Woche 46/2025: Ahrsteig und eine gewisse Anwesenheitspflicht

Montag: Der letzte Wochenrückblick war der tausendste veröffentlichte Artikel in diesem Blog, wie WordPress mir morgens mitteilte. Zunächst war ich überrascht, weil es bereits 1.072 Beiträge sind, nur nicht alle veröffentlicht. Warum ich über siebzig Texte geschrieben habe, ohne sie Ihnen zur Kenntnis zu geben, weiß ich nicht; wenn ich mal viel Zeit haben sollte, schaue ich nach. Jedenfalls muss es länger her sein, ich erinnere mich nicht mehr.

In einer Besprechung schwafelte einer von Herausforderungen, Mitarbeitenden, Use Cases, nicht wirklich und tatsächlich. Ich wünschte mir ein Beißholz, oder hilfsweise Alkohol. Ansonsten war der Arbeitstag erträglich und nicht zu lang. Unmittelbar danach vollzog ich, weiterhin erstaunlich motiviert, drei Runden im Sportstudio.

Aus der Zeitung: „In mehreren iranischen Provinzen droht das komplette Austrocknen der Staudämme.“

Es liegt mir fern, andere Blogger zu kritisieren. Doch sei mir erlaubt, diese seit einiger Zeit häufig zu sehenden, durch sogenannte künstliche Intelligenz erzeugten Comic-Beitragsbilder mindestens albern zu finden.

Dienstag: „Alle sieben Minuten wird man in der Sternstraße angelächelt. Bald siehst du es auch.“ So wirbt ein Brillengeschäft in vorgenannter Straße, wie ich morgens auf dem Fußweg zur Wertschöpfung sah. Es würde mich außerordentlich irritieren, wenn ich in der Fußgängerzone ständig angelächelt würde. Spätestens beim dritten Mal würde ich an mir herabschauen und prüfen, ob ich morgens vergaß, eine Hose anzuziehen. Im Übrigen ist die Sternstraße nicht sehr lang, man müsste schon sehr langsam gehen, um wenigstens einmal angelächelt zu werden.

Vermutlich bemerke ich es schon mal, heute fiel es mir wieder auf: Manche junge Frauen laufen mit betont genervt-gelangweiltem Blick durch die Gegend. Üben die das vor dem Spiegel oder ist ihnen das angeboren?

Vom Karnevalsstart am heutigen elften Elften bekam ich nicht viel mit, zumal unsere Gesellschaft an diesem Tag keine besondere Aktivität pflegt, wofür ich durchaus dankbar bin. Auf dem Rückweg sah ich in der Innenstadt noch wenige mehr oder weniger Verkleidete, manche sichtlich um Haltung bemüht.

Aus einem Zeitungskommentar über die Klimakonferenz in Brasilien:

Zehntausende Teilnehmer auch diesmal im brasilianischen Belém, und jeder reist mit dem CO2-Fußabdruck eines kleinen Dorfes an. Die Veranstaltung auf der großen Bühne der Unverbindlichkeit verläuft nach einem vertrauten Muster: Erst wird der „noch nie dagewesene Ernst der Lage“ beschworen, dann feilscht man über Kommastellen, um schließlich ein „historisches Abkommen“ zu verkünden, dass letztlich nur viel Papier bedruckt.

(General-Anzeiger Online)

So ist es. Leider. (Im letzten Satz stand wirklich „dass“.)

Mittwoch: Der Arbeitstag war anstrengend, weil eine Vielzahl kleinerer Themen und Anliegen, teilweise inhaltlich miteinander verflochten, ständiges Hin- und Herdenken erforderte. Am Ende fühlte ich mich erschöpft, was mich nicht von anschließender sportlicher Betätigung abhielt. Das war auch anstrengend und die drei Runden an den Geräten reichten völlig aus. Jedenfalls macht es Spaß, oder „es sparkt bei mir auf jeden Fall Joy“, wie ich heute bei iberty las und mich kurz schüttelte.

Die schönste Freude soll Vorfreude sein, wie ein Sprichwort behauptet. Auf morgen freue ich mich vor, dann habe ich frei, die Wetteraussichten sind wandertauglich.

Vorfreudeauslösend für viele dürfte auch der Aufbau des Weihnachtsmarktes in der Innenstadt sein, der heute begann, wie ich abends sah. Wie jedes Jahr der Gedanke: Wurden die Buden nicht kürzlich erst abgebaut? Bis es so weit ist, dass auf dem Heimweg eine Feuerzangenbowle leuchtet, dauert es noch ein wenig, auch das geht schnell.

