Woche 35/2025: Die erste Liegestuhlprobe verlief erfolgreich

Montag: Morgens auf dem Fahrrad war es recht kühl, vor allem an den Händen. Doch Handschuhe im August erscheinen selbst mir als ausgewiesenem Scheinfrostfühler unangemessen. Auf dem Rückweg war es dann in Anzugjacke fast etwas zu warm. Man hat es nicht leicht.

Dafür, dass die Sommerferien zu Ende sind, war es im Büro und den Nachbarzellen ungewöhnlich ruhig, auch der Eingang an Anliegen in Wort und Schrift war gering. Das darf gerne bis einschließlich Donnerstag so bleiben, danach habe ich Urlaub.

Gelesen bei Herrn Fischer und tatsächlich für gut befunden:

Also (ich hatte kurz überlegt, ob ich „genau“ schreiben sollte, fürchtete aber, dass die Ironie darin nicht rüber käme, weil schon zu viele, selbst von den klügeren viele ständig „genau“ sagen, weil sie sonst selbst nicht wissen, dass sie fertig sind mit Denken, von daher also:
Also: …

Genau.

Dienstag: Eine der wichtigsten Fragen in dieser meteorologischen Übergangszeit: Was ziehe ich an? So, dass es morgens nicht zu kalt und nachmittags nicht zu warm ist. Für den heutigen Fußweg ins Werk und zurück war langärmliges Hemd ohne Jacke genau die richtige Wahl. Auf dem Hinweg schien die Sonne, auf dem Rückweg nicht mehr, es war dennoch sehr warm, was zu einem Feierabendbier am Rheinufer motivierte. Wer weiß wie lange noch, ehe wieder Daunenjacke und Wollmütze erforderlich sind. Ebendiese trug einer, der mir morgens begegnete. Das fand sogar ich übertrieben.

Nachmittags rief mich jemand vom Bonner General-Anzeiger an, um mit mir über die Kündigung des Abonnements zu sprechen, die ich zum Ersten dieses Monats veranlasst hatte. Bereits vergangene Woche hatte er deswegen angerufen, ich hatte ihm die Gründe erklärt: Zunehmend empfinde ich die Berichterstattung als meinungslastig; mich interessiert überhaupt nicht, was unbekannte Menschen zu einem Thema meinen und am allerwenigsten, was sie dazu auf Facebook gepostet haben; das Sahnehäubchen sind Qualitätsmängel im Text wie regelmäßig dieser: „Die Stadt Bonn hat seine Mitarbeiter angewiesen …“. Dafür sind mir über vierhundert Euro im Jahr zu teuer. Das fand der Anrufer schade und wir verblieben, dass ich es mir nochmal überlege (manchmal bin ich zu weich) und er in dieser Woche noch einmal anrufe. Heute also. Zu meinem Erstaunen fragte er mich genau dasselbe wie letzte Woche. Auf meinen Einwand, dass hätte ich ihm doch schon letzte Woche erzählt, ob er sich nicht erinnere, stammelte er so etwas wie „Doch, aber ich wollte nochmal …“ Unnötige Wiederholungen, sei es in Besprechungen oder in Gesprächen wie diesen zerren erheblich an meiner Geduld, mein Tonfall wird dann schnell ungehalten bis genervt. Daran muss ich noch arbeiten. Übrigens habe ich nun das wesentlich günstigere Online-Abo gebucht.

Mittwoch: Die Schule hat wieder begonnen. Auf dem Fahrrad muss man nun wieder besonders achtgeben auf andere Radfahrer, die ohne zu schauen den Weg kreuzen oder von der Seite einbiegen, was mich morgens auf dem Weg zum Büro veranlasste, einen, der mit hoher Geschwindigkeit von vorne rechts kam und unmittelbar vor mir schräg die Straßenseite wechselte, einen Idioten zu schimpfen, was mich wiederum sofort ärgerte; nicht so sehr der Radfahrer, sondern mein verbaler Ausfall. Manchmal passiert es einfach, da kann man nichts machen.

In ein Anforderungsformular schrieb ich als fachlichen Nutzen „Fahlervermeidung“, bemerkte es und freute mich.

