Woche 33: Zur gefälligen Kenntnisnahme

Montag: Dienstreise nach Leipzig als Beifahrer im Auto. Knödelkenner sollten gelegentlich Heichelheim besuchen, wo sich laut Hinweisschild an der Autobahn die Thüringer Kloßwelt dreht. Lärmempfindliche Menschen (wie ich) machen hingegen um Apolda besser einen größeren Bogen, da es sich nach eigenem Bekunden um die Glockenstadt handelt.

Dienstag: „Der etwas andere Friseur mit der Wartenummer“ steht an einem Salon in der Leipziger Innenstadt, nahe unserem Tagungshotel. Ein Friseur mit Schweigegelübte – DAS wäre mal ein lockendes Alleinstellungsmerkmal.

Ich bin mir übrigens sicher, über neunzig Prozent derjenigen, die heute in Bonn gegen einen umstrittenen Textildiscounter demonstrieren, bestellen jeden Mist beim großen Onlinehändler mit dem A, ohne sich die geringsten Gedanken zu machen über die Arbeitsbedingungen derjenigen, die anschließend ihre Pakte packen und ausliefern.

Mittwoch: Ich mag es, wenn Berliner „jetze“ sagen. Den Anblick bloßer Männerfüße in Flipflops auf Tagungen hingegen nicht so. Auch nicht, wenn sie Bestandteil eines Berliners sind.

Weiterreise nach Celle. Der Mann im Radio warnt mehrfach vor „Flitzerblitzern“. Das ist hart an der Grenze des Erträglichen und unterstreicht ein weiteres Mal die Frage, warum es Radiosendern überhaupt erlaubt ist, auf Geschwindigkeitskontrollen hinzuweisen. Ein vor uns fahrender LKW transportiert laut Aufschrift Sportpferde. Was will uns das sagen? Dass die reisenden Tiere keine Speisepferde sind?

Heute ist übrigens Tag des Rosé. Das erscheint etwas absurd. Die Frage ist doch eher: Welcher ist der Rosé des Tages?

Donnerstag: Celle-Groß Hehlen ist eher keine Perle architektonisch-landschaftlicher Schönheit, also nicht so pittoresk, dass einer Instagram-Influencerin bei dessen Anblick der lackierte Zehnagel zuckte. Dennoch war ein kurzer Spaziergang durch den Regen nach Feierabend einer der schönen Momente des Tages.

Freitag: Die Rückfahrt nach Bonn im ICE verlief ohne nennenswerte Störungen und fast pünktlich, seltsamerweise ohne Halt in Hagen; aber wer will schon nach Hagen, wird doch seitens der Bahn von einem Ausstieg abgeraten, wie nachfolgendes Archivbild belegt.

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Auch die kurz hinter Bielefeld von einer netten Bahndame an die Kinder einer gegenüber reisenden Familie verteilten Lutscher mit integrierter Schaffnerpfeife wurden nur kurz ausprobiert und verstummten nach elterlicher Ermahnung umgehend.

„Nichts wird jemals konkret, erst recht nicht die Musik aus der Grabbelkiste der Singer-Songwriter-Floskeln“, schreibt der General-Anzeiger über das Konzert von Max Giesinger. Die scheinen diese Art von Musik auch nicht sonderlich zu mögen.

Das heutige Blatt des Loriot-Kalenders zur gefälligen Kenntnisnahme:

Samstag: „Wie heißt nochmal dieses Mischtier: Vorne Pferd, hinten … Dings.“ – „Die Eier legende Wollmilchsau.“ – „Genau.“ Was beim Frühstück so gesprochen wird.

Als wäre ich die letzten beiden Wochen nicht schon genug außer Haus gewesen, fahren wir heute nach Ostwestfalen, wo die Schwiegerfamilie feiert. Obschon ich die Schwiegerfamilie sehr mag, wäre ein ruhiges Wochenende zu Hause eine akzeptable Alternative gewesen.

Sonntag: Rückfahrt im Regen nach Bonn, wo das eigene Bett und die heimische Klobrille sehnsüchtig warten. Neben der Autobahn sehe ich eine größere Ansammlung von Windrädern, die allesamt stillstehen. Ein seltsamer Anblick und gleichsam ein angenehmer Kontrast zu meiner derzeitigen Reiseunruhe, welche sich in den kommenden Wochen fortsetzen wird.

„J’EXISTE“ hat jemand augenscheinlich vor längerer Zeit an einen Brückenpfeiler plakatiert. Mittlerweile ist das Plakat in abblätternder Auflösung begriffen, worin bei näherem Nachdenken womöglich eine gewisse Symbolik für diverse Auflösungserscheinungen unserer Zeit zu erkennen ist. Übrigens sah ich niemals zuvor so viele sterbende oder bereits abgestorbene Bäume wie in diesem Jahr. Sehr erschreckend.