Donnerstag: Kleine Woche, Inseltag, Wandertag. Die Wanderung führte über die siebte Ahrsteig-Etappe in umgekehrter Richtung von Sinzig bis Bad Neuenahr. Morgens fuhr ich mit der Bahn nach Sinzig, wo ich in einem bahnhofsnahen Café sehr gut frühstückte. Danach machte ich mich bei bestem Wanderwetter auf den Weg durch Wälder, Weinberge und den recht hübschen Ort Ehlingen, teils auf breiten Wegen, von Mitbloggerin Sandra zutreffend als „Wanderautobahnen“ bezeichnet; im letzten Viertel streckenweise aber auch auf Waldpfaden, die unter hohem Laub kaum zu erkennen sind, auch die ansonsten sehr gute Kennzeichnung der Strecke weist hier Lücken auf. Zudem muss man aufpassen, nicht zu stolpern und stürzen, an einigen Stellen ist es sehr unwegsam und steil. Aufgrund der mangelhaften Wegmarkierung verlief ich mich hier, fand jedoch bald, ohne Stürze und mit nur wenigen leisen Flüchen, zurück auf den rechten Weg.

Nach knapp fünf Stunden erreichte ich Bad Neuenahr, wo auch heute noch Spuren der großen Flut von 2021 zu sehen sind. Dort fand ich ein Lokal, wo die traditionelle Belohnungs-Currywurst mit Bier serviert wurde; anschließend gabs einen Ouzo aufs Haus, das erlebt man auch nicht oft.

Die Rückfahrt mit der Bahn erfolgte über Remagen, von da weiter über Mainz-Hombach, Budenheim, Uhlenborn und Heidesheim (Rheinhessen), jedenfalls laut Ansagen in der Mittelrheinbahn; ab Bonn UN-Campus hatte die Technik oder das Zugpersonal den Irrtum offenbar bemerkt, ich kam wohlbehalten in Bonn Hbf an und nicht in Gau Algesheim. Vielleicht ist es da ja auch ganz schön.

Kurz hinter Sinzig kann man sich was stempeln
Bei Sinzig
Stechpalme für Lotte
Unten die Dächer von Ehlingen, dahinter Heimersheim, im Hintergrund die Brücke der A 61, die mit Dauerrauschen das Tal beschallt
Unten Ehlingen, hinten Lohrsdorf, links die Landskrone
Müsste das nicht INRI heißen?
Ehlingen
Bei Heimersheim
Wenige Meter weiter
Hier soll irgendwo der Weg sein
Blick vom Aussichtsturm auf dem Neuenahrer Berg über Bad Neuenahr, hinten das Siebengebirge
Die Ahr in Bad Neuenahr. Mögen sich die Ereignisse von 2021 niemals wiederholen, sicher kann man da leider nicht sein

Schön wars wieder.

Freitag: Eine Besprechung endete fünf Minuten vor dem geplanten Ende, eine Teilnehmerin sagte: „Jetzt haben wir fünf Minuten für die Zeitspardose.“ Daraufhin bekundeten die anderen Teilnehmer, die wie ich dieses Wort noch nie gehört hatten, ausführlich ihr Gefallen daran, so dass die Spardose letztlich leer blieb. Die nachfolgende Besprechung mit nahezu identischem Teilnehmerkreis wurde dagegen um eine Viertelstunde überzogen, weil immer wieder vom Thema abgeschweift wurde. Auch wenn es in die bezahlte Arbeitszeit fällt, strapaziert das regelmäßig meine Geduld.

Abends war ich wieder beim Sport, das dritte Mal in dieser Woche. Ich möchte Sie damit nicht langweilen und werde das künftig auch nicht mehr ständig erwähnen, nur bin ich weiterhin über mich selbst erstaunt, dass ich das freiwillig und auch in der zweiten Woche noch gerne mache. Laut Anzeige an den Geräten habe ich dabei insgesamt neununddreißig Tonnen bewegt.

Gunkl schrieb:

Was Golfplätze bestimmt auch interessanter macht, sind Bereiche wie Hochmoor, Schilfgürtel oder Brunnenschacht.

Samstag: „Das Wetter kommt uns mit vielen Wolken entgegen“ sagte morgens der Mann im Radio. Immerhin sagte er nicht, es sei mit vielen Wolken unterwegs.

Vormittags machten wir uns auf nach Bad Godesberg, wo um elf Uhr elf die Karnevalssaison eröffnet wurde (in Godesberg traditionell am Samstag nach dem elften Elften) mit Getränk und Bühnenprogramm, auch unsere Karnevalsgesellschaft war zugegen, was eine gewisse Anwesenheitspflicht begründete. Meine Lust darauf war eng begrenzt gewesen, nachdem mich dort im Vorjahr kalte Füße und Langeweile geplagt hatten. Doch wie es oft ist: Wenn man keine Lust auf etwas hat, wird es besonders schön. Zwar ließen die entgegenkommenden Wolken etwas Regen unter sich, doch war weder es kalt noch langweilig und das Kölsch lief gut ab. Erst am späten Nachmittag waren wir zurück zu Hause, wo die Niederschrift dieser Tagesnotiz aus vorgenannten Gründen nicht ganz leicht fiel.

