Woche 30/2025: Ein bisschen irre, aber augenscheinlich lebensfroh

Montag: Beginn einer kleinen Woche. Wiederum auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person habe ich den freien Tag ausnahmsweise von Donnerstag auf Freitag verlegt, zumal auch die Wetterprognose für Freitag trockener ausfällt, jedenfalls Stand heute; das kann sich bis dahin noch ändern, ist dann eben so.

Als in einer Besprechung von „in zehn Jahren“ die Rede war, konnte ich mir die Erwiderung „Mir ist das egal, dann bin ich weg“ nicht verkneifen. Eine angenehme Gewissheit.

Da ich vormittags, wie sonst üblich, nicht dazu kam, die Mutter anzurufen, holte ich das am Nachmittag nach. Antwort: „Ich habe dich noch gar nicht vermisst.“ Es wurde dennoch ein angenehmes Gespräch.

Der Arbeitstag wurde lang. Nicht, weil so viel zu tun war, sondern weil nachmittags ein längerer, fahrradunkompatibler Regenschauer abzuwarten war.

Frau Haessy schreibt über das Bloggen:

Das ist mein Blog. Mein Tagebuch. Weniger Perfektion. Mehr Banalität. Mehr Belangloses. Denn unser Leben ist nicht immer aufregend, unsere Gedanken nicht immer tiefschürfend, die Sätze nicht immer ausbalanciert, ein Fazit nur selten vorhanden.

So ist es und so gilt es auch für dieses Blog, das zu lesen Sie sich freundlicherweise gerade die Zeit nehmen.

„Kann denn Liebe Sünde sein?“ fragte einst Zarah Leander. Die Antwort lautet ja, jedenfalls machten diese Erfahrung kürzlich ein Manager und seine Personalleiterin, beide verheiratet, nur eben nicht miteinander, als sie während eines Coldplay-Konzerts in inniger Zuneigung von der Hallenkamera erfasst wurden und ihr zweisames Glück für jedermann sichtbar auf dem großen Bildschirm dargestellt sahen, Sie haben das vermutlich in den Medien mitbekommen, vielleicht darüber hämisch gegrinst und Kommentare geleikt. Wie heute in der Zeitung zu lesen war, trat der Manager nun von seinem Posten zurück und die Dame wurde beurlaubt. Meine Güte. Ich verstehe die ganze Aufregung nicht, sie haben doch nichts Böses getan. Das mit der Kamera war Pech, allenfalls etwas ungeschickt.

Dienstag: Zu früher Stunde brach der Liebste auf nach Amerika, wo er eine Woche lang beruflich zu tun hat. Mittags nach amerikanischer und abends nach unserer Zeitrechnung traf er am Ziel ein.

Während des Fußwegs ins Werk dachte ich über Kunst nach, man hat ja sonst nichts zu bedenken. Gewiss ist es Kunst, besonders gut malen, dichten oder singen zu können, manche können davon leben, auch wenn man sich bei einigen (ich nenne keine Namen) fragt, wie das sein kann. Doch liegt wahre Kunst nicht im Alltäglichen? (Nein, dieses Blog ist nicht gemeint, auch wenn es so heißt.) Auf diesen Gedanken kam ich bei Betrachtung des gepflasterten Weges. Wieviel handwerkliches Können, wovon sich das Wort Kunst einem geflügelten Wort zufolge ableitet, liegt doch darin, die Steine derart in gleichförmigen, harmonisch ineinandergreifenden Bögen zu verlegen. Wer mag sich dieses traditionelle Muster dereinst ausgedacht haben, und ist es nicht wunderbar, es auch heute noch vielfach in Anwendung zu sehen? Dagegen ist so manche Skulptur eher abgewandte Kunst.

Angewandte Kunst

Eine besondere Kunst ist auch das Jonglieren. Im Büro ist derzeit viel zu tun. Dabei kann ich die anstehenden Aufgaben nicht blockweise abarbeiten, wie es am effizientesten wäre, sondern muss mich unter ständigem Umdenken mehrerer Gewerke parallel annehmen, jeweils immer nur ein bisschen, dann muss erst wieder ein anderer was tun, ehe ich weitermachen kann. Das fühlt sich auch ein wenig an wie mehrere Bälle in der Luft zu halten.

Gefreut: über eine weitere Postkarte abends im Briefkasten, dieses Mal aus dem Bonner Süden. Gut, dass ich zufällig gerade heute frische Briefmarken gekauft habe.

Schon länger habe ich mich nicht mehr der WordPress-Tagesfrage gewidmet, die von heute gefällt mir: „Was würdest du an der modernen Gesellschaft ändern?“ Auch auf die Gefahr hin, mich dem Vorwurf gewisser Rückständigkeit ausgesetzt zu sehen: Nicht blind darauf vertrauen, dass sich alles durch Digitalisierung und mit sogenannter Künstlicher Intelligenz lösen lässt. Wenn irgendwann der große Stromausfall kommt, und ich rechne fest damit, das selbst noch zu erleben, werden wir erhebliche Probleme bekommen. Aber auf mich hört ja niemand.

Mittwoch: Als ich morgens sah, wie ein Bus haarscharf an einem Radfahrer vorbeizog, dachte ich: Das ist Natur. Der Mensch ist wohl das einzige Wesen, das glaubt, es könne das natürliche Recht des Stärkeren allein durch Regeln der Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen. Dabei halte ich mich keineswegs für einen besseren Menschen, doch freue ich mich immer wieder über den zunächst irritierten Blick, anschließend das Lächeln der Fußgänger, wenn ich mit dem Fahrrad vor einem Zebrastreifen anhalte, um sie passieren zu lassen.

Im Werk übte ich mich weiter im Jonglieren der Aufgaben, wobei ein Bällchen im Laufe des Tages aus dem Spiel genommen wurde, die anderen wurden deutlich leichter.

Gelesen und gelächelt: Gott hatte Besuch eines Zeugen Jehovas.

Auch gelesen: „Mehr als ein Jahrhundert später hat Bademode als körperpolitische Chiffre wenig von seiner Brisanz verloren.“ Dass selbst dem SPIEGEL dieser Fehler unterläuft, erschüttert ein wenig.