Menschen in der Bahn

„Ein Mensch schaut in der Straßenbahn / der Reihe nach die Leute an. / Jäh ist er zum Verzicht bereit / auf jede Form Unsterblichkeit.“ – so schrieb einst der großartige Eugen Roth. Dieses Gedichtlein hat bis heute nichts an Aktualität verloren, als täglicher Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs erlebe ich sie jeden Tag: die Menschen in der Bahn. Ihnen ist dieser Aufsatz gewidmet.

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Der Arbeiter*: Schon morgens kramt er aus seiner Laptoptasche seinen Rechner, diverse ausgedruckte Präsentationen und Unterlagen heraus, dazu stets die Datenpistole Marke Blackberry im Auge. Er/sie ist ein Genie: zwischen zwei bis fünf Haltestellen kann er sein Zeugs heraus kramen, dann gleichzeitig E-Mails bearbeiten, Unterlagen mit dem Textmarker färben, telefonieren und Kaffee aus einem Pappbecher mit einer winzigen Trinköffnung im Deckel trinken, und schließlich, eine Sekunde bevor er raus muss, alles wieder in seiner Tasche verstaut haben. Ich weiß nicht, ob ich ihn dafür bewundern oder bedauern soll.

Vollbringt der Arbeiter schon in der U- oder Straßenbahn wahre Wunder auf dem Feld des Multitaskings, so fährt er im Intercity zur Höchstform auf. Mühelos gelingt es ihm, mit Rollkoffer, Unterlagen, Laptop, Mantel, Jackett, Ersatzanzug, Hutschachteln und Schuhen (was veranlasst eigentlich Menschen, im Zug ihre Schuhe auszuziehen?) eine Vierersitzgruppe mit Tisch komplett einzunehmen. Zwischen Würzburg und Frankfurt/Main-Flughafen fertigt er eine 40-seitige Präsentation, isst ein Baguette mit Schinken und Käse, liest ein etwa hundertseitiges Worddokument und macht seine Anmerkungen darin, führt trotz fluchend durchfahrener Funklöcher zwölf Telefonate, trinkt vier Kaffee, fertigt seine seine Steuererklärung und rettet die Welt – vorausgesetzt, eine Steckdose befindet sich an einem seiner vier Plätze.

Wenn nicht, kann man beobachten, wie ein Mensch mit schwindender Akkufüllung immer mehr in sich zusammen sinkt wie ein undichter Luftballon, bei fünfzig Prozent erste Schweißperlen, die sich bei spätestens 30 Prozent zu Rinnsalen erweitern; bei unter zehn Prozent tritt Schaum aus dem Mund, und nachdem er seinen Rechner endlich zugeklappt hat, weil nichts mehr geht, sitzt er zitternd und zusammengekauert auf seinem Platz und schaut alle dreißig Sekunden abwechselnd auf seine Armbanduhr und den Blackberry. Bis zum Zielbahnhof ist die Reise für ihn eine Qual, etwa so wie für mich das Innere einer Sporthalle, er nimmt nicht wahr, was draußen am Fenster vorüber fliegt, die angebotene DB-Kundenzeitschrift verbleibt ungelesen in der Ablage an der Rückenlehne des Vordersitzes.

Auf der Sympathie-Scala von eins (sehr unsympathisch) bis zehn (sehr sympathisch) bekommt der Arbeiter wegen der Unruhe, die er verbreitet, drei Punkte. Ohne Steckdose und mit leeren Akkus sechs.

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Der Smartphoneabhängige*: Sobald er seinen Platz eingenommen hat, wobei es keine Rolle spielt, ob Sitz- oder Stehplatz, starrt er auf sein iPhone oder ein artverwandtes Gerät und tippt / streicht darauf herum. Im günstigsten Fall tut er dies geräuschlos, im nicht ganz so günstigen Fall umgibt ihn dabei ein rhythmisch schräbbelndes Geräusch aus seinen Ohrstöpseln, und im schlimmsten Fall telefoniert er lautstark für alle im Wagen hörbar: „Alter, wo bist du? – Was? Verstehe dich nicht, sind im Tunnel. – Was? Bin noch in der Bahn. – Was?“ Und so weiter. Von der ersten bis zur letzten Haltestelle, wo er aussteigt, und vermutlich weit darüber hinaus. Sympathiewert: je nach Geräuschentwicklung zwei bis fünf Punkte.

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Der Schwätzer*: Er unterhält sich lautstark, so dass es jeder mitbekommt, am liebsten über Themen aus seinem Arbeitsumfeld, das Projekt, wie lange er gestern wieder im Büro war, die faulen Kollegen, die schlechte Organisation in seiner Abteilung, aber ihn fragt ja keiner, außerdem er habe es ja gleich gesagt. Im günstigsten Fall labert er einen Kollegen voll, im schlimmsten Fall bin das ich. Sympathiewert: einen Punkt; wenn ich das Opfer seiner Ansprache bin, minus drei.

