Woche 1/2025: Schon mal ein guter Anfang

Montag: Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, fuhr ich heute mal wieder ins Büro. Dort war nicht sehr viel zu tun, der Maileingang während der Weihnachtsurlaubstage überschaubar. Auch sonst war es ruhig, in den anderen Büros und mittags in der Kantine nur wenige Menschen. Das Arbeitsende kam zeitig, morgen habe ich schon wieder frei, um das Gleitzeitkonto zu putzen. Ab Donnerstag dann wieder voller Einsatz. Oder ab nächsten Montag. Spätestens Dienstag.

Weiterhin waren die letzten Fächer des Büro-Adventskalenders zu leeren. Statt den Schokoladeninhalt direkt zu verzehren, verstaute ich ihn vorerst in der Schreibtischschublade. Die Lust auf Süßes hält sich im Moment in Grenzen, neben drei Schoko-Nikolausen (oder -läusen?) liegen dort sogar noch zwei Nougat-Marzipan-Baumstämme. Danke, ansonsten geht es mir gut.

Vergangene Woche äußerte ich mich despektierlich gegenüber der menschlichen Bequemlichkeit, stets den Aufzug statt die Treppe zu nutzen. Als keineswegs konsequenter Mensch nehme ich ihn selbst täglich, um ins Büro zu kommen, das allerdings zurzeit im achtundzwanzigsten Stock liegt, sei zu meiner Ausflucht angeführt. Hierzu ist der Entschluss ergangen, ab sofort einmal täglich wenigstens für eine Teilstrecke aufwärts das Treppenhaus zu benutzen. Damit habe ich heute sogleich begonnen, sogar zweimal: nach dem Treffen der Kollegin vormittags über sieben, nach dem Mittagessen sogar zehn Stockwerke. Das ist schon mal ein guter Anfang.

Ebenfalls bezugnehmend auf den Eintrag vergangener Woche wurde ich darauf hingewiesen, dass die Mehrzahl von Teelicht „Teelichte“ heißt und nicht „Teelichter“. Das ist für einen Sprachpingel wie mich, der gerne Anstoß nimmt an anderer Leute liederlichem Sprachgebrauch, peinlich. Doch ein Blick in den Duden zeigt: Beides ist korrekt. (Glück gehabt.)

Dennoch danke für den Hinweis.

Dienstag: Wie morgens gemeldet wurde, gingen bei der Polizei Notrufe wegen vorzeitig gezündeter Silvesterraketen ein. Warum auch nicht, die Polizisten freuen sich bestimmt, wenn sie was zu tun haben.

Auch dieses heute endende Jahr war das wärmste seit Messbeginn, steht in der Zeitung. An diese Meldung müssen wir uns wohl gewöhnen, jedes Jahr wieder um Silvester, jeweils mit aktueller Jahreszahl.

Im Zusammenhang mit der Kennzeichnung Bonner Fahrradstraßen fällt das Wort „Planungsmeinungen“. Interessant.

Nachmittags schrieb ich den persönlichen Jahresrück- und -ausblick ins Tagebuch, wie jedes Jahr. Damit will ich Sie gar nicht weiter behelligen, vielleicht nur der letzte Satz: Trotz aller weltpolitischen und klimatischen Unwägbarkeiten blicke ich für mich und uns persönlich mit Zuversicht dem neuen Jahr entgegen. – Mag sein, dass das naiv ist. Aber das von vielen nicht nur in den Blogs zu recht beklagte 2024 war für uns persönlich auch nicht schlecht.

Den Silvesterabend verbrachten wir in einem Restaurant an der Adenauerallee, wo ein viergängiges Menü serviert wurde. Essen, Weinbegleitung und Service waren ausgezeichnet. Leider setzte bei mir beim dritten Gang die Sättigung ein, vielleicht komme ich wirklich langsam ins Seniorentelleralter. Dank Unterstützung meiner Lieben kam nichts um.

Das Essen war so zeitig beendet, dass wir gemütlich am Rhein entlang nach Hause spazieren konnten, wo wir vor Mitternacht ankamen. Während der Gehens sahen wir auf beiden Rheinseiten schon zahlreiche vorzeitige Raketen ihre bunten Lichter streuen, hoffentlich ohne Notrufauslösung. Je mehr wir uns der Innenstadt näherten, desto mehr Menschen, vor allem mit Raketen und Böllern hochgerüstete junge Männer versammelten sich am Ufer. Ich vermute eine Schnittmenge mit jenen Testosteronträgern, die im übrigen Jahr in sogenannten Sportwagen mit knallfurzenden Auspuffen durch die Innenstadt brausen. Nur eine Vermutung.

Ich bin übrigens froh, in Bonn zu wohnen und nicht in Hamburg oder Berlin. Der Liebste und ich waren vor Jahren mal zu Silvester in Hamburg. Schon auf dem Weg zur Party am frühen Abend wurden uns in der Menschenmenge alle paar Meter Knaller vor die Füße geworfen; nicht diese kleinen roten Pengmacher, sondern richtig fiese, dicke, laute Dinger. Da beschloss ich, Silvester nie wieder in einer so großen Stadt zu verbringen.

Diesen Jahreswechsel erlebten wir hingegen in altersgerechter Entspanntheit: Mit einem Glas Cremant in der Hand schauten wir vor dem Haus zu, wie andere wieder viel Geld in die Luft jagten.

Rückweg

Mittwoch: Frohes neues Jahr, mit lange schlafen, knappem Frühstück und einem Spaziergang mit dem Liebsten.