Donnerstag: Morgens begegnete mir wieder eins dieser modernen Klappfahrräder mit den winzigen Rädern. (Der Geliebte nennt sie „Ballettrad“, auch wenn das wenig Sinn ergibt, jedenfalls sah ich noch nie ein Tanztheater, wo solche choreografisch eingebunden waren, aber was nicht ist … Sie wissen schon.) Die mögen praktisch und platzsparend sein, und doch erinnert mich der Anblick einer solchen Fahrrad-Fahrer-Einheit stets an Zirkusäffchen.

Demnächst sind Kommunalwahlen:

Mehr Mut zum Achselhaar. Finde ich gut.

Freitag: Laut Radiomeldung morgens muss Google elftausend Euro Schadensersatz an einen Mann zahlen, weil er von der Streetview-Kamera erfasst und öffentlich sichtbar wurde, derweil er nackt im Vorgarten weilte. Manches kann man sich nicht besser ausdenken.

Kommen wir zur nächsten Folge der Reihe „Was schön war“: Nach gemütlichem Frühstück auf dem Balkon mit dem Geliebten unternahm ich eine nicht sehr lange, indes wieder schöne Wanderung durch die Wahner Heide ab und bis Troisdorf. Schon mehrfach durchwanderte ich dieses abwechslungsreiche, steigungsarme und waldreiche Gebiet, für warme Tage wie heute ideal. Das Heidekraut steht erst im Spärsommer/Herbst in voller Blüte, ein guter Grund, dann nochmal wiederzukommen.

Voila:

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Mit herzlichem Gruß nach Augsburg
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Schön war auch das anschließende Belohnungsbier (heute ohne Currywurst) auf dem Bonner Marktplatz. Währenddessen kurvte ein mittelalter Mann mit auffallend buntem Hemd und Hut auf dem Fahrrad durch die Passanten, nicht schnell und aggressiv wie die radelnden Speisesklaven, sondern gemächlich und umsichtig. Im Gepäckträgerkorb tönte Musik aus einer Plärrdose, der Fahrer spielte dazu einhändig auf einer Mundharmonika. An der Fischbude machte er Halt, holte sich ein Fischbrötchen und schob das Rad anschließend zu einem Tisch im Außenbereich einer Gaststätte, nahm Platz und verzehrte das Brötchen. Zwischendurch dirigierte er zur weiter laufenden Musik, später, nachdem er aufgegessen hatte, nahm er die Mundharmonikabegleitung wieder auf. Unter anderem zu Oh, Donna Clara, das mir danach für mehrere Stunden als Ohrwurm erhalten blieb. Ein bisschen irre, aber augenscheinlich lebensfroh. Dem Personal des Wirtshauses schien er bekannt zu sein, niemand kam, um eine Bestellung aufzunehmen oder ihn zu vertreiben.

Samstag: Ein angenehm ruhiger, warmer Tag ohne besonderen Bloggenswert; ich möchte Sie nicht langweilen mit Berichten über externes Frühstück und Menschenkucken zu zweit in der Fußgängerzone, gemeinschaftliche Hofreinigung mit den Nachbarn, den Altglasentsorgungsspaziergang, der gar nicht zufällig durch den Lieblingsbiergarten führte und Grillen am Abend. Deshalb ist es an der Zeit für die nächste Frage:

Frage Nr. 137 lautet: „Welche Seite im Internet besuchst du täglich?“ Das ist einfach und schnell beantwortet: Diese hier, um den täglichen Eintrag zum Tage vorzunehmen, denn es gibt immer was zu schreiben, und wenn es nur darüber ist, dass es heute nichts zu schreiben gibt, siehe oben.

Sonntag: „Parken, wo andere Urlaub machen“ wirbt ein wenig pittoreskes Parkhaus per Bildschirmreklame in der Bonner Innenstadt, wie ich morgens beim Brötchenholen sah. Urlaub in der Großgarage, man muss es schon mögen. Andererseits, andere fliegen zum Ballermann oder fahren in den Skiurlaub, beides muss ich auch nicht haben.

Der heftige Regen, dessen intensives Rauschen uns morgens geweckt und sich positiv auf meine Motivation ausgewirkt hatte, noch etwas liegen zu bleiben, hörte im Laufe des Vormittags auf und kehrte entgegen der Ankündigung in der Wetter-App bis zum Redaktionsschluss nicht zurück. Deshalb benötigte ich den zum Spaziergang vorsichtshalber mitgenommenen Schirm nicht, vielmehr wurde meine Vorsicht mit Sonnenschein belohnt.

Zum Schluss ein paar weitere Bilder der Woche:

(Dienstag)
Vermutlich bin ich mal wieder der einzige, der das lustig findet
Alte Kölsche Weisheit
Idyll in Bahnhöfsnähe
Immer höflich bleiben, ganz wichtig

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

Redaktionsschluss: 17:00

Woche 23/2025: Was man halt so sagt je nach Tageszeit

Montag: Bereits gestern gelesen im Kieselblog: „Todos bauen sich auf wie Gewitterwolken, unter mir ein Teppich aus Lustlosigkeit.“ Ein Satz, der die montägliche Stimmung fast perfekt auf den Punkt bringt, sieht man einmal über den einleitenden Anglizismus großzügig hinweg. Doch so schlimm war es heute gar nicht, meine Stimmung war zufriedenstellend. Vielleicht lag es an der zusätzlichen Bewegung: Wegen eines technischen Defekts fielen ab Mittag die Aufzüge aus, so erhielt (nicht nur) ich Gelegenheit, gleich dreimal die Treppen zu nutzen, zweimal runter und (planmäßig) einmal hoch, rund 1.460 Stufen insgesamt. Da zahlt es sich aus, wenn man das freiwillig regelmäßig macht.

„Autsch!“ als Fehlermeldung. Originell-innovativ.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück, erstmals in diesem Jahr ohne Jacke, da fühle ich mich anfangs immer wieder etwas unvollständig. Ich bin grundsätzlich ein Jackenmensch, so wie Mann früher nur mit Hut aus dem Haus ging. Auf dem Rückweg genehmigte ich mir in einer innerstädtischen Außengastronomie einen Maibock, der auch im Juni noch schmeckt, und schaute den Leuten beim Vorbeigehen zu.

