Woche 47/2025: Beeindruckende Aussichten und winterliche Kälte

Montag: Appetit kommt beim Essen, Inspiration beim Schreiben, so jedenfalls die Hoffnung. Heute kam nicht viel, was nichts über die Qualität des Tages aussagt. Der war insgesamt nicht schlecht, bot allerdings wenig Notierenswertes. Dass es wie angekündigt kälter geworden ist, haben Sie vermutlich selbst mitbekommen.

Vielleicht noch dieses: Die Kessler-Zwillinge sind gestorben, beide am selben Tag, neunundachtzig sind sie geworden. Ich selbst verband wenig mit ihnen, hatte sie vor Jahren in der einen oder anderen Fernsehshow zur Kenntnis genommen und hätte bis gestern nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob sie noch lebten. Soweit man weiß, wählten sie den assistierten Freitod. Wer wollte es den beiden Damen verdenken, dass sie, nachdem sie ihr gesamtes Leben gemeinsam verbracht hatten, auch zusammen diese Welt verlassen wollten.

Büroblick, nachmittags

Dienstag: Die scheinbar ewige Baustelle am Rheinufer hat mal wieder eine neue Gestalt angenommen. Dadurch war ich genötigt, den Fußweg ins Werk, erstmals wieder in MSH-Ausstattung (Mütze, Schal, Handschuhe), zunächst ein Stück in Gegenrichtung zu gehen, ehe er dem Ziel entgegen fortgesetzt werden konnte. Ich bin gespannt, ob das noch vor meinem Ruhestand fertig wird.

Die Bäume am Rheinufer haben in den letzten Tagen die meisten Blätter abgeworfen, nur die Pappeln sind in der unteren Hälfte noch nicht kahl, ähnlich Männern im fortschreitenden Alter, deren Haupt nur ein schütterer Haarkranz ziert. (Bei Frauen kommt das selten vor, wenigstens hier sind sie im Vorteil.) Was letze Woche noch golden leuchtete, liegt heute braun am Boden, mit lärmenden Geräten zusammengeblasen, darauf der erste Rauhreif. (Ja, Rechtschreibprüfung, mach nur deine Strichelchen darunter, ich schreibe es trotzdem weiterhin mit h.) Nun beginnt wieder die lange blätterlose Zeit, mindestens bis März. Ehe die Bäume wieder grünen, bin ich an der Zahl ein Jahr älter, immerhin auch dem Ruhestand etwas näher.

Vormittags machte ich von der Möglichkeit der Grippeschutzimpfung durch den Betriebsarzt Gebrauch. Bis zum Zeitpunkt der Niederschrift ist keine Nachwirkung zu spüren, das darf gerne so bleiben.

Auf dem Rückweg besuchte ich ein Café am Marktplatz, wo ich mir zur Abwechslung und passend zum Wetter einen Minztee bringen ließ. Ab Freitag, wenn der Weihnachtsmarkt eröffnet ist, gibt es wieder andere temperaturangemessene Rückwegsgetränke.

Morgenrot. Auf dem (unbearbeiteten) Foto wirkt es dramatischer als in Wirklichkeit.
Morgentau

Mittwoch: Da für nachmittags Regen angekündigt war, fuhr ich mit der Stadtbahn zum Werk. Weiterhin in MSH-Ausstattung staunte ich an der Haltestelle über ein junges Mädchen in Rock und T-Shirt auf dem Bahnsteig gegenüber sowie einen jüngeren Burschen neben mir, der seine großflächig tätowierten Beine in kurzen Hosen präsentierte. Vielleicht war deren Einfärbung so teuer, dass sie unmöglich unter wärmenden Hosenbeinen verborgen bleiben dürfen.