Was von 2024 übrig blieb

Donnerstag: Vergangene Nacht schlief ich schlecht, schätzungsweise bis vier Uhr wälzte ich mich wach, obwohl draußen Regentropfen auf die Fensterbank trommelten, was normalerweise schlaffördernd wirkt. Doch wurde das Trommeln untermalt, zeitweise übertönt durch Schnarchen in Stereo Dolby Surround von nebenan.

Erstmals in diesem Jahr ging ich, durch immer noch leichten Regen, zu Fuß ins Werk. Das übliche Foto mit Rhein, Promenade, Siebengebirge und Mutterhaus im Hintergrund denken Sie sich heute bitte, da ich durch den Regenschirm gehindert war, es zu schießen. Es war ohnehin noch dunkel.

„Frohes Neues“ aus allen Mündern. Der Arbeitstag fühlte sich montäglich an, Laune und Arbeitseifer entsprachen ungefähr der Trübnis vor dem Bürofenster. Vielleicht eine Folge des Schlafmangels. Dazu wenig passend eine längere Teams-Besprechung am Vormittag mit einem Lieferanten für ein geplantes Vorhaben, die mehr Aufmerksamkeit meinerseits erforderte als verfügbar. Irgendwie kamen wir dennoch ganz gut durch und vorzeitig zum Ende. Ansonsten weiterhin in den Büros nebenan wenig Betrieb, dafür war mittags die Kantine erstaunlich gut besucht. Meine Hoffnung auf ungestörtes Alleinessen mangels der üblichen Mitesser erfüllte sich nicht, als sich ein gesprächsbereiter Kollege zu mir setzte. Die Unterhaltung war dann aber recht angenehm, insbesondere die Erkenntnis: Mit dem möchte ich auch nicht tauschen. Anschließend ging ich dem neuen Vorsatz entsprechend elf Etagen durch das Treppenhaus hoch ins Büro, ab da weiter mit dem Aufzug. Nicht gleich zu Beginn übertreiben.

„Herzlichen Glühstrumpf“ sagte ein Kollege in anderem Zusammenhang, was meinen Sprachnerv leicht zucken ließ.

Entgegen meiner Abneigung sah ich mich abends genötigt, mit dem Auto zur Musikerprobe nach Bad Godesberg zu fahren. Wegen Regens erschien mir die übliche Radfahrt unangenehm, der Stadtbahnnutzung stand der derzeitige Schienenersatzverkehr entgegen. Ich habe nie behauptet, ein konsequenter Mensch zu sein, der gegen die Verlockungen der Bequemlichkeit immun ist.

Freitag: Morgens nach Ankunft im Büro zeigte sich vorübergehend ein Anflug von Morgenröte und Sonnenaufgang über dem Siebengebirge, ehe dichte Wolken den Himmel verdunkelten; bald darauf war der Turm von Schnee umtost. Zumindest diesbezüglich ist meine Arbeitsstelle aussichtsreich.

Ob es am perfekten Al Dente der Spaghetti lag, die es mittags in der Kantine gab, weiß ich nicht, jedenfalls löste sich beim Essen erneut die Zahnkrone oben rechts hinten, zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Monaten. Das hielt mich nicht davon ab, auch heute nach der Mittagspause über elf Etagen die Treppe zu nehmen, notfalls ginge das ganz ohne Zähne. Glücklicherweise erreichte ich nach Rückkehr ins Büro noch die Zahnarztpraxis meines Vertrauens, was am Freitagmittag nicht selbstverständlich ist; bereits für Montagmorgen wurde mir ein Reparaturtermin eingeräumt. Vielleicht kommt der Zahn doch bald raus, schon lange empfiehlt mir das der Zahnarzt, weil er locker sitzt und Probleme bereiten könnte. Dieser Konjunktiv hielt mich bislang davon ab, da mir der Zahn bislang keinen Kummer machte. Bis auf den gelegentlichen Kronenabwurf halt. Mal hören, was der Dentist Montag sagt.

Kurz vor Feierabend hüllte die Spätnachmittagssonne den Rheinauenpark in gar wunderbares Licht. Die Ufos am oberen Bildrand sind nur Spiegelungen der Bürobeleuchtung.

Samstag: Der Wecker melde sich zu wochenendlicher Unzeit bereits um acht Uhr, da eine Vereinspflicht zu erfüllen war. Diese bestand aus der gemeinsamen Probe mit dem befreundeten Musikverein aus und in Morsbach-Holpe, einem idyllischen Ort im Bergischen Land, der unser Musikcorps demnächst bei der Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft unterstützen wird. Meine anfänglich trübe Stimmung infolge des verhinderten Ausschlafens hellte sich augenblicklich auf, als das erste Stück gemeinsam gespielt wurde. Welch ein Unterschied gegenüber dem Gewohnten, mit so vielen Leuten und unterschiedlichen Instrumenten zu musizieren! Die Begeisterung versetzte mich in länger anhaltendes Grinsen, was beim Trommeln glücklicherweise nicht hinderlich ist; das frühe Aufstehen hatte sich gelohnt.

