen Sie mir meinen diesbezüglichen Pessimismus nach. Das ganze als „Mission“ zu bezeichnen, ist bösartig. Dennoch hat der deutsche Bundestag nun eine weitere Verlängerung des Mandats beschlossen. Es ist nicht damit zu rechnen, dass auch dafür eines Tages jemand um Verzeihung bittet.

Nachdem der Geliebte abends völlig unbegründeten Unmut gegen Anwesende geäußert hatte, bekam er Unterstützung durch Siri, die ungefragt „Das sehe ich auch so“ hinzufügte. Irgendwann fliegt die hier raus, spätestens wenn herauskommt, dass uns Lausch- und Laberdosen wie Siri und Alexa doch permanent abhören. Auch hier ist mit Abbitten von Apple und Amazon eher nicht zu rechnen.

Samstag: Ich gestehe – die neuen Laufschuhe harren noch der Einweihung. Weder gestern (zu lange im Werk) noch heute (Unwohlsein aus hier nicht näher ausgeführten, dem Verfasser gleichwohl bekannten Gründen) lief ich, und morgen wegen Umstellung auf Sommerzeit voraussichtlich auch nicht, ich halte das für einen hinreichenden Grund. Aber ab Montag. Von da an jeden Mon- und Donnerstag, so der Plan. Ich werde berichten.

Der Geliebte war schon heute schlechtlaunig wegen der Stunde, die ihm die Sommerzeit morgen stiehlt. Zur Bekräftigung hat er bereits vormittags die meisten Uhren in der Wohnung umgestellt.

Im Haus gegenüber wird eine Wohnung ausgeräumt, weil der Bewohner, wie wir erfuhren, vor zwei Wochen gestorben ist (wohl nicht an oder mit Corona, was viele in diesen Zeiten sehr interessiert, obwohl es den Tod weder besser noch schlechter macht). Wir waren nicht befreundet, auch bekannt wäre übertrieben; dennoch reichte es oft für einen Gruß, ein Winken, manchmal einen kurzen Schwatz von Balkon zu Balkon. Lieber A, ich erhebe mein Glas auf dich!

Sonntag: In der Sonntagszeitung las ich erstmals das angeblich neue Wort „mütend“, die Vermengung von „müde“ und „wütend“; sicher können Sie sich vorstellen, in welchem Zusammenhang. Es könnte meinen aktiven Wortschatz durchaus bereichern, wobei ich die Variante „wüde“ einen Hauch eleganter fände, aber das ist wohl Geschmacksache. Als mögliche Anwendungsfälle fallen mir spontan ein: Ich bin wüde, immer wieder zu fragen, wann das von der EU in Aussicht gestellte Ende der halbjährlichen Zeitumstellung endlich kommt. Und wenn mir auf dem Gehweg zwei oder mehr Personen begegnen, womöglich mit Papp-Kaffeebecher und/oder displaystarrend, die es auch zum Zeitpunkt unserer Begegnung nicht für nötig halten, kurz zum Zwecke der Abstandswahrung auf das Nebeneinandergehen zu verzichten, dann bin ich todwüde, mich darüber aufzuregen.

Während des – selbstverständlich Abstand wahrenden und Menschen meidenden – Sonntagsspazierganges sah ich Blühendes …

… und Verblühtes:

Außerdem einen Satz mit erheblichem Interpretationsspielraum. Bitte beachten Sie auch die nachträgliche Korrektur.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche und, wenn wir uns vorher nicht mehr lesen, eierreiche Ostern!

Wenn es nicht läuft

Ist der Chef zufrieden, freut sich der Mensch. Es gibt gute Arbeitstage, da läufts. Und es gibt die anderen, zumindest bei mir erfreulicherweise selteneren, wo man abends eher unzufrieden nach Hause geht, zum Beispiel weil man für etwas – verzeihen Sie die Wortwahl – angekackt wurde, das man nur sehr begrenzt beeinflussen konnte; schließlich kann, will und muss man nicht alles selber machen in so einem großen Unternehmen. So ein Tag war heute, Einzelheiten erspare ich Ihnen.

