Woche 24/2025: Zufriedenstellende Arbeitslust und Kohlroulade

Montag: Da in dieser Woche aus Pfingstgründen der Montag auf morgen verlegt wurde, hatten wir einen weiteren Tag frei. Herzlichen Dank dafür an die Christenheit und an Herrn Merz, dass uns faulem Pack dieser Tag noch nicht gestrichen wurde. Da sich das Wetter wieder freundlich zeigte, nutzte ich ihn für eine neue Folge der Reihe Bonner Buslinien, heute die 604 nach Ückesdorf, ein weiterer Ortsteil, bei dem ich erstmal schauen musste, wo das überhaupt ist. Dorthin also ließ ich mich fahren und spazierte zurück, eine angenehme Strecke von neun Kilometern durch das Katzenlochbachtal, Lengsdorf, Poppelsdorf und die Südstadt, sie endete zufällig in einer Außengastronomie in der Innenstadt mit Maibock-Ausschank.

In Ückesdorf besteht eine gewisse Uneinigkeit über die Priorität der Verkehrsmittel. Wobei man sich schon fragen muss, ob die Stadt Bonn zu viel Geld hat, denn hier dürften sich Autos und Fahrräder auch ohne aufwendige Markierungen kaum ins Gehege kommen.
Bei Ückesdorf
Mordkapellenpfad oderhalb Poppelsdorf
Rosenblüte in Poppelsdorf

Dienstag: Der nachgeholte Montag verlief recht zufriedenstellend mit nur wenigen Besprechungen und Anrufen, auch sonst hielt der Arbeitstag keine Imponderabilien bereit und er endete zeitig, man muss ja nicht gleich am ersten Tag die Welt retten.

Am frühen Nachmittag befiel erstmals ein Krampf den linken Zeigefinger. Er gehorchte nicht mehr den gängigen Bewegungsbefehlen und ließ sich nur mit Hilfe der rechten Hand beugen, dazu leichter Schmerz. Nach ungefähr zehn Minuten war es vorüber, der Finger funktioniert wieder. Interessant, was man erlebt, wenn so ein Körper älter wird.

Mittwoch: Regelmäßig wundere ich mich über Eltern, deren volle Aufmerksamkeit, während sie ihre Brut im Kinderwagen durch die Gegend schieben, ihrem Datengerät gilt. Eine Variante davon sah ich morgens auf dem Weg ins Werk: Ein Fahrrad fuhr mit belegtem Kindersitz am Rheinufer, der Fahrer trug Kopfhörer. Vielleicht ein Sennheiser Divine-Silence PXC-700.

In einer Besprechung ohne externe Teilnehmer wurde sich teilweise noch gesiezt. Das erlebt man auch immer seltener, fast ist es schon Nostalgie.

Man sagt nicht mehr „Das ist mein Lieblings-[irgendwas]“, es heißt jetzt „Das ist mein go to …“, wie ich abends während der Verabschiedung einer lieben Kollegin in den Ruhestand von zwei jungen Kolleginnen erfuhr. Ansonsten war es ein sehr schöner Abend mit Grillgut, Getränken und Gesprächen im Ennert-Wald.

Ebendorten

Im Briefkasten ein Postkartengruß des Bloggerkollegen aus Duisburg aus Hamburg. Also der Gruß aus Hamburg, der Blogger aus Duisburg. Lieber M., herzlichen Dank!

Donnerstag: Morgens kam ich nur schlecht aus dem Bett, Körper und Geist wären gerne noch etwas länger liegen geblieben. Ein Zusammenhang zum Vorabend ist weitgehend auszuschließen, da ich mich beim Bier in Zurückhaltung geübt hatte und zeitig wieder zu Hause war. Vielleicht setzt nach nunmehr drei freien Donnerstagen hintereinander eine gewisse Gewöhnung ein. Nächste Woche wieder.

Belohnt wurde das Aufstehen mit zufriedenstellender Arbeitslust und Kohlroulade zum Mittagessen. Neben Grünkohl und Erbseneintopf ein Gericht, über das ich mich immer besonders freue, wenn es auf der Karte steht.

Nach der Arbeit war ich beim Friseur, der sich heute ungewöhnlich gesprächig zeigte. Nicht, dass mir das einreißt.

Freitag: Vor geraumer Zeit veröffentlichte ich unter dem Pseudonym Christian Rebeck das Buch „Herbsterwachen“, eine Geschichte über Liebe und Triebe zwischen männlich gelesenen Personen, heute heißt das wohl innerhalb der LGBTQ*-Komjuniti, mit Schwerpunkt auf G. Nun erhielt ich die Mailnachricht von jemandem, der wirklich Christian Rebeck heißt mit der Frage, wie ich auf diesen schönen Namen gekommen sei. Das ist schnell erklärt: Namensgeber sind zwei mir nahestehende Personen. Der eine gab seinen Vornamen, der andere hieß mit Geburtsnamen Becker, woraus als Anagramm Rebeck entstand. Ich hätte mich auch Eckber oder Keberc nennen können, wer weiß, wer dann geschrieben hätte. Weitere Bücher unter diesem Namen und dieses Genres sind von mir im Übrigen nicht zu erwarten.