Am Hauptbahnhof stieg ein Jüngling zu und setzte sich mir schräg gegenüber. Kaum saß er, tat er, was Leute in seinem Alter zu tun gezwungen sind: Er zückte das Datengerät und schaute darauf. Währenddessen – mutmaßlich war die Kamera aktiviert – zupfte er seine aufwendige Lockenpracht zurecht, korrigierte hier und da eine Tolle, anschließend schaute er noch einmal prüfend ins spiegelnde Fenster der Bahn und legte ein letztes Mal Hand an; das ganze ohne ein für den Betrachter erkennbares Resultat, danach sah er genauso aus wie vorher. Vermutlich fand er den älteren Typen schräg gegenüber, der ihn beobachtete und was in ein Notizbuch schrieb, mindestens genauso seltsam.

„Wo Licht endet, beginnt das Abenteuer“, wird in den U-Bahn-Stationen für eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle geworben. Leicht wehmütig denke ich dabei an längst vergangene Nächte in Köln zurück und befinde: Stimmt.

Donnerstag: Obwohl die Temperatur morgens im niedrig-einstelligen Celsiusbereich lag, erschien es mir auf dem Fußweg ins Werk nicht so kalt wie nachmittags zurück. Ich beobachte es öfter und schrieb es vermutlich schon, dass es mir morgens weniger kalt erscheint als nachmittags. Als ob mein Körper über einen inneren Nachtspeicherofen verfügt, der sich im Schlaf aufheizt und bis in den Vormittag nachwärmt.

„CITY-STROLL GO-TO LOOK“ schreit den Strollenden ein Schriftzug am Schaufenster eines Herrenmodegeschäfts in der Innenstadt an. Ob das zum Konsum animiert, sei angezweifelt. (Ich musste die Bedeutung von „stroll“ recherchieren: bummeln, spazieren; wobei ich da und auch sonst mit meinen schmalen Englischkenntnissen kein Maßstab bin.)

Per Teams-Chatnachricht schickte mir jemand unbekanntes, der mich gleichwohl und wie mittlerweile üblich duzte, eine knappe Frage zu einer E-Mail, die ich womöglich irgendwann geschickt hatte und an deren Inhalt ich mich nicht erinnerte. Erledigte Angelegenheiten werden in meinem Kopf bald gelöscht; ich bin weit über fünfzig und muss mit meinen Hirnkapazitäten haushalten. Nun hätte ich in Outlook nach der betreffenden Mail suchen oder ebenfalls per Chat rückfragen können, was genau sein Begehr sei. Doch warum sollte ich das tun? Warum schickte er seine Frage nicht einfach als Antwort auf die betreffende Mail?

Mit leichter Sorge nehme ich in unserem Geschäftsbereich eine zunehmende Verschnauzbartung der jüngeren Kollegen wahr.

Nicht mit Sorge, indes Bedauern nehme ich zur Kenntnis, dass der Rheinpavillon, der auf meinem Arbeitsweg liegt, wohl auch in diesem Jahr auf eine eigene Glühweinbude verzichtet. Das ist schade, aber zum Glück gibt es ab morgen Alternativen.

Ab kommenden Jahr werden junge Männer, mit und ohne Schnauzbart, wieder zur Musterung geladen, wird gemeldet. Dabei wird auch gerne, oft mit einem Augenzwinkern, der ärztliche Griff in primäre Geschlechtsorgane, verbunden mit der Aufforderung zum Husten genannt, der wohl beibehalten werden soll. Meine Musterung war Mitte der Achtziger. Auch ich wurde dabei – soweit ich mich erinnere von einer Ärztin – aufgefordert, die Unterhose herabzulassen. Jedoch, da bin ich mir sicher, griff sie nicht zu, sondern schaute nur kurz und war mit dem Vorgefundenen offenbar zufrieden.

Freitag: Die aufgehende Sonne streute goldenes Licht über die Stadt, was mich veranlasste, noch etwas öfter aus dem Fenster meines Büros zu schauen als sonst.

..

Sie sei „geistig versumpft“ gewesen begründete eine Besprechungsteilnehmerin ihr nur geringfügiges Zuspätkommen. Eine sympathische Alternative zu busy oder rabbit hole und ähnlichem Verbalgefuchtel.

Wie ich auf Befragung eines der oben genannten Schnauzbartträger erfuhr, tun sie das nicht einfach so, sondern im Rahmen des Movembers. Von mir aus, wenn es nützt. Ansonsten greift die allgemeine Infantilisierung weiter um sich. Die Intranetseite, auf der man IT-Störungen melden kann, ist mit diesem Bild illustriert:

Bei dem Kollegen wäre eine IT-Störung wohl das geringste Problem.

Beeindruckende Aussichten spätnachmittags auch an der Nordseeküste vor Büsum, gesehen durch die örtliche Webcam:

https://www.buesum.de/buesum-erleben/webcams/gruenstrand

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass wir abends den heute eröffneten Bonner Weihnachtsmarkt aufsuchten. Bitte stellen Sie sich entsprechende Bilder brennender Feuerzangenbowle selbst vor.

Samstag: Als wahrer Meister im Zeigen völlig sinnloser Artikelbilder zeigt sich auch immer wieder der General-Anzeiger Online, wie hier wieder zu sehen ist:


Zusammenhangloser Gedanke zwischendurch: Viel Leid wäre der Welt erspart geblieben, hätte der HERR stattdessen Adam und Egon erschaffen.

Sonntag: Bloggen verbindet. Es freut mich immer wieder besonders, Mitblogger und -innen persönlich zu treffen anstatt sich nur gegenseitig zu lesen, vielleicht ein Gefallensherzchen oder einen freundlichen Kommentar zu hinterlassen, bestenfalls das andere Blog zu zitieren. Heute traf ich mich mit Thomas, der vielen von Ihnen auch als Schreiblehrling bekannt sein dürfte. Winterliche Kälte hielt uns nicht von einem gemeinsamen Spaziergang auf die andere Rheinseite ab, Ziel war der Biergarten Zum Blauen Affen, wobei ich nicht annahm, dass dieser geöffnet wäre, vielmehr war der Weg das Ziel. War er aber doch, der Sitzbereich war mit Zeltplanen umhaust und ein Gasbrenner brachte eine gewisse Behaglichkeit leicht unterhalb üblicher Biertrinktemperatur. Für Glühwein reichte es.

Auf dem Rückweg zogen von Westen dunkle Wolken auf. Deshalb änderten wir unseren Plan, eine Gaststätte in Beuel aufzusuchen und wechselten zunächst wieder die Rheinseite. Dort fanden wir Platz in einem gut besuchten Café in Innenstadtnähe, wo wir durch unsere Anwesenheit den Altersschnitt geringfügig senkten und es uns bei Kaffee und Kuchen gutgehen ließen, derweil draußen Schnee fiel und stellenweise sogar liegen blieb.

Schnee im Anflug

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die hoffentlich nicht zu kalte Woche.

19:30

Woche 19: Schädliche Zurückhaltung und zweifelhafte Charaktere

Montag: Die Vorsitzende des Verbandes der Deutschen Automobilindustrie heißt Hildegard Müller, womit widerlegt ist, man benötige einen ungewöhnlichen Namen, um es im Leben zu was zu bringen. Laut Zeitungsbericht findet Frau Müller, wir müssten mehr Autos kaufen, dazu fordert sie staatliche Kaufprämien für Kraftfahrzeuge. Andernfalls drohe „eine für die Industrie schädliche Zurückhaltung der Konsumenten“. Schöner kann man die Perversion unserer Konsumkultur kaum auf den Punkt bringen.

Die Bestellbestätigungsmail der Kantine endet mit „Bleiben Sie gesund“. Einen Zusammenhang mit der Qualität der Speisen unterstelle ich nicht, kann ihn aber nicht völlig ausschließen.

Lockerungen auch im Bundesviertel: Der Altkanzler kann wieder unmaskiert das Brausen der Bundesstraße betrachten, vgl. Eintrag vom vergangenen Montag.