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Der Apathische*: Er sucht sich seinen Platz und macht – gar nichts. Starrt einfach vor sich hin, auf einen imaginären Punkt im hinteren Wagenteil, vielleicht die Werbung der örtlichen Telefonseelsorge, deren Nummer er vom täglichen Starren längst auswendig kennt, oder in das Schwarz des durchrauschten U-Bahn-Tunnels. Er ist mir einer der liebsten Mitreisenden, unauffällig, geräuscharm. Je nach dekorativer Erscheinung acht bis zehn Punkte.

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Der Ungeduldige*: Für ihn ist die Bahnfahrt eine Qual. Er bleibt direkt in der Tür stehen, auf dass sich jeder, der ein- oder aussteigen will, an ihm vorbei quetschen muss. Spätestens drei Haltestellen vor seinem Ziel holt er eine Zigarette aus der Tasche, klemmt sie sich hinter das Ohr und spielt nervös – ratsch ratsch, funk funk – mit seinem Feuerzeug herum. Fährt die Bahn nicht weiter, weil mal wieder jemand in der Tür steht und sie sich deshalb nicht schließen lässt, sagt er so Sätze wie „Nun fahr endlich, Scheißbahn“, und schaut zustimmungsheischend in die Runde, jedoch ohne Erfolg, weil die Apathischen um ihn herum ihn ignorieren. Die anderen hören ihn nicht. Nachdem er gemerkt hat, dass es seine Tasche ist, die in die Lichtschranke der Tür ragt, kann die Bahn auch weiter fahren. Sympathiewert: fünf bis sechs Punkte.

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Der Kramer*: Er setzt sich nicht auf den freien Sitzplatz neben mir, sondern platziert dort zunächst seinen Rucksack, dann beugt er sich darüber und beginnt darin zu kramen, bis er seine Wasserflasche gefunden hat; dann setzt er sich endlich, den Rucksack zu seinen Füßen, und kramt unermüdlich weiter darin herum, holt ein Buch, sein Telefon und ein belegtes Brötchen hervor. Er hört nicht eher mit kramen auf, bis seine Zielhaltestelle erreicht ist, oder meine. Der Kramer macht mich wahnsinnig. Maximal zwei Sympathiepunkte.

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Der Esser*: Er steigt schon mit einem Kaffeebecher ein, entweder einer dieser scheußlichen Pappbecher mit Plastikdeckel, siehe oben, oder so ein hipper alufarbener Thermobehälter mit Henkel; kaum sitzt er, holt er eine Papiertüte der nächsten Bäckerei aus seiner Tasche hervor und beißt bald darauf grunzend und schmatzend in das weiträumig krümelnde Buttercroissant oder, schlimmer, in das mit Tomate, Mozzarella, Ei, Thunfisch, Frikadelle, Mayonnaise und einem Salatblatt völlig überbelegte Baguettebrötchen, aus dem sich spätestens nach dem zweiten Bissen die Zutaten der Schwerkraft folgend verabschieden, im günstigsten Fall in den Schoß des Essers, im ungünstigsten auf meine Schuhe.

Auch hier ein kurzer Ausflug zum DB-Fernverkehr: Statt der Tüte des örtlichen Bäckereiwaren-Fachgeschäfts holt Mutti gerne eine große Plastikdose hervor und verteilt daraus belegte Brote mit grober Leberwurst, selbstgebratene Frikadellen und hartgekochte Eier an ihre Lieben, woraufhin der halbe Wagen von einem Geruch erfüllt ist, der an einen Kühlschrank nach mehrtägigem Stromausfall im Hochsommer und Verwesung im fortgeschrittenen Stadium erinnert.

Je nach Geruchsbelästigung erhält der Esser null bis einen Sympathiepunkt.

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Der Fahrradmitnehmer*: „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“, so der Volksmund. Wer sein Fahrrad noch mehr liebt, nimmt es im Berufsverkehr mit in die überfüllte Bahn, und wenn es nur für die Distanz von drei Haltestellen ist. Meine bisherigen Versuche, den Fahrradliebhabern den eigentlichen Zweck ihres drahtigen Freundes zu erläutern, wurden stets mit einem lauter stellen des Schräbbelgeräusches aus ihren Smartphone-Kopfhörern quittiert. Aber ich bleibe dran. Sympathiewert: null Punkte

Der Klappfahrradbesitzer*: Eine auf den ersten Blick wesentlich angenehmere Unterart des Fahrradmitnehmers. Kaum hat er die Bahn mitsamt Rad bestiegen, beginnt die öffentliche Vorführung seines Wunderwerks: Dank einer raffinierten Technik aus zahlreichen Scharnieren, Knickstellen und Gelenken lässt sich das Rad soweit zusammenfalten, dass es anschließend Platz in einer Manteltasche findet. Auch mit Übung dauert diese Prozedur eine gewisse Zeit, mindestens so lange wie die Bahnfahrt an sich. Daher mutiert der Klappfahrradbesitzer schnell zum -> Kramer, was ihm leider nicht mehr als zwei Sympathiepunkte einbringt.