Aus einer Besprechung: „Wir hatten uns gemeeted, um uns zu syncen.“ Es erscheint mir im Übrigen höchst albern, ein Problem als „Herausforderung“ zu euphemisieren.

Es ist warm geworden, sehr warm. Sogar für mein verfrorenes Empfinden, und das will was heißen. Die Menschen zeigen wieder ihre mehr oder weniger sehenswerten Körper.

oder weniger
Morgens im Rheinauenpark
Abends auf dem Weg zur Packstation, hier eine der vergangene Woche erwähnten unendlichen Bonner Baustellen an der Bornheimer Straße

Samstag: „No woman, no cry“ sang Bob Marley morgens im Radio. Ein Satz, der sich problemlos auf alle Geschlechter erweitern ließe, ohne ein Körnchen an Wahrheit einzubüßen.

Am frühen Nachmittag fuhren der Liebste und ich bei immer noch heftiger Hitze mit dem Schiff nach Königswinter. Dort waren wir verabredet mit Freunden zum gemeinsamen Besuch des jährlichen Weinfestes oberhalb von Rhöndorf. Die Wetter-App hatte vormittags noch Grund zur Hoffnung geboten, dass die angekündigten Gewitter und Unwetter weiter nördlich ihr Unbill treiben würden, doch je näher wir Königswinter kamen, desto dräuender zeichnete sich eine Wolkenfront im Süden ab und erstes Grollen war zu vernehmen. Mit Verlassen des Schiffes fielen dicke Tropfen, die einerseits angenehme Kühlung brachten, andererseits die Freude auf das Weinfest trübten. Da die Freunde noch nicht mit der Fähre aus Mehlem eingetroffen waren, stellten wir uns zunächst mit zahlreichen anderen mehr oder weniger nassen Menschen in den Unterstand der Stadtbahn.

Bei Ankunft der Freunde war der erste Schauer durch, doch kündigte sich aus Süden bereits der nächste mit Gewölk und Grollen an. Dessen unbeeindruckt fuhren wir mit der Stadtbahn nach Rhöndorf und gingen zum Weinfest oben in den Weinbergen. Ich zog die vorausschauend eingepackte Regenjacke an, derweil mein Unbehagen gegen die Naturgewalten wuchs; bei Gewitter ist es nicht das Vernünftigste, sich in einen Weinberg zu begeben, wo allenfalls Pavillonzelte etwas Wetterschutz bieten. Auch das erste Glas Riesling brachte mir nur wenig Gelassenheit über die selbstgefasste Einrede, dass man sich schließlich von Geburt an in ständiger Lebensgefahr befindet. Erst gegen achtzehn Uhr und einige Gläser später waren die Schauer durch und die Sonne beschien die Umgebung. Von da an wurde es sehr gemütlich und der Abend endete ohne weitere Zwischenfälle. Einen Vorteil hatte es: Die Hitze war vorerst gebannt, was bei Weingenuss von Vorteil ist.

Rheintal im Sonnenschein, später

Sonntag: Der Tag begann deutlich kühler und bewölkter als der gestrige, das war nicht schlimm, immer noch angenehmes Kurze-Hosen-Wetter. Der Spaziergang führte durch die Nordstadt und an den Rhein mit Einkehr auf ein Helles im neu möblierten Lieblingsbiergarten. Man kann ja nicht immer nur Wein trinken.

Lieblingsbiergarten mit neuer Möblierung

Was war noch – ach ja, richtig: eine der tausend Fragen. Heute die

110.

Frage Nr. 110 lautet: „Bist du manchmal von anderen enttäuscht?“ Ja, selbstverständlich, wer wäre es nicht, wenn andere sich nicht an Vereinbarungen halten oder Zusagen nicht einhalten, den Geburtstag vergessen oder sich nicht mehr melden. Häufig kommt das allerdings nicht vor, da meine Erwartungen an die Menschheit im Allgemeinen nicht sehr hoch sind. Das letzte Mal enttäuscht war ich nicht von einer Person, sondern einem Unternehmen, konkret dem Veranstalter unserer letzten Schiffsreise im Mai, weil wie berichtet die Verpflegung an Bord deutlich schlechter war als auf unseren vorherigen Reisen mit demselben Veranstalter.