Ich sollte mir abgewöhnen, Menschen, die beim Gehen ununterbrochen auf das Datengerät schauen, „Du Opfer“ zuzurufen, wenn auch nur gedanklich.

„Ich melde mich gleich bilateral bei dir“, hörte ich in einer Besprechung. Manche Wörter mögen klug oder wenigstens geschäftig klingen, gleichwohl verlöre der Satz nichts an Sinn, ließe man sie einfach weg.

Aus der Zeitung: „Die Vorgebirgsbahn S23 von Bonn nach Euskirchen soll elektrifiziert werden. Das heißt, die mit Diesel betriebenen Loks werden abgeschafft.“ Das ist Unfug: Erstens ist die Vorgebirgsbahn die heutige Straßenbahnlinie 18 von Köln über Brühl nach Bonn, gemeint ist vielmehr die Voreifelbahn. Kann passieren, auch einem Journalisten. Zweitens fahren dort seit sechsundzwanzig Jahren keine Dieselloks mehr, sondern Dieseltriebzüge. Zugegeben, eine Marginalie. Jedenfalls werden diese drittens nach Elektrifizierung der Strecke, wenn sie irgendwann mal fertiggestellt sein sollte, sofern sich keine Bürgerinitiative gegen dafür erforderliche Baumfällungen bildet und am Bahndamm keine seltene Echsen wohnen, ganz bestimmt nicht abgeschafft, sondern woanders eingesetzt.

Mittwoch: Eine Beobachtung, die ich kürzlich schon erwähnte, bestätigt sich zunehmend, jedenfalls ist das mein persönlicher Eindruck: Junge Kollegen grüßen nicht mehr. Egal, ob jemand den Aufzug betritt oder mir auf dem Flur im Turm begegnet, er/sie sagt nichts, unabhängig davon, ob seine/ihre Aufmerksamkeit gerade dem Datengerät gilt. Wenn ich dann Hallo sage oder was man halt so sagt je nach Tageszeit, werde ich angeschaut wie eine fremde Spezies oder als hätte ich einen dem Gegenüber unbekannten Zeichensatz verwendet. Ich bewerte das nicht, nehme es nur zur Kenntnis. Im Grunde ist eine Grußfloskel entbehrlich, manchmal vielleicht ein „Guten Morgen“ gar verlogen. Immerhin sagen sie auch nicht mehr „Mahlzeit“, das mal positiv sehen.

Aus einer Gruppennachricht: „Wir sollten bitte hier uns multilateral besprechen, denn ich glaube mein Sätze haben keine Klarheit gebracht.“ Dieser jedenfalls nicht sehr viel.

Donnerstag: Es lebe die Viertagewoche. Den heutigen freien Tag nutzte ich wieder für eine Wanderung, wegen Regenankündigung zum Nachmittag ohne längere An- und Abreise. Mit dem Bus fuhr ich bis Bonn-Röttgen, von dort ging ich eine Rundstrecke durch den Kottenforst, die mir mal auf Komoot vorgeschlagen wurde. Die Strecke ist abwechslungsreich, sie führt überwiegend durch den Wald. Es gibt einige Steigungen zu überwinden, indes keine fiesen Stolperstellen wie beim letzten Mal auf dem Siegsteig; gestolpert bin ich nur einmal noch innerhalb von Röttgen über eine hervorstehende Gehwegplatte. Die ersten Kilometer entlang des Katzenlochbachs sind besonders idyllisch, allerdings nach den Regenfällen der letzten Tage auch stellenweise matschig, entsprechend sahen die Schuhe hinterher aus.

Fazit: Eine schöne Wanderstrecke mit Variationsmöglichkeiten. Beispielsweise könnte man über den Venusberg weitergehen bis Bonn-Innenstadt statt wieder zurück nach Röttgen. Vielleicht mache ich das demnächst mal, wenn kein Regen zu erwarten ist. Der kam übrigens viel später als erwartet, auch die anschließende Currywurst mit Belohnungsbier in der Stadt konnte ich noch trocken draußen genießen.

Katzenlochbachtal
Ein Pilzlein wächst im Walde
Huflattich in großen Mengen am Wegesrand
Annaberger Feld
Stechpalme für Frau L
Geschafft

Freitag: Mittags in der Kantine saßen am Nebentisch zwei Männer, die sich auf Englisch unterhielten. Wobei „unterhielten“ nicht das richtige Wort ist, vielmehr redete der eine ununterbrochen auf den anderen ein in einem harten, ohrenscheinlich nicht muttersprachlichen Akzent, und sehr laut, derweil er, wen wunderts, mit dem Verzehr seiner Pizza nicht vorankam; soweit ich es aus den Augenwinkeln beobachten konnte, aß er während der ganzen Zeit, von meiner Platznehmung bis nach dem Dessert, keinen Bissen davon, inzwischen musste die Pizza kalt sein. Sein Gegenüber tat mir ein bisschen leid. Wieder einmal freute ich mich, allein am Tisch zu sitzen, wo ich mich unbesprochen der Reibekuchen an Salat und Apfelmus annehmen konnte.

Der Liebste hat mir ein Buch geschenkt. Ich freue mich und bin sehr gespannt.

Samstag: Wie üblich verband ich auch heute die Altglasentsorgung mit einem Spaziergang an den Rhein. Auf dem Rückweg begegnete mir eine Familie aus Vater, Mutter und drei Kindern. Auffällig war, sowohl der Vater als auch die Söhne zwischen schätzungsweise zwei und sieben Jahren, der jüngste im Kinderwagen, waren fast kahl geschoren, nur dunkle Stoppel waren noch auf den Köpfen auszumachen, eher Schatten denn Haare. Die Mutter, die den Kinderwagen schob, trug ein Kopftuch, daher war nicht auszumachen, ob auch sie haarlos war. Vielleicht hat es einen religiösen Hintergrund, ich weiß es nicht. Jedenfalls insgesamt ein mindestens irritierender Anblick.

Es ist an der Zeit für die nächste der tausend Fragen.