Im Bergischen Land liegt Schnee. Blick auf Waldbröl-Heide

Sonntag: Die amtlich angekündigte Eisglätte fand in Bonn zum Glück nicht statt, nur Regen ließ ein längeres Verweilen im Bett verlockend erscheinen. Doch auch dieser Tag begann früh, erneut aus karnevalistischen Gründen. In einer Godesberger Kirche wurde die jährliche Mundart-Messe gehalten, an der unsere Karnevalsgesellschaft beteiligt ist mit Musik und Lesungen in rheinischer Sproch. Wie für andere der Heiligabend, ist dies (nicht nur) für mich regelmäßig der einzige Grund im Jahr, mich länger in einer (kalten) Kirche aufzuhalten. Wie immer war es sehr kurzweilig, weil der diensthabende Pastor seine Sache sehr gut macht, gelegentlich wird auch gelacht und applaudiert, was in Gottesdiensten ja sonst eher selten vorkommt. Warum eigentlich? Wenn es den gütigen Gott gibt, hat er bestimmt nichts dagegen.

Vielleicht hat er auch nichts gegen Silvesterfeuerwerk: Fast so heftig wie das zurückliegende sind nun die allgegenwärtigen Forderungen nach einem Verbot, nachdem es – wie jedes Jahr – zu Verletzungen und Todesfällen durch unzulässiges Pyromaterial und mangelnde Vorsicht kam. (Das in diesem Zusammenhang häufig benutzte Wort „tragisch“ ist nur angebracht, soweit Unbeteiligte betroffen sind. Ansonsten ist es schlicht Dummheit.) Seit vielen Jahren geben meine Lieben und ich für derlei Zeug kein Geld mehr aus, auch könnte ich auf Licht- und Knallbegleitung des Jahreswechsels verzichten; das neue Jahr beginnt trotzdem, die bösen Geister bleiben. Gleichwohl stört es mich im angemessenen Rahmen nicht, solange andere nicht bewusst damit belästigt werden, siehe die Anmerkungen vom Dienstag. Auch liegt es mir fern, alle, die Spaß daran haben, pauschal als Vollidioten zu betrachten. Deshalb erscheint mir ein generelles Verbot nicht sinnvoll, zumal die Mehrheit der Pyrofreunde vermutlich besonnen und – soweit man das hier so nennen kann – vernünftig handelt. Vielmehr würden es bestimmte Parteien als weitere Bestätigung ihrer zweifelhaften Thesen missbrauchen.

Spaziergang am Nachmittag. Es gibt kein schlechtes Wetter.

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Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Jahr 2025 mit viel Gesund- und Zufriedenheit sowie wenigstens etwas Optimismus. Es nützt ja nichts, nur noch die bösen Geister zu sehen. Und eine gute Woche; wenn Sie jetzt wieder zu arbeiten beginnen, lassen Sie es möglichst ruhig angehen. Hektisch wird es wieder früh genug.

Woche 10/2022: Unheilstöbern und ein Lichtblick in diesen an Lichtblicken armen Zeiten

Montag: „Nicht jedes Problem ist der Nagel, nur weil ich gerade den Hammer in der Hand habe“, sagte einer während einer Präsentation. Ein sehr schöner Satz, auch wenn ich ihn nicht verstehe.

Wahre Spezialisten für Probleme und ihre Lösungen sind bekanntlich Unternehmensberater, auch für Probleme, Verzeihung: Issues oder Herausforderungen, die erst mit Befall der Werksflure durch die dunkel Beanzugten beziehungsweise Kostümierten entstanden sind. Wie heute zu lesen war, zieht sich nun auch McKinsey aus Russland zurück. Die negativen Auswirkungen auf den Wahnsinnigen und sein Land dürften überschaubar bleiben.

Übrigens wandelt sich Putin in der Berichterstattung immer mehr vom Präsidenten zum Machthaber. Auch das dürfte ihn wenig beeindrucken.

Ein Lichtblick in diesen an Lichtblicken armen Zeiten: „Zum hier essen?“ – „Ja gerne.“ Wie sich bereits in der vergangenen Woche abzeichnete, darf man seit heute wieder in der Kantine essen. Bitte denken Sie sich hier das Bild einer männlichen Person mittleren Alters, die mit dem Ausdruck kindlichen Glücks ihr Dessert auslöffelt.

Dienstag: Wir haben die beste aller Schwiegermütter auf ihrem letzten Weg begleitet. Ich bin nicht (mehr) religiös genug, um zu glauben, sie sei nun an einem besseren Ort. Aber wer weiß, vielleicht liest sie das hier und lässt kurz einen Stern aufleuchten.

Die Beisetzungsfeier war sehr schön, sofern man Beisetzungen mit diesem Attribut versehen kann und darf. Die Musik kam aus der Konserve, da zur Vermeidung der Virenverteilung weiterhin nicht gesungen werden darf. Eine gute Alternative, spontan fielen mir zwei Lieder für meine eigene Verabschiedung ein; dazu werde ich gelegentlich eine kleine Liste erstellen.

Mittwoch: Die Launen des Menschen wechseln bisweilen wie das Wetter. Nur gibt es für letzteres einigermaßen verlässliche Vorhersagen.

Nun kaufen die Menschen statt Klopapier massenhaft Jodtabletten, auch besteht offenbar großes Interesse an Atombunkern, angeblich kann man Plätze darin gar für fünfstellige Beträge bei eBay erwerben. Als ob das irgendetwas nützen würde.

Nützt auch nichts, dennoch freut sich der Chronist:

Donnerstag: Während ich in der Kantine nach längerer Zeit mal wieder Kollegen S. traf und mit ihm kurz Höflichkeiten austauschte, dachte ich: Der ist ja gealtert. Ähnliches dachte er vermutlich über mich.