Enttäuscht bin ich auch vom Bonner General-Anzeiger, unserer Tageszeitung. Gestern wurde fast eine zweidrittel Seite lang berichtet über einen kaputten Klodeckel, was die betroffene Mieterin dazu bei Facebook postete und was andere darauf antworteten. Schon vor längerer Zeit habe ich das Abonnement gekündigt mit der Absicht, es nach Ablauf zu günstigeren Konditionen neu abzuschließen. Mittlerweile überlege ich, ob ich das wirklich tun soll.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, ich hoffe, Sie mit diesem Rückblick nicht enttäuscht zu haben. Kommen Sie gut durch die Woche.

Redaktionsschluss: 18:30

Woche 20/2024: Therapeutische Unterstromsetzung, Spätburgunder und Selbstbeherrschung

Montag: Der Tag bot Positives. Das Büro hatte ich für mich allein, auch sonst wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen, in den Nebenbüros und auf dem Flur nur wenig Betrieb. Der Maileingang, per Teams in Wort und Schrift vorgetragene Anliegen und Besprechungen waren überschaubar. Dennoch war gut zu tun. Vormittags erschien ein Techniker und beseitigte das bei Einzug vor drei Wochen an die Haustechnik als störend gemeldete Brummen der Raumlüftung, mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt. Dennoch erfreulich, dass désormais brummfrei gelüftet wird.

Da meine neuen Mitesser wegen einer Besprechung erst verspätet zu Tisch gingen, nahm ich das Mittagessen allein zu mir, was mir durchaus gelegen kam. Anschließend erlaubte ich mir eine Runde durch den Park.

Das Wetter zeigte sich weiterhin vorsommerlich, die für den Abend angekündigten Regenfälle blieben aus. Nur kurz vor Mittag fiel ein kurzer, heftiger Schauer, der mich am Schreibtisch nicht weiter störte.

Die aktuelle PSYCHOLOGIE HEUTE wurde zugestellt, für mich zum letzten Mal, da ich das Abo nach etwa fünfundzwanzig Jahren gekündigt habe, um mehr Lesezeit für Bücher zu gewinnen. Auch stört mich, wie bereits dargelegt, die mittlerweile nicht nur dort praktizierte Form des Genderns, die mal die männliche, mal die weibliche Form verwendet. Ich bin kein Freund von Sternchen, Binnen-I und -Doppelpunkten, und das von manchen auch männlichen Schreibern mittlerweile verwendete generische Femininum erscheint mit ein wenig störrisch-albern, weil es das Grundproblem nicht löst. Doch dieses Durcheinander halte ich für die schlimmste Form.

Im Übrigen lag wieder eine leichte Montäglichkeit über dem Tag. Die geht vorüber, spätestens morgen.

(Dafür, dass mir zunächst für heute nicht viel eingefallen war, ist es doch recht umfangreich geworden.)

Dienstag: Bereits morgens beim Fußweg ins Werk war es ziemlich warm, ich beklage das nicht.

Ein Farbtupfer der Anmut am Wegesrand

Der Arbeitstag war, verglichen mit gestern, lebhaft: zu zweit im Büro, nebenan und auf dem Flur emsiges Treiben, Mittagessen in größerer Gruppe, auch das alles nicht zu beklagen. Ebenfalls nicht zu beklagen, immerhin werde ich gut dafür bezahlt, allenfalls anzumerken ist, dass ich relativ plötzlich in ein Projekt mit hoher Management Attention und sportlicher Zeitplanung involviert bin; ich nehme an, in nicht allzu ferner Zukunft, jedenfalls lange vor meinem Ruhestand, wird sich niemand mehr dafür interessieren. Wie auch immer – ich werde mein Möglichstes dazu beitragen, auf dass ein mögliches Scheitern nicht mir anzulasten ist.

Vormittags irritierte mich das Verschwinden einer wichtigen Outlook-Aufgabe, die ich regelmäßig fortschreibe, gleichsam als Journal für ein längerfristiges Vorhaben. Heute war sie plötzlich aus der Aufgabenliste verschwunden, weder hatte ich sie versehentlich gelöscht noch auf „erledigt“ gesetzt. Erst nach einiger Zeit fand ich sie im Online-Archiv, wohin sie wegen ihres Alters von zwei Jahren automatisch verschoben wurde. Immerhin beruhigend: Es geht nichts verloren, oder jedenfalls nur selten etwas.

Blogvorschlag des Tages: Ich möge meine fünf Lieblingsfrüchte auflisten. Nun denn: Kirsche, Mirabelle, Spätburgunder, Riesling und Grenache.