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Frage 4 lautet: „Über welche Witze kannst du richtig laut lachen?“ Da gibt es keine bestimmte Kategorie, wie Blondinen-, Ostfriesen- oder Schweinkramwitze. Grundsätzlich kann ich über jeden guten Witz mehr oder weniger laut lachen, leider kann ich mir nur keinen merken. Doch, einen einzigen aus unerfindlichen Gründen schon, der ist allerdings nur so mittelgut. Ich habe ihn hier im Blog schonmal erzählt, aber wenn Sie unbedingt wollen, nochmal. Er geht so: Ein Dalmatiner steht an der Supermarktkasse. Als er an der Reihe ist, fragt die Kassiererin: „Sammeln Sie Punkte?“ Ach ja, richtig laut lachen kann ich auch über Horst Evers, siehe Eintrag von vorletzter Woche, und den Sitzungspräsidenten Volker Weininger. Überhaupt nicht lachen kann ich hingegen über sogenannte Comedy im Radio, erst recht nicht wenn die Stellen, an denen man lachen soll, mit einem sausenden Geräusch gekennzeichnet sind.

Spaziergangsbild, dem nichts hinzuzufügen ist

Sonntag: Das Wetter zeigte sich heute kleinteilig abwechslungsreich, jeweils kurze trockene Phasen wechselten sich ab mit teils heftigem Regen und starkem Wind. Erst zur Spaziergangszeit am frühen Nachmittag beruhigte es sich und die dafür zuständigen himmlischen Instanzen sahen freundlicherweise von weiteren Regengüssen ab, dennoch rüstete ich mich vorsichtshalber mit Regenjacke und Schirm. Später zeigte sich sogar für längere Zeit die Sonne und sie lockte die Leute aus den Stuben, in kurzen Hosen oder Daunenjacken, manche trugen beides gleichzeitig.

Ungeachtet meteorologischer Unwägbarkeiten fand auf der Beueler Rheinseite ein mutmaßlich sportliches Ereignis statt, jedenfalls deuteten Applaus und unentwegtes Plappern des lautsprecherverstärkten Kommentators darauf hin.

In der Südstadt ist eine weitere Straße aufgerissen zur Leitungsverlegung oder ähnlichem. Mein Eindruck ist, in Bonn gibt es immer mehr Baustellen, nur werden diese nie fertig. So ein bisschen wie Stuttgart 21. Fertig hingegen ist nun dieser Wochenrückblick.

Gewölk über Beuel
Wir wissen nicht, wer Max Osswald ist. Wenn Sie mögen, recherchieren Sie bitte selbst.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Redaktionsschluss: 16:45

Woche 27/2023: Am meisten leiden die Raben

Montag: Gelungenes Gendern ist oft Glückssache. Wenig geglückt ist es der Zeit Online hier: »Marseille ist dabei nicht nur die zweitgrößte Stadt Frankreichs nach Paris, sondern auch eine, in der die Kluft zwischen den Einwohnern und Einwohnerinnen am größten ist.«

Im Übrigen zeigte sich der Wochenstart ohne nennens-notierenswerte Ereignisse, was immerhin kein Unglück ist.

Dienstag: Gegen vier in der Frühe wachte ich auf aus verstörenden Träumen, deren Inhalt ich vage erinnere, womit ich Sie allerdings nicht belästigen will. Danach lag ich etwa eine Stunde lang wach und fragte mich, welche fehlgeleiteten Hirnströme derartiges erdacht haben mochten.

Der Tag verlief in gewohnten Bahnen mit Fußmarsch ins Werk und zurück, mäßiger Arbeitslust am Nachmittag und Friseurinbesuch am Abend. Vielleicht ist sie gar keine Friseurin, sondern eine frisierende „weiblich gelesene Personen“, wie man jetzt anscheinend Leute nennt, die bis vor kurzem noch voreilig als Frauen bezeichnet wurden. Jedenfalls las ich nämliches während des Wartens in einem Zeitungsbericht. Du liebe Güte, um nicht zu schreiben: dämlich.

Mittwoch: Nach Schotterwüsten und Steinen in Käfighaltung erfreut sich nun Kunstrasen zunehmender Beliebtheit bei (Vor-)Gartenbesitzern, berichtet die Zeitung. »Die steigende Nachfrage nach dem künstlichen Grün, das mittlerweile täuschend echt aussieht, sei eine ganz natürliche Entwicklung«, wird ein Außenauslegewarenlieferant zitiert. Natürlich.

Größter Beliebtheit erfreut sich Teams als das Medium der Bürokommunikation. Warum halten es manche für den gängigen Regeln von Anstand und Höflichkeit entsprechend, wenn sie andere anrufen und einleitend sagen „Ich habe ein paar Fragen, Moment, ich teile mal eben meinen Bildschirm“, anstatt als erstes zu fragen, ob der Angerufene Zeit für ihr Anliegen hätte?

Woran ich mich erst wieder gewöhnen muss, vermutlich erwähnte ich es schon, ist, mittags nicht mehr alleine in der Kantine zu essen. Dazu gehört es, zu Beginn des Mahles so etwas wie „Guten Appetit“ zu sagen, als ob es ohne dieses nicht schmeckte oder an Bekömmlichkeit einbüßte. Manche sagen nur noch „Guten“, was ich gewöhnlich überhöre und unerwidert lasse. Wenigstens sagen sie nicht „Mahlzeit“. Oder was Englisches.

Donnerstag: Es gibt Tage, an denen die Existenz anderer Menschen lästig erscheint, ohne dass dafür ein konkreter Anlass erkennbar ist; vielmehr tun sie das gleiche wie sonst auch: ihren Müll in die Gegend werfen, auf Radwegen laufen, öffentliche Flächen bekoten. So ein Tag war heute.

Der Bundestag hat gegen ein neues Gesetz zur Sterbehilfe entschieden. Das finde ich sehr schade. Nicht, dass mich zurzeit akute dauerhafte Lebensmüdigkeit drückte, doch fände ich es beruhigend, bei Bedarf jederzeit das Licht ausmachen zu können, ohne andere zu behelligen, zum Beispiel indem ich mich vor die einfahrende Stadtbahn werfe. Auch das ist Freiheit. (Ich wüsste übrigens, was im äußersten Fall zu tun ist. Schmerzfrei und sauber.)

Immerhin: Abends gab es Sekt, weil einer von uns seit geraumer Zeit de facto die Viertagewoche hat. Leider nicht ich.