Ein mir neues Wort gelesen: „Doomscrolling“, auf Deutsch in etwa „Unheilstöbern“. Es bezeichnet die Angewohnheit, im Netz vor allem die Katastrophenmeldungen wahrzunehmen, mit allen negativen Folgen für die Psyche. Derart Stöbernde sind zurzeit sicher gut beschäftigt.

Freitag: Ein anderes Wort las ich in der aktuellen Ausgabe der PSYCHOLOGIE HEUTE: „Talkoholics“. Es bezeichnet solche, die keine Hemmungen kennen, ihre Mitmenschen um den Verstand zu quatschen. Sicher fällt dazu auch Ihnen mindestens eine Person aus Ihrem beruflichen oder persönlichen Umfeld ein.

Dieses Spritpreisgejammer nervt. Wem es zu teuer ist, fahre einfach weniger Auto oder, wenn das angeblich nicht möglich ist, wenigstens langsamer. „Aber meine Freiheit … mimimimi…“

Gelesen bei Frau Novemberregen: »Der 12.3. ist ein Datum, auf das ich mich seit dem 7.2. freue und da kam es mir noch extrem weit weg vor, ich dachte, am 12.3. sei sicher schon alles irgendwie anders – ist es natürlich auch, aber ich dachte anders-besser nicht anders-schlechter. Ich muss exakter denken.«

Samstag: Die liebe Freiheit – Mallorca erwartet eine baldige Rückkehr der Touristen in großer Zahl. Plakate in der Stadt werben wieder für Partys und Veranstaltungen, ohne den darüber geklebten Hinweis auf eine Verschiebung um einige Monaten oder ins nächste Jahr. Fußgängerzone und Lokale sind voller Menschen. In einer Woche sollen trotz steigender Zahlen und ständig erneuerter Rotwarnung in der Corona-App fast alle Beschränkungen aufgehoben werden. – Was jetzt als „Rückkehr zur Freiheit“ und „Freedom Day“ gefeiert wird, fühlt sich für mich gerade so falsch an wie sich nur etwas falsch anfühlen kann. Aber wahrscheinlich sehe ich mal wieder alles viel zu pessimistisch.

Apropos Partys – Immer häufiger ist „Hobbies“ und „Parties“ zu lesen ist, wenn Hobbys und Partys gemeint sind, was zu beanstanden mir fern liegt. Vielmehr ist zu erwarten, dass das schon bald die korrekte Schreibweise sein wird, warum auch nicht, so wie die roten die braunen Eichhörnchen verdrängen (oder umgekehrt, ich weiß es gerade nicht). Indes las ich bereits mehrfach „Dixieklo“, was nur dann akzeptabel ist, wenn statt der bekannten blauen Bedürfniszellen öffentliche WC-Anlagen mit regelmäßigen Jazzveranstaltungen gemeint sind oder Toiletten, die beim Anheben des Deckels Banjomusik abspielen. Sonst eher nicht.

Sonntag: O ihr Verdammten, versklavt durch eure Datengeräte! Wundert ihr euch wirklich, wenn eure Kinder komisch werden und nicht mehr mit euch sprechen?

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Haben Sie eine angenehme Woche voller Lichtblicke und möglichst wenig Unheil und Issues.

Woche 9/2022: Jedem seinen Alb

Montag: Nachdem ich gegen halb vier in der Frühe aus einem nicht sehr unangenehmen Traum erwacht war, hinderten mich innere wie äußere Unruhe zunächst am Wiedereinschlafen. Erst gegen fünf fand ich erneut in den Schlaf, ehe mich die Radionachrichten um halb sieben zum Aufstehen in eine neue Woche motivierten. (Sie dürfen hier gerne eine gewisse Ironie vermuten.)

Dienstag: Auch die zurückliegende Nacht war von wenig Schlaf gesegnet. Dieses Mal war es der Nachbar von oben, der mit Freunden bis drei Uhr offenbar eine kleine Karnevalssitzung in seiner Wohnung abhielt, zwar nicht mit lauter Musik, dafür mit wiederholter Polonaise über die nur mäßig schallgedämpfte Stahlwendeltreppe und mehrfachem geräuschvollem Möbelrücken. Eine am Morgen schriftlich verfasste Protestnote meinerseits wird ihn vermutlich so wenig beeindrucken wie den russischen Präsidenten Friedensdemonstrationen im Ausland. Zu weitergehenden Sanktionen fehlen mir leider die Möglichkeiten, da wir keine Geschäfts- noch sonstige Beziehungen mehr pflegen. „Guter Zaun – gute Nachbarschaft“ las ich kürzlich irgendwo. Da ist was dran. Leider sind Zäune selten schalldicht.

Morgens kam mir einer entgegen, komplett dunkel gekleidet mit schwarz vermummtem Gesicht unter tiefgezogener Kapuze, die Augen nicht zu sehen, wie der Tod persönlich auf dem Weg zu seinem Tagwerk. Statt einer Sense trug er eine Große Packung Tabak mit sich, darauf deutlich sichtbar der Hinweis „Rauchen tötet“. Manchmal passt es einfach.

Mittwoch: Nach dem Mittagessen bei aktueller Vorfrühlingshaftigkeit im Freien unternahm ich einen Spaziergang durch den Rheinauenpark, wo der Wasserstand der Teiche wegen Wartungsarbeiten zurzeit stark abgesenkt ist. Dort fauchte mich eine Wildgans am Wegesrand an, sonst die friedlichsten Wesen. Vielleicht erzürnte sie das Niedrigwasser. Vielleicht war sie einfach nur gereizt, wie so viele in dieser Zeit.