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Der Sitzblockierer*: Er benötigt stets einen Zweiersitz, einen Platz für sich, einen für seine Tasche oder den Rucksack. Dabei ist es egal, wie voll die Bahn ist, ungerührt nimmt er nicht zur Kenntnis, dass sich die Mitfahrer neben seinem Platz stehend drängeln wie die Kaiserpinguine während eines Schneesturms, stattdessen widmet er sich seinem iPhone oder schaut einfach aus dem Fenster. Wer wollte es ihm übel nehmen, die Tasche auf den Schoß zu nehmen, wäre eine Zumutung, sie zu Füßen auf den Boden zu stellen scheidet allein schon aus hygienischen Gründen aus, und auch die Gepäckablage über dem Sitz ist angesichts der immer schlechter werdenden Welt keine ernstzunehmende Alternative. Wagt man es dennoch, den Sitzblockierer zu fragen, ob der Platz neben ihm noch frei sei, so kann man sich eines Blickes sicher sein, als hätte man soeben seinen Kopulationswunsch kundgetan oder gefragt, ob das auf seinem Kopf eine Frisur oder eine schlecht sitzende Mütze sein. Höchstens zwei Sympathiepunkte.

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Der Attraktive: Gerade im Sommer sehr anstrengend. Plötzlich sitzt er mir gegenüber, der Adonis, jung, schön, leicht bekleidet – und würdigt mich keines Blickes. Stattdessen zupft er im Spiegelbild des schwarzen U-Bahn-Fensters an seiner Frisur herum und krault sich mit der anderen Hand an seinem haarigen Oberschenkel. Mir bricht der Schweiß aus, ich will ihn anstarren, da das jedoch ungehörig ist, schaue ich ebenfalls in den schwarzen Fensterspiegel, wo ich ihn unbemerkt beobachten kann. Die Zielhaltestelle kann ich kaum erwarten, meine oder seine, egal, Hauptsache ich muss ihm nicht länger gegenüber sitzen. Mit lüsternen Bildern im Kopf steige ich aus, aber das ist nicht schlimm, nach spätestens zwei Tagen verflüchtigen die sich meistens. Wenn es gut läuft. Sympathiewert: zehn Punkte. Mindestens.

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Der Buchleser*: Er ist ein ähnlich angenehmer Reisegenosse wie der Apathische, unauffällig und geräuschlos nimmt er den dritten Band von Thomas Manns ,Josef und seine Brüder‘ hervor und liest darin, schon seit Monaten und vermutlich noch weitere Wochen. Durch Schwätzer, Arbeiter und Esser lässt er sich nicht von seiner Lektüre ablenken, Seite für Seite liest er sich durch die schwere Materie. Kommt eine Durchsage, etwa „Wegen einer Signalstörung verzögert sich unsere Weiterfahrt um unbestimmte Zeit“, woraufhin sich ein Tumult im Wagen erhebt, hebt er nur kurz andeutungsweise eine Augenbraue, räkelt sich in eine bequemere Sitzposition und liest weiter, der Lesestoff reicht noch für Tage. Ich beneide ihn. Daher acht bis zehn Sympathiepunkte.

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Der Mitleser*: Auch ich bevorzuge es, U-Bahnfahrten, in Ermangelung optischer Reize vorbeiziehender Landschaften, lesend zu verbringen, daher habe ich stets ein Buch oder eine Zeitung dabei. Es gibt Menschen, die auch gerne lesen während reizloser Bahnfahrten, nur haben sie nichts zum Lesen dabei, stattdessen lugen sie mehr oder weniger unverhohlen in die Lektüre ihres Nebenmannes. Ich weiß nicht warum, aber diese Mitleser stören mich ungemein, so als ob sie ungefragt von meinem Butterbrot abbeißen würden, erst recht bei Texten, die, na sagen wir mal, nicht ganz jugendfrei sind. Sonst auch. Ein böser Blick meinerseits vertreibt den Buchstabenschmarotzer für wenige Sekunden, doch schon bald spüre ich wieder seinen Blick, Zeile für Zeile.

Mittlerweile gewöhne ich mich jedoch an diese Zeitgenossen, und da ich von Natur aus höflich bin, blättere ich erst weiter, wenn ich sicher bin, dass auch mein Nebenmann die Seite zu Ende gelesen hat. Daher steigt der Sympathiewert langsam von ursprünglich zwei auf inzwischen vier Punkte, Tendenz steigend.

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Die Aktenorderträgerin: Hier wähle ich ausnahmsweise die weibliche Form, weil es nach meiner Beobachtung fast ausschließlich junge Frauen sind, die statt einer Tasche einen Aktenordner mit sich tragen. Seltener auch junge Männer türkischer Abstammung, was keineswegs wertend gemeint ist, es entspricht einfach meiner Beobachtung. Entweder der klassische dunkelgraumelierte Leitz-Ordner, zunehmend bei den Damen auch buntere Exemplare. Bislang ungeklärt ist die Frage, was Inhalt dieses Ordners ist, zumeist sind es nur wenige Dokumente. Noch niemals wurde das Geheimnis während einer Bahnfahrt durch Aufklappen des Ordners gelüftet. Auch entzieht es sich meiner Kenntnis, welcher Tätigkeit diese Damen und wenigen Herren nachgehen. Für Hinweise wäre ich dankbar. Bis zu zehn Sympathiepunkte, es sei denn, mit dem Aktenordner wird ein Sitz blockiert.

