Montag: Das Wort zum Montag las ich hier bei Herrn S.: »Hin und wieder tut er einfach so, als würde er sich über irgendeinen Stuss aufregen, redet dann einfach auch mal empört daher. Sonst denken die Leute, man ist keiner von ihnen. Gerade auf Arbeit ist das wichtig.« Besser kann man das Leid der beginnenden Arbeitswoche kaum auf den Punkt bringen.
Worüber ich mich nicht mehr aufrege sind Kollegenanfragen per Teams-Chat, wann ich Zeit hätte, um über irgendeinen Stuss zu sprechen, anstatt kurz in den Outlook-Kalender zu schauen und eine Einladung zu senden. Überhaupt ignoriere ich Teams-Chatnachrichten grundsätzlich; ich benötige neben Mail und Telefon (und zwar in der Reihenfolge) keinen weiteren Kommunikationskanal.
Nach Rückkehr von der Mittagspause roch es in der Eingangshalle des Werks nach nassem Hund. Ein Geruch, der sich mir, obwohl nie Hundebesitzer, eingeprägt hat: Im Schwiegerelternhaus lebte die Labradordame des Liebsten. Aika, so ihr Name, zeichnete sich nicht nur durch nahezu unerschütterliche Gutmütigkeit aus, sondern auch durch ihre Vorliebe für Gewässer aller Art. Näherte man sich mit ihr unangeleint einem Teich, Bach oder einer Pfütze, war sie nicht davon abzuhalten, sich in die Fluten zu stürzen und darin zu toben. Bis sie des Tobens müde zurückkehrte, nass und mit Entengrütze im Fell, und sich erst in unmittelbarer Nähe des Menschen ausgiebig schüttelte. Dementsprechend roch es in dem Haus, noch lange nach ihrem Ableben. Woher der Geruch heute Mittag kam, war nicht zu ergründen, er bestärkte mich indessen darin, vorerst weiterhin von Hundehaltung Abstand zu nehmen.
Dienstag: Bonner Oper und Schauspielhaus erhalten laut Zeitung nunmehr vierzig Millionen Euro jährlich an städtischen Zuschüssen. Vierzig Millionen, damit eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe sich angemessen vergnügen kann. Zu recht, befindet ein Kommentator, schließlich seien die Besucher nicht nur Angehörige elitärer Kreise. Das schließt er daraus, dass das Garderobenpersonal an Opernabenden nicht unter der Last schwerer Nerzmänteln ächze und im Parkhaus nicht nur Porsches stünden. Was man auch mit vierzig Millionen Euro im Jahr tun könnte: vier bis fünf Vorstandsmitglieder von Dax-Konzernen vergüten. Auch darüber rege ich mich nicht mehr auf, ich merke nur an.
Porsche meldete übrigens für das vergangene Jahr eine Steigerung des operativen Ergebnisses um mehr als siebenundzwanzig Prozent. Ich will jetzt nicht schon wieder auf der FDP rumhacken, die kann da vermutlich nichts für. Jedenfalls läuft irgendwas schief.

Was Positives: Heute ist Steak-und-Blowjob-Tag, das sollten Sie wissen, Allgemeinbildung ist so wichtig. Für mich gab es indessen mittags Currywurst, geblasen hat nur der Wind ums Mutterhaus, und zwar ziemlich heftig.
Abends fertigte ich einen Tagebucheintrag über das Wetter und menschliche Launenhaftigkeit, den ich hier nicht wiedergeben kann. Ich bitte um Verständnis.
Mittwoch: Für nächste (das heißt, wenn Sie es lesen: diese) Woche Donnerstag einen Inseltag gebucht. Das hebt schon jetzt (da ich es schreibe) die Laune deutlich.
Heute ist Internationaler Tag zur Bekämpfung der Islamfeindlichkeit. Ich bin kein Feind des Islams, doch ich gestehe: Ich misstraue ihm. So wie ich dem Christentum und überhaupt allen Religionen misstraue. Es ist mir rätselhaft, warum derart viele Menschen deren Verheißungen und Märchen Glauben schenken und im Namen dieses Glaubens anderen, die nicht oder anders glauben, die Kehle durchschneiden oder sie auf dem Scheiterhaufen rösteten. Oder ihnen das Recht aberkennen, zu lieben, wen sie wollen. Der Staat muss sich davon fern halten, er darf das nicht unterstützen. Das heißt nicht, dass Religionsgemeinschaften verboten werden müssen. Wenn sie sich treffen wollen, um ihren Gott oder wen auch immer zu preisen, sollen sie das tun. Modelleisenbahn-, Folklore- und Schützenvereine sind ja auch erlaubt, wobei es bei letzteren schon fragwürdig ist, dass sie zur Ausübung ihres Hobbys, das absurderweise als Sport anerkannt ist, scharfe Waffen benutzen dürfen.