Freitag: Die Tagesfrage des Blogvermieters lautet, bei welchen Themen ich eine Autorität sei. Da muss ich passen, es gibt meines Wissens nichts, bei dem ich durch besondere Kenntnisse und Fähigkeiten hervortrete, vielmehr ist in fast allen Bereichen Mittelmaß meine Richtschnur. Etwas, das mich von den meisten anderen abhebt, ist die Neigung zu Gänsehaut selbst an so warmen Tagen wie heute. Autorität erlange ich damit wohl nicht.

Die Rückfahrt vom Werk brach ich nach ungefähr einem Viertel ab und kehrte um, da ich mein Datengerät im Büro vergessen hatte, was ich als positives Zeichen bezüglich meiner Digitalabhängigkeit werte; den meisten jüngeren wäre das nicht passiert. Nach erneuter Abfahrt bemerkte ich, den Fahrradhelm im Schrank gelassen zu haben. War wohl nicht mein Tag.

Namenstag haben unter anderem Bodard und Walfrid. Zweiterer klingt wie der Hänselname für einen etwas voluminöser geratenen Menschen namens Wilfried. Kinder und Kollegen können bekanntlich sehr gemein sein.

Samstag: „Wie hast du geschlafen?“ – „Gut.“ – „Dich habe ich gar nicht gefragt.“ Szenen aus dem Leben zu dritt.

Nach dem Frühstück unternahm ich die samstagsübliche Runde durch die sommerwarme Stadt. Auf dem Weg zum Glascontainer sprach mich in der Inneren Nordstadt ein junger Mann an und bat um eine Spende, um sich etwas zum Essen kaufen zu können. Ich gab ihm nichts und reagierte auch sonst nicht auf seine Ansprache. Kurz darauf saßen Engelchen und Teufelchen auf meinen Schultern und redeten auf mich ein. E: „Warum warst du so unhöflich, warum hast du ihm nichts gegeben? Er hatte Hunger und du bist reich.“ (Es hätte auch sagen können: „Du bis ein reiches A…loch“, aber dieses Wort ist im Engelsvokabular vermutlich nicht enthalten.) T: „Richtig so, der war gar nicht bedürftig, hatte sogar eine Zigarette in der Hand. Soll erstmal aufhören zu rauchen, dann hat er auch Geld für Brötchen. Der gehörte bestimmt zu einer professionellen Bettlerbande und fährt einen BMW.“

Es ist nicht so, dass ich nie was gebe. Wenn ich morgens zu Fuß ins Werk gehe, sitzt manchmal ein alter Mann am Rathaus, vor sich einen Pappbecher. Er spricht niemanden an, sitzt dort einfach und wartet. Dem werfe ich ab und zu überzähliges Kleingeld in den Becher, nicht nur Kupfer, auch Euromünzen. Dann freut er sich, wir wünschen uns gegenseitig einen angenehmen Tag und ich freue mich auch. Heute freute ich mich nicht ob meines Knausers und weil ich den Jungen wie Luft behandelt habe, selbst auf sein „Schönen Tag noch“ reagierte ich nicht. Ja, er hatte eine Zigarette in der Hand, warum auch nicht, wahrscheinlich hat ihm die jemand geschenkt. Vermutlich hatte er wirklich Hunger. Wer weiß, vielleicht ist der alte Mann am Rathaus ein Profi und Inhaber mehrerer Mietshäuser.

Ich kann nicht allen was geben, dazu sind es zu viele. Aber warum gebe ich dem einen, dem anderen nicht? Nach welchen Kriterien entscheide ich das? Wie reagiere ich höflich und angemessen, auch wenn ich nichts gebe? Darüber wird nachzudenken sein. „Nein danke“, wie es mir neulich versehentlich bei solcher Gelegenheit entfuhr, ist sicher keine geeignete Erwiderung. Die Grundfrage ist: Warum müssen Menschen in einem so wohlständigen Land überhaupt betteln? Fragen Sie die FDP, könnte die Antwort lauten, aber das wäre wohl sehr stark vereinfachend.

Sonntag: Es ist heiß. Das hielt mich nicht vom sonntäglichen Spaziergang ab, wobei ich des öfteren die Straßen- auf die Schattenseite wechselte. Auf der Rückenlehne einer öffentlichen Bank saß ein Rabe mit weit aufgerissenem Schnabel. Anlässlich von Kriegen und Katastrophen heißt es oft, am meisten litten die Kinder. Bei derartiger Hitze glaube ich, am meisten leiden die Raben. Weder können sie schwitzen noch das Federkleid lüften, hinzu kommt ihre für Sonnenlicht besonders empfängliche Schwärze.

»Rettet die Welt« las ich irgendwo im Vorbeigehen. Gerne wiederhole ich: Die Welt bedarf nicht der Rettung, allenfalls müsste sich die Menschheit retten. Dies bewusst im Konjunktiv.

Natur, gestern Abend in der Südstadt. Zu den wenigen Dingen, die mich wirklich interessieren, zählt, wie es hier aussehen wird tausend Jahre später, nachdem sich die Menschen erfolgreich selbst ausgerottet haben.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Woche 20/2023: Eisheilige, Imkernde und (kein) Brückentag

Montag: Vergangene Nacht träumte ich von einer erheblichen Mailflut im Büro. Kaum war eine Nachricht bearbeitet, trafen zwei neue Imponderabilien ein, zeitweise im Minutentakt, es nahm kein Ende. Die Wirklichkeit zeigte sich heute wesentlich ruhiger, es kostete Mühe, in die Gänge zu kommen und die anstehenden Aufgaben anzugehen. Stattdessen kam eine weitgehend unnötige und an anderen Tagen als lästig empfundene Besprechung gelegen, die keine aktive Teilnahme meinerseits erforderte und es mir stattdessen ermöglichte, eine halbe Stunde lang aus dem Fenster zu schauen und Strichliste zu führen, wie oft jemand „tatsächlich“ sagt (vierzehn mal).