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Der Verpisser: Hier ist bewusst die männliche Form zu wählen. Streng genommen handelt es sich nicht um einen Menschen in, sondern an der Bahn, genauer: an der Haltestelle, noch genauer: an einer Haltestelle ohne Hochbahnsteig, der einen ebenerdigen Einstieg ermöglicht. Zunächst steht er untätig herum und wartet. In hektische Bewegung gerät er, wenn eine Mutter mit Kinderwagen auf ihn zurollt. Vielleicht kennen Sie den Effekt, der eintritt, wenn auf eine mit Blütenstaub bedeckte Wasserfläche ein Tropfen Öl fällt, sofort stieben die Pollen kreisförmig auseinander. Ähnliches ist zu beobachten, wenn mehrere Verpisser auf die Bahn warten und besagte Mutter angetropft kommt.

Da ich seit Jahren immer um dieselbe Zeit mit derselben Bahn fahre, weiß ich natürlich längst, wohin ich mich stellen muss, um keinen schweren Zwillingskinderwagen in die Bahn hieven zu müssen. Nicht, dass ich mich drücken würde, aber ich bin nicht mehr der jüngste, und mein Kreuz…

Das schlimmste, was dem Verpisser passieren kann, ist, dass er einsteigen will, die Tür der Bahn öffnet sich, oben steht die Mutter und schaut ihn erwartungsvoll an. Zurück kann er nicht, also verkneift er sich den leisen Fluch und hilft beim Herauswuchten des Kinderwagens. Dummerweise stellt er sich dabei sehr ungeschickt an, und ehe er einsteigen kann, ist die Tür wieder zu und die Bahn fährt ab, ohne ihn, der eben noch unterdrückte Fluch entfährt ihm doch noch, nützt zwar nichts, hilft aber. – Sympathiewert: sechs bis acht Punkte, wer will sich schon selbst in Misskredit bringen.

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Ich gebe zu: Ohne die vorgenannten Mitmenschen käme mir jede Bahnfahrt öde und langweilig vor, daher gehört mein Mitgefühl allen, die ihre tägliche Fahrt zur Arbeit in einem Auto, auf einem Fahrrad oder gar zu Fuß verbringen müssen. Damit schließe ich das Loblied auf den öffentlichen Personen-Nahverkehr.

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* Hinweis an die politisch korrekten: Aus Gründen der Verständlichkeit verzichte ich auf die Nennung der jeweils weiblichen Erscheinungsform, weise jedoch darauf hin, dass die meisten der geschilderten Beobachtungen und Klassifizierungen nicht an ein bestimmtes Geschlecht gebunden sind. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Vom Reisen und Ankommen

Aufgeschrieben am 18. April 2012 in Malaucène, Frankreich; mangels Gelegenheit und WLAN erst heute veröffentlicht

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Ich habe mich sehr auf diesen Urlaub gefreut und freue mich jetzt, da er endlich gekommen ist, noch immer. Als ich am vergangenen Freitagnachmittag den Rechner im Büro herunterfuhr und das dienstliche Mobiltelefon ausschaltete und in die Schreibtischschublade legte, war von Urlaubsstimmung noch nicht viel zu spüren; immerhin war da das angenehme Gefühl, nun eine Woche ohne Termindruck der Projekte, E-Mail-Terror, unzählige Besprechungen und Telefonkonferenzen vor mir zu haben. Der E-Mail-Eingang war leer gearbeitet und die dringendsten Aufgaben meiner Liste abgehakt. Einem Büroarbeiter wie mir muss das genügen für ein Erfolgserlebnis, im Gegensatz zu einem Schreiner, der abends vor sich sieht, was er tagsüber geschafft hat, einen Schrank, Tisch oder eine Holzvertäfelung.

So verließ ich also das Büro mit gutem Gewissen, und die Gedanken an die Arbeit verflüchtigten sich spätestens in dem Moment, als mich die Drehtür des Gebäudes ausspuckte. Die Trennung von Arbeit und Freizeit ist mir heilig, deshalb blieben Laptop und Diensthandy im Büro. Das ist keineswegs selbstverständlich, viele meiner Kollegen sind der Verlockung erlegen, ihr Blackberry auch privat nutzen zu dürfen, was den Nebeneffekt hat, dass sie ihre dienstlichen E-Mails auch am Wochenende bei sich haben und sie lesen und bearbeiten, manche nehmen ihr Laptop gar mit in den Urlaub. Früher war die Eisenkette Merkmal der Leibeigenschaft, heute ist es die Laptoptasche. Egal, muss ja jeder selbst wissen, sind ja alt genug, die lieben Kollegen. Ich werde diese Trennung jedenfalls weiterhin strikt einhalten, so lange nichts anderes ausdrücklich verlangt wird. Und sollte sich hier die Erwartung meines Arbeitgebers eines Tages ändern, muss ich mir Gedanken machen, ob ich noch den richtigen Job habe.