Mittwoch: In der Zeitung fand ich zwei bemerkenswerte Berufe: Feelgood-Managerin und Crossover-Performer. Ich habe keine Ahnung und will es auch gar nicht wissen, worin deren Tagwerk besteht, doch das lässt sich Außenstehenden über einen Senior Specialist, was auf meinen Visitenkarten stünde, wenn ich welche hätte, auch nicht immer ganz leicht erklären.

Ansonsten war der Tag recht angenehm. In zwei Angelegenheiten konnte ich wenigstens für mich etwas Struktur bringen, zudem wird sich voraussichtlich auch hier wieder der alte Grundsatz bestätigen, wonach nichts so heiß gegessen wie gekocht wird.

Wichtigste Tätigkeit des Tages: in Outlook eine Abwesenheitsmeldung für den morgigen Inseltag einzustellen.

Die für nachmittags angekündigten starken Regenfälle erwiesen sich als radfahrerverträglich, nach Rückkehr vom Werk musste nicht einmal die Hose getauscht werden.

Vielleicht bin ich mit den Jahren empfindlicher geworden, jedenfalls habe ich den Eindruck, die Leute werden immer lauter. Immer öfter nehme ich wahr, sei es im Werk oder auf der Straße, manchmal auch zu Hause, dass jemand meint, herumblöken zu müssen. Vielleicht irre ich mich auch.

Donnerstag: Ein freier Tag. Wegen ungünstiger Wetterprognose keine Wanderung, stattdessen morgens der lange fällige Termin beim Orthopäden. Seit Monaten* plagt mich zeitweise der untere Rücken mit Schmerz, vor allem nach längerem Liegen. Da ich sehr gerne lange liege, ein auf Dauer inakzeptabler Zustand. Gedacht hatte ich es mir so: Kurz nach neun verlasse ich das Haus, um halb zehn ist der Termin. Vorher nimmt die freundliche Arzthelferin (heißt das noch so?) meine Personalien auf, da ich neuer Patient in der Praxis bin, danach empfängt mich Herr Doktor, hört sich mein Leiden an, schaut, untersucht, verschreibt Tabletten, Salbe, vielleicht Massagen; am Ende mahnt er zu mehr (oder überhaupt) sportlicher Betätigung. Spätestens um halb elf ist alles erledigt, danach frühstücke ich gemütlich im Kaufhof-Restaurant.

*Aufgrund eines Verschreibers stand hier erst „Montagen“. Das ist eine interessante Variante, allerdings plagen mich montags zumeist andere, zusätzliche Unpässlichkeiten.

Und so war es wirklich: Man nahm meine Personalien auf, ich musste für alles Mögliche unterschreiben, sogar ein Foto von mir wollte man gerne haben für die Akten, letzteres freiwillig, wozu auch immer, aber von mir aus. Dann zu Herrn Doktor. Er hörte, schaute, untersuchte und befand: alles schief, krumm, fehlgestellt, verwachsen und verspannt, als sei ich der Glöckner vom Bonner Münster. Anschließend wurde ich geröntgt, hin und her gebogen, bis es mehrfach leicht knackte (aber nicht weh tat), akupunktiert, behämmert, mit Elektroden beklebt vermessen und unter Strom gesetzt; insgesamt dreimal durfte ich mich aus- und wieder ankleiden. Am Ende erhielt ich einen neuen Termin, weitere folgen, sowie eine Verschreibung zu zehn Gerätetherapien beim Physiotherapeuten meiner Wahl. Erst um halb zwölf verließ ich die Praxis. Da das Frühstücksbüffet im Kaufhof dann schließt, frühstückte ich vor einem Café auf dem Marktplatz.

Während der oben genannten therapeutischen Unterstromsetzung las ich den Anfang eines interessanten Zeitschriftenartikels. Wie die Autorin darin beklagt, genügt es heute nicht mehr, sich als lesbisch oder schwul zu bezeichnen, vielmehr muss man (m/w/d) queer sein. Als nur Lesbische oder Schwuler grenzt man andere aus, insbesondere Transsexuelle und Nonbinäre, somit gehört man zu den Bösen. Welch irre Zeiten. Hiermit sei erklärt: Ich bezeichne mich weiterhin (ungern zwar, weil es kein besseres Wort dafür gibt) als schwul, und es liegt mir fern, irgendwen wegen dessen, als was er/sie/es sich fühlt, auszugrenzen. Nicht einmal Heteros.

Freitag: Auch für heute waren wieder erhebliche Regenfälle angekündigt, deshalb war morgens die Stadtbahn das Verkehrsmittel der Wahl. Der Tag zeigte sich trübe, der Regen blieb – im Gegensatz zu südlicheren Regionen, die es heftig traf -, aus, das ermöglichte nachmittags einen außerplanmäßigen Fußmarsch nach Hause.