Bei der Rückfahrt wurde ich auf dem Radstreifen zweimal von abbiegenden Autos behindert. Darüber hätte ich mich erzürnen können, aber wem wäre damit geholfen gewesen?

Gar nicht erzürnt, eher erleichtert nahm ich eine abends im Briefkasten vorgefundene Absage des Arbeitgebers auf eine Bewerbung zur Kenntnis, bleiben mir dadurch doch viel zusätzliche Arbeit und am Ende zwei Klausuren erspart. Andere wurden halt für noch geeigneter gehalten, das ist völlig in Ordnung.

Ich weiß nicht, ob ich es schon mal erzählt habe, als Täglichblogger über fünfzig hat man da nicht immer den Überblick: Manchmal träume ich, in absehbarer Zeit stünde eine große schriftliche und mündliche Abschlussprüfung an, für die es noch viel zu lernen gibt, mehr als bis dahin Zeit zur Verfügung steht, und von der alles abhängt, wie einst das Abitur und die Laufbahnprüfung für die Weihen der gehobenen Beamtenlaufbahn. Das sind diese Träume, bei denen sich unmittelbar nach dem Erwachen breites Grinsen der Erleichterung einstellt. Andere werden von wilden Tieren verfolgt oder stehen nackt im Aufzug, ich schreibe Klausuren, so hat ein jeder seinen Alb.

Immerhin hat mich das damalige Bestehen der Prüfungen davor bewahrt, heute im Social-Media-Team eines Unternehmens zu arbeiten, wo ich fremde Leute ungefragt duzen muss.

Im Übrigen bewundere ich Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Abends sah ich einen, der sich aus dem örtlichen Imbisslokal eine Currywurst im flachen Pappschälchen geholt hatte, damit auf sein Fahrrad stieg und freihändig davonradelnd die Wurstscheiben aufgabelte. Freihändig Fahrrad zu fahren gehört zu den Dingen, die ich nie gelernt habe, genauso wenig wie bei rollendem Rad auf- und abzusteigen. Daher staune ich immer wieder, mit welcher Leichtig- und Selbstverständlichkeit andere es tun, auch ohne Currywurst im Pappschälchen.

Da war er schon weggeradelt. Mir gefiel das Motiv dennoch.

Donnerstag: »Stand with Belarus« fordert ein verwitterter, ausgeblichener Aufkleber, den ich morgens auf dem Fußweg ins Werk an einem Lampenpfahl sah. Das hat sich inzwischen irgendwie erledigt, wenn auch völlig anders als von dem Aufkleber (also sowohl dem Klebezettel als auch der ihn aufklebenden Person) ursprünglich gemeint.

„Das ist sowas von irrational“, sagte einer, der mir entgegenkam, zu seinen beiden Begleiterinnen. Wir können nur vermuten, was er meinte, aber vermutlich hat er recht.

Ansonsten war es morgens kalt und optisch ansprechend.

Aus der Reihe „Schiefe Bilder“: »Die Verkehrsberuhigung des Rheinufers zwischen Rosental und Zweiter Fährgasse soll ab Juli Fahrt aufnehmen«, schreibt der General-Anzeiger zur angestrebten städtischen Verkehrswende. Wünschen wir ihr gute Fahrt.

Freitag: Weiterhin verkauft die Kantine zur zum Mitnehmen. Als ich mittags bei der Entgegennahme des Zweikammer-Mehrweg-Mitnahmegefäßes die Dame an der Kasse fragte, ab wann man dort wieder stationär essen darf, von einem richtigen Teller und mit anschließendem Dessert, stellte sie eine Rückkehr zum Normalbetrieb ab nächster Woche in Aussicht. „Wenn alles gut geht“, fügte sie hinzu. Schiefgehen kann zurzeit ja vieles, vom Ausfall der Heizung bis hin zum Atomkrieg. Hoffen wir also mit ihr, dass alles gut geht.

Samstag: Die Zeitung berichtet Neues von der Endlos-Baustelle der Bonner Beethovenhalle. Nicht eine erneute Steigerung der Baukosten oder Verzögerung der Fertigstellung waren Gegenstand, sondern die Wasserhähne in den Sanitäranlagen, aus denen künftig nur noch kaltes Wasser zur Handreinigung laufen wird. Falls die Halle jemals fertig und in Betrieb gehen wird. Von zahlreichen Gaststätten und öffentlichen Toiletten nichts anderes gewohnt sehe ich darin kein Problem, doch sind empörungsvolle Leserbriefe Bonner Bürger diesen Mangel betreffend in Kürze zu erwarten.

Auch auf die Gefahr hin, anbiedernd zu wirken, was nicht beabsichtigt ist – ein weiteres Mal komme ich nicht umhin, Herrn B. zu zitieren, weil er schreibt, was ist:

»… wobei ich auch das Wort spannend furchtbar finde, und zwar nicht erst seit neuerer Zeit, sondern schon seit alle Menschen alles spannend finden, ihre Aufgaben, ihre Jobs, ihre Beziehungen, die Entwicklungen, den Krieg, alles ist spannend und ich denke immer, ihr spinnt doch.«

Sonntag: Ausgeschlafen, langer Spaziergang, Sonnenschein, schauen wir zum Ende der Woche mal auf die positiven kleinen Dinge, die es auch noch gibt.

