Montag: Als ich morgens das Haus verließ, fiel unangekündigt Regen. Daher gönnte ich dem Fahrrad einen weiteren Ruhetag und ging direkt zur Stadtbahn. Privileg des Innenstadtbewohners.
Vergangene Woche äußerte ich mich über meine Wunschlosigkeit bezüglich Weihnachtsgeschenke. An mehreren Stellen las ich nun, wenn Leute sagen „Ich wünsche mir nichts“ meinen sie eigentlich: Ich wünsche mir sehr wohl etwas, und ich wünsche mir, dass du es herausfindest und mich damit überraschst. Daher sehe ich mich veranlasst, es noch einmal in aller Deutlichkeit klarzustellen: Ich wünsche mir wirklich nichts, würde mich über eventuelle Gaben dennoch angemessen erfreut und dankbar zeigen.
In einer Besprechung faselte einer was von „Informäischen owerlod“. In einer anderen Besprechung wurde wild durcheinander geredet. Ich hörte überwiegend schweigend zu und freute mich auf das nahe Arbeitsende.
Während der Rückfahrt informierten die Stadtwerke ihre Fahrgäste per Durchsage: In der Innenstadt seien Taschendiebe unterwegs, die Haltestelle Uni/Markt sei wegen einer Sperrung zurzeit nur in Richtung Kaiserplatz zu verlassen und am Wochenende seien Bereiche der Innenstadt zur Waffenverbotszone erklärt. Was genau die Verkehrsbetriebe den Kunden mit letzterem mitteilen wollen, wissen nur die Verkehrsbetriebe.
Aus der Zeitung:

Dienstag: Gehört in einer Besprechung: „Ich bin im Büro und das ist hier alles ganz anders als zu Hause.“ Das ist der Kollegin jedenfalls sehr zu wünschen.
Nachmittags beim Heimweg hüllte die untergehende Sonne die Umgebung in freundliches Rosa. Wenn Sie mal schauen möchten:

Gesehen auf dem Weihnachtsmarkt:

Mittwoch: Der Eintrag für diesen Tag erfolgte erst am Donnerstag, da es mir am Mittwoch zeitlich nicht möglich war. An den insgesamt angenehmen Arbeitstag ohne besonderen Aufschreibenswert schloss sich direkt ein abteilungsinternes Beisammensein auf dem Weihnachtsmarkt mit anschließendem Essen im Restaurant an. Das war trotz oder gerade wegen der nur kleinen Gruppe angenehm und der Abend endete nicht allzu rauschvoll. In der Glühweinhütte, wo der Kollege einen Tisch reserviert hatte, hörte ich erstmals in dieser Saison „Last Christmas“, das nur zur Information. Ich habe nichts gegen dieses Lied und stimme deshalb nicht ein in den vielstimmigen Chor der Wham!-Hasser; vielmehr freute ich mich, als ein anderer Kollege sagte, er sei unglücklich verliebt gewesen, als das Lied aktuell war. Mir ging es genauso und bis heute wüsste ich gerne, was aus meinem damaligen Objekt der Begierde geworden sein mag, das ich nach der Schulzeit für immer aus den Augen verlor. Im Übrigen gibt es sehr viel schlimmere Weihnachts-Popsongs, schalten Sie in diesen Tagen nur mal das Radio ein.
Am Nebentisch saß eine Gruppe junger Leute, ein Mädchen tippte auf einem Klapptelefon herum, wie ich eines Anfang der Zweitausender- (oder, wenn Ihnen das lieber ist, Nuller-)Jahre besaß, ehe das iPhone auch bei uns einzog, mit dem nicht nur eine ganz neue Ära der Mobiltelefonie begann, sondern die Verblödung der Menschheit erheblich beschleunigt wurde und wird.

„Aus Neptuns Küche“ las ich auf der Speisekarte des Restaurants und fragte mich, wie dieser sein Dasein unter Wasser fristende Typ wohl kocht.
Donnerstag: Dank umsichtigen Trinkens am Vorabend begann dieser freie Tag ohne ethanolische Nachwirkung. Trotz des dafür perfekten sonnigen Wetters verzichtete ich auf eine Wanderung, stattdessen frühstückte ich im Kaufhof-Restaurant und las dabei die Blogs von gestern nach. Anschließend ging ich zum Schauen über den Weihnachtsmarkt, der um diese Zeit angenehm unbelebt ist. Gleichwohl waren einige der Warmgetränkstände schon wieder gut besucht und es ist wohl keine unzulässige Unterstellung, dass es sich bei dem roten Getränk in den Tassen nicht um Hagebuttentee handelte. Dafür war es sogar mir noch etwas früh.

Ansonsten nutzte ich den freien Tag für die Abarbeitung einer Liste von Vorhaben, die ich für heute angelegt hatte, unter anderem Geschenke besorgen und einpacken (dass ich selbst nichts geschenkt haben möchte, bedeutet nicht, dass ich anderen nichts schenke, wenn ich was Passendes finde), den Tag gestern nachbloggen und den gestern ausgefallenen Sport nachholen. Dann nahte schon wieder der Abend und Hunger trieb mich nochmals raus in die Gaststätte auf dem Münsterplatz, die jetzt umstellt ist von Weihnachtsmarktbuden. Dort ließ ich mir die Inseltags-Currywurst schmecken, mit Blick auf die vielen Menschen im Besinnlichkeitsrausch draußen, das Bonner Riesenrad, das gar nicht riesig ist, schon deutlich größer als ein Rhönrad, doch ein Winzling gegen das auf Pützchens Markt im Herbst, und den Bonner Weihnachts Baum (genauso geschrieben), ein kegelförmiger Turm mit tausenden Lichtern und Ausschank im Erdgeschoss. Auf dem Weg hörte ich jemanden zu seiner Begleitung sagen: „Ich hasse es jetzt schon, die ganzen Menschen hier.“ Was hatte er wohl erwartet?