Viel heller wurde es nicht

Auch am Rheinufer jede Menge beschädigter und abgerissener Wahlplakate, was geht nur vor in den Leuten. Wobei, selbstverständlich ohne das gutzuheißen: Wofür braucht man überhaupt Wahlplakate? Glauben die Parteien wirklich, mit ihren austauschbaren, aussagefreien Phrasen könnten sie weitere Wähler gewinnen?

In der Innenstadt ging ich unter einem Baugerüst hindurch, daran ein Schild »Vorsicht Dacharbeiten«. Was will mir dieses Schild sagen? Durchgang nur mit Helm und auf eigene Gefahr, oder besser gar nicht?

Gunkl schreibt: »Da eine herkömmliche Bestattung eine Beerdigung ist, müßte ein Seemannsbegräbnis Bewässerung heißen. Naja, im Anlaßfall sollte man diese Überlegung aber eher für sich behalten.«

Wenn etwas gerade wunschgemäß funktioniert, heißt es oft „Das läuft wie geschmiert“ oder „wie ein Uhrwerk“, etwas überschwänglicher formuliert „geht es ab wie Schmidts Katze“, wer auch immer Schmidt ist. Etwas robuster formuliert man offenbar im Münsterland, wie bei Frau Anje zu lesen ist; dort heißt es: „… das läuft grade wie Rotz am Ärmel.“

Samstag: Als ich nachmittags im Hof Fahrradpflege betrieb, sah ich durch das Torgitter, wie vor dem Haus ein Auto abgestellt wurde, so dass sein Heck in unsere Einfahrt ragte. Die Beifahrerin hatte mich offenbar gesehen und fragte freundlich, ob es in Ordnung wäre, wenn sie kurz dort parkten. Ebenso freundlich verneinte ich mit dem Verweis darauf, dass dies nunmal eine Einfahrt sei, außerdem ohnehin absolutes Halteverbot. Das sah sie ein. Nicht so der Fahrer, der meinte, mich anpampen zu müssen, sinngemäß ob ich überhaupt Auto fahre und ich solle mich nicht so anstellen. Das veranlasste mich, zurückzupampen, worüber ich mich sogleich ärgerte, mehr als über den uneinsichtigen Fahrer; ich hasse es, in solchen Situationen die Selbstbeherrschung zu verlieren. Immerhin fruchtete es, man stieg wieder ein und fuhr ab, im Vorbeifahren winkte der Fahrer drohend und hupte zweimal. Ich antwortete mit Kusshand und lächelte zurück. Die Selbstbeherrschung war wiederhergestellt.

Der für die vergangenen Tage angekündigte und ausgebliebene heftige Regen fiel am Nachmittag.

Sonntag: Ich verschone Sie mit der alljährlichen Frage, was genau nochmal an Pfingsten passiert sein soll.

Ansonsten bei Sonnenschein die üblichen Sonntäglichkeiten: lange geschlafen, spätes Frühstück, Spaziergang, Sonntagszeitungslektüre auf dem Balkon.

Aus einer Pressemitteilung der Stadt Bonn: »Ziel ist es, die freie Kulturszene bei der Entwicklung von Projekten im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit zu unterstützen und die interkommunale Kooperation sowie den Aufbau nachhaltiger regionaler oder nationaler Netzwerke im Kulturbereich zu stärken.« Auch nach mehrmaligem Lesen will sich mir nicht erschließen, was genau unterstützt und gestärkt werden soll. Jedenfalls erinnert es an die Vereinssitzung in Loriots „Ödipussi“.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche.

Woche 21: Worte und Wünsche

Montag: Während das Pfingstwunder uns einen arbeitsfreien Tag schenkt, wundere ich mich über eine technische Neuerung in unserem Haushalt. Seit gestern wird das Licht im Bad per Bewegungsmelder gesteuert, warum auch immer. Für längere Verrichtungen bedeutet dies, immer in Bewegung zu bleiben, möchte man sie nicht im Dunkeln verrichten. Wobei das immer noch besser ist, als jedes Mal, wie jetzt schon bei der Beschallung von Küche und Wohnzimmer, mit der begriffsstutzigen Siri diskutieren zu müssen. Und doch frage ich mich, was an klassischen Lichtschaltern so verkehrt sein soll.

Beim Spaziergang kam ich an einem Maibaum vorbei, der laut Herzchenbeschriftung für „T T“ aufgestellt worden ist. Zur Ehrenrettung des Verehrers wollen wir annehmen, die Angebetete heißt Thekla-Tanja oder Tamara-Tabea, und der Birkenschmuck ist nicht nur ausgewählten Körperteilen der Dame gewidmet.