Nun sind wir also wieder hier, in unserer geliebten Provence, Sonntagnachmittag sind wir angekommen. Es könnte etwas wärmer sein, letzte Ausläufer des Mistrals wehen noch kühle Luft über das Land und um die Häuser, ansonsten ist es schön wie immer, wenn auch nicht so grün wie im Sommer: die Weinreben ragen noch knorrig und nackt aus dem Boden, nur hier und da knospt das erste Grün an ihnen, und die Kirschblüten machen Platz für die ersten Blätter.

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Auch die Reize zweibeiniger Art sind sowohl von ihrer Anzahl als auch von ihrer Intensität her noch vergleichsweise gering, was meinem Streben nach Erholung eher förderlich ist.

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Die Sonne scheint, und der blaue Himmel über den Bergen, Dörfern und Feldern rückt den Büroalltag sowohl räumlich als auch gedanklich in weite Ferne. Wie essen (und trinken) gut, schlafen lange, ich habe endlich Zeit zum Lesen und – wie man sieht – Schreiben.

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Und doch habe ich das Gefühl, noch nicht richtig angekommen zu sein. Alles hier ist schön und vertraut, das Haus, die Stadt, die Leute, die Umgebung, dennoch fühle ich mich müde, und es fehlt das Gefühl, im Hier und Jetzt zu sein, als ob mein Körper hier wäre, meine Gedanken jedoch woanders. Wo, kann ich nicht sagen: weder sind sie im Büro – was das denkbar ungünstigste wäre – noch zu Hause in Bonn. Anscheinend machen sie getrennt von mir Urlaub, unbekannt verreist.

Sollen sie, schließlich sind die Gedanken frei. Dennoch: Falls Sie sie irgendwo antreffen, sagen Sie ihnen bitte, sie mögen unverzüglich herkommen, es bleiben nur noch drei Tage und der Rest von heute, um den Urlaub gemeinsam zu genießen. Vielen Dank!

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Nachtrag: Einen Tag später trafen auch die Gedanken in Südfrankreich ein, so dass es doch noch ein ganz schöner gemeinsamer Urlaub wurde.

Unterwegs

Ein wesentliches Merkmal der menschlichen Spezies ist die Unruhe, nicht nur in akustischer Hinsicht, was sich besonders unangenehm in Form von Mobiltelefontönen, unentrinnbarem Geschwätz, Jan Delay oder Laubbläsern äußert, sondern insbesondere auch unter örtlichen Gesichtspunkten (also Gesichtspunkte im Sinne von Aspekten, und nicht etwa hässlichen, die Physiognomie verunstaltenden Pickeln); wer rastet, rostet, lautet das altbekannte Sprichwort, oder mit zeitgemäßen Worten: wir sind ständig unterwegs.

Unterwegs.

Früher war man unterwegs, wenn man sich zu Fuß, zu Pferd, mit dem Auto, dem Flugzeug, notfalls auch per Bahn von Ort A nach B begab, sei es geschäftlich oder auf dem Weg in den Urlaub und – unvermeidlich – auch wieder zurück. Das ist heute zwar auch noch so, gleichwohl nur die halbe Wahrheit. Hört man den Menschen zu, so bemerkt man, heute ist man auch ohne nennenswerten Ortswechsel unterwegs: Wir sind mit dem Projekt gut unterwegs, wir gehen mittags nicht in die Kantine, weil wir zurzeit „diättechnisch“ unterwegs sind, Studenten bereiten sich nicht mehr auf die Prüfung vor, sondern sind lernmäßig unterwegs, und der Wettermann verkündet, dass morgen nur ein paar harmlose Schönwetterwolken unterwegs sind. Ganz bequem auf dem Sofa liegend sind wir bei Facebook, Twitter und Co. unterwegs, dann am Wochenende partymäßig, und wenn es gut läuft, hinterher kopulationstechnisch, geben uns also einer Tätigkeit hin, die schon aus sich heraus keine größeren Ortswechsel zulässt, es sei denn, man tut es in einer Zug- oder Flugzeugtoilette.

Gestern im Aufzug wollte jemand wissen, in welcher Abteilung ich arbeite, stattdessen fragte er, wo ich denn unterwegs sei. Meine – zugegeben grammatikalisch nicht ganz korrekte – Antwort „Im Moment nach unten“ beendete das Gespräch sehr schnell, ich nehme an, er war gerade nicht humormäßig unterwegs.

Alle sind unterwegs, ohne sich von der Stelle zu bewegen, scheinbar ziellos, niemand kommt irgendwo an, der Weg ist das Ziel. Wo wollen sie nur alle hin? Ich für meinen Teil bleibe erst mal hier und werde dieses bedauernswerte, ständig missbrauchte Wort bis auf weiteres meiden. Zudem klingt „auf der Reise“ viel schöner.