Immerhin trat ich optisch hervor. Einem inneren Bedürfnis folgend wählte ich morgens nach längerer Zeit einen Anzug und ordentliche Schuhe als Arbeitskleidung. Nachdem in den zurückliegenden drei Jahren diesbezüglich eine gewisse allgemeine Lotterei zu beobachten ist, fühlte es sich gut und richtig an, auch wenn es nicht zur Gewohnheit werden muss. Auf eine Krawatte verzichtete ich.

Als ich abends Brötchen für das Abendessen holte, kam ich an einer Dreiergruppe vorbei, zwei Damen und ein Herr (letzterer in Anzug mit Krawatte), die in der Fußgängerzone standen und den Vorübergehenden Druckwerke zur Mitnahme reichten. Daneben ein Schild mit der Aufschrift »Für eine gesunde Psyche«. Wie gesund mag es für deren Psyche sein, wenn niemand stehen bleibt für ein Gespräch, oder wenigstens im Vorbeigehen ein Heft abnimmt?

Dienstag: Heute war es wieder ziemlich kalt, mutmaßlich Nachwirkungen der Eisheiligen. Fragte man mich nach deren Namen, so antwortete ich als weitgehend ungläubiger Mensch Malaga, Waldmeister, Langnese, Schöller und Fürst Pückler. Wie auch immer – Der Wind, der mir auf dem Rückweg vom Werk die ganze Zeit kühl ins Gesicht blies, rüttelte am fragilen Kartenhaus meiner guten Laune.

Mittwoch: Wegen des Feiertages morgen und der sich daraus ergebenden Gelegenheit eines langen Wochenendes wird heute mit zahlreichen Staus auf deutschen Straßen gerechnet. Dazu einst ein gewisser Blaise Pascal: »Tout le malheur des hommes vient d’une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos, dans une chambre.« Übersetzt: »Das ganze Unheil der Menschen kommt nur daher, dass sie nicht gelernt haben, in Ruhe in einem Zimmer zu bleiben.« Ein Satz voller Wahrheit.

Heute ist Weltfernmeldetag. Eine schöne Gelegenheit, an das verblichene Fernmeldewesen zu erinnern, das längst durch die Telekommunikation abgelöst worden ist.

Die Zeitung berichtet über einen Straßenbaum in der Bonner Innenstadt, der gestern ohne Ankündigung und nachvollziehbaren Grund einfach umgekippt ist. Dazu der Leiter des für die Stadtbegrünung zuständigen Amtes: »Bäume sind Lebewesen, die manchmal unberechenbar reagieren.« Besondere Vorsicht daher im Mai, wo sie laut traditionellem Liedgut zum Ausschlagen neigen.

Donnerstag: Vielen Dank den Christen für diesen arbeitsfreien Tag, den ich wenig blogabel verbrachte mit lange Schlafen, einem längeren Spaziergang über den Rhein (also über die Brücken, nicht übers Wasser, das konnte nur der Himmelfahrer) und Lesen auf dem Balkon, letzteres erstmals, da die Sonne der Jahreszeit angemessen wärmte, unter der neuen Markise. Ein Lob der Viertagewoche; mit dem Thema bin ich noch lange nicht durch.

Was es alles gibt
Parkidylle mit friedlichen Kastanien

Freitag: Dank dem Brückentag, den andere eingelegt hatten, war es heute im Büro sehr ruhig, ich hatte die Etage, womöglich das ganze Gebäude für mich alleine. Die erste freitägliche Teams-Besprechung fiel dank geringer Teilnehmerzahl erfreulich kurz, die zweite ganz aus. Auch der Maileingang war gering, zudem schien die Sonne, was sich kürzend auf meinen Dortseibedarf auswirkte und mich zu einem zeitigen Feierabend veranlasste.

»In der Bahn sind Slides schneller getauscht, als du „Deadline” sagen kannst«, wirbt die Deutsche Bahn auf Twitter. Welch ein Unfug. Niemals würde ich freiwillig „Deadline“ sagen. – Apropos Tod: Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie Sie gerne sterben möchten? Idee: sich selbst verarschen und infolgedessen totlachen.

Abends aßen wir beim Italiener nicht weit von unserer Wohnung entfernt, der das Lokal erst vor kurzem übernommen hat. Wir waren sehr zufrieden und wünschen ihm künftig mehr Gäste als gestern, wo wir das Restaurant fast für uns hatten.

Das Speisenangebot überrascht durch Vielseitigkeit

Samstag: »Bahn will Erde vermarkten«, übertitelt die Zeitung einen Artikel. Darin geht es nicht um eine von Herrn Lutz angestrebte Weltherrschaft, sondern die gewinnbringende Veräußerung von Aushub aus Bahnbaustellen.

Auch aus der Zeitung, in einem Artikel über Bienen: »Der einzige Unterschied zu den Wildbienen ist, dass die Honigbiene eine Lobby hat – nämlich den Imkernden« – Gendern im Singular sollte man Profis überlassen.

Nachmittags freute ich mich über eine Mail im privaten Eingang. Vergangene Woche erzählte ich über meinen Besuch der Lesebühne TapetenPoeten in Beuel und die Idee, dort selbst mal was vorzutragen, Sie erinnern sich vielleicht. Meine diesbezügliche Anfrage von Montag wurde heute positiv beschieden, am 5. September bin ich voraussichtlich dabei. Somit noch genügend Zeit, zu überlegen, was ich dort vortragen werde. Wenn Sie Vorschläge haben, gerne.

Abends gab es Bowle. Das kam so: Der Geliebte hatte in der Woche eine größere Anzahl Nektarinen erstanden. Da ich in diesem Haushalt der einzige regelmäßige Obstesser bin, Früchte in solcher Menge jedoch nicht zu verzehren in der Lage bin, drohten sie, der Überreife und Gammel anheim zu fallen. Daher der Bowlenbeschluss; neben den Nektarinen kamen noch eine Birne und eine Handvoll Erdbeeren unters Messer und in die Schale. Durch ein bedauerliches Versehen erfolgte der Aufguss mit einem höherpreisigen Jahrgangssekt statt des vorgesehenen Erdbeerschaumweins, was zunächst den Unmut des Liebsten hervorrief, dem anschließenden Genuss jedoch nicht abträglich war.

Am späten Abend kreiste für längere Zeit ein Hubschrauber mit erheblichem Lärm über der Stadt, zeitweise verharrte er minutenlang an einer Stelle. Vielleicht Räuber und Gendarmen für Große.

