Woche 2/2025: Lustfahrt nach Kaisersesch und alltägliche Akrobatik

Montag: Obwohl der Tag mit einem Zahnarztbesuch begann, war es kein schlechter Wochenstart. Die am vergangenen Freitag abgelöste Krone befindet sich nun wieder an der vorgesehenen Stelle, mal sehen, wie lange dieses Mal. „Der Weisheitszahn muss irgendwann raus“, sagt der Zahnarzt. Ich weiß. Diese eine Chance sei ihm noch gewährt.

In die Büros ist das Leben zurück gekehrt, rundherum wieder geschäftiges Geplapper, wo die Tage zuvor angenehme Stille herrschte. Diese Woche wäre eigentlich kleine Woche, also Viertagewoche mit freiem Donnerstag. Der scheitert jedoch an bis dahin angesammelten Stunden auf dem Gleitzeitkonto, weil das zum Jahreswechsel auf Null gesetzt wurde und seitdem nicht genug Arbeitstage waren, um genug frische Stunden anzuhäufen. Ich könnte den freien Tag trotzdem nehmen, dann fiele das Konto vorübergehend ins Minus. Das ist nicht verboten, doch irgendwie fühlt sich das für mich wie Betrug an. Aus ähnlichen Gründen vermeide ich es auch stets, mein Girokonto zu überziehen. Gut, dann fallen auch noch vermeidbare Zinsen an. – Vielleicht bin ich doch ein besserer Arbeitnehmer als selbst angenommen.

Der Urlaub im September ist gebucht, zwei Wochen Malaucène in Südfrankreich; nachmittags leitete der Liebste die Bestätigung des Vermieters weiter. Auch wenn bis dahin noch viel Zeit vergeht, in der viel passieren kann, freue ich mich schon jetzt sehr darauf. Es ist immer gut, wenn man sich auf etwas freuen kann.

Abends sah ich im Fernsehen eher zufällig den Jahresrückblick von Dieter Nuhr. Ich mag ihn, auch wenn (oder gerade weil?) er umstritten ist; bei manchen seiner Äußerungen denke auch ich: Uiuiui. Der folgenden Satz findet aber vielleicht auch Zustimmung in Kreisen, die ihn gerne in die rechte Ecke stellen: „Wenn deutsche Männer sich beschweren, etwas sieht schwul aus, dann sieht es in hundert Prozent der Fälle besser aus als die, die sich beschweren.“

Dienstag: Tagesgerecht ging ich zu Fuß ins Werk und zurück. Der Rheinpegel ist angestiegen, die Anlegestege geraten langsam in die Waagerechte. Überall nun wieder Wahlplakate, die mir nicht nur wegen aussageloser, beliebig austauschbarer Parolen (wie diese: „Mehr für dich. Besser für Deutschland.“) nicht weiterhelfen; ich bin dieses Mal leider völlig ratlos, wen ich wählen soll. Immerhin weiß ich, wen ganz bestimmt nicht.

Im Büro teils nervenzehrende Unruhe, weil in beiden Nebenbüros unentwegt und laut gesprochen wurde, gerade so, dass ich nicht alles verstand, aber doch immer wieder einzelne Satzteile wahrnahm (auch nebenan ging es zeitweise um Politik), was meiner Konzentration nicht sehr dienlich war. Ansonsten einer der seltenen Tage ohne einen einzigen Besprechungstermin.

Laut einer Umfrage zum Thema Arbeitseifer gibt knapp die Hälfte der befragten Arbeitnehmer ihr Bestes am Arbeitsplatz, berichtet die Zeitung. Das ist, gemessen am allgemeinen Gejammer, ein beachtlicher Wert, finde ich. Zur Aufrechterhaltung meiner Motivation habe ich beschlossen, den Donnerstag doch frei zu nehmen und das Gleitzeitkonto vorübergehend zu überziehen, es kostet ja nichts und füllt sich bald wieder. Wie ich den Tag verbringen werde, entscheide ich dispositiv nach Wetterlage. Gesetzt sind schon mal Ausschlafen und Frühstück im Kaufhof-Restaurant. Mir wird gewiss nicht langweilig.

Nach dem Mittagessen zwölf Etagen zu Fuß nach oben. Läuft.

Morgens

Mittwoch: „Wir laufen da full speed ahead“ sagte einer in der Besprechung. Noch schöner wäre gewesen: „Wir sind tatsächlich full speed ahead unterwegs.“

Wie lange muss man eigentlich noch „Frohes Neues“ sagen, gibt es da Richtlinien? So ganz neu ist es ja inzwischen nicht mehr; ob froh, wird sich zeigen. Bis jetzt bin ich immerhin verhalten zufrieden.

Vielen Dank an den Blogger-Kollegen in Duisburg für den Brief, der heute im Briefkasten lag, wieder mit mechanischer Schreibmaschine erstellt. Wie immer habe ich mich sehr darüber gefreut und werde so bald wie möglich antworten. Gut, dass ich letzte Woche bereits Ergänzungsbriefmarken zu zehn Cent gekauft habe.

Donnerstag: Wie geplant begann der freie Tag mit einem externen Frühstück und Zeitungslektüre im Kaufhof-Restaurant. Kurz zuvor wechselte der Regen zu starkem Schneefall. So oder so kein Wanderwetter. Alternativ unternahm ich eine Lustfahrt mit der Bahn in die Eifel, konkret nach Kaisersesch, das stand schon länger auf meiner Liste. Trotz gewisser Stockungen wegen Bauarbeiten zwischen Bonn und Remagen war es sehr erfreulich, besonders die Fahrt von Andernach bis Kaisersesch und zurück durch die verschneite Eifel.

Da sich nicht nur Wandern, sondern auch Bahnlustfahren bei mir appetitanregend auswirkt, suchte ich nach Rückkehr in Bonn ein Lokal auf für die traditionelle Currywurst mit Bierbegleitung.

Kurz nach Ankunft in Kaisersesch
Ebendorten
Auf der Rückfahrt zwischen Urmersbach und Monreal

Freitag: Wegen unklarer Glättesituation nahm ich morgens die Bahn. Eine sinnvolle Entscheidung, auf dem Fußweg von der Haltestelle zum Werk war es stellenweise recht rutschig. Langsam komme ich in ein Alter, wo man da etwas aufpassen sollte; ein Oberschenkelhalsbruch kann schnell das baldige Ende bedeuten, was meinem Plan zuwider liefe, mich irgendwann totzulachen, nachdem ich mich selbst verarscht habe. Vielleicht aus ähnlichen Gründen blieben heute viele Kollegen dem Büro fern, auf dem Flur herrschte angenehme Stille.

Zurück ging ich zu Fuß und besichtigte das inzwischen aufgelaufene Rheinhochwasser. Schon oft hat man es gesehen, doch geht man jedes Mal wieder schauen.

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Laut kleiner kalender ist heute Ehrentag der Zimmerpflanze. „Die Pflege der eigenen Zimmerpflanzen sollte nie vergessen werden, denn immerhin handelt es sich bei Pflanzen um Lebewesen“, so der etwas ungelenke Begleittext. Millionen von Weihnachtssternen wird das nichts nützen, die nun wieder, oft noch in voller Pracht, entsorgt werden, weil das namensgebende Fest vorüber ist. So sind die Menschen. Jedenfalls viele.

Samstag: Der Tag verlief zunächst in angenehmer Samstäglichkeit mit lange Schlafen und externem Frühstück in einer für uns neuen Lokalität, womit wir sehr zufrieden waren. Den wöchentlichen Altglasentsorgungsgang verband ich wieder mit einem Spaziergang an den weiterhin hochwässrigen Rhein.

Abends besuchten wir das GOP., ein Varieté-Theater, wo Menschen unglaubliche Akrobatik auf die Bühne bringen. Einer ließ sich mitsamt anhängender Turnpartnerin an den Zähnen nach oben ziehen, zwei warfen sich eine größere Anzahl Jonglierkegel zu, während sie sich aus- und wieder ankleideten, junge Frauen verbogen ihre Leiber derart, dass die Vermutung nahe lag, sie verfügten über Gummiknochen. Insgesamt faszinierend für mich, der weder länger als eine Sekunde auf einem Bein stehen noch freihändig Fahrrad fahren kann.

Wobei letzteres nicht so schwer zu sein scheint, viele andere tun es auch. Dabei ziehen sie die Jacke aus, telefonieren, schreiben WhatsApp-Nachrichten, schauen Serien und verzehren warme Mahlzeiten. Alltägliche Akrobatik auf zwei Rädern, wer will ihnen verübeln, wenn sie dabei Verkehrsregeln wie rote Ampeln nicht immer im Blick haben. Vielleicht kann ich es doch, nur erscheint es mir zu riskant, es auszuprobieren.

Sonntag: Die Tage äußerte ich mich über Wörter, die ich aus unerklärlichen Gründen trotz ihrer Unschuld nicht ausstehen kann. Dazu wäre ein weiteres zu ergänzen: Snack. Einfach grauenhaft.

Im Übrigen ein angenehmer Sonntag mit Spaziergang auf die andere Rheinseite, wo die Auen der Siegmündung und die Hundewiese vor dem Deich überflutet sind. Beim Gehen sah ich zahlreiche am Straßenrand entsorgte Weihnachtsbäume, nur wenige haben Nadeln abgeworfen, die meisten noch gut in Schuss. Auch so ein Unfug mit Tradition. Nur meine persönliche Meinung, es liegt mir fern, ein Verbot zu fordern.

Weiterhin sah ich über Schwarzrheindorf eine Formation Kraniche in Richtung Süden ziehen. Vermutlich Spätentschlossene.

Siegauen
Hundewiese, zurzeit für Seehunde (Verzeihung)
Schwarzrheindorf

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, rutschen Sie nicht aus.

Woche 23/2024: Man muss es schon mögen, um es zu ertragen

Montag: Eine lange, nicht von Feier- oder Inseltagen unterbrochene Fünftage-Arbeitswoche liegt vor uns. Daran muss ich mich nach dem diesbezüglich freundlichen Mai erst wieder gewöhnen. Durchhalten, der Urlaub ist nah und die regelmäßige Viertagewoche nicht fern.

Nach dem Sylter Partyhit-Eklat* wird erwogen, das Abspielen des zugrunde liegenden Liedes auf öffentlichen Veranstaltungen zu verbieten. Irgendwas meint man halt tun zu müssen, und wenn es so sinnvoll ist wie die hier schön öfters angeprangerten Forderungen in den frühen Neunzigern, in den östlichen Bundesländern die Alleebäume zu fällen, damit die noch PS-ungewohnten örtlichen Fahrer mit ihren neuen Westautos nicht reihenweise dagegen rasten.

Bundeskanzler, Innenministerin und der Oberbayer besuchten die Hochwassergebiete in Süddeutschland und machten sich ein Bild, berichtet die Tagesschau. Gute Bilder sind immer wichtig. Vielleicht fahren sie demnächst auch noch nach Sylt, freilich ohne den Oberbayern.

*So bezeichnet es die Zeitung. Nur für die Chronik, falls das in einigen Jahren nochmal jemand liest und sich fragt, um was es geht: An Pfingsten dieses Jahres grölte eine Horde junger, verwöhnter Syltschnösel und -innen vor einem hochpreisigen Lokal zum Lied „L’Amour toujours“ einen geänderten ausländerfeindlichen Text. Dabei filmten sie sich und teilten es in den asozialen Ätzwerken, was zu einiger Empörung (und vermutlich in bestimmten Kreisen auch Zustimmung) führte.

Dienstag: Morgens floß mir der Rhein auffallend braun mit hohem Pegel entgegen, die verheerenden Wassermassen aus Süddeutschland zur Nordsee transportierend. Auf seinen Wellen Zweige, Äste, ganze Baumstämme, die sich teilweise in den Anlegestegen verhakt haben, ein Fußball auch. Mit mir zahlreiche andere Fußgänger rheinaufwärts in Anzügen, einige auf Elektrorollern. Ich vernahm Sprachfetzen in Englisch und anderen Sprachen, Deligierte des Vorbereitungstreffens für die nächste Klimakonferenz. Rund fünftausend aus aller Welt sollen es laut Zeitung sein, die sich in diesen Tagen im World Conference Center treffen, um zu beraten, wie der Untergang der Menschheit hinauszuzögern ist. Auf der Uferpromenade eine Gänsefamilie mit zwei kleinen Küken, die sich durch die Menschen nicht stören ließen. Auch den Regen im Süden und den Rhein interessiert das alles nicht und ich bezweifle, dass die Konferenzen etwas bewirken werden. Andererseits, es nicht wenigstens zu versuchen, ist keine akzeptable Option, auch wenn noch sehr viel Wasser den Rhein runterfließen wird, ehe sich etwas in die richtige Richtung bewegt.

Bald geht wieder die unsägliche Fußball-EM los

Mittwoch: Alles Wesentliche zum Tage lesen Sie bitte hier nach.

Donnerstag: Arbeit in angenehmer Vorfreitagslaune. Nach der Mittagspause klangen durch das geöffnete Bürofenster Trompetentöne bis hinauf in den 28. Stock. Schon seit Jahren übt mittags jemand in der Tiefgarage Trompete, wohl weil es dort so schön schallt. Keine erkennbaren Melodien, vielmehr wiederkehrende Etüden, mit jeder Wiederholung höher, man muss es schon mögen, um es zu ertragen, erst recht in der Tiefgarage. Immerhin, er erreicht dabei erstaunliche Höhen, was, wie ich aus eigener Bläsererfahrung weiß, höchst anstrengend ist.

Hinweg unter Hochnebel

Ein Kollege wendete sich per Mail mit einem Anliegen an eine Kollegin und mich. Da ich für die Antwort recherchieren müsste, die Kollegin zudem zuständiger ist als ich und es überhaupt Doppelarbeit unbedingt zu vermeiden gilt, löschte ich die Mail unbeantwortet.

Ein anderer Kollege ließ wissen, er weile demnächst im Urlaub und entschuldigte sich fast dafür, deshalb nicht erreichbar zu sein, da er dieses Mal den Rechner nicht mitnehme. Immer wieder erstaunlich, wenn Leute meinen, Selbstverständliches erklären zu müssen.

Wenn es eine Partei wäre, hätte ich sie gewählt

Freitag: Bei Lektüre des Pressespiegels erfuhr ich von der Existenz eines Presseerzeugnisses mit dem Namen Der Treasurer online, was mir einen weiteren Was-es-alles-gibt-Moment bescherte.

In einer internen Mitteilung war „ein Mitarbeitender“ zu lesen, was die Vermutung zulässt, dass sich Mitarbeitinnende mitgedacht fühlen dürfen.

Aus der Einladung zu einer Tagung: »Die Teilnahmemöglichkeit beschränkt sich auf physische Anwesenheit vor Ort.« Das lässt hoffen auf eine für die Teilnehmenden und -innen nicht übermäßig aufreibende Veranstaltung.

Samstag: Der CO2-Anteil in der Luft ist so hoch wie nie zuvor, haben Wissenschaftler kürzlich gemessen. Wegen anderer Krisen und Probleme rückt das Bewusstsein für den Klimawandel weiter in den Hintergrund, jeder fünfte Jugendliche hat laut einer Befragung noch nie davon gehört, berichtet die Zeitung. Skigebiete werden in Ermangelung von Schnee dauerhaft geschlossen, demnächst müssen sie zum Grölen alle nach Sylt und Mallorca fliegen. Die Union fordert, das beschlossene Ende des Verbrennungsmotors rückgängig zu machen, weil es der Wirtschaft schadet und den Wohlstand gefährdet. Ist es so schwer zu begreifen, dass der Klimawandel ganz andere Auswirkungen auf den Wohlstand haben wird, auch den der Herren Merz und Dobrindt oder wenigstens ihrer Nachkommen?

Vormittags ging ich zum Friseur, um nach einem freien Termin zu fragen. Zu meiner Freude konnte ich sofort zur Schur Platz nehmen. Er fragte, ob er mit Schere oder Maschine schneiden soll. Woher soll ich das wissen?

Gespräch am frühen Abend: „Bist du schlecht gelaunt?“ – „Nein.“ – „Warum?“

Laut kleiner kalender ist heute Was-willst-du-trinken-Tag. Passend dazu gab es abends Alkohol, erst zu Hause zur Grillbegleitung, danach beim Nachbarn zum sechzigsten Geburtstag.

Sonntag: Nach spätem Aufstehen und noch späterem Frühstück fuhren der Liebste und ich mit dem nur mäßig belegten Schiff nach Königswinter, von dort zu Fuß weiter nach Rhöndorf, wo an diesem Wochenende in den Weinbergen oberhalb des Ortes das alljährliche Offroad-Weinfest stattfand. Warum das so heißen muss, weiß ich nicht, jedenfalls ist es immer sehr angenehm mit guten Weinen und Blick über das Rheintal.

Fast wie Urlaub
Offroad mit Rhine view

Im Vorbeigehen gehört: „… Schlammrennen für Kinder, das gibts auch für Erwachsene.“ Was es alles gibt.

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Kommen Sie gut durch die Woche, wie viele Arbeitstage sie auch haben mag.

Woche 50/2023: Vielleicht lässt die Evolution den Menschen irgendwann einen dritten Arm wachsen

Montag: Der erste Arbeitstag der Woche verlief weitgehend ohne die regelmäßig auftretende Montagsbetrübnis. Mittags in der Kantine konnte ich erleben, was dieses „Slow Food“ bedeutet: In Sichtweite zerteilte und aß ein junger Kollege einhändig mit einem Messer eine Pizza, was augenscheinlich nicht ganz einfach war. Die zweite Hand war derweil unabkömmlich zur Bedienung des Datengeräts. Ich konnte es nicht bis zum Ende verfolgen, auch meine Mittagspause ist endlich. Vielleicht lässt die Evolution den Menschen irgendwann einen dritten Arm wachsen. Andererseits las ich vor einiger Zeit, ich weiß nicht mehr, wo und in welchem Zusammenhang, die jungen Leute essen heute nur noch ungern mit Messer und Gabel, aus genau dem oben beschriebenen Grund. Ob das stimmt, weiß ich nicht, unwahrscheinlich erscheint es mir nicht.

Nach dem Essen eine kurze Parkrunde mit Aussicht auf einen Schwan

Die letzte Teams-Besprechung ging bis siebzehn Uhr. „Ich wünsche euch noch einen schönen Nachmittag und nachher einen schönen Feierabend“, sagte der Organisator zum Abschied. Bei „nachher“ lachte ich (stummgeschaltet) auf und schaltete den Rechner ab.

Dienstag: In der Kantine erprobt man offenbar zurzeit eine neue Tischanordnung. Dadurch wählte ich heute nicht, wie sonst, wenn ich allein esse, einen Zweier- sondern einen Sechsertisch, da die Zweier entfernt worden sind. Eine der Fragen, die ich üblicherweise mit ja beantworte, obwohl ich nein meine, ist „Dürfen wir uns dazusetzen?“, gestellt um kurz vor zwölf. Kurz darauf saß ich mit einer entfernt bekannten und zwei unbekannten Personen am Tisch. Freundlicherweise versuchte man nicht, mich in das Gespräch einzubeziehen, dennoch löffelte ich das Dessert etwas schneller als gewöhnlich.

Nachdem mir in der vergangenen Woche aus Wetter- und Termingründen ein Besuch der Glühweinbude am Rheinpavillon nicht möglich war, freute ich mich heute Abend auf dem Rückweg umso mehr darauf. Aber ach: Die Bude wurde gerade abgebaut, warum auch immer. Nun gibt es in der Innenstadt zahlreiche Alternativen, doch diese Bude hatte durch ihre Lage direkt am Rhein was Besonderes. Schade.

Alternative

Mittwoch: »Weltklimakonferenz ruft zur Abkehr von fossilen Energien auf«, meldet der SPIEGEL. Für dieses schmale Ergebnis ein so hoher Aufwand? So wird das nichts mit unserer Rettung.

Apropos schmal: Epubli hat die Novemberabrechnung meiner Buchverkäufe geschickt. Ich danke der einen Käuferin sehr und freue mich über Nachahmung.

Nachdem am Vormittag die einzige Besprechung des Tages ins nächste Jahr verschoben worden war, war dies einer der seltenen Arbeitstage ganz ohne Termine. Abgesehen von der täglich im Kalender fest geblockten Mittagspause. Während dieser saß erneut in meinem Blickfeld ein jüngerer Einhandesser, den Blick fest auf das Datengerät in der rechten Hand gerichtet, derweil er mit der Gabel in der linken das Backfischfilet zerteilte, was einige Geschicklichkeit voraussetzte: Ich hatte wegen der fest angebratenen Panade schon mit Messer und Gabel einige Mühe. Der offensichtlich einhandgeübte Kollege benötigte dabei nicht mehr Zeit für den Verzehr als ich mit zwei Händen. Respekt.

Welchen vernünftig-nachvollziehbaren Grund mag es geben, „ein halbes Dutzend“ zu sagen statt einfach „sechs“?

Donnerstag: »Man sieht sich immer zweimal im Leben«, hörte ich einen sagen. Manchmal klingelt das ein wenig bedrohlich.

Der Rhein füllt sich wieder, wie ich auf dem Hin- und Rückweg sah, die ersten Schilder für eine Sperrung wegen Hochwassers sind aufgestellt. Möglicherweise ist das der Grund für den am Dienstag beklagten vorzeitigen Abbau der Glühweinbude am Ufer.

Morgens

Die Liste des Grauens wurde fortgeschrieben.

Im bin mir nicht sicher, ob es langfristig eine gute Idee ist, die Ukraine in die EU aufzunehmen. Nur so ein Gefühl.

Freitag: Für einen Freitag waren heute ungewöhnlich viele Kollegen in den Büros, normalerweise haben Kollegin A., wie ich konsequente Heimbüroverweigererin*, und ich freitags fast das ganze Gebäude oder wenigstens die Etage für uns alleine. Was wollten die da alle heute, haben die kein Zuhause, wo sie Unruhe verbreiten können?

*Aus Vereinfachungsgründen ausnahmsweise generisches Femininum. Den Teilsatz „konsequente Heimbüroverweigererin, wie ich konsequenter -verweigerer bin“, wollte ich Ihnen nicht zumuten.

Dass sich das Jahr dem Ende entgegen neigt merkt man auch daran, dass sich zahlreiche Kollegen in den Weihnachtsurlaub verabschieden mit den saisonüblichen Grüßen und Wünschen sowie dem seit fast vier Jahren etablierten Zusatz „Bleibt gesund“, in letzter Zeit wieder häufiger gehört.

Fast kein Kantinen- oder Kaffeeküchenplausch mehr mit gleichaltrigen (oder den wenigen verbliebenen älteren) Kollegen ohne die Frage, wie lange man noch zu arbeiten habe, nicht nur in diesem Jahr, sondern generell. Da neigt sich auch etwas dem Ende entgegen.

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Samstag: Aus terminlichen Gründen wurden die familiären Weihnachtsbesuchspflichten bereits an diesem Wochenende erfüllt. Und also machten sich auf der Liebste und ich nach Ostwestfalen, erst zu meiner Mutter, nachmittags weiter zum Treffen und Essen mit der Schwiegerfamilie. Gegen halb elf löste sich die Gesellschaft auf (dieser Satz wäre auch geeignet zur Einleitung einer Dystopie über das Ende der Menschheit), wir fuhren ins Hotel, mutmaßlich waren alle zufrieden.

Der NRW-Minister Laumann erscheint äußerlich eher wie ein westfälischer Rübenbauer statt ein Politiker. Das macht ihn sympathisch und ist keineswegs despektierlich gemeint, Rübenbauer ist ein ehrbarer Berufsstand, mehr als zum Beispiel Bundesverkehrsminister, jedenfalls wenn man die Amtsträger der letzten Jahre zum Maßstab nimmt. Herr Laumann hat nun geäußert, er sei froh, dass Jesus geboren wurde, verdanke diesem Ereignis doch seine Partei, die CDU, ihre Existenz. Es würde mich nicht wundern, wenn Herr Merz daraus folgernd demnächst verlauten lässt, die Existenz der CDU sei der beste Beweis, dass Jesus lebt. Halleluja.

Sonntag: Nach dem Frühstück im Hotel verließen wir bei trübem Himmel, innerlich heiter Ostwestfalen; bereits gegen dreizehn Uhr trafen wir sonnenbeschienen zu Hause ein. Driving home for Christmas mal anders.

Finde den Fehler
Kann denn Liebe toxisch sein?

Nach Ankunft drängte es mich zum Spaziergang raus, zumal wir den Tag gestern mit wenig Draußenzeit überwiegend im Auto und an diversen Esstischen verbracht hatten. Mit dem Gang verbunden war ein Gebäckkaufauftrag des Liebsten auf dem Weihnachtsmarkt, der heute gut besucht war. Das machte es recht anstrengend, nur einen bestimmten Stand aufzusuchen und den Markt danach so schnell wie möglich wieder zu verlassen, derweil Kinderwagenschieber durch die Gassen schlichen und alle paar Meter stehen blieben.

Nach dem Kekskauf belohnte ich meine Mühen mit einem angereicherten Kirschwarmgetränk. Dabei sah ich ein älteres gemischtes Paar vorübergehen, er trug einen längeren Jeansrock, sie hatte die Hosen an.

An einem anderen Getränkeausschank stand eine größere Gruppe rot-weiß gekleideter Weihnachtsmänner, teilweise mit Zigaretten und Bierflaschen in der Hand, manche hatten unter Missachtung der heiligen Kleiderordnung die Mütze abgenommen. Immerhin verteilten sie Süßigkeiten an vorübergehende Kinder. Alles in allem wird diese Ansammlung bei Eltern weihnachtsmanngläubiger Kinder einigen Erklärungsbedarf erzeugt haben.

Zum Spazieren kam ich auch noch

Im Übrigen hätte ich nichts gegen die Abschaffung von Weihnachten. Damit stehe ich im Kreis der Lieben, Verwandten und Bekannten wohl ziemlich alleine.

***

Ich wünsche Ihnen eine angenehme Vorweihnachtswoche, bald ist es erstmal wieder überstanden.

Woche 3/2023: Beschimpfender Unfug

Montag: Als solchen Geräten mit einer gewissen Skepsis begegnender Mensch schenkte ich unserer digitalen Personenwaage im Bad nicht allzu viel Glauben, als sie gestern Morgen ein unplausibel hohes Gewicht anzeigte, zumal es sich wenig später nach dem Duschen um ein halbes Kilo verringerte; soviel Dreck wird da wohl nicht weggebraust worden sein. Heute früh spannten die Knöpfe der Strickjacke deutlich, die vor einem Jahr noch tadellos saß. Sicher ist das auf unsachgemäße Wäsche zurückzuführen. Kann ja nur.

Der Feuilleton-Teil der Tageszeitung enthält an Montagen mittlerweile als festen Bestandteil eine Tatort-Kritik. Mord und Totschlag als Kultur zu betrachten finde ich reichlich unangemessen. Dann bitte auch eine regelmäßige Rezession der neuesten Filme auf XHamster. Ich kann das gerne übernehmen.

Dienstag: Der Rhein hat Hochwasser. Die Anlegestege der Ausflugsschiffe und Rudervereine, üblicherweise Richtung Flussmitte abwärts geneigt, stehen waagerecht oder neigen sich nach oben. Frachtschiffe, auf die man sonst vom Ufer aus herabschaut, fahren auf Augenhöhe. Und es ist kalt, was erstaunlich viele Läufer nicht davon abhält, in kurzen Hosen das noch morgenmüde Auge zu reizen.

Das Leben überrascht manchmal durch erstaunliche Zufälle. Gestern beim Abendessen noch beklagte ich im Kreise der Lieben, dass der neue Kantinenbetreiber keinen Wackelpudding mehr anbietet. Raten Sie mal, was es heute Mittag zum Dessert gab. Vielleicht durch die heimischen Lausch- und Laberdosen, in denen die dämliche Frau Siri wohnt?

Vergangene Woche beklagte ich das jahreszeitlich durchaus begründete Verschwinden der Glühweinbude am Rheinpavillon. Hierbei handelt es sich um eine Gaststätte am Rheinufer im typischen Baustil der Fünfzigerjahre, vermutlich und wenn dann zu recht denkmalgeschützt. Im Obergeschoss befindet sich ein Café, dort hielt ich auf dem Rückweg spontan Einkehr und bestellte einen Pfefferminztee, jaha, ich kann auch ohne Alkohol. Es war voller als es von außen schien, ich fand noch einen Platz mit Blick auf den Fluss. Statt der erwarteten Tasse wurde eine ganze Kanne serviert, daher saß ich etwas länger als geplant, was überhaupt nicht schlimm war; da zu sitzen ist sehr angenehm, man kann während des Verzehrs vorüberfahrende Schiffe und gegenüber am anderen Ufer die Lichter von Beuel betrachten. Hier war ich sicher nicht zum letzten Mal.

Archivbild aus Dezember 2021

»Thee und Bier stellten mich aus der Erschöpfung wieder her«, schrieb passend Thomas Mann heute vor vierundachtzig Jahren ins Tagebuch.

Eine Bierlieferung wurde mir vom Lieblingspaketdienstleister per Mail angekündigt. Die anfängliche Vermutung, da ich nichts bestellt hatte, es könnte sich um eine der üblichen Spam-Mails handeln, bewahrheitete sich nicht. Wer mag die Lieferung veranlasst haben? Ich habe einen vagen Verdacht.

Mittwoch: Warum eigentlich glauben Menschen, sich im Straßenverkehr wie Irre verhalten zu dürfen, denen alle anderen Verkehrsteilnehmer zu weichen haben, sobald sie ein Lastenfahrrad führen?

Auf dem Weg zur Kantine begegnete mir ein ehemaliger Abteilungskollege, der vor geraumer Zeit zum Leiter einer anderen Abteilung ernannt wurde, von der ich nie hörte; seitdem sehe ich ihn nur selten, weil er in einem anderen Gebäudeteil seinem leitenden Wirken nachgeht. Da er den Blick auf sein Datengerät gerichtet hatte und auch zum Zeitpunkt unserer Begegnung nicht davon abließ sah ich davon ab, ihn anzusprechen und auf die Briefe hinzuweisen, die noch in seinem Postfach auf unserem Flur liegen. Man will ja nicht stören.

Nach Rückkehr am Abend war das Bier geliefert, fünf Halbe aus bayrischer Klosterherstellung und ein Glas. Meine Vermutung die Bestellerin betreffend traf zu. Herzlichen Dank, liebe N.!

Donnerstag: Morgens schneite es überraschend heftig, was mich nicht davon abhielt, zu Fuß ins Werk zu gehen. Flockenumtost genoss ich den Gang am allmählich wieder abschwellenden Fluss, gelegentlich begegnet und überholt von Läufern, die der Schnee ebenfalls nicht von ihrem Morgenlauf abhielt und deren Fußspuren schon bald wieder weggeschneit waren. Erst nach Ankunft im Büro bemerkte ich, wie nass die Jacke geworden war.