Dienstag: Kälte und Regen lähmen heute ein wenig die Lust auf detaillierte Schilderung der Tagesbeobachtungen und -ereignisse. Immerhin – der Regen legte erst nach Ankunft im Werk los und endete vorübergehend kurz vor der Rückfahrt. Auch über Mittag pausierte er und ermöglichte mir, unbeschirmt trockenen Hauptes eine Portion Rheinischen Sauerbraten aus der Togo-Kantine zu holen. Nur abends beim Laufen tröpfelte es ein wenig auf mich herab, was ich beim Laufen indes ganz gerne mag. Fazit: Mein Regenschutzengel ist zu loben.

Eine der Lausch- und Laberbüchsen, in denen Frau Siri lauert, verweigert dauerhaft und irreparabel ihre Funktion. Mein Bedauern darüber ist überschaubar, zumal in unserer Wohnung (mindestens) vier weitere derartige Geräte über unsere Worte und Wünsche wachen.

Mittwoch: Sie mögen keine Anglizismen? Da habe ich was für Sie, schon etwas älter, heute eher zufällig hier gefunden. Am besten gefallen mir „Düsenbarke“ (Jet Ski), „Verjetztlichungsstrahl“ (Live-Stream) und „Eiferkauz“ (Nerd).

Gelesen hier und für gut befunden:

Es gibt Leute, die sich in Fachgeschäften persönlich beraten lassen, anschließend nach Hause fahren und das Produkt im Internet bestellen, weil es dort 0,1 Prozent billiger ist. Ich mache es umgekehrt. Ich nutze die Seite von Lieferando, um mich über das gesamte Angebot schnell zu informieren. Dann klicke ich auf das „i“ auf der Seite des Restaurants, das ist ausgewählt habe, wähle die dort angegebene Telefonnummer und bestelle mein Essen analog. Lieferando verdient keinen Cent, ich habe die Dienstleistung der Firma kostenlos genutzt. Fühlt sich jedes Mal gut an. Wie Klingelstreich.

Donnerstag: Vergangene Nacht geträumt von Inge Meysel, wie sie aus dem Buch Jesaja liest. Hat wohl nichts zu bedeuten.

Aus einer Besprechungseinladung: „… gerne möchte ich uns in Vorbereitung zum Thema in der Überschrift einmal gleichschalten, damit wir mit (bla bla) sicher ins Ziel kommen. Auch das Thema (bla bla) können wir hier zusammen verstehen.“ Ich möchte nicht gleichgeschaltet werden.

„Ich freue mich total, dass ich dieses Projekt leiten darf“, sagte eine. Da es eine sehr große, wenn auch virtuelle Runde war, verzichtete ich auf die angemessene Entgegnung „Du sollst nicht lügen“.

„Wartet nicht auf die Wartung“, sagte eine andere. Es sind Sätze wie dieser, die mich bisweilen lächeln lassen.

Ansonsten entkam ich mit knapper Not einer Break Out Session, bevor ich erfahren musste, was das überhaupt ist.

Freitag: Heute ist laut Zeitung Tag des Hamburgers, also nicht des Hanseaten, des Einwohners von Hammonia, sondern des Hackfleischgebräts im Weichbrötchen. Auf das Kantinenangebot hatte das glücklicherweise keinen Einfluss.

Ich ließ mich bereits aus über die recht neuartige Gewohnheit, Hausrat zum Zwecke der Entsorgung vor das Haus zu stellen mit einem Zettel „Zu verschenken“ daran, anstatt ihn dem Wertstoffkreislauf anheim zu stellen. Abends bei Rückkehr vom Laufen (Sie dürfen mich gerne loben, in dieser Woche lief ich wie geplant zweimal) ging ich an einem Stuhl vorbei mit ebendiesem Hinweis. Keiner der allgegenwärtigen Monobloc-Stühle, auch nichts dolles, ein einfacher Holzstuhl halt. Doch bezweifle ich, dass er bald einen Mitnehmer fand, da ein weiterer Zettel angebracht war: „Nicht draufsetzen“.

Auch bemerkenswert:

(General-Anzeiger Bonn)

Samstag: In Bonn ist der Inzidenzwert noch immer mit um die achtzig vergleichsweise hoch, dennoch strömt alles in Läden und Gastronomie. Ich möchte nicht spaßhemmend wirken, zumal ich in den vergangenen Monaten nur weniges mehr vermisst habe als als den Besuch eines Restaurants oder Biergartens. Und doch sehe ich die nun herrschende allgemeine Öffnungseuphorie mit Skepsis. Während sich die Wirte über Gäste freuen, freut sich das Virus schon auf neue Wirte. Aber womöglich sehe ich das zu negativ, beziehungsweise positiv. Wie auch immer – wir warten noch etwas. Der Liebste hat Maibock gekauft, der lässt sich auf dem Balkon auch kurz vor Juni noch ganz gut genießen.