Sonntag: Erstmals in diesem Jahr erlaubte die Außentemperatur das Frühstück auf dem Balkon, bowlenbedingt noch von einer leichten Appetitlosigkeit begleitet.

Doch kommt Appetit bekanntlich beim Trinken. So schmeckte das Spazierbier nachmittags in einer Südstadt-Außengastronomie schon wieder gut. Dabei störte es mich überhaupt nicht, dass aus dem geöffneten Fenster der Gaststätte immer dasselbe Lied in Dauerschleife zu hören war, ein spanisches Stück mit bekannter Melodie und mir unbekanntem Titel. Wie mögen das die Angestellten des Lokals empfinden (beziehungsweise was macht das mit ihnen, wie manche sagen), die das stundenlang anhören müssen? Oder merken die das gar nicht mehr, so wie man sich ja angeblich auch an das Dauerrauschen gewöhnt, wenn man nahe einer Autobahn wohnt?

Wo wir gerade bei Fragen sind: Was veranlasst immer mehr junge Männer zu dieser albernen Kleinlockenfrisur bis weit über die Stirn? Wer hat ihnen gesagt, das sähe gut aus?

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Kommen Sie gut durch die Woche. Ich sehe ihr mit Vorfreude entgegen: Arbeitstage sind nur Montag und Freitag, dazwischen bin ich privat in München und ich bin mir sicher, das wird gut.

Woche 18/2023: Viertagewoche und eine Sprengung zwischen Rasur und Brausebad

Montag: Wie der Zeitung zu entnehmen ist, gibt es einen Interessenverband für Fußgänger, Fuss e. V. Als begeisterter Gernegeher begrüße ich das sehr, doch warum nennen die sich „Fuss“? Nach englischer Lesart bedeutet das Getue, Gedöns, Gewese, Buhei. Damit tun sie ihrem berechtigten Anliegen, Städte fußgängerfreundlicher zu machen, sicher keinen Gefallen.

Heute ist der Tag der Arbeit. Die IG Metall fordert eine Viertagewoche, was der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände ablehnt, stattdessen fordert er ein weiteres Mal „mehr Bock auf Arbeit“, man mag es nicht mehr hören. Nach allem, was ich über die Viertagewoche bei vollem Lohn gelesen habe, bringt sie allen Beteiligten nur Vorteile: Die Mitarbeiter sind zufriedener, arbeiten produktiver, werden seltener krank, neue Leute sind einfacher zu bekommen und zu halten. Und die Arbeit wird erbracht. Also worauf noch warten? Aber ein freier Tag, einfach so, ist in unserer Fleißkultur, wo es immer was zu tun gibt, nicht denkbar. Noch nicht. Liebe Generation Z, bitte übernehmen! Als Boomer stimme ich nicht in allem mit euch überein, in diesem Punkt sind wir uns einig.

Anstatt zu arbeiten nutzte ich den Tag für einen langen Spaziergang ans andere Rheinufer und zurück.

Durch die Hüchten
Ölfeld
Streuobst
Siegauen
Einkehr

Dienstag: Nach zwei richtigen Frühlingstagen lag heute Morgen ein Grauschleier über Stadt, Land und Fluss, dazu ganz feiner Niesel, geradeso zu spüren, indes zu wenig, um dafür den Schirm aufzuspannen. Erfreulicherweise blieb meine persönliche Stimmung davon ungetrübt, daher kam ich einigermaßen wohlgelaunt durch diesen Quasimontag.

Die Linden am Rheinufer schlagen aus, wie man so sagt, was in etwa so unsinnig ist wie aus dem Boden schießende Pilze

Abends schien wieder die Sonne, daher hielt ich spontan Einkehr in der Außengastronomie einer innenstädtischen Gaststätte mit dem Namen Varie Tee. Aus Protest gegen dieses Wortspiel bestellte ich statt des ursprünglich beabsichtigten Pfefferminztees einen Rosé. (Ja ich weiß … Jeder hat halt seinen Dämonen.)

Ich bin kein Gendergegner, kann das darin enthaltene Anliegen nachvollziehen. Meines völlig unmaßgeblichen, in diesem Blog allerdings vorherrschenden Erachtens überwiegen die nachteiligen Auswirkungen auf das Sprach- und Schriftbild die erhofften Vorteile für die Mitgedachten (m/w/d), daher sehe ich auch weiterhin davon ab; bislang hat das keine Leserin beanstandet. Dessen ungeachtet staunte ich heute einmal mehr, wie andere Zeit und Geld für dieses Thema aufwenden:

Um den Reim zu wahren: „Geländer“ ist ein gängiges Synonym für Treppenhandlauf, aber das wissen Sie sicher.

Vielleicht noch das dazu: Gegendert wird gerne mit Sternchen, Doppelpunkt, Binnen-I, der etwas sperrigen Nennung beider Geschlechter („Hosenträgerinnen und Hosenträger“), Partizip („Gastgebende“), sich für besonders fortschrittlich haltende nutzen konsequent das generische Femininum. Kann man alles machen, habe ich nichts gegen. Was ich indes richtig schlimm finde, ist die irritierende Mischform, für die sich unter anderem manche Zeitschriften inzwischen entschieden haben: „Busfahrerinnen und Altenpfleger fordern mehr Lohn.“ Ob sich da alle mitgedacht fühlen?

Mittwoch: „Wenige Tage vor der Keulung von König Charles …“ hörte ich morgens den Nachrichtensprecher im Radio sagen. Vielleicht war das Gehör kurz nach dem Aufwachen noch nicht voll betriebsbereit.

Gehört und notiert in einer Besprechung: „Es müssen mal alle zusammenkommen, die da einen Löffel im Topf haben.“ Das klingt jedenfalls wesentlich netter als Stakeholder.