KW19 - 1

Dienstag: Schädliche Zurückhaltung der Konsumenten muss die Rüstungsindustrie nicht beklagen, irgendwo ist schließlich immer Krieg – die deutschen Kriegswaffenexporte sind um vierzig Prozent gestiegen, vermutlich ohne staatliche Kaufprämien. Da staunen die armen Autohersteller. Vielleicht sollten sie Panzer und Kampfflugzeuge ins Programm aufnehmen, am besten mit umweltschonenden Elektroantrieben.

Vorschlag für das Unwort des Jahres: „Nukleare Teilhabe“.

Abends war ich beim Friseur, der mich abwechselnd siezte und duzte, was mich nicht störte, das Ergebnis ist trotz Maskenpflicht zufriedenstellend ausgefallen. Neben mir wurden einem kleinen Jungen die Haare geschnitten. Ich nehme an, er saß nur deshalb still, weil Mami währenddessen vor seinen Augen einen Film vom Telefon abspielte.

Mittwoch: Seit geraumer Zeit fahre ich mit dem Fahrrad ins Werk, dabei führt mich der Weg morgens am Hofgarten vorbei durch die Stockenstraße zur Adenauerallee/B9, die Einmündung ist ampelbewehrt. Bislang wechselte die Ampel jeden Morgen genau in dem Moment auf grün und ermöglichte so ein haltloses Einbiegen in die B9, wenn ich mich ihr auf wenige Meter genähert hatte; kurz nachdem ich die in den Asphalt eingelassene Kontaktschleife passierte, wechselte das Licht mit großer Verlässlichkeit zu meinen Gunsten. Wechselte, Präteritum, Vergangenheit: Seit zwei Tagen bleibt die Ampel rot und zwingt mich zum Halten (im Gegensatz zu den meisten anderen Radfahrern, die derartiges Leuchten ignorieren beziehungsweise als nicht ernst zu nehmenden Vorschlag auffassen, halte ich wirklich vor roten Ampeln, auch wenn mir dadurch verständnislose Blicke und manchmal Verwünschungen sicher sind). Ich beklage das nicht, nehme Momente des Wartens dankbar an, man wird ja nicht jünger. Außerdem wird sie ihre Gründe haben.

„Gerade jetzt ist Mundhygiene besonders wichtig“, sagt der Mann in der Reklame. Warum gerade jetzt und sonst nicht so, sagt er nicht.

Donnerstag: „Florian Schneider ist tot“, lässt mich der Geliebte am frühen Morgen kurz nach dem Zähneputzen (Mundhygiene ist wichtig) wissen. In vorübergehender Unkenntnis darüber, wer das ist beziehungsweise war, zumal die Glut meiner Verehrung für die Gruppe Kraftwerk allenfalls ein fernes, schwaches Glimmen ist, und der unzutreffenden Annahme, es handelte sich hierbei aufgrund des Namens um einen jüngeren Mann, gab ich zur Antwort: „Ja ja, die Guten gehen immer zuerst.“ – „Na dann haben wir an dir ja noch länger was“, so der Geliebte. Das kommt alles auf die Lorbas-Liste, die ich irgendwann anlegen werden.

Freitag: Hochzeitstag – seit nunmehr achtzehn Jahren bin ich glücklich verheiratet. Von Herzen danke ich dem Liebsten, dass er es immer noch mit mir aushält und mich nicht längst vom Hof gejagt hat; rückblickend, ohne ins Detail zu gehen, hätte er vielleicht den einen oder anderen Grund dazu gehabt. (Bitte denken Sie sich hier eine geigenschwangere Kussszene.) Der achtzehnte Hochzeitstag heißt übrigens Türkishochzeit. „Der Halbedelstein gilt als Schutzstein und soll Verführungen von der Ehe fernhalten“, lese ich dazu. Möge er dabei weiterhin erfolgreich sein.

In der Mittagspause sah ich einen, der in sommerlicher Freizeitkleidung einen Kinderwagen schob und in sein Kabeldings sagte: „Die Agenda habe ich noch nicht erhalten, aber die IT macht langsam Druck.“ Das nennt man wohl Parkoffice.