Abends im Bett war ich mit dem neuen Buch „Aber?“ von Max Goldt durch, auf dessen Lektüre ich mich sehr gefreut hatte. Es ist mit knapp hundertsechzig Seiten nicht sehr umfangreich, doch auch inhaltlich hatte ich etwas mehr erwartet. Viele der Texte lesen sich wie Verschriftlichungen von Comics des Duos Katz & Goldt, sind es vermutlich auch, das Gedicht zum Schluss machte mich ratlos, was an meiner lückenhaften Lyrikkompetenz liegen mag. Ich vermisse die für ihn typischen Abschweifungen und Themenwechsel innerhalb desselben Textes und Wortschöpfungen wie die legendäre „Klofußumpuschelung“ oder „beliebte Fernkugel“ als Synonym für den Ex-Planeten Pluto aus früheren Büchern. Vielleicht ist er nach so langer Zeit ein wenig aus der Übung und muss erst wieder in den richtigen Schreibfluss kommen. Hoffen wir also auf weitere Bücher von ihm in nicht so ferner Zukunft. Ich werde sie auf jeden Fall kaufen und lesen.

Donnerstag: Besser kann der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub kaum sein. Bis zum Mittag war alles Wesentliche abgearbeitet, bis zum Nachmittag kam nichts Aufwendiges, dringend zu Erledigendes mehr hinzu, so dass ich guten Gewissens und bester Laune den Heimweg antreten konnte, nachdem der Rechner in der Schreibtischschublade verstaut und das dienstliche Telefon ausgeschaltet waren. Da der Regen durch war und die Sonne wieder schien, stand einem urlaubseinleitenden Getränk auf dem Rückweg nichts im Wege.

Laut kleiner kalender ist Maus-flitz-Tag. Ah ja. Demnächst dann vielleicht Beutel-kratz-Tag.

Freitag: Was schön war: der erste Urlaubstag, externes Frühstück mit den Lieben im Sonnenschein, eine störungsfreie Autofahrt nach Beaune im Burgund, das Wiedersehen mit dem freundlichen Hotelpersonal, das erste Glas Burgunder nach der Ankunft, das Abendessen im Hotelrestaurant.

Blick aus dem Hotelzimmer auf ein vorüberziehendes Gewitter

Samstag: Nach dem Frühstück im Hotel verließen wir Beaune mit Ziel Malaucène, wo wir nach staureicher Fahrt am frühen Abend ankamen. Es ist spätsommerlich warm, die Sonne scheint vom blauen Himmel und lässt die Provence in den üblichen Grün- und Ockertönen leuchten. Die erste Liegestuhlprobe verlief erfolgreich. Rosé ist im Kühlschrank. Wir sind sehr zufrieden und freuen uns auf die vor uns liegenden zwei Wochen an diesem wunderbaren Ort.

Apropos zwei – Frage 2 lautet: „Mit wem verstehst du dich am besten?“ Ganz klar: Mit dem Liebsten, und das nun schon seit vielen Jahren. Das schließt gelegentliche Zankereien nicht aus, aber ohne die wäre es ja auch etwas langweilig.

Blaugrün
„So strahlt kein Atommüll“ sagte einer.
Abendglas

Sonntag: Auch der erste Tag hier in Malaucène lag unter blauem Himmel bei Kurze-Hosen-Temperatur, dazu ab Mittag ein leichter Wind. Nach dem ersten Frühstück draußen vor dem Haus blieb ich am Tisch sitzen und stellte diesen Wochenrückblick fertig; heute besonders früh, da nachher Bonner Freundinnen, die ebenfalls zurzeit in Malaucène weilen, zum Grillen kommen. Nach Fertigstellung werde ich mit einem Buch in den Liegestuhl wechseln und dort bis auf weiteres zu einer zufriedenen Freizeitstatue erstarren. Sollte sich im Laufe des Tages noch etwas Berichtenswertes ergeben, wird es nachgereicht. Jetzt entschuldigen Sie mich bitte.

***

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

13:30

Woche 12/2024: Teilweise gleichgültig

Montag: Bereits um halb neun die erste Besprechung, die volle Konzentration und aktive verbale Teilnahme meinerseits erforderte. Das mag ich frühmorgens und erst recht montags überhaupt nicht. Man kann es sich nicht immer aussuchen.