»Was hast du in deinem Leben über die Liebe gelernt?« lautet die WordPress-Tagesfrage. Nämliches: 1) Wer suchet, der findet nicht; am ehesten findet, in einem unerwarteten Moment, wer nicht sucht. 2) Liebe und Lust sind trennbar, Monogamie wird völlig überbewertet. 3) Aller guten Dinge sind drei. Mindestens.

Freitag: Die Arbeitswoche endete angenehm mit Schnee am Nachmittag, der nur kurz liegenblieb, und einer karnevalistischen Großveranstaltung mit zehn Karnevalsgesellschaften und Musik in der der Bonner Innenstadt, an der ich mangels Uniform nur in begleitender Funktion teilnahm und die in alkoholischer Hinsicht glimpflich endete.

Das Musik-Corps der Fidelen Burggrafen Bad Godesberg, Rück(en)ansicht

Samstag: In Bonn ist laut Zeitungsbericht ein Obdachloser zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt worden, weil er im vergangenen Jahr einen menschlichen Kopf vor dem Bonner Landgericht ablegte, den er zuvor seinem Kumpel abgetrennt hatte, ich erzählte es, Sie erinnern sich vielleicht. Was ihn zu der Tat bewogen hatte, verschweigt er nach wie vor. Dem ursprünglichen Kopfinhaber wird es egal gewesen sein, da er bereits vor dem Kopfverlust infolge einer Krankheit gestorben war. Die Anklage lautet deshalb nur auf „Störung der Totenruhe“. Der hier einschlägige Paragraph 168 des Strafgesetzbuches lautet im Absatz eins: »Wer unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen, eine tote Leibesfrucht, Teile einer solchen oder die Asche eines verstorbenen Menschen wegnimmt oder wer daran beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.« Klingt wie aus einer anderen Zeit. Am besten gefällt mir das mit dem beschimpfenden Unfug.

Nach samstäglichen Besorgungen hielt ich kurze Einkehr in der Lieblingsweinbar, direkt an einer Straßenbahnhaltestelle gelegen. Während des Rieslings sah ich einen Straßenbahnfahrer mit Krawatte, ein sehr seltener Anblick. Die Bus- und Straßenbahnfahrer früherer Zeiten trugen blaue Uniformjacke, Schirmmütze und selbstverständlich Krawatte. Das ist lange her. Heute muss man fast froh sein, wenn sie überhaupt einigermaßen bekleidet sind.

Es ist ein durchaus angenehmes Merkmal fortschreitenden Alters, wenn man am Samstagabend statt aushäusigen Fetenrausches auf ARTE eine Dokumentation über Moose anschaut, eine faszinierende Lebensform, die selbst unter widrigsten klimatischen Unbequemlichkeiten noch gedeiht. Vielleicht sind es Moose, die bald die Weltherrschaft erlangen, nachdem wir uns erfolgreich ausgelöscht haben. Eine noch faszinierendere, geradezu unheimliche Lebensform ist Physarum polycephalum, auch Blob genannt, über den anschließend berichtet wurde. Er verfügt über erstaunliche Intelligenz, obwohl er kein Hirn hat, im Gegensatz zu vielen Menschen, die trotz Hirn nennenswerte Intelligenz vermissen lassen.

Sonntag: Während des Spazierens sah ich am Rhein einen Mann, der mit Flusswasser seinen kleinen Hund hinten reinigte. Der Hund ließ es über sich ergehen, begeistert wirkte er nicht, was bei der Wassertemperatur und überhaupt nachvollziehbar ist.

Auf dem weiteren Weg durch den trüben, sich scheinbar endlos ziehenden Januar sah ich die erste Schneeglöckchenblüte und einen Kleinbus mit der Aufschrift »Es gibt Hoffnung«, was wie ich finde ganz gut zusammenpasst. Außerdem sah ich jede Menge Moos, die Dokumentation gestern Abend hat mir diesbezüglich die Augen geöffnet. Es ist kaum möglich, auch nur wenige Meter durch die Gegend zu gehen, ohne irgendwo die grünen Polster zu erblicken.

Es gibt Menschen, die ihre Lebensaufgabe darin sehen, über Moose zu forschen. Das muss wunderbar sein.

Ganz wunderbar muss es auch sein, sein Moos zu verdienen mit Schreiben, wenn man es kann wie Max Goldt, der sich ausnahmsweise interviewen ließ, anzuschauen hier:

Ach ja, dies noch:

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, möglichst ohne Mord, Totschlag und anderen Unannehmlichkeiten.