Abends wurde ich gefragt: „Kubicki? Haben Sie was mit dem Politiker zu tun?“ Antwort: „Nein. Und wenn, würde ich es nicht zugeben.“
Donnerstag: Deutschland verpasst im Verkehrssektor die Klimaziele, wer hätte das gedacht. Dazu der zuständige Verkehrsminister: „Die Antriebswende ist eingeleitet und ihr Hochlauf nimmt immer mehr zu.“ Zunehmender Hochlauf – dann kann ja nichts mehr schief gehen.
Gehört in einer Besprechung: „Ich hab da ein bisschen Störgefühl.“ Wer nicht, lieber Kollege, wer nicht.
Jedes Jahr freue ich mich erneut an diesem Tag, da Gummar Namenstag hat. Gesetzt den Fall, jemand heißt wirklich so: Wie oft im Leben mag er wohl, während er still seine Eltern verflucht, sagen: „Nein, mit Doppelemm in der Mitte“?
Aus einem Zeitungsartikel: »Immer wieder gibt es Streit und Diskussionen über die Anerkennung von Sportarten. Darts, Schach, eSports – Wir haben Spieler aus der Region mit den Vorwürfen konfrontiert.« Abgesehen von der durchaus berechtigten Infragestellung erscheint die Wortwahl fragwürdig, wenngleich mittlerweile allgemein üblich. Warum bezeichnen die Medien fast jede Meinungsverschiedenheit immer gleich als Streit? Und wieso Vorwürfe? Was ist den Leuten vorzuwerfen, die den oben genannten Beschäftigungen nachgehen? Laut dem Bericht erkennt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) eSports nicht als Sport an, da ihm »ein gemeinnütziger und demokratischer Ansatz« fehle; weiter: »Gewinnorientierte, global agierende Unternehmen stünden im Vordergrund und würden allein über Regeln, Inhalte und Spielformen entscheiden.« Aha. Demnach wäre Fußball auch kein Sport, oder was ist die FIFA anderes als ein gewinnorientiertes, global agierendes Unternehmen, das über alles entscheidet? Sportschützen und -angler werden in dem Artikel übrigens nicht erwähnt. Denen wäre durchaus einiges vorzuwerfen.
Freitag: Aus logistischen Gründen, die darzulegen Ihnen erspart sei, fuhr ich morgens mit der Bahn ins Werk. Mir gegenüber saß ein etwa zwölfjähriger Junge, der mit einem Zauberwürfel beschäftigt war, was man nur noch selten sieht. Er ging dabei mit unglaublicher Geschwindigkeit und Fingerfertigkeit vor, nur kurz vor dem Ziel scheiterte er zunächst und begann von vorne. Fast war ich geneigt, ihn zu fragen, ob ich es mal versuchen darf. Am Ende, kurz bevor er mit seiner Begleiterin ausstieg, gelang es ihm, die Farbenreinheit des Würfels herzustellen, zufrieden packte er ihn in den Rucksack. Ich war beeindruckt. (Beim Aufschreiben war mir so, als hätte ich sowas hier schon mal geschrieben. Und richtig: Im April 2018 notierte ich eine ähnliche Beobachtung.)
„Hat noch jemand einen Nachbrenner?“, so die Frage am Ende einer Besprechung. Was soll das sein? Eine Spirituose? Oder eine Flatulenz?
Samstag: »Baugenehmigungen brechen zu Jahresbeginn ein« titelt die Zeitung. Bei wem und ob sie etwas gestohlen haben, blieb offen.
Ein neues Wort gelernt, gelesen auf einer Erklärungstafel zu einem städtischen Beet am Rheinufer: „Trittsteinbiotop“. So kann man einen geschotterten Vorgarten auch bezeichnen.
Anschrift an einem Schaufenster: »Stricken und Drucken für Bonn«. Neben Menschenketten für den Frieden und Laufen gegen den Hunger nun auch noch das.
Sonntag: Ich habe den Eindruck, die örtliche Rabenpopulation hat in letzter Zeit stark zugenommen. Oder sie „explodiert“, wie die Presse schreiben würde; vermutlich können sogar Baugenehmigungen mit lautem Knall explodieren. Zurück zu den Raben, sie sind mir sehr sympathisch. Das mag früher, also so richtig früher, nicht dieses Siebziger- oder Achtziger-Früher, anders gewesen sein, da wurden sie wegen ihrer Schwärze als Vorboten von Tod und Verderben gehalten*. Wer mag es den Leuten verdenken, wenn sie alles glaubten, was man ihnen erzählte. Es gab ja noch kein Internet.
*Unbelegte und -recherchierte Behauptung
Zum Schluss noch ein paar Bilder der Woche:



Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die FDP verboten werden muss.
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Kommen Sie gut durch die Woche.