Gedanken zum Urlaubsende

Zwei Wochen Provence neigen sich dem Ende zu, nachher werden wir anfangen, unsere Sachen zu packen und kistenweise Wein in unser Auto schleppen, den wir hier gekauft haben, morgen früh fahren wir zurück nach Bonn mit der üblichen Schwere im Herzen. Dieses Mal fällt mir der Abschied besonders schwer, allein schon des Wetters wegen: Erlaubten uns hier Temperaturen um die dreißig Grad, die Tage in kurzer Hose und T-Shirt überwiegend draußen zu verbringen, so erwartet uns zu Hause Regenwetter um die fünfzehn Grad. Gut, seit den frühen Morgenstunden bläst der Mistral und bringt eine vorübergehende Abkühlung, als wolle er uns den Abschied erleichtern, und doch scheint die Sonne und das Licht ist sehr freundlich.

Und wieder klingt leise die Frage an: wäre es nicht schön, hier zu leben, für immer hier zu bleiben, so wie andere es bereits vor uns getan haben? Es gibt einiges, was dafür spricht: besseres Wetter, wobei es auch hier sehr kalte Winter und heftige Unwetter gibt, freundliche (und äußerst attraktive) Menschen, alles läuft scheinbar irgendwie entspannter ab als in Deutschland, guter Wein und gutes Essen, liebliche Landschaften, malerische Städte und Dörfer; die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen.

Meine Antwort auf diese Frage ist ein klares Nein.

Urlaub ist ein vorübergehender Ausnahmezustand, zur Erholung, indem man räumlichen wie innerlichen Abstand sucht und findet vom heimischen Alltag, von der Arbeit und sonstigen Verpflichtungen, denen man teils freiwillig, teils gezwungen unterliegt. Genau dieser notwendige Ausnahmezustand ist ja gerade aufgehoben, wenn man hier auf Dauer lebt, denn auch hier muss man ja von irgendetwas leben und kann nicht seine Tage lesend und faulenzend auf der Terrasse verbringen, so wie es nur im Urlaub möglich ist. Es sei denn, eine plötzliche Erbschaft oder ein Lottogewinn oder die üppigen Tantiemen eines gelandeten Bestsellers schaffen die Unabhängigkeit von einem Arbeitgeber. Da ich meines Wissens nicht über reiche und dazu erbenlose Verwandte verfüge, nicht Lotto spiele und meine Schreibkünste sich in sehr überschaubaren Grenzen halten, besteht diesbezüglich keine „Gefahr“.

Und selbst wenn doch: der Alltag verlagerte sich dann vom scheinbar kalten, unfreundlichen und hektischen Deutschland ins zu recht viel gepriesene Südfrankreich. Irgendwann verlangt der Geist erneut nach einer Auszeit, einem Ausnahmezustand vom Alltag, das Spiel geht von vorne los.

Ja, die Städte und Dörfer hier mit ihren alten Natursteinhäusern, Straßencafés und Bistros unter alten Platanen, umgeben von einer wunderschönen Landschaft aus unbeschreiblichen Farben, darüber ein (meistens) strahlend blauer Himmel, dies alles gibt einem das Gefühl, an einem Ort zu sein, der schöner nicht sein kann. Und doch ist es nicht viel mehr als eine Fassade für gelungene zwei bis drei Wochen Urlaub; hier auf Dauer zu leben, ist für mich indes nahezu unvorstellbar, jedenfalls erwüchse daraus keine dauerhafte Steigerung meiner allgemeinen Lebenszufriedenheit.

Nicht zuletzt die Sprache: ich spreche (leider immer noch) nicht französisch, und selbst wenn ich es endlich lernte, was ich mir schon so oft vorgenommen habe, so könnte ich mich hier verständlich machen, mich mit den Menschen unterhalten, also Unterhaltung im Sinne einer Kommunikation, die über den Kauf eines Baguettes oder die Bestellung eines Bieres hinaus geht; dies jedoch, so gut ich es auch lernte, niemals so, wie ich mich daheim mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und meiner Familie unterhalten kann, mit allen Feinheiten und allem Sprachwitz, welche nur die Muttersprache bietet. Und das wäre für mich eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität!

Menschen wie Peter Mayle haben ihr Glück gefunden, indem sie dauerhaft in der Provence sesshaft geworden sind; für mich kommt das jedoch nicht in Frage. Gerne komme ich hierher, um den ein- bis dreiwöchigen Ausnahmezustand zu genießen, doch freue ich mich danach wieder auf mein Zuhause im schönen Bonn am Rhein. Auch dort gibt es warme Sommer und herrliche Orte, an denen man diese genießen kann; zudem eine wunderbare Wohnung, mitten in der Stadt und doch ruhig (von gelegentlichen nachbarschaftlichen Unruhephasen abgesehen, aber die gibt es in der Provence auch, vielleicht sogar schlimmer), im Winter mit Zentralheizung und einem Kaminofen. Zudem Menschen, die ich kenne, die ich mag, mit denen ich mich gerne umgebe, und: mit denen ich uneingeschränkt sprechen kann.