Fünfundsiebzig Jahre Kriegsende (oder Kapitulation, Befreiung; zweifelhafte Charaktere sprechen auch von Niederlage). Immer das gleiche Bild bei den zu solchen Anlässen üblichen Kranzniederlegungen: Politiker schreiten zu dem bereits niedergelegten Kranz, bücken sich und zupfen an den Schleifen herum, jedesmal, immer. Ist das eine Art Übersprungshandlung, oder legen die Helfer die Kränze zuvor bewusst unordentlich aus, damit die Politiker während des Gedenkens Beschäftigung vorweisen können?

Samstag: Eine echte und sinnvolle Innovation, nicht nur in viruslastigen Zeiten, wären Mundschutzmasken in schalldichter Ausführung, vor allem in Verbindung mit einer gesetzlichen Tragepflicht für bestimmte Personen. Um juristische Imponderabilien zu vermeiden verzichte ich darauf, Namen zu nennen, obschon mir spontan einige einfielen.

Sonntag: Da mich der Geliebte einer gewissen Geschwätzigkeit hier im Blog bezichtigt, verzichte ich für heute auf weitere Ausführungen.

 

Woche 47: Dazuhin

Montag: „Alexander Zverev hat den Gegner vom Platz gefickt“, höre ich am Morgen den Mann im Radio sagen. Vielleicht habe ich mich in meiner Morgenmüdigkeit aber auch verhört.

Natürlich sagt man nicht „gefickt“, schon gar nicht als öffentlich-rechtlicher Radiomoderator. Man sagt im Übrigen auch nicht mehr „Ich bin müde“, sondern man hat jetzt ein „Biotief“.

Dienstag: In meinem Rückblick der vergangenen Woche machte Frau Jule per Kommentar zu recht ein gewisses Hadern meinerseits mit dem Alter aus. Dabei ist es gar nicht so schlimm, ich fühle mich keineswegs alt, höchstens … also maximal … ach, was sagt schon so eine Zahl aus. Vor diesem Hintergrund hat es wirklich gar nichts zu bedeuten, dass ich mir heute früh statt Bodylotion beinahe Zahncreme ins Gesicht geschmiert hätte.

Mittwoch: „Die Tendenz, sich lieber mit irgendetwas zu beschäftigen (und sei es trivial), als sich mal in Ruhe hinzusetzen, scheint weit verbreitet“, lese ich in der Psychologie Heute.

„Ein Wagen fehlt“, verkündet die Anzeige im Kölner Hauptbahnhof für den Regionalexpress, der mich am Abend nach Hause bringen wird. Was will die Bahn uns damit sagen? Sollen wir suchen helfen?

Donnerstag: Während einer zähen Projektbesprechung mit zahlreichen, auch gleichzeitigen Wortbeiträgen, sagt der Projektleiter: „Wir wollen nicht unsere wertvolle Zeit verschwenden“. Ein schrilles Auflachen zu unterdrücken gelingt mir nur knapp.

„Da sind wir stationär unterwegs“, sagt ein anderer Kollege in einer anderen Besprechung. „Drinnen saßen stehend Leute“, ergänze ich in Gedanken.

Hier eine interessante Nachricht zum Thema „Generation Knöchelfrei“.

Freitag: Die heute vom Handel als „Black Friday“ titulierte Konsumanimationskampagne geht mir völlig an unteren Körperregionen vorbei. Für die Weigerung, Zeit oder Geld für eine Sache zu investieren, auch wenn man sie sich leisten könnte, haben die Isländer übrigens das Wort „Tima“, wie dem Buch „Einzigartige Wörter“ von David Tripolina zu entnehmen ist.

Der vor geraumer Zeit beschaffte Staubsauge-Roboter erweist sich unterdessen immer mehr als unverzichtbarer Helfer im Haushalt.

KW48 - 1

„In Veränderungen sehen wir stets eine Chance zur Weiterentwicklung“, schreibt mir die PSD-Bank in einer Mitteilung darüber, dass ein bestimmter Geldautomat bald nicht mehr zur Verfügung steht. Obschon ich den betreffenden Automaten nie nutzte, fühle ich mich ein ganz kleines bisschen verschaukelt.