Als abends vier von fünf Leuten, die mir begegneten, mit ihrem Datengerät beschäftigt waren, entweder indem im Gehen ihr Blick darauf gerichtet war oder sie damit telefonierten, fiel mir wieder ein Artikel in der vorletzten Sonntagszeitung ein. Darin listete eine offenbar junge Redakteurin mit einem Augenzwinkern diverse Dinge auf, die sie an Boomern befremdlich findet, unter anderem (erwartungsgemäß) deren Genderverweigerung. Ein anderer Punkt lautete sinngemäß so: „Ihr habt es nicht gelernt, im Gehen das Smartphone zu benutzen, deshalb steht ihr uns oft im Wege herum.“ Dem ist zu entgegnen: Dafür können wir problemlos größere Strecken gehend oder radfahrend zurückzulegen ohne Kopfhörer und ohne überhaupt das Telefon zu benutzen. Und ohne Kaffeebecher.

Donnerstag: Heute feiert Deutschland den Erdüberlastungstag, an dem wir alle natürlich nachwachsenden Ressourcen für dieses Jahr verpulvert haben. – Der Verband der Automobilindustrie erwartet für dieses Jahr in Deutschland eine Verdopplung des Zuwachses an Neuzulassungen auf vier Prozent, demnach werden 2,8 Millionen neue Autos unsere Straßen bereichern. Hätte ich ein Schamgefühl, wäre es verletzt.

Mittags in der Kantine in der Rubrik „Tradition“: Gyros von der Bio-Landpute mit Bratkartoffeln und Gurkensalat mit Dill. Es gibt schon seltsame Traditionen.

Spontane Frage: Wurde bereits die Halbwertszeit von Vollwertkost erforscht?

Was nervt: das Gechatte auf Teams. Ständig geht unten rechts auf dem Bildschirm das Fensterchen auf, weil einer mal eben was will. Wie auf dem Marktplatz, wo mich Leute ungefragt anquatschen, um mich für Kinder- oder Tierschutz zu begeistern. Der Vorzug von Gruppenchats: Man kann sie stummschalten, was ich konsequent mache.

Aufkleber an einem Lampenpfahl: »Therapie für alle«. Sehr guter Vorschlag, wo kann ich mich anmelden?

Freitag: „Ich habe nächste Woche Urlaub, bin aber erreichbar“, sagt ein Kollege in der Besprechung. Auch hier scheint eine Therapie dringend angebracht.

Nachmittags gab es Gebäck und Sekt anlässlich der Verabschiedung des großen Vorsitzenden, der nun den Stab übergeben hat an den jüngeren Nachfolger. Nach launigen Ansprachen begab er sich in die Menge, die sich sogleich um ihn scharrte für ein Selfie mit dem Scheidenden. Das ganze fotografiert von einem Fotografen der Kommunikationsabteilung, auf dass demnächst zahlreiche Bilder von Leuten, die zusammen mit dem Ex-Chef gequält in ihr eigenes Datengerät grinsen, im Intranet zu sehen sind. Als Selfiesdämlichfinder hielt ich Abstand und griff lieber ein weiteres Gläschen vom gereichten Tablett ab. Prioritäten setzen, so wichtig.

Samstag: Mit einem halben Auge schaute ich die Krönung in London an. Nicht weil es mich sonderlich interessierte oder ich eine Monarchie im Jahre 2023 noch für zeitgemäß und erforderlich hielte, doch wenn der Fernseher läuft, weil andere Haushaltsmitglieder die Zeremonie verfolgen, dann komme ich nicht umhin, ab und zu hinzuschauen. Warum auch nicht, das war schon sehens- und hörenswert. Ich möchte nicht mit denjenigen tauschen, die Verantwortung tragen für die Vorbereitung und Durchführung einer solchen Veranstaltung, die man ja nicht im vollen Umfang vorher proben kann, dennoch müssen alle Beteiligten, egal ob Chorsängerin, Soldat oder König, genau wissen, wann sie wo zu sein, was sie dort zu tun und gegebenenfalls sagen haben. Dafür meine volle Hochachtung. Der Stein, der ihnen danach vom Herzen fällt, wenn alles gut gelaufen ist, dürfte ähnliche Erschütterungen auslösen wie die Rahmedetalbrücke an der Autobahn 45, wenn sie morgen gesprengt wird.

Nach drei Jahren Zwangspause gab es in Bonn wieder Rhein in Flammen, dessen Höhepunkt am späten Abend stets ein grandioses Feuerwerk im Rheinauenpark ist. Zu diesem Anlass hatte der Liebste einen Tisch reserviert im Restaurant im Obergeschoss eines nahe dem Veranstaltungsort gelegenen Hotels, oder Rooftop Restaurant, wie das wohl jetzt heißt. Die Hoffnung war, nach dem Mahl mit einem Getränk in der Hand von dort aus das Feuerwerk zu betrachten. Daraus wurde nicht viel, denn das Spektakel wurde fast komplett durch das frühere Abgeordnetenhochhaus, auch als „Langer Eugen“ bekannt, verdeckt, nur ein paar wenige Male überragten die Lichter das Gebäude. Das einzige, was wir neben Lichtblitzen und Knallen mitbekamen, war die beeindruckende Rauchwolke, die über den Rhein nach Beuel zog. Rhein im Feinstaub statt in Flammen.

Nach Hause gingen wir zu Fuß, weil die Bahnen in Richtung Innenstadt überfüllt waren von Veranstaltungsbesuchern, ein Taxi war nicht zu bekommen. Das war überhaupt nicht schlimm, zum einen gehe ich diese Strecke ohnehin zweimal wöchentlich freiwillig, zudem kam nach der umfassenden Weinbegleitung zum Abendessen etwas Bewegung an der frischen Luft sehr gelegen. (Der Feinstaub war ja rüber nach Beuel gezogen.)

Sonntag: Durch das Programm am Vorabend kamen wir heute Morgen erst etwas später aus dem Tuch. Immerhin schaffte ich es, zwischen Rasur und Brausebad im Fernsehen die Sprengung der Rahmedetalbrücke mitzuerleben, die um zwölf planmäßig zusammenbrach und die Umgebung in eine Staubwolke hüllte. Der Sprengmeister zeigte sich mit seinem Werk sehr zufrieden.

Nach spätem Frühstück ging ich raus, es war warm, man trug T-Shirt und kurze Hose. Und die Kastanien stehen endlich in voller Blüte, nicht nur an der Poppelsdorfer Allee.

Hier ein besonders hypsches Exemplar in der Inneren Nordstadt

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Kommen Sie gut durch die Woche.