(Keine Werbung, für diese Abbildung erhalte ich von der Herforder Brauerei keine Zuwendung.)

Gelesen bei Frau Anje und gelacht:

„Es war ein bisschen kompliziert, weil das Kind eine sehr eigenwillige Sprache benutzte, ich also nicht verstand, was es mir erzählte. Solche Situationen kenne ich aber auch von Besprechungen mit wichtigen Personen, die erzählen auch oft wirren Kram, der niemanden interessiert, ich habe also reagiert wie ich im beruflichen Kontext in solchen Situationen auch reagiere, erst habe ich lange nichts gesagt und dann ebenfalls Blödsinn erzählt, das Kind war sehr zufrieden mit meiner professionellen Reaktion.“

Sonntag: Endlich ein Sonntag, der seinen Namen verdient. Die meiste Zeit verbrachte ich (ohne alkoholische Stimmungsaufhellung) auf dem Balkon, wo es angenehm ruhig war, mal abgesehen von den üblichen Sonntagsinnenstadtgeräuschen. Nur wenige Menschen waren in der Nachbarschaft und näheren Umgebung auszumachen, die anderen betrieben vielleicht Inzidenzwertpflege in Cafés und Biergärten.

Woche 22: Hand am Arm und zweibeinige Spatzen

Montag: Ein Nachtrag zu letzter Woche, ich fand den Eintrag erst heute in meinen Notizen wieder, es ist nur ein Wort. Am Samstagnachmittag probierten wir bei einem Moselwinzer sein Sortiment; am Ende, als alles probiert und für gut befunden war, wurde der „Reparaturriesling“ gereicht, ein einfacher Riesling mit dem Zweck, die aufgrund vorangegangener Aromenstürme vor Verzückung jubilierenden Geschmacksnerven zu beruhigen und sie wieder auf den Boden der Tatsachen zu führen. So, als reichte ein Molekularküchensternekoch nach dem letzten Gang eine herzhafte Frikadelle.

Was allemal besser wäre als die tote Banane, die neuerdings bei uns im Hof liegt.

KW22 - 1

Dienstag: Geträumt: Wir saßen in so einem Züglein, mit denen Touristen durch fremdenverkehrlich auffällige Städte gefahren werden, Sie kennen die sicher, mehrere offene Waggons hinter einem als Lokomotive verkleideten Traktor, dessen Fahrer den Fahrgästen per Bordlautsprecher die örtlichen Sehenswürdigkeiten erklärt. In so einem vollbesetzten Züglein also fuhren wir durch eine Straße, die auf beiden Seiten von ebenfalls vollbesetzter Außengastronomie gesäumt war (der Traum spielte demnach vor, oder, falls es das irgendwann geben sollte, nach Corona), man beobachtete sich gegenseitig, wir im Zug die draußen und umgekehrt. An einem Tisch draußen saß ein extrem dicker, unzufrieden wirkender Junge, und während ich, als wir ihn passierten, dachte: Boah, ist der dick, ging ein kollektives „Boah, kuck mal …“ durch das Züglein. Das fand ich beschämend.

Im nächsten Traum wurde mir als Teilnehmer einer Liveshow auf RTL die Aufgabe gestellt, möglichst lustig einen Zahnarzt mit extremem Lippenherpes zu spielen. Während ich mir unter den Augen eines Millionenpublikums recht ungeschickt eine Schutzmaske aufsetzte (dieser Traum spielte womöglich zu Corona), dachte ich: So ein Unsinn. Nach einer Stunde wurde die Szene wegen akuter Unlustigkeit abgebrochen.

Im Werk hörte ich in einer Besprechung nämliches: „Wie ihr wisst, sind wir zeittechnisch nicht gerade gut unterwegs.“ Auch nicht besonders lustig.

Mittwoch: Die Ausgaben für Verteidigung werden laut Zeitungsbericht in diesem Jahr um 3,5 Milliarden Euro gegenüber Vorjahr steigen. Gerade in unsicheren Zeiten wie diesen kommt es darauf an, das Geld für die richtigen Dinge auszugeben und die Rüstungsindustrie zu stützen.

„Das ist noch sehr Hand am Arm„, sagt einer während einer Präsentation. Wo denn sonst? Ist das wieder so ein stumpf übersetzter Anglizismus, oder was meint das?

„Wie war die Anrufqualität“, fragt Skype nach der Konferenz. Inhaltlich eher fragwürdig, möchte ich antworten.

Bei Heimkehr aus dem Werk hatte ich den Eindruck, die Banane im Hof hätte sich kurz bewegt.