Eine lästige Begleiterscheinung der Werktätigkeit sind Zielvereinbarungen und Leistungsbeurteilungen, aus denen sich die Höhe der jährlichen Bonuszahlung ergibt. Ich halte das für entbehrlich, ein Bonus motiviert mich nicht, besser, schneller oder mehr zu arbeiten. Wenn man mir also zusätzlich zum regelmäßigen Monatsgehalt etwas draufzahlen möchte, wogegen nichts einzuwenden ist, könnte man das wesentlich vereinfachen: Man nehme hundert Prozent der sogenannten variablen Vergütung, meinetwegen auch nur achtzig oder neunzig, teile sie durch zwölf und schlage sie monatlich dem Regelgehalt zu, das würde viel Zeit sparen. Aber mich fragt ja keiner. Zusätzlich muss mein Chef jedes Jahr eine Potentialeinschätzung zu meiner Karriereentwicklung abgeben. Ich habe diesbezüglich nur noch geringe Ambitionen, er weiß das, dennoch verlangen es die Regularien. Neben viel Lob und Anerkennung meiner zweifellos guten Arbeit *räusper* schrieb er: »Wirkt bzgl. Veränderungen teilweise etwas gleichgültig«. Treffender hätte er nicht auf den Punkt bringen können, dass mir mittlerweile vieles, um das allgemeines Geschrei gemacht wird, an südlichen Körperregionen vorbei geht. Offensichtlich kennt er mich gut.

Mit entspannter Gleichgültigkeit ließ ich am Nachmittag mehrere wirklich schlecht gemachte Präsentationen mit viel zu viel Text und wirren Grafiken über mich ergehen. Schnell verlor ich das Interesse am Inhalt und achtete nur noch darauf, wie oft die Vortragenden „Genau.“ sagten (sehr oft). Das ist nicht schlimm, weder wird das Vorgetragene später abgefragt noch ist es sonstwie prüfungsrelevant.

Abends las ich in der Zeitung: »Phänomen Kinderfüße – Ob nach der Kita oder dem Spielplatzbesuch: Jungs und Mädchen transportieren unglaubliche Mengen Sand in ihren Schuhen. Ein Orthopäde versucht, das Mysterium aufzuklären« Das Sommerloch scheint dieses Jahr besonders früh zu gähnen.

Dienstag: Des nachts geträumt: Kurz nach meiner Geburt beugten sich mehrere Wissenschaftler in weißen Kitteln über mein Kinderbettchen, einer sagte: „Wenn wir wüssten, wie es dazu kommen konnte, hätten wir die Welt entschlüsselt.“

Morgens gedacht: Kino und heimischem Bad ist gemeinsam, dass ich die gleichzeitige Anwesenheit anderer Menschen dort als äußerst störend empfinde. Deshalb meide ich Kinos schon seit längerem, wohingegen ich um den allmorgendlichen Badaufenthalt nicht herumkomme.

Dienstagsüblich ging ich zu Fuß ins Werk mit den üblichen Erschei- und Begegnungen.

Stau auf der Konrad-Adenauer-Brücke, in Zeiten knapper Zeit allgemein nur Südbrücke genannt

Als Fußgänger nimmt man Details am Wegesrand wahr, die dem Rad- und Autofahrer im Vorbeisausen zumeist verborgen bleiben.

Experten raten, mit Trinken nicht zu warten, bis der Durst kommt

Seit gestern ist das Büro neben meinem nach jahrelangem Leerstand wieder belegt, durch die hellhörig-dünne Rigipswand dringt wörtliche Rede, anscheinend telefoniert mein neuer Nachbar Umwohnender gerne. Für mich bedeutet das Umgewöhnung und Zurückhaltung bei den üblichen Selbstgesprächen, sobald ich mich allein wähne.

Vormittags kam die dicke Taube angeflogen, lief vor dem Fenster ein paar mal auf und ab, schaute abwechselnd auf den leeren Futterteller und auffordernd-vorwurfsvoll mich an, ehe sie wieder abflog und nicht wiederkehrte. Ich tat beschäftigt.

Mittwoch: Hey Basti, Alex, Chris und Flo, glaubt ihr wirklich, eure Eltern hätten für euch diese schönen Namen ausgesucht, damit ihr sie derart lächerlich verstümmelt?

Donnerstag: Am Rheinufer wurde morgens eine Schießbude aufgebaut, davor stand ein Taxi aus vergangenen Zeiten. Wenig später verstand ich: Sie waren Bestandteil von Dreharbeiten für eine ZDF-neo-Serie, wie ein an einem Pfahl angebrachter Aushang informierte. We häufig mag ich mich schon über Dinge am Wegesrand gewundert haben, bei denen es sich in Wahrheit um Filmrequisiten handelte. Manchmal dann für einen ziemlich schlechten Film.

Schiesshalle mit Schreibfehler

Vormittags geriet ich beim Erstellen einer Anwendungsbeschreibung in den Zustand, der allgemein als Flow bezeichnet wird. Das ist auch mal ganz schön.