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„Utepils“ ist nicht der Name der Biermarke einer Brauerei in Frauenhand, sondern verwenden laut PSYCHOLOGIE HEUTE die Norweger dieses Wort für das erste, besonders wohlschmeckende Bier des Jahres, das bei Frühlingssonnenschein draußen genossen wird. Also immerhin etwas, auf das man sich noch freuen kann.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche. Lassen Sie sich durch die aktuellen Ereignisse nicht allzu sehr die Stimmung beeinträchtigen und bewahren Sie sich den Blick für die kleinen, angenehmen Dinge. Ich versuche es ebenfalls.

Woche 33/2021: Salätchen und Pudding

Montag: Die Kette der schlechten Nachrichten scheint nicht abzureißen – Flutkatastrophe, brennende Wälder und Häuser, Klimawandel sowieso, Erdbeben, Afghanistan. Doch darf man dabei die guten nicht übersehen. Eine solche erreichte mich gegen Ende eines viel zu langen Arbeitstags mit viel zu vielen Besprechungen und gedanklichen Themensprüngen im Halbstundentakt ohne Denkpausen dazwischen, zwischendurch ging auf dem Bildschirm immer wieder das Skype-Fensterchen auf, weil schon wieder einer was wollte, dazu eingehende Mails im Minutentakt. An solchen Tagen fühle ich mich zunehmend zu alt für diese künstliche, unnötige Hektik. – Ach ja, die gute Nachricht: Ab Mittwoch öffnet nach monatelanger Umbauzeit endlich wieder die Kantine, so richtig mit Hinsetzen, Geschirr und Besteck, Salätchen dabei und Pudding danach. Vorbei die Zeiten, da es Mittagessen nur zum Mitnehmen gab, das man dann im günstigsten Fall auf einer Bank im Freien aus der Einwegverpackung löffelte. (Wobei es zum Verzehr nur in Ausnahmefällen eines Löffels bedurfte, aber „messerte und gabelte“ erscheint ungebräuchlich.) Als die Mitteilung kam, lächelte ich vermutlich kurz.

Damit nicht genug – die zweite gute Nachricht des Tages, die es ebenfalls voraussichtlich nicht in die Tagesschau schaffen wird: Der Liebste hat Urlaub angemeldet; wenn es gut läuft und die Seuchensituation es erlaubt, sind wir in fünf Wochen in Südfrankreich.

Dienstag: Regnerische Kälte den ganzen Tag. Ich mag den Herbst wirklich sehr, er ist meine liebste Jahreszeit, vielleicht weil auch für mich mittlerweile des Lebens Herbst angebrochen ist, oder mindestens Spätsommer mit ein paar letzten warmen Tagen; statt das Auge erfreuendem buntem Laub ergrauende Schläfen, weiße Nasen- und (wenige) Brusthaare; statt fallenden Blättern eine Lichtung am Hinterkopf. Führte ich eine persönliche Hitparade, stünde das Loblied für den Herbst ziemlich weit oben. Aber doch nicht jetzt schon – mitten im August.

Mittwoch: In Bonn wird seit geraumer Zeit gestritten um den Bau eines Radschnellweges, für den im Rheinauenpark eine größere Anzahl alter Bäume gefällt werden müsste. Eine nicht ganz einfache Situation für die regierenden Grünen. Im Übrigen Radschnellweg – wer braucht denn sowas? Sollen die Rennradraser in ihren bunten Stramplern und beigen Elektrorentner etwa noch schneller fahren?

Wie am Montag erwähnt, ist seit heute die Kantine wieder geöffnet. Schön ist sie geworden. Da ich es extrem albern finde, ein Foto von meinem Essen zu machen und es ins Netz zu stellen, habe ich davon Abstand genommen, wenngleich ich kurz versucht war, es heute ausnahmsweise zu tun. (Stellen Sie sich stattdessen eine Frikadelle mit grobkörniger Senfhaube an Kartoffel-Gurken-Beilage vor.) Jedenfalls war ich sehr zufrieden und bin es noch.

Als ich abends aus der Bahn stieg, ging vor mir eine Gruppe junger Burschen, Studenten vielleicht. Als sie an einer Spiegelwand vorbei gingen, winkte einer seiner Reflexion zu, als wollte er sich seiner selbst vergewissern: „Bin ich es wirklich, dieser überaus hübsche Jüngling? Schnell mal winken … ja, ich bin es tatsächlich!“

Donnerstag: Es dürfe „kein weiteres 2015 geben“, heißt es in diesen Tagen allüberall mit bangem Blick in Richtung Afghanistan. Da kann ich beruhigen: Nach jetzigen Erkenntnissen sieht unser Kalender das mittel- bis langfristig nicht vor.

Mein Werkskalender war heute prall gefüllt mit Besprechungsterminen, was die Morgenlaune ein wenig trübte. Doch soll man den Tag nicht vor dem Abend schmähen: Von geplanten 6,5 Stunden wurden 2,5 Stunden abgesagt.

Freitag: Laut Zeitungsbericht werden in Bonn besonders viele Wahlplakate zerstört. Kein Wunder bei den inhaltsleeren, austauschbaren Floskeln um Wohlstand, Sicherheit, Klima, Bildung, Digitalisierung, Gerechtigkeit und Flüchtlinge. Warum steht da nicht mal was Ehrliches drauf? Vorschlag: „Eine bessere Welt können wir nicht versprechen. Doch lassen Sie es uns versuchen.“ Da würde ich mein Kreuzchen wohl machen.