Donnerstag: Im Pressespiegel ein Interview mit dem Senior Transaction Manager Global Operations Real Estate & Design eines großen Versandhändlers, bei dem ich aus grundsätzlichen Erwägungen nichts bestelle. Da geht einem schon beim Lesen des Titels einer flitzen.

Flitzen gegangen ist auch die Banane, jedenfalls ist sie weg. Ob sie sich aus eigener Kraft entfernte oder jemand spontan Vitaminbedarf hatte, ließ sich nicht klären.

Das sollten Sie lesen, vor allem das mit den Leckmuscheln.

Freitag: Für Menschen mit fragwürdigem Naturverständnis mag es „Unkraut“ sein, mich hingegen ließ auf dem Weg in die Kantine dieses Lavendelchen kurz lächeln.

KW22 - 1 (1)

Apropos Natur: Nachdem es hieß, die Zahl der Spatzen ginge zurück, beobachte ich sie in letzter Zeit – neben den bereits erwähnten Halsbandsittichen – in erfreulicher Anzahl vor meinem Büro, wo sie mir vom Fenstersims aus tschilpend bei meinem Tun und Lassen zuschauen. „Mich besuchen in letzter Zeit viele Spatzen“, erzählte ich am Morgen. Der Geliebte: „Ist klar, vor allem zweibeinige.“ – „Ja, was sonst?“ – „… ach ja.“

Samstag: Der Duft von Lavendel hält übrigens nicht nur Motten vom Kleiderschrank fern, er lindert auch Liebeskummer, steht in der Zeitung. Nicht dass ich welchen hätte oder in absehbarer Zeit erwarte, dennoch gut zu wissen, falls mal ein zweibeiniger Spatz herbeiflattert.

Aus Gründen, die hier nicht näher erläutert werden sollen, suche ich regelmäßig die Altglascontainer hinter dem Stadthaus auf. Diese können wegen einer Baustelle zurzeit nicht geleert werden, was zur Überfüllung des mittleren, laut Anschrift „Nur für Weißglas“ bestimmten geführt hat. Davor steht nun eine größere Menge Flaschen und Gläser, immerhin korrekterweise nur farblose, da Leute einerseits keine Lust haben, das Zeug zu einem anderen Container zu schleppen, andererseits, vielleicht aus Gründen gewisser Obrigkeitshörigkeit, sich nicht trauen, es wie ich und augenscheinlich vor mir bereits andere in die Behälter daneben für Braun- und Grünglas einzuwerfen, die noch über freie Kapazitäten verfügen oder „Luft nach oben“, wie man auf Blöddeutsch oft hören muss. Vielleicht ist das dieses „typisch Deutsch“.

KW22 - 1 (2)

Der Liebste war beim Friseur. Abends wurde mein Kopfhaar thematisiert, mit völlig unangemessener Bezugnahme auf die Hinterkopflichtung durch den Geliebten: „Du hast bald die Haare wie Roy Black.“ – „Wie hat denn Roy Black die Haare?“ – „Gar keine mehr.“

Logik beim Abendessen, es gab gegrillten Rollbraten: „Die Schnur kann man mitessen, ist Baumwolle.“

Sonntag: Alle Jahre wieder- was genau war nochmal Pfingsten? Ist dieser Heilige Geist auch so eine Art Virus?

Gespräch beim Frühstück: „Blühen die Pfingstrosen im Garten schon?“ – „Die sind schon verblüht.“ – „Da kann man mal sehen, wie dusselig die sind.“

Nachmittags kam mir eine Dame auf dem Fahrrad mit volltätowierten Brüsten entgegen. Das war sehr unschön.

Woche 23: Voll gefreut

Montag: Jedes Jahr muss ich mir die Bedeutung von Pfingsten neu anlesen, wobei ich sie regelmäßig allerspätestens zu Allerheiligen wieder vergessen habe.

Dienstag: Die Kreativität der Werbewirtschaft hat mit „SimSalatbim“ einen neuen vorläufigen Tiefpunkt erreicht.

Mittwoch: Ständiger Begleiter auf meinen Bahnfahrten ist die Hoffnung, nicht auf jemanden zu treffen, der mit mir sprechen möchte.

Donnerstag: „Nee war schön, war aber auch echt schön, hab mich voll gefreut…“ – Dann stieg sie aus der Bahn, das Telefon immer noch am Ohr. Da habe ich mich auch echt voll gefreut.

Freitag: Während die britische Premierministerin eine grandiose Wahlschlappe erleidet, feiert die Werbung ein Produkt, welches den Harnstrahl stärkt.

Samstag: Eines Tages wird der Wein mich töten. Wenn nicht die Sauferei, so das Geschleppe der leeren Flaschen zum Altglascontainer.

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Sonntag: In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreibt Lars Jensen:

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Nein, Sie sind nicht allein.