Freitag: Wie morgens im Radio gemeldet wurde, ist die Zahl junger Erwachsener mit einer Aufmerksamkeitsstörung in den letzten zehn Jahren stark gestiegen. Das wundert mich nicht sehr.


Was schön war: ein in Nachholung von gestern angenehmer Fußweg ins Werk und zurück.

Abends berichtete die Tagesschau über die Menschen in Gaza, die in ihren notdürftige Zelten und Hütten nun zu allem Elend auch noch von Regen und Kälte heimgesucht werden. Es soll hier nicht darum gehen, zu befinden, wer in diesem Konflikt du Guten und die Bösen sind, darüber mögen sich gerne andere streiten, auch habe ich dazu keine abschließende Meinung, die ich äußern könnte oder wollte. Was mich jedenfalls irritierte, war eine Sequenz mit einer Familie, die den Tod eines frisch geschlüpften Säuglings beklagte. Ich bin gewiss kein Lustverächter, doch diese Menschen leben seit nunmehr zwei Jahren in Trümmern und in ständiger Gefahr, angegriffen oder vertrieben zu werden. Warum setzt man in dieser Situation Kinder in die Welt? Liegt es an meiner antinatalistischen Grundhaltung, dass ich das nicht verstehe?
Samstag: Was auch schön war beziehungsweise ist: Auf Anfrage schickte mir Frau K., die in ihrem LandLebenBlog regelmäßig und äußerst lesens- und sehenswert den Alltag im Odenwald und das Zusammenleben mit einer Hühnerschar beschreibt und bebildert, zwei Bilder von Trafotürmen, die meine Sammlung bereichern und die ich hier mit ihrer freundlichen Erlaubnis zeigen darf.


Fotos: Friederike Kroitzsch
Aus der Reihe „Völlig sinnlose Symbolbilder“:

Sonntag: Die Ahrtalbahn fährt wieder in voller Länge von Remagen bis Ahrbrück. Bei der großen Flut im Sommer 2021 wurde sie in großen Teilen zerstört, seitdem fuhren die Züge nur bis Walporzheim. Nun ist sie wieder aufgebaut und sogar durchgehend elektrifiziert, am Freitag wurde die Strecke feierlich und mit prominenter Begleitung durch Bahnchefin und Bundesverkehrsminister wiedereröffnet. Trotz Oberleitung fährt DB Regio die RB 30 zwischen Bonn und Ahrbrück vorerst weiterhin mit Dieseltriebzügen, vielleicht hat man bei der Bahn nicht mit der baldigen Eröffnung gerechnet und deshalb mit der Beschaffung neuer Elektrotriebzüge noch abgewartet. Elektrisch fahren hingegen die Züge der Transregio, allerdings zurzeit nur bis Altenahr, weil das zweite Gleis zwischen Remagen und Bad Neuenahr baustellenbedingt noch nicht in Betrieb ist, was das Zugangebot einschränkt. Auch hier gilt, wie so oft: Gut Ding will Weile haben.
Deshalb hatte ich beschlossen, mir heute die neue Ahrtalbahn per Mitfahrt anzuschauen. Etwas überrascht war ich, wie viele Menschen den gleichen Gedanken hatten und ohne konkreten Reisezweck bis Ahrbrück und nach kurzem Wendehalt sofort wieder zurück fuhren. Augenscheinlich nicht nur typische Eisenbahnfreunde, die man zumeist – Achtung: Selbstironie – an ihrem etwas irren Blick erkennt, wenn sie einen Zug sehen, sondern normale Menschen aller Altersstufen, vom Kind bis zum fortgeschrittenen Rentner. Die Fahrt verlief pünktlich – bis Bad Godesberg auf der Rückfahrt, wo sich die Weiterfahrt „wegen Reparatur an einem Signal“ um einige Minuten verzögerte. Die Wartezeit überbrückte ich mit Blogs Lesen auf dem Telefon, vermutlich ist auch das Ausdruck der oben genannten Verblödung, wenn auch eine eher milde Form. Als es weiterging, steckte ich das Telefon wieder weg, weil ich beim Bahnfahren gezwungen bin, aus dem Fenster zu schauen und mich deshalb nicht auf das Lesen konzentrieren kann, (nicht nur) da bin ich etwas eigen.
Eine andere Form der Verblödung ist der Zwang vieler Friseursalons und Fahrradläden, sich möglichst originelle Namen zu geben. In Remagen sah ich den Radgeber, in Bad Bodendorf ein Wortspiel mit Hair, das ich mir nicht gemerkt und notiert habe, Komm hair oder so ähnlich.
Um nicht auf den sonntäglichen Spaziergang verzichten zu müssen, stieg ich am Bahnhaltepunkt UN-Campus aus und ging über Kessenich, den Venusberg und die Südstadt nach Hause. Auch den Weihnachtsmarkt streifte ich, blieb jedoch standhaft und verzichtete auf einen Glühwein oder ein ähnliches Warmgetränk.


***
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut und möglichst entspannt durch die Woche, bleiben Sie standhaft.
18:30