Samstag: Zeitungsartikel-Überschrift des Tages: „Ruhe finden am Ort der Hinrichtung“.

Ach was: Heute vor zehn Jahren starb Loriot. Die Lücke, die er hinterließ, blieb seitdem ungefüllt.

Während einer Autofahrt ins Ostwestfälische zwang mich endloses Fußballgeschrei im Radio zu einem Senderwechsel. So landete ich bei WDR 4, jenem Sender, den ich seit den Acht- und Neunzigern möglichst mied, weil er störsendergleich mit billigstem Schlager-Trallala das Ohr quälte, der sich dennoch oder deshalb bei Älteren großer Beliebtheit erfreute. Wie ich nun feststellte, spielen die da inzwischen richtig gute Musik.

Sonntag: Auf der Rückfahrt begeisterte mich weiterhin WDR 4, wo mich unter anderem „Also sprach Zarathustra“ von Strauss und „Shout“ von Tears For Fears mehrfach die Lautstärke hochregeln ließen, was Roger Whittaker vor dreißig Jahren kaum gelungen wäre. Oder hat sich in Wahrheit der Sender gar nicht gewandelt, nur mein Musikgeschmack ist gealtert?

„Rauchen mindert Ihre Fruchtbarkeit“, steht auf einer Zigarettenschachtel. Wäre das nicht eher ein Argument für das Rauchen?

Die Taliban und die vierte Welle – beide kamen früher als von manchen erwartet.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme neue Woche mit möglichst vielen Lächelanlässen, guten Nachrichten und wenigen Besprechungen.

Woche 42: Mit emissionsfreien Panzern dem Weltfrieden ein Stück näher

Montag: Vergangene Nacht träumte ich die Feier meines achtzigsten Geburtstages. Bemerkenswert war, noch immer erfreute ich mich eines äußerlich recht guten Erhaltungszustandes. Das Erschreckende: Noch immer verzichteten wir aus dem bekannten Grund weitgehend auf näheren Körperkontakt. Nur meine Eltern umarmte ich kurz.

Man solle „positiv bleiben“, las ich in einer werksinternen Mitteilung als Empfehlung im Umgang mit der Seuche. Ich weiß ja nicht.

In der Kantine wird nun per Plakaten dazu aufgefordert, keine Stühle an andere Tische zu rücken und auf die gebotenen Abstände zu achten (was man ohnehin immer tun sollte, auch wenn gerade keine Seuche dräut). So weit so gut. Dessen ungeachtet scheinen viele Kollegen weiterhin nur dann in der Lage zu sein, eine warme Mahlzeit zu sich zu nehmen, wenn der Gesprächspartner gegenüber sitzt. Wenn wegen dieser Trottel die Kantine demnächst wieder schließen muss, dann ist aber was los!

Trotz äußerst geringem Interesse an, um nicht zu schreiben: tiefer Abneigung gegen Autos fiel mir mittags auf dem Weg von der Kantine ein Golf II auf. Die sieht man ja auch nicht mehr so oft; ob das gut oder schlecht ist, mag ein jeder für sich entscheiden. Sieh an, ein Golf II, so einen hatte ich auch mal, dachte ich so vor mich hin. Was man halt so denkt, wenn man irgendwas sieht, womit man gerade nicht gerechnet hat, wie „Kuck mal, ein Eichhörnchen“ und so. Der Gedanke war noch nicht zu Ende gedacht, da kam von der anderen Seite ein weiteres Exemplar angerollt, und auf dem Rückweg vom Werk sah ich den dritten des Tages an mir vorbeibrausen. Manchmal ist das Leben eine Ansammlung seltsamer Zufälle. Oder war heute Welt-Golf II-Tag? So etwas bekomme ich ja selten mit.

Dienstag: Morgens auf dem Fahrrad spürte ich erstmals in diesem Herbst heftiges Handschuhvermissen.

Laut einem Zeitungsbericht präsentierten mehrere Industrieunternehmen Konzepte zum Klimaschutz durch Wasserstoffnutzung, unter anderem der Rüstungskonzern Rheinmetall. Das ist zu loben: Mit emissionsfreien Panzern dem Weltfrieden ein Stück näher.

Etwas weiter auseinander rücken unterdessen wieder die lieben Kollegen in der Kantine. Seit heute überwachen Sicherheitsleute die Abstandseinhaltung und sprechen die Auge-in-Auge-Esser bei Bedarf an. Na geht doch.

Ansonsten zeigte sich der Herbst mittags von einer überaus schönen Seite.

Mittwoch: „Die deutsche Luftwaffe trainiert mit Nato-Partnern die Verteidigung des Bündnisgebiets mit Atomwaffen“, las ich beim ersten Kaffee des Tages in der Zeitung, woraufhin die linke Augenbraue hochfuhr. „Bei Übungsflügen wird dann allerdings ohne Bomben geflogen“, hieß es weiter, woraus ich schließe, man verzichtet auch auf deren Abwurf, jedenfalls vorerst.