Fazit: Der Ausnahmezustand ist wunderschön, bei genauer Betrachtung ist der Regelzustand jedoch viel schöner!

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Je apprendre francaise

In der sechsten Klasse stand ich vor der Wahl, welche zweite Fremdsprache ich erlernen wollte. Gut, von wollen konnte keine Rede sein, man musste sich damals entscheiden zwischen Latein und Französisch, Pest oder Cholera. Die grundsätzliche Nutzlosigkeit des Lateinischen für den Hausgebrauch war mir durchaus bewusst, doch war es wohl die Begeisterung für Asterix, die mich meine Entscheidung schließlich treffen ließ. Französisch hingegen mochte ich damals überhaupt nicht, was möglicherweise auf die in meiner Jugend noch aktive Mireille Matthieu zurückzuführen war (an Louis de Funes kann es dagegen nicht gelegen haben, die Filme waren ja synchronisiert), jedenfalls befand ich diese Sprache für keinesfalls lernenswert. So mühte ich mich denn bis zu meinem Abitur durch lateinische Texte, Cäsar, Deklinationen und ähnliches mit dem Ziel des Großen Latinums. Was ich dabei nicht gelernt habe: mich auf Lateinisch zu verständigen, wozu auch und mit wem, mein Verhältnis zur katholischen Kirche war schon damals nicht von Innigkeit geprägt, aber das ist ein anderes Thema, hatten wir hier, glaube ich, schon.

Französisch. (Nein, ich begebe mich jetzt nicht hinunter in die Niederungen des bekannten humoristischen Flachwurzlers, der auf „… nur mit der Sprache hapert es“ endet, obwohl es mich, das gebe ich zu, kurz in den Fingern gejuckt hat. Auch könnte ich jetzt schreiben, dass ich erst durch Cadinot-Filme wieder mit dem französischen in Berührung kam; auch das würde an dieser Stelle zu weit führen, zumal die Sprache dort nun wirklich die geringste Rolle spielt.) Seit nunmehr vier Jahren fahren wir regelmäßig im Urlaub in die Provence, a) weil es dort schön ist, b) weil es dort guten Wein gibt und c) weil unsere Nachbarn dort ein Haus haben, das sie uns für ein recht geringes Entgelt überlassen. Ja, es ist wirklich wunderschön dort. Noch schöner wäre es, wenn ich mich dort verständigen könnte. Die späte Rache einer verfehlten Mittelstufen-Entscheidung. Gut, ich bin durchaus in der Lage, ein Baguette zu kaufen oder ein Bier zu bestellen, womit die wichtigsten Überlebensfunktionen halbwegs gesichert sind; schwieriger wird es da schon bei der Speisekarte im Restaurant, die zumeist konsequent in französisch gehalten ist, verständlicherweise oder eben gerade nicht. Ganz schlimm wird es, wenn ein Eingeborener versucht, verbal mit mir zu kommunizieren. Die Folgen sind Schweißausbruch und von blödem Grinsen begleitetes Schulterzucken.

Das geht so nicht weiter!

Da es nicht unwahrscheinlich ist, dass wir unseren Urlaub wieder in der Provence verbringen werden, habe ich beschlossen, in meiner Jugend sträflich versäumtes nun nachzuholen. Dazu habe ich mir gleich nach dem letzten Urlaub ein Lehrbuch mit zwei CD’s von Langenscheidt gekauft mit der festen Absicht, es nicht nur auf meinem Schreibtisch liegen zu haben, bevor es irgendwann verschämt im Bücherregal verschwindet, sondern es zu nutzen, konsequent, täglich mindestens eine halbe Stunde. Und das mache ich auch. Meistens. Also nicht täglich, meine ich, aber doch mit einer Regelmäßigkeit, die das wöchentliche deutlich überschreitet.

Und das ist verdammt schwer!

Das mit der Lerndisziplin ist das eine, schlimmer ist es, das gelesene im Kopf zu behalten, ob es nun Vokabeln sind oder Konjugationen, Zahlen, Wochentage… und dazu diese Aussprache, diese Nase-zu-Vokale und verschluckten Konsonanten! Dass ich mal gerade im dritten Kapitel angekommen bin und mich noch weit entfernt davon fühle, einen halbwegs verständlichen Satz zu sprechen, ist nicht gerade ermutigend, aber aller Anfang ist schwer, so sagt man doch. Noch viel weiter bin ich davon entfernt, einen von einem anderen gesprochenen Satz zu verstehen, die Wörter zu erkennen: alles ist so schnell und klingt so ähnlich. Ja, ich fühle mich wie ein Grundschüler, der gerade behutsam an das Alphabet herangeführt wird.

Aber da bleibe ich jetzt dran, schließlich will ich im nächsten Frankreichurlaub auch mal was sagen/verstehen, außerdem hier demnächst meine Artikel in sauberstem Französisch veröffentlichen!

Geschäftsreise

Eindrücke, Entdeckungen und Gedanken während einer Zugfahrt von Dortmund nach Hannover

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(Notiert am 2.8.2006)