Sonntag: Die Holzverhüttung der Bonner Fußgängerzone ist weitgehend abgeschlossen, wie ich mittags auf dem Weg zum Bahnhof sah, dem Start der organisierten Besinnlichkeit am kommenden Freitag steht somit nichts mehr entgegen. Mit der Bahn fuhr ich nach Roisdorf, um eine Modellbahnbörse zu besuchen. Da meine Sammlung mittlerweile weitgehend komplett ist, bewog mich nicht so sehr Kaufabsicht, vielmehr war der Weg das Ziel, genauer: der Rückweg. Den verband ich mit dem Sonntagsspaziergang, nach knapp zwei Stunden war ich wieder zu Hause. Der Himmel blieb heute durchgehend grau und der Tag gab sich keine Mühe, richtig hell zu werden, dazu zeitweise zarter Niesel. Immerhin war es weiterhin recht mild, hier und da erfreute noch letztes Herbstgold das Auge. Ab der Nacht soll es dann deutlich abkühlen und erstmal kalt bleiben. Wie es sich für November und Weihnachtsmarkt gehört.

Herbstgold
Grau

Gelesen auf einem Schild in einem Dransdorfer Vorgarten: „Hier wohnt eine Katze mit seiner Familie.“ Autsch.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche. Ziehen Sie sich warm an.

Woche 45/2025: Weiterhin mit Vergnügen

Montag: Die üblichen Wochenanfangsbeschwerlichkeiten hielten sich in erfreulichen Grenzen. Dem Wohlbefinden förderlich war auch eine Kohlroulade zum Mittagessen. Der Arbeitstag endete zeitig.

Wie vorgenommen ging ich direkt im Anschluss ins Sportstudio. Die Funktionsweisen der meisten Geräte waren mir seit dem Probetraining letzten Donnerstag noch weitgehend vertraut, es turnte sich gut, laut Geräteanzeigen bewegte ich dabei mehrere Tonnen. Das nächste Mal Mittwoch.

Dienstag: Der Fußweg ins Werk erfolgte durch milde Morgenluft. Am Rheinufer gingen vor mir drei schnatternde Damen derart raumeinnehmend nebeneinander, dass man kaum an ihnen vorbeikam. Erst als eine Läuferin entgegenkam, entstand kurz eine Lücke, die ich nutzte. Im Überholen hörte ich eine sagen: „Die Belinda ist eine schwierige interne Person, aber sie nimmt es auch mega genau.“ Was in Abwesenheit so geredet wird. Etwas später überholte mich ein Läufer mit großflächig tätowierter Wade. So etwas sollte meines Erachtens auch in die aktuelle Stadtbild-Diskussion mit einfließen.

Auf der Wiese im Rheinauenpark graste eine größere Gruppe Wildgänse. Nun also ihr, dachte ich im Vorbeigehen und rief ihnen gedanklich „Bleibt gesund!“ zu. Was heute Stallpflicht für Geflügel ist, hieß für uns vor fünf Jahren – so lange ist das schon her, unglaublich – Homeoffice.

Mittags in der Kantine gab es Curryfrikadelle mit Pommes. Das ist wie Currywurst mit Pommes, nur ohne Wurst, dafür mit Frikadelle. Aber darauf wären Sie vermutlich selbst gekommen. War jedenfalls gut.

Für mich eines der besten Lieder von Supertramp ist „Take The Long Way Home“. Den langen Weg nach Hause nahm ich nachmittags, da es weiterhin angenehm mild war, und zwar rechtsrheinisch. Zu meiner freudigen Überraschung war der Biergarten „Zum Blauen Affen“ noch geöffnet, wo ich ich die unerwartete Gelegenheit wahrnahm, mich an einem Bier zu erquicken, während auf der anderen Rheinseite die Sonne unterging.

Morgens kurz vor Sonnenaufgang
Wieder so ein Was-soll-das-Moment
Nachmittags, Rheinauenpark
Beueler Ufer

Mittwoch: Im Büro lachten wir laut über Internes, das Ihnen mangels Kenntnis der belachten Personen und Gegebenheiten vermutlich nicht mal ein Grinsen entlocken würde. „Stell dir vor, die würden uns hier abhören“ sagte der Kollege vom Schreibtisch gegenüber. Wenn sie das täten, wären wir beide wegen ungebührlicher Lästerlichkeit längst rausgeflogen.

Abends bewegte ich im Sportstudio wieder mehrere Tonnen, weiterhin mit Vergnügen. Ich meine, der Bizeps sei schon etwas gewachsen, vielleicht ist das aber auch Einbildung.

Bald beginnt der Karneval wieder. Aus einem Zeitungsartikel über unangemessene Verkleidungen:

(General-Anzeiger Online)

Donnerstag: Morgens zeigte sich der Mond über den Dächern gegenüber. Dafür, dass er angeblich in diesen Tagen besonders groß wirken soll – irgendwo las ich, das nenne man Nebelmond -, war er ziemlich klein oder wenigstens normal groß. Vielleicht ist unsere Begleitkugel über Nacht wieder geschrumpft. Nebelmond, Vollmond, Halbmond, Neumond, Blutmond, demnächst vielleicht auch noch Fleischmond. Ach nein, das soll ja verboten werden.

Morgenmond

Gedanke während einer Besprechung: Vielleicht ist meine Weigerung, möglichst aufwendige PowerPoint-Präsentationen zu erstellen, der Grund, warum ich nicht Karriere gemacht habe.

Blick auf Beuel während des Heimwegs

Im Ortsteil Kessenich waren abends die Straßenränder gesäumt von Sperrmüll, wie ich auf dem Weg zur Musikprobe sah. Wunderbare Konsum- und Wegwerfwelt, es hört nie auf. Unterdessen verhandeln sie in Brasilien darüber, um wieviel Prozent der CO2-Ausstoß (nicht) verringert werden soll. Ich bleibe skeptisch.

Freitag: Morgens auf dem Fahrrad blies mir stärkerer, kühler Wind entgegen. Ich betrachtete es als eine Sporteinheit, immer auch das Positive sehen. Was schön war: Nachmittags hatte sich die Windrichtung nicht geändert, so dass ich auf dem Rückweg angenehm angeschoben wurde.

Nachmittags bliesen die Kohlekraftwerke am Horizont bizarre Dampfungetüme in den Himmel

Abends begann mit dem Ordensfest der Karnevalsgesellschaft die Session. Nicht, dass ich es kaum erwarten konnte, aber meinetwegen. Na dann: dreimol hetzlisch Alaaf.

Samstag: Nach spätem externen Frühstück mit den Lieben (das Ordensfest hatte keine appetitmindernden Nachwirkungen) unternahm ich einen Spaziergang. Bei allem, was man am Universum zurzeit beklagen kann: Der Herbst ist in diesem Jahr besonders wohlgeraten.

Nordstadt
Innere Nordstadt

Abends aßen wir im Wirtshaus Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen, wie es sich gehört. Auch so ein Gericht, bei dem ich mich frage, warum es das nur saisonal gibt, während Enten und Hühnern ganzjährig die Federn gerupft werden.

Da geht noch was

Sonntag: Dieser Tag zeigte sich im Gegensatz zu den Vortagen wesentlich novembriger, trüb und sonnenlos. Also so, wie viele den November malen würden, wenn sie müssten und könnten und weshalb er bei vielen – zu unrecht, wie ich finde – als unbeliebtester Monat gilt. Immerhin blieb es trocken und die Temperatur draußenbiertauglich, so dass der Spaziergang am Nachmittag in noch gut besuchter Außengastronomie abgerundet werden konnte. Über die Wespe, die kurz mein Glas umkreiste, bevor sie ihrem vermutlich baldigen Ende entgegen flog, staunte ich dennoch.

Ich persönlich finde den Februar viel schlimmer, obwohl (oder weil?) ich dann Geburtstag habe; wenn das Gefühl, jetzt ist es aber mal gut mit kalt und keine Blätter an den Bäumen, auf das Gemüt drückt.

Vorher aber, bald schon, ist dort, wo ich sitze und diese Zeilen ins Datengerät tippe, Weihnachtsmarkt. Trotz allem Kitsch und meiner grundsätzlichen Weihnachtssinninfragestellung (ich liebe unsere Sprache, die solche Wörter ermöglicht) freue ich mich ein wenig darauf.

Die allgemeine Verblödung ist unübersehbar

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

19:30

Woche 10/2025: Kantine statt Kamelle

Montag: Einmal noch Karneval, dann reicht es wieder bis November. Der gestrige Tag beim Godesberger Zoch mit anschließendem Ausklang in der Stadthalle verlief bei bestem Wetter weitgehend angenehm, den vergangenen Sonntag diesbezüglich geäußerten Erwartungen ist nichts Wesentliches hinzuzufügen. Wir brachen nicht sehr spät auf nach Hause, wo wir im Fernsehen das Bühnenprogramm von „Sitzungspräsident“ Volker Weininger ansahen und darüber sehr lachten mussten, mehr als der noch gegenwärtige Hustenreiz zuließ. Wenn Sie ihn nicht kennen, empfehle ich ihn sehr, auch wenn Sie dem Karneval nicht zugeneigt sind.

Am heutigen Rosenmontag war unser Musikcorps für den Umzug im Stadtteil Lannesdorf gebucht. Der ging pünktlich um elf Uhr elf los, daher musste ich auch heute frühzeitig aufstehen. Es verlief alles zufriedenstellend, auch heute unter blauem Himmel. Größte Hürde war nach Rückkehr der Fußweg vom Hauptbahnhof nach Hause, weil wegen des inzwischen gestarteten Bonner Zuges in der Innenstadt zahlreiche Straßen abgesperrt und menschenumsäumt waren und nicht überquert werden konnten. Nach einer halben Stunde kam ich an, legte die Trommel ab und zog, weiterhin in Uniform, sogleich eine Straße weiter, um mich zusammen mit dem Liebsten und einigen Vereinsleuten in die Menge am Straßenrand zu stellen und den Zug zu betrachten. Nahrung kam währenddessen wie im Schlaraffenland direkt aus der Luft angeflogen, fast ununterbrochen war ich am kauen: Weingummi, Schokowaffeln, Mäusespeck, Maoam, Milky Way und ein Apfel. Dazu zwei bis drei Becherchen Kölsch aus der Kneipe gegenüber. Als das Prinzenpaar durch war, konnte ich endlich nach Hause, für die nächsten Monate die Uniform und vor allem endlich die Schuhe ausziehen.

Ab morgen wieder ins Büro, wo ganzjährig ein gewisses Jeckentum herrscht. Mit Kantine statt Kamelle.

Dienstag: Wie es sich für einen Dienstag gehört, ging ich zu Fuß ins Werk und zurück, auch wenn es faktisch ein Montag war. Morgens waren in der Innenstadt fleißige Menschen damit beschäftigt, den Rosenmontag zusammenzukehren und -blasen. Überall lag dieses Riesen-Konfetti herum, ich weiß nicht, wie es richtig heißt, Sie wissen vielleicht, was ich meine: Diese mehrere Zentimeter langen bunten Streifen, die, mit einer Kanone in die Luft geschossen, flimmernd langsam zu Boden sinken. Hübsch anzusehen, solange sie in der Luft sind, doch dürften sie anschließend den Reinigungskräften erheblichen Verdruss bereiten. Selbst hinter den Glastüren mehrerer Läden waren sie auf dem Boden auszumachen, durch welche Ritzen auch immer sie dort eingedrungen sein mögen. Auch auf dem Heimweg am frühen Abend sah ich sie noch in nennenswerter Anzahl herumliegen und es ist davon auszugehen, dass sie auch in den nächsten und übernächsten Tagen noch vereinzelt zu finden sind.

Im Büro war reichlich zu tun, die Zahl der seit Donnerstag eingegangenen Mails war fast so hoch wie nach einer Woche Urlaub; anscheinend haben nicht alle Karneval gefeiert, wo kämen wir da auch hin. Zum Glück konnte ein großer Anteil davon nach erster grober Sichtung sofort gelöscht werden.

Ebenfalls auf dem Heimweg wurde ich zufällig Zuschauer der Bonner Stadtsoldaten: Die Gardisten standen in Reih und Glied vor dem Alten Rathaus, Dankesworte wurden gesprochen, auch vom noch amtierenden Prinzen und der Bonna (für Nicht-Bonner: gleichsam die zugehörige Prinzessin), danach marschierte man ein letztes Mal bei getragener Musik um den Marktplatz und stellte sich wieder in Formation auf. Schließlich erklärte der Kommandant die Session für beendet; weggetreten. Vermutlich suchte man zum Ausklang noch die örtliche Gastronomie auf.

Morgenweg mit Gewölk
Rosenmontagsreste
Bald haben auch sie es geschafft

Mittwoch: Vorbei die Zeiten, da ich nach dem Mittagessen über achtundzwanzig Etagen die Treppen hoch gehe, ab heute nur noch dreiundzwanzig, da ich infolge einer Umorganisation umgezogen bin. Auch die Aussicht aus dem Fenster hat sich gewandelt, trotz Höhenunterschied von fünf Etagen weiterhin augerfreuend.

Vorne die Deutsche Welle, dahinter der UN-Campus

Es gibt schon erstaunliche Zufälle: Im Januar löste sich mittags beim Verzehr eines Nudelgerichts die Krone eines Weisheitszahnes, ich berichtete. Heute kam mit der Post die Zahnarztrechnung für das Wiedereinsetzen. Nun dürfen Sie gerne raten, 1) was ich heute Mittag gegessen habe und 2) was währenddessen passierte. Damit hat der Zahn sein Dasein verwirkt, in den nächsten Tagen wird die Zange ihr Werk verrichten.

Donnerstag: Auch dieser Tag war sonnig, die Fußweg ins Werk und zurück eine Wohltat. Die Natur ist spät dran dieses Jahr, vor einem Jahr blühten schon die Magnolien. Während Schneeglöckchen, erste Krokusse und Narzissen bereits blühen, zeigen sich Büsche und Bäume noch weitgehend unbegrünt, nur hier und dort sind beim genauen Hinsehen erste Knospen auszumachen. Vielleicht warten sie ab, bis sich Union und SPD auf eine Koalition geeinigt haben, manchmal hängen Dinge in gar wundersamer Weise zusammen.

Nach Ankunft stand ich zunächst vor verschlossener Bürotür, weil die Schließtechnik nicht auf die dafür vorgesehene App auf meinem Telefon reagierte. Der Chefchef war so freundlich, mir Zugang zu gewähren. Nach etwas Mailverkehr und mit Hilfe eines befugten Mitarbeiters konnte auch dieses Problem im Laufe des Vormittags gelöst werden. Ebenfalls vormittags vereinbarte ich einen Zahnarzttermin für Montagnachmittag.

Auf dem Rückweg war ich versucht, das erste Freiluftbier zu trinken, Gelegenheiten wären genug gewesen. Da ich spät dran und die Sonne bereits im Untergang begriffen war, sah ich davon ab.

Wo mögen sie gewesen sein?

Freitag: Der Arbeitstag endete zeitig, da ein Augenarzt-Termin anstand. Die letzte Besprechung des Tages endete erst kurz vor Büroschluss, so dass keine Zeit blieb, das Mailpostfach aufzuräumen und schon mal in den Kalender zu schauen, was nächste Woche so anliegt. Das mag ich nicht, heute ging es nicht anders. Immerhin blieb nichts unerledigt, was heute noch dringend zu erledigen gewesen wäre, somit ging ich mit gutem Gewissen ins Wochenende.