Am Abend eröffnet der Bonner Weihnachtsmarkt. Verrückt: Wurde der nicht erst kürzlich abgebaut?, denke ich, während der Geliebte bei Eierpunsch mit Sahne über Analdrüsen referiert.

Samstag: Wenn der Arbeitgeber einen Brief per Einschreiben schickt, löst das zunächst eine Schrecksekunde aus. Während ich ihn mit schwitzender Hand öffne, singen die Chöre des schlechten Gewissens: Was habe ich angestellt? Zuviel gelästert? Den Vorstand im Aufzug nicht gegrüßt? Was Unangemessenes ins Blog geschrieben? Es ist dann aber nur das neue Jobticket.

„Von Bohlen empfohlen“, sagt die Radioreklame. Darin kann ich nun wirklich kein konsumanreizendes Element erkennenden.

„kdf-Frauen laden zum Basar ein“, lese ich in der Zeitung und stutze kurz, glaubte ich diese Einrichtung doch in düsterer Vergangenheit versunken. Sehe dann aber, dass dort „kfd-Frauen“ steht.

Sonntag: Auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kommt nicht umhin, sich mit Friedrich Merz zu beschäftigen. Ich habe keine Meinung zu diesem Mann im Allgemeinen und seiner Eignung als CDU-Vorsitzender im Besonderen. Lebte meine Großmutter väterlicherseits noch, hätte sie über ihn gesagt: „Der kuckt immer so von unten.“ Darin glaubte sie bei ihren Mitmenschen eine gewisse Falschheit zu erkennen.

In derselben Zeitung lese ich das wunderbare, mir (und dem aktuellen Duden) bis heute unbekannte Wort „dazuhin“, welches wohl in etwa „hinzu kommt, dass“ bedeutet, und beschließe, es umgehend in meinen Wortschatz zu integrieren.

Woche 47: Auf der Jagd nach Besinnung

Montag: Gewiss, man macht sich nicht über anderer Leute Namen lustig. Aber während mancher Vorstellungsrunde denke ich: Der hatte bestimmt keine unbeschwerte Kindheit.

Dienstag: Während Waschbären im Raum Kassel als Plage gelten und deshalb zum Abschuss freigegeben sind, wurde laut Zeitungsbericht in München einem jungen Exemplar ein Herzschrittmacher eingebaut. Als nächstes dann vielleicht ein Marder mit künstlichem Hüftgelenk, eine Ratte mit Zahnersatz oder (Achtung, Wortspiel:) eine Taube mit Hörgerät?

Mittwoch: Eine neue Unsitte bürokommunikativen Umgangs greift um sich: Vor einem Anruf per Skype beim Anzurufenden anfragen, ob er Zeit für ein Telefongespräch habe. Ruft mich doch einfach an, dann wisst ihr es!

Donnerstag: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und von nur wenigen Gratulationsbekundungen behelligt feiert das beliebte Blog „Alltägliches + Ausgedachtes“ heute sein zehnjähriges Bestehen.

kw47 - 1

Freitag: Schwarzer Freitag des Marketingterrors. Die Reklameschreier in Funk und Fernsehen übertreffen sich nochmals gegenseitig in ihrer künstlichen Aufgeregtheit, und Millionen Konsumsklaven freuen sich, Dinge zu kaufen, die sie nicht benötigen.

Samstag: Weihnachtsmarkt – eine große Ansammlung von Menschen auf der Jagd nach Besinnung.

Sonntag: „Gewiss, diese Person verkörpert das Nicht-ganz-Dichte in der Politik auf wunderbarste Weise“ – Klaus Boldt, Chefredakteur der BILANZ über Donald Trump. (Ich lege Wert auf die Klarstellung, kein regelmäßiger Leser dieser Kapitalismus-Illustrierten zu sein, vielmehr handelt es sich bei vorgenanntem Zitat um eine zufällige, gleichwohl schöne Fundsache.)