Sie kennen vielleicht noch Alf, der eigentlich Gordon Shumway hieß, jenen fellflauschigen kleinen Kerl mit der großen Nase vom Planeten Melmac, der in den Achtzigern (ist das wirklich schon so lange her?) die amerikanische Familie Tanner terrorisierte und immer wieder ein kulinarisches Auge auf den Kater des Hauses warf. Von ihm stammt der wunderbare Satz „Es ist nie zu früh und selten zu spät“, bitte fragen Sie mich nicht, in welcher Folge er das warum sagte; kurz darauf explodierte der Backofen der Tanners, soweit ich mich erinnere. Egal. Dieser Satz fiel mir heute Morgen auf dem Weg ins Werk wieder ein, als ich in einem Schaufenster den ersten Weihnachtsbaum im Lichterglanz erstrahlen sah. Warum auch nicht, Dominosteine und Marzipanbrote gibt es ja auch schon seit einigen Wochen zu kaufen, und wer weiß, was bis Weihnachten noch geschieht.

Apropos Weihnachten – wie ist das eigentlich: Wenn der Geschäftsbereichsleiter, der mir auf der letzten Weihnachtsfeier (damals, als es so etwas noch gab) in augenscheinlich zurechnungsfähigem Zustand das Du anbot, mich jetzt wieder siezt, darf ich ihn dann trotzdem weiter duzen? So rein kniggetechnisch?

Donnerstag: Der Tag verlief in angenehmer Gleichförmigkeit ähnlicher Arbeitstage, mit leichter Vorfreude auf das nahende Wochenende, ohne bloggenswerte Ereignisse, Erkenntnisse oder Beobachtungen. Nur der Staubsauger heulte abends mein sein tägliches Leid Lied. Genau.

Vielleicht noch dieses: Vor der Nachtruhe beendete ich die Lektüre des Buches „Das Gewicht der Worte“ von Pascal Mercier. Ein lesenswertes Buch über Schreiben, Sterben und ein wenig Südfrankreich, das ich irgendwann nochmals lesen möchte, daher kommt es nicht in den öffentlichen Bücherschrank. Als nächstes vom Stapel der Ungelesenen dann „Wann hören wir auf, uns etwas vorzumachen?“ von Jonathan Franzen. Die Länge des Titels verhält sich umgekehrt proportional zum Umfang des Buches – es hat mal gerade 59 äußerst großzügig bedruckte Seiten -, von daher eher eine literarische Zwischenmahlzeit.

Freitag: „Hi P., please find my feedback below“, las ich im Mailverkehr zwischen zwei deutschsprachigen Kollegen, auch im Cc-Verteiler befand sich kein Fremdsprachler. Was für ein Monkey.

Dazu passend das Jugendwort des Jahres: „lost“. Ach was, würde Loriot sein Knollennasenmännchen sagen lassen, denn: „Da bin ich lost“ sagte mein damaliger Chef schon vor ziemlich genau zehn Jahren. Der war auch sonst etwas seltsam, nicht nur wegen seiner Vorliebe für scheinkluge Anglizismen.

Etwas seltsam fand ich auch die Dame, die ich mittags dabei beobachtete, wie sie mit dem Fuß bzw. Schuh das grüne Ampelmännchen anforderte. Somit hat man nicht nur vermeintliche Viren, sondern auch Hundekot und sonstigen Straßenunrat an den Fingern, wenn man regelkonform und den Kindern zum Vorbild eine Straße überqueren möchte. Daher immer schön die Hände waschen, aber das wissen Sie ja.

Aus dem bekannten Grund sollte man ohnehin bis auf weiteres unnötige Ortswechsel meiden. Dem Leserbrief von Mario C aus A im heutigen General-Anzeiger zum umstrittenen Beherbergungsverbot stimme ich daher zu:

„Das ist nun einmal der jetzigen Zeit geschuldet, aber nicht der Absicht der Zielorte, mögliche Infizierte nicht aufnehmen zu wollen. Die Absicht, sich zu schützen, kann wohl jeder verstehen, oder? Also sind es die Reisewilligen, die, wenn sie sich nicht von ihrem Willen abhalten lassen wollen, sich flexibel einzustellen haben.“

Samstag: „Termin: 22.12.1994“, hat jemand an eine Hauswand in der Innenstadt geschrieben. Die Anschrift muss neu sein; da ich an dieser Hauswand einigermaßen regelmäßig vorbei gehe, wäre mir das ansonsten längst aufgefallen. Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, warum man anderer Leute Häuser bemalt und beschriftet: Warum schreibt man einen seit fast sechsundzwanzig Jahren überfälligen Termin an eine Wand?

An einen Lampenmast hat einer einen Aufkleber angebracht: „Arbeit ist Mist.“ Gewiss, mag sein, aber nur, wenn man eine hat, klebe ich gedanklich darunter.

Sonntag: Kennen Sie das, wenn Sie gerne etwas tun würden, ohne die konkrete Umsetzung auch nur ansatzweise in Erwägung zu ziehen? Dieser Gedanke kam mir am Vormittag, als wieder der weiße Porsche mit bullerndem Motor vor dem Haus stand, um die junge Dame aus dem Nebenhaus abzuholen. Da dachte ich: Jetzt ein Blumentopf oder ein anderer schwerer Gegenstand, ein Amboss vielleicht, zufällig genau auf die Motorhaube … Wirklich, das würde ich niemals tun, zumal wir keinen Amboss im Haus haben, wozu auch. Aber der Gedanke bereitete mir eine gewisse Freude, deshalb sei er mir erlaubt.

Freude bereitete mir auch ein langer Spaziergang, den ich nutzte, um Stadt, Land und Fluss bei der Herbstwerdung zuzuschauen.

Sonstige Erkenntnis des Tages: Frechheit lohnt sich. Bei geschicktem Vorgehen wird sie sogar mit Kuchen belohnt.