Doch für solche Tage gibt es einen guten Rat, den ich letzte Woche aufschnappte. Nach einem Scheitern – in meinem heutigen Fall ein zu starkes Wort, ein schwächeres, welches treffender das von mir Gemeinte zum Ausdruck bringt, fällt mir gerade nicht ein, auch die Synonymsuchseite ist wenig hilfreich (Versagen, Durchfall, Desaster, Fiasko, Pleite, Misslingen… ja, Misslingen passt ganz gut) – nach einem misslungenen Arbeitstag also frage man sich:

  1. Sind Menschen zu schaden gekommen oder ist damit zu rechnen?
  2. Spricht in einem halben Jahr noch irgendjemand darüber?

Sofern man beides mit „Nein“ beantworten kann, gräme man sich nicht länger. In meinem heutigen Fall: 1. ein klares Nein, 2. wahrscheinlich nicht, kann man bei optimistischer Betrachtung als „Nein“ werten.

Nach der Arbeit war ich laufen, zehn Kilometer am Rhein. Das lief richtig gut.

Über Glück, Überraschungen und ein Klärwerk

Es heißt, Laufen lasse Glückshormone summen, jedenfalls nach einer längeren Strecke. Wahrscheinlich ist meine Laufstrecke zu kurz für derartige Empfindungen. Ja, es macht schon Spaß, aber Glücksgefühle, so wie als Kind, wenn das Christkind das ersehnte blaue Fahrrad gebracht hatte? Zittern vor Glück ob des Bewegungsrausches? Ich hatte übrigens tatsächlich als Kind ein blaues Fahrrad, so ein schwerfälliges Klapprad mit Rücktrittbremse und ohne Gangschaltung, jedoch bekam ich es zum Geburtstag statt zu Weihnachten; es brachte auch nicht der ‚Geburtstagsmann‘ (dessen Existenz man mir in frühen Jahren tatsächlich glaubhaft zu machen suchte, als Pendant zum allseits bekannten und von mir lange nicht in Frage gestellten Weihnachtsmann), sondern meine Eltern kauften es in meinem Beisein im Bielefelder Quelle-Kaufhaus, ohne jedes Überraschungsbrimborium. Ja, das gab es wirklich mal: Quelle-Kaufhäuser. Heute gibt es nicht mal mehr Quelle. Bielefeld hingegen schon, entgegen anderslautenden, einem zweifelhaften Humor entsprungenen Behauptungen. Interessanterweise hat Bielefeld sogar einen Stadtteil namens Quelle, Postleitzahl 33649. Na gut, so interessant ist das nun auch wieder nicht.

Apropos Geburtstagsüberraschung: Ich bin meinen Mitmenschen aus tiefstem Herzen dankbar, dass sie mich noch nie mit einer Überraschungsparty zu beglücken sich verpflichtet fühlten, denn das erscheint mir als eine der missglücktesten Gutgemeintheiten. Du kommst nach einem langen Arbeitstag, an dem du dich gegenüber kollegial-persönlichen, telefonischen und auf allen denkbaren elektronischen Medien überbrachten Glückwünschen dankbar zeigtest, endlich mit einer angenehmen Müdigkeit nach Hause, freust dich auf Sofa, Porno und Wein, hast die Schuhe noch nicht aus, schon klingelt es und eine Meute fällt ungefragt in deine Wohnung, bringt CDs von Lady Gaga und Helene Fischer, Olivenöl und Balsamico-Essig in aufwändig verpackten Flaschen, Chips, Dosenbier sowie jede Menge guter Laune, während deine eigene sich schlagartig verzieht, durch das Fenster oder die Lüftung deines fensterlosen Klos. Ehe sie dein Sofa und die Küche in Beschlag nehmen, vollkleckern und in Rauch hüllen, grölen sie „Happy Birthday“, wobei sie den hohen Ton im dritten „Happy Birthday“ nicht treffen, derweil dein gequältes Grinsen dein Missfallen nur unzureichend zu verbergen vermag. Lieber keine Freunde als solche.

Nein, so richtige Glücksgefühle kommen mir selten beim Laufen. Wenn mein iPod „This Corrosion“ von den Sisters Of Mercy oder „Down Among The Dead Man“ von Flash And The Pan spielt, dann beglückt mich das schon etwas, weil diese beiden Lieder und ein paar andere zufällig denselben Takt aufweisen wie mein Laufschritt, das fühlt sich dann so ein bisschen wie Tanzen an, was ja auch irgendwie glücklich machen kann, aber nicht unbedingt muss: Mit fünfzehn zwangen mich meine Eltern in eine Tanzschule, weil das zu der Zeit angeblich alle machten. Ich hasste es und brach nach dem Grundkurs angewidert ab. Gut so, denn das dort vergeblich zu erlernen angestrebte habe ich seitdem nie gebraucht beziehungsweise verstand es, angetragene Paartanzwünsche freundlich aber bestimmt abzulehnen. Nur einmal, auf meiner Hochzeit, da musste ich. Die Feier wurde trotzdem noch ganz schön.

Manchmal begleiten mich beim Laufen statt Glücksrausch merkwürdige Gedanken: Eine meiner regelmäßigen Laufstrecken führt an den Rhein, unter der Nordbrücke hindurch bis zum Hafen, dann eine Schleife um das Klärwerk und wieder am Rhein entlang zurück, deshalb bezeichne ich diese Strecke als ‚Hafenschleife‘, wenn ich den Lauf abends in meinem Tagebuch dokumentiere (in Abgrenzung zur ‚Nord-‚, ‚Süd-‚ und ‚großen Brückenrunde‘ sowie zur ‚kleinen‘, ‚mittleren‘ und ‚großen Rheinauenschleife‘ – nicht so wichtig). Dabei wäre hier ‚Klärwerkschleife‘ zutreffender, doch will man wirklich die Begriffe ‚Hafen‘ und ‚Klärwerk‘ gleich-, das eine gar durch das andere ersetzen? Man stelle sich vor, Lale Andersen hätte dergleichen getan in ihrem weltberühmten Schlager „Ein Schiff wird kommen“ („Ich bin ein Mädchen aus Piräus und liebe den Hafen, die Schiffe und das Meer…“). Auch der sprichwörtliche Hafen der Ehe verlöre erheblich an Reiz. Obwohl – so mancher soll ja nach zwanzig Ehejahren einen spürbaren Klärungsprozess durchlaufen haben.

Ich sollte vielleicht weiter und länger laufen.

Im Hamsterrad

Forscher der Universität Leiden (Niederlande) haben festgestellt, dass Tiere grundsätzlich Freude an der Bewegung im Laufrad haben, nicht nur der Goldhamster in Käfighaltung, der mangels Auslaufs gerne ein paar Schritte in der nach ihm benannten Vorrichtung macht, vornehmlich nachts, und damit die Menschen in seiner näheren Umgebung an den Rand des Wahnsinns treibt; auch wild lebende Tiere wie Mäuse, Frösche und gar Schnecken nehmen die Gelegenheit zur körperlichen Betätigung gerne an, selbst wenn sie nicht durch Futter angelockt wurden. Bislang ist unklar, warum sie das tun.

Doch nicht nur Hund, Katze, Maus, auch Menschen laufen, ohne eine nennenswerte Entfernung zu überwinden. Bevorzugt tun sie dies in Räumen, die außen mit Begriffen wie „Fitness“, „Power“, „Training“, „Studio“ und ähnlichen beschriftet sind. Nach einiger Zeit verlassen sie dann das Laufband und widmen sich anderen Geräten, deren einziger Zweck darin besteht, durch mannigfache mechanische Vorrichtungen Gewichte zu heben und senken. Ein Auslöser für das augenscheinlich nicht zweckgerichtete Tun ist nach bisherigen Erkenntnissen die Zahlung eines monatlichen Entgelts, wohl gemerkt von Seiten des Laufenden. Übertragen auf das Tierreich wäre das so, als brächte die Spitzmaus einige Wurzeln mit zum Laufrad. Dieses irrationale Verhalten stellt die Forschung bislang vor ein Rätsel, indes bestätigt es die seit langem bestehende Vermutung, dass die menschliche Spezies komisch ist.