Während der Radfahrt zurück geriet ich durch die Verbindung aus Frühlingsmilde und Winterjacke ins Schwitzen, war jedoch zu bequem, anzuhalten und die Jacke auszuziehen; leider gehöre ich nicht zu denen, die das mühelos während der Fahrt erledigen und dabei noch telefonieren und essen können.

Bei der Augenarztpraxis kam ich vorzeitig an, musste dennoch nicht lange warten. Vielleicht ein Vorzug des privat versicherten Beamten. (Ja, ich finde das auch ungerecht. Da ich mich jedoch auf der begünstigten Seite befinde, fällt es mir schwer, darüber zu klagen.) Am meisten fürchtete ich die Augentropfen, da bin ich sehr empfindlich. Doch die wurden nicht verabreicht, stattdessen wurde der Augendruck per kurzem Luftstoß gemessen. Das war auch nicht sehr angenehm, doch weit weniger schlimm als die Tropfen. Nach weniger als einer Viertelstunde war die Untersuchung erledigt, alles in Ordnung beziehungsweise im altersgerechten Rahmen, auch eine neue Brille brauche ich nicht. Nur legte mir die Ärztin nahe, das nächste Mal nicht erst wieder in zehn Jahren zu kommen. Die Zeit rast aber auch.

Samstag: Nachdem sie sich in den vergangenen Tagen latent mit Hustenreiz und erhöhter Nasenläufigkeit ankündigte, hat auch mich nun die Erkältung richtig erwischt, arbeitgeberfreundlich zum Wochenende. Deshalb wurde die für heute geplante Fahrradpflege zugunsten längerer Sofazeit auf nächstes Wochenende verschoben. (Bitte denken Sie sich hier lautstarkes Husten und Schnäuzen.)

Aus einer Kolumne im General-Anzeiger über die sogenannte Longevity-Bewegung, also Leute, die es für erstrebenswert erachten, möglichst alt zu werden und dafür erheblichen Aufwand betreiben: „Die Darmflora erfährt mehr Zuwendung als so mancher Beziehungsberechtigte.“

Sonntag: Das sonnig-warme Frühlingswetter lockte zahlreiche Menschen nach draußen, am frühen Nachmittag auch mich. Am Rheinufer begegnete mir ein Paar, beide mit großflächig tätowierten Armen. Dazu ein Dalmatiner. Die drei ergänzten sich perfekt. Anscheinend eher einseitig ergänzt sich dagegen ein anderes Paar, das mir auf Fahrrädern begegnete. Sie schimpfte: „Dann fährst du in die Sauna, dann fährst du in den Urlaub, und ich bin immer nur gut genug, auf den Köter aufzupassen.“

In der Nordstadt hängten zwei Männer Wahlplakate des BSW ab. Vielleicht zum ersten und letzten Mal, wer weiß, ob die bei den nächsten Wahlen nochmal dabei sind. Durchaus entbehrlich, aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung.

Lesen bildet, man lernt immer noch was dazu:

(Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

Zum guten Schluss: Erfreulich waren in dieser Woche ein problemloser Büroumzug, für gut befundene Augen und mehrere Spaziergänge unter blauem Himmel.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 35/2024: Facebook-Geschwätz und komische Prosa

Montag: Meine vorläufig letzte Woche als Vollzeit-Arbeitskraft ist angebrochen. Das ist kein Grund, an fünf Tagen werktätig zu sein, am Donnerstag habe ich schon wieder frei.

Trotz schlecht durchschlafener Nacht war der Tag recht erträglich, im Büro kam ich mit der Aufarbeitung von in der vergangenen Woche aufgelaufenen Bearbeitungsrückständen gut voran, abends zierten mehrere Häkchen die Aufgabenliste.

Am Mittagstisch tauschten sich die Kollegen über ihre Brut aus. „Kinder geben ja so viel zurück“, wobei die Ironie in der Stimme des diesen Satz sprechenden Vaters nicht zu überhören war. Erneut dankte ich stumm kauend dem Universum, bei dem Thema weder mitreden zu können noch zu müssen.

..

Erst am Freitag werde ich wieder im Büro sein, dazwischen liegen zwei Tage Tagung in Bad Breisig und, siehe oben, ein Urlaubstag, über dessen Gründe ich Sie zu gegebener Zeit in Kenntnis setzen werde.

Dienstag: Noch vor dem Aufstehen ließ eine Radiomeldung die Mundwinkel erheblich nach oben ausschlagen, wonach gerüchteweise die für mich größte Band aller Zeiten, Oasis, wieder gemeinsam auftreten will. Im Laufe des Morgens dann die offizielle Bestätigung, die zänkischen Gallagher-Brüder haben sich offenbar vertragen (oder brauchen Geld) und geben demnächst mehrere Konzerte. Seit sie sich vor fünfzehn Jahren trennten, habe ich die Hoffnung nie aufgegeben, diesen Tag noch zu erleben, ich freue mich sehr.

Weniger erfreulich nach Ankunft in Bad Breisig die Erkenntnis, dass ich zwar das Ladekabel für das iPad, nicht jedoch das für das iPhone eingesteckt hatte. Seit die unterschiedlich sind, jedenfalls bei der von mir verwendeten Gerätegeneration, ist das Leben nicht einfacher geworden. Doch konnte mir ein lieber Kollege aushelfen, Nachhausetelefonieren war zu jeder Zeit sichergestellt und für die Bevölkerung bestand keine Gefahr.

Bad Breisig. Finde den Fehler.
Blick aus dem Zimmerfenster. Das Hotel könnte hier und dort einen Pinselstrich vertragen, doch die Lage ist wunderbar.

Mittwoch: Kaum war ich aufgrund örtlicher Nähe des Tagungsortes bereits am frühen Nachmittag wieder zu Hause, musste ich bald wieder los, ein Stress ist das aber auch. Mir blieb nur Zeit, frische Socken und Schlüpfer einzupacken und kurz in die Zeitung und die Blogs zu schauen, dann machte ich mich auf nach Porz-Wahn, wohin zu einem kollegialen Sommerfest geladen wurde. Für die Hinfahrt nahm ich nicht die Stadtbahn bis Siegburg und ab da die S-Bahn, sondern die relativ neue Buslinie 117, die in Haustürnähe abfährt und nahe des Festlokals endet. Das dauert vermutlich etwas länger, erspart aber einen Umstieg. Von der Haltestelle erst ins Hotel, wo auf die Schnelle diese Notiz entstand, gleich weiter zur Feier. Da dort eine gewisse Feuchtfröhlichkeit nicht ganz auszuschließen ist, habe ich für morgen einen Tag Urlaub genommen. Somit wissen Sie das jetzt auch.

Donnerstag: Fröhlich war das Fest, die Feuchte und ihre Nachwirkungen hielten sich dank strenger Disziplin *räusper* im Rahmen. Daher wäre der Urlaubstag heute nicht zwingend erforderlich gewesen, andererseits störte er nicht das Wohlbefinden.

Nach Rückkehr aus Porz-Wahn (dieses Mal mit der Bahn) entschloss ich mich spontan zu einem Mittagessen in der Außengastronomie des Vertrauens, aus Vernunftgründen und wegen der Hitze mit alkoholfreiem Weizenbier. Danach suchte ich eine schattige Bank am Rhein auf, wo Leserückstände der vergangenen Tage aufgeholt und Textverarbeitung vorgenommen wurden. Nebenbei schaute ich auf Menschen im Vorbeigehen. Warum eigentlich kucken so viele junge Frauen derart genervt-unfroh in die Gegend?

Freitag: Der letzte Arbeitstag in Vollzeit geriet recht lang, da wegen der Abwesenheit an den Vortagen einiges aufzuarbeiten war. Aber das war in Ordnung. Jede Stunde zählt für künftige Frei-Tage.

Aus der Zeitung: „Die Clubs sind auf verschiedene Distrikte innerhalb von Deutschland aufgeteilt und werden auch von den jeweiligen Mitgliederinnen und Mitgliedern verwaltet.“ Das tut ein bisschen weh.

Bleiben wir bei der Zeitung: Offenbar begibt sich nun auch der Bonner General-Anzeiger auf das Niveau von Qualitätsmedien wie Der Westen online. So berichtet er heute von einem beschädigten Linienbus, der im Stadtteil Duisdorf an einem Bahnübergang gesichtet wurde. Der Bericht beginnt mit dem Zitieren mehrerer Kommentare und Mutmaßungen in einer örtlichen Facebook-Gruppe, einer will gar einen Brand des Busses wahrgenommen haben. Erst eine Anfrage der Zeitung bei den Stadtwerken ergab die wenig konkrete Auskunft, der Bus sei an einem Unfall beteiligt gewesen, bei dem niemand verletzt wurde, gebrannt hat er nicht. Fazit: fünf Spalten Bericht mit Bild des Bahnübergangs (ohne Bus), vier davon mit Facebook-Geschwätz, insgesamt mit einem Informationsgehalt, für den wenige Zeilen ausgereicht hätten. Man hätte auch ganz auf den Bericht verzichten können. Vielleicht mussten sie die Zeitung voll kriegen.

Aus einer Ankündigung für die Lesung der TapetenPoeten am 8. September: „Diesmal dabei: Carsten Kubicki, komische Prosa“ – ja, passt; muss ich mir merken, wenn mal jemand fragt, was ich so schreibe. Oder beruflich mache, da passt es meistens auch.

Samstag: In der Stadt sah ich beim planmäßigen Glasentsorgungsgang fröhlich gekleidete Menschen auf dem Weg zu Jeck im Sunnesching, einer sommerlichen Karnevalsveranstaltung im Rheinauenpark. Der strenggläubige Karnevalist mag dadurch in seinen närrischen Gefühlen verletzt sein, weil es Fastelovend nur zwischen dem elften Elften und Aschermittwoch geben darf. Doch gilt auch hier wie für Spekulatius im September: Niemand wird dazu gezwungen.

Abends waren wir bei der Lesung des Bloggerkollegen Satzverstand. Das war sehr unterhaltsam.

Sonntag: Heute ist der erste September. In den Blogs schaut man schon sehnsüchtig dem Herbst entgegen, wie ich während des in den Sonntagsspaziergang integrierten Biergartenbesuches las. Dabei ist heute bereits meteorologischer Herbstanfang. Dessen unbeeindruckt brannte die Sonne vom blauen Himmel und trieb die Thermometer auf über dreißig Grad, was mich nicht stört.

Der erste September ist für mich auch immer Dienstjubiläum, heute das achtunddreißigste, die Zeit rast. Ab heute gilt für mich außerdem die Fünfunddreißigstundenwoche mit einem freien Donnerstag in jeder zweiten Woche. Beziehungsweise de facto ab morgen. Die kommende Woche wird indes eine Fünftagewoche mit der vorläufig letzten Geschäftsreise von morgen bis Mittwoch, auf die ich mich – ohne jede Ironie – ein wenig freue.

Im Übrigen ein Sonntag wie nach Musterblatt A: katerfreies Erwachen, Frühstück mit den Lieben auf dem Balkon, Lesen der Sonntagszeitung (wo man im Feuilleton-Teil die Wiederbelebung von Oasis eher kritisch beurteilt), Spaziergang durch die Nordstadt und am Rhein, kühlende Stärkung im Lieblingsbiergarten. Alles in allem sehr zufriedenstellend.

Literatur am Wegesrand

Hier eine kleine Vorschau auf kommendes, auch wenn es noch etwas dauert.

Gunkl schrieb: „Venedig ist das Venedig Italiens. Manchmal isses so einfach.“

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern.

Gehampel und Glücksgefühl

Nachdem hier in letzter Zeit fast ausschließlich Wochenrückblicke erscheinen, heute mal wieder ein Aufsatz ohne tagesaktuellen Bezug. Das nachfolgende Textlein schlummerte schon seit längerem in den Entwürfen, höchste Zeit, es in des Netzes Weiten zu entlassen.

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Etwas, wozu ich nur noch selten, viel zu selten komme ist Tanzen. Also nicht als Paar: langsamer oder schneller Walzer, Tango, Cha Cha Cha, Foxtrott, all dieses Gehampel, das man mir in der Jugend erfolglos samstagnachmittags in der Tanzschule beizubringen suchte; noch immer denke ich mit Grausen an diese Zeit zurück und an das Glücksgefühl, als nach Grundkurs und Abschlussball diese wöchentliche Pein für mich überstanden war. Ohnehin besuchte ich die Tanzschule nur aus Gruppenzwang und auf mütterliches Flehen, aus mir selbst heraus wäre ich nie auf die Idee gekommen. Bis heute meide ich Aufforderungen zum Tanz, weil ich es nicht kann und nicht will; ebensogut könnte man mich zum Fußballspielen einladen oder vorschlagen, mir mit einem Hammer auf den Daumen zu hauen.

Was ich meine: Ich möchte mal wieder tanzen, alleine mit vielen auf einer Tanzfläche, zu Oasis, New Order, Tears For Fears. Am besten etwas, das ich mitsingen kann, wobei da nicht viel in Frage kommt, da mich Liedtexte nie interessierten und ich sie zumeist nicht verstehe, weder die englischen noch viele deutsche. „Bochum, ich komm aus dir, Bochum, ich häng an dir, aaafrika …“ Egal, Mitsingen macht auch Spaß, wenn es überhaupt keinen Sinn ergibt, jedenfalls solange keiner zuhört. „Sorry for the rock“ statt „Solid like a rock“. Ganz egal, Hauptsache es rockt. Mich im Takt der Musik bewegen, mich fallen lassen im Rausch des Klanges. Auch wenn es vielleicht komisch aussieht, ich weiß, ich bewege mich nicht gerade elegant (weshalb mich mal wer als „Bewegungslegastheniker“ bezeichnete), auch das ist egal, ich muss in der Menge der Tanzenden niemandem gefallen.

Die Zeiten regelmäßiger Tanzgelegenheiten sind lange vorbei, lange bevor Corona alles durcheinanderbrachte. Längst schon fuhren wir an den Wochenenden nicht mehr regelmäßig nach Köln zu irgendwelchen Partys, was ich keineswegs beklage; mit dem Fortschreiten der Jahre steigt das Ruhebedürfnis und man setzt andere Schwerpunkte. Und doch wäre es mal wieder schön.

Wobei, das letzte Mal ist noch gar nicht so lange her, das war am Sonntag nach dem Godesberger Karnevalszoch, als wir vereinsintern noch ein wenig in der Stadthalle nachfeierten. Zwischen den üblichen Karnevalsliedern und zweifelhaften Schlagern („Der Zug hat keine Bremse“) spielte der Musikbeauftragte immer wieder Hits der Achtziger, meiner großen Fetenzeit. Das war fast so schön wie früher, auch wenn es ganz sicher wieder komisch aussah. Das macht nichts. Hauptsache Glücksgefühl.