Gedanken zum Urlaubsende

Zwei Wochen Provence neigen sich dem Ende zu, nachher werden wir anfangen, unsere Sachen zu packen und kistenweise Wein in unser Auto schleppen, den wir hier gekauft haben, morgen früh fahren wir zurück nach Bonn mit der üblichen Schwere im Herzen. Dieses Mal fällt mir der Abschied besonders schwer, allein schon des Wetters wegen: Erlaubten uns hier Temperaturen um die dreißig Grad, die Tage in kurzer Hose und T-Shirt überwiegend draußen zu verbringen, so erwartet uns zu Hause Regenwetter um die fünfzehn Grad. Gut, seit den frühen Morgenstunden bläst der Mistral und bringt eine vorübergehende Abkühlung, als wolle er uns den Abschied erleichtern, und doch scheint die Sonne und das Licht ist sehr freundlich.

Und wieder klingt leise die Frage an: wäre es nicht schön, hier zu leben, für immer hier zu bleiben, so wie andere es bereits vor uns getan haben? Es gibt einiges, was dafür spricht: besseres Wetter, wobei es auch hier sehr kalte Winter und heftige Unwetter gibt, freundliche (und äußerst attraktive) Menschen, alles läuft scheinbar irgendwie entspannter ab als in Deutschland, guter Wein und gutes Essen, liebliche Landschaften, malerische Städte und Dörfer; die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen.

Meine Antwort auf diese Frage ist ein klares Nein.

Urlaub ist ein vorübergehender Ausnahmezustand, zur Erholung, indem man räumlichen wie innerlichen Abstand sucht und findet vom heimischen Alltag, von der Arbeit und sonstigen Verpflichtungen, denen man teils freiwillig, teils gezwungen unterliegt. Genau dieser notwendige Ausnahmezustand ist ja gerade aufgehoben, wenn man hier auf Dauer lebt, denn auch hier muss man ja von irgendetwas leben und kann nicht seine Tage lesend und faulenzend auf der Terrasse verbringen, so wie es nur im Urlaub möglich ist. Es sei denn, eine plötzliche Erbschaft oder ein Lottogewinn oder die üppigen Tantiemen eines gelandeten Bestsellers schaffen die Unabhängigkeit von einem Arbeitgeber. Da ich meines Wissens nicht über reiche und dazu erbenlose Verwandte verfüge, nicht Lotto spiele und meine Schreibkünste sich in sehr überschaubaren Grenzen halten, besteht diesbezüglich keine „Gefahr“.

Und selbst wenn doch: der Alltag verlagerte sich dann vom scheinbar kalten, unfreundlichen und hektischen Deutschland ins zu recht viel gepriesene Südfrankreich. Irgendwann verlangt der Geist erneut nach einer Auszeit, einem Ausnahmezustand vom Alltag, das Spiel geht von vorne los.

Ja, die Städte und Dörfer hier mit ihren alten Natursteinhäusern, Straßencafés und Bistros unter alten Platanen, umgeben von einer wunderschönen Landschaft aus unbeschreiblichen Farben, darüber ein (meistens) strahlend blauer Himmel, dies alles gibt einem das Gefühl, an einem Ort zu sein, der schöner nicht sein kann. Und doch ist es nicht viel mehr als eine Fassade für gelungene zwei bis drei Wochen Urlaub; hier auf Dauer zu leben, ist für mich indes nahezu unvorstellbar, jedenfalls erwüchse daraus keine dauerhafte Steigerung meiner allgemeinen Lebenszufriedenheit.

Nicht zuletzt die Sprache: ich spreche (leider immer noch) nicht französisch, und selbst wenn ich es endlich lernte, was ich mir schon so oft vorgenommen habe, so könnte ich mich hier verständlich machen, mich mit den Menschen unterhalten, also Unterhaltung im Sinne einer Kommunikation, die über den Kauf eines Baguettes oder die Bestellung eines Bieres hinaus geht; dies jedoch, so gut ich es auch lernte, niemals so, wie ich mich daheim mit Freunden, Nachbarn, Kollegen und meiner Familie unterhalten kann, mit allen Feinheiten und allem Sprachwitz, welche nur die Muttersprache bietet. Und das wäre für mich eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität!

Menschen wie Peter Mayle haben ihr Glück gefunden, indem sie dauerhaft in der Provence sesshaft geworden sind; für mich kommt das jedoch nicht in Frage. Gerne komme ich hierher, um den ein- bis dreiwöchigen Ausnahmezustand zu genießen, doch freue ich mich danach wieder auf mein Zuhause im schönen Bonn am Rhein. Auch dort gibt es warme Sommer und herrliche Orte, an denen man diese genießen kann; zudem eine wunderbare Wohnung, mitten in der Stadt und doch ruhig (von gelegentlichen nachbarschaftlichen Unruhephasen abgesehen, aber die gibt es in der Provence auch, vielleicht sogar schlimmer), im Winter mit Zentralheizung und einem Kaminofen. Zudem Menschen, die ich kenne, die ich mag, mit denen ich mich gerne umgebe, und: mit denen ich uneingeschränkt sprechen kann.

Fazit: Der Ausnahmezustand ist wunderschön, bei genauer Betrachtung ist der Regelzustand jedoch viel schöner!

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2 Gedanken zu “Gedanken zum Urlaubsende

  1. ThomasS Juli 23, 2012 / 04:59

    Gut dass du dich entschieden hast zu bleiben, wo du dich heimisch fühlst. Wenn du nicht die Landessprache sprichst, hast du eh verloren … gerade in Frankreich! Darum wollte ich damals auch nicht nach Bayern.

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