„Da scheint am Code was faul zu sein“, hörte ich in einer Besprechung, woraufhin kurzzeitig olfaktorisches Ungemach in meine geistige Nase drang.

„Hallo … mögen Sie Kinder?“ – „Nein, ich finde Kinder furchtbar.“ – „Auch Ihre eigenen?“ – „Das sind die schlimmsten.“ – Dieser Dialog hätte ablaufen können, als mich auf dem Heimweg in der Innenstadt eine junge Frau ansprach, die zum Infostand einer Kinderschutzvereinigung gehörte, der geschickterweise so an einer baustellenbedingten Engstelle platziert war, dass man ihm und seiner Besatzung nicht ausweichen konnte. Tatsächlich lief es so ab: „Hallo der Herr, darf ich Sie kurz …“ – „NEIN DANKE.“ – „Sind Sie Anwalt?“, rief sie mir noch hinterher, wie auch immer sie darauf kam.

Das schlimmste Kind ist im Übrigen das aus der Kijimea-Reklame. Ähnlich wie der überdrehte Seitenbacher-Schwabe ein überzeugender Grund, das beworbene Produkt zu meiden.

Freitag: Würde ich dazu neigen, mich über Dinge aufzuregen, hätte ich morgens Gelegenheit dazu gehabt, als ein stehend warnblinkender Lieferwagen die Radspur an der stark befahrenen Adenauerallee in voller Breite blockierte und mich mit dem Rad auf den Gehweg nötigte. Statt zu zürnen machte ich ein Foto davon und schickte es mit dem vorgesehenen Formular ans Ordnungsamt. Das nützt überhaupt nichts, indes war mir heute danach.

Die frühe Besprechung am Montag war nicht vergebens: Vorletzte Woche Mittwoch beklagte ich, dass sich eine Werksangelegenheit aus rein formalistischen Gründen voraussichtlich um vier Wochen verzögern wird, »Es sei denn, bestimmte Kollegen drücken ein Auge zu, was so wahrscheinlich ist wie Trumps Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur und die Erreichung der Klimaziele durch die Bundesregierung«, schrieb ich dazu. Die Welt kann hoffen: Kurz vor Arbeitsende erreichte mich die Nachricht, dass die Kollegen zugestimmt haben. Für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass Beteiligte hier mitlesen: Vielen Dank!

Samstag: Morgens brachen wir auf nach Beaune im Burgund, wo wir nach etwa fünf Stunden weitgehend ereignisloser Fahrt angekommen sind. (Da wir zum Zeitpunkt der Notiz noch hier sind, ist Perfekt wohl die korrekte Zeitform.) Das Hotelzimmer war bei Ankunft noch nicht bezugsfertig, deshalb gingen wir in die Stadt auf einen ersten weinbegleiteten Imbiss. Das Wetter zeigt sich aprilig mit Sonne und ab und an etwas Regen, dazu weht kühler Wind durch die Straßen. Ansonsten fanden wir die Stadt und das Hotel dem ersten Eindruck nach so vor, wie wir sie zuletzt nach Weihnachten zurückgelassen hatten. Wir sind sehr zufrieden.

Sonntag: Zu sonntagsunangemessener Zeit waren wir morgens auf, weil der Geliebte weit vor acht Uhr, somit lange vor meiner Sprechzeit, nicht mehr schlafen konnte und das Gespräch suchte. Offensichtlich war die Weinmenge am Vorabend unzureichend, das müssen wir bei der Abendplanung künftig berücksichtigen.

Nach dem Frühstück unternahmen wir eine Ausfahrt nach Cluny, wo wir die Reste der einstmals größten christlichen Kirche der Welt besichtigten, bevor sie den Menschen der Region als Steinbruch diente; im achtzehnten Jahrhundert nahm man es mit dem Denkmalschutz noch nicht so genau. Man muss nicht gläubig sein, um von den Rudimenten auch heute noch angemessen beeindruckt zu sein.

Auf dem Weg dorthin machten wir Halt in Chagny, wo heute Markt war. Neben den üblichen Produkten wie Käse, Obst, Gemüse, Brathähnchen, Billigtextilien und Handyhüllen war an einem erstaunlich gut frequentierten Stand lebendiges Geflügel zu erstehen. Die Tiere wurden einem Gatter entnommen und in einen geräumigen Karton verbracht, der zugeklebt dem Käufer übergeben wurde. Das ließen die Vögel ohne erkennbaren Widerstand über sich ergehen, als hätten Sie mit ihrem Schicksal abgeschlossen. Manchmal ist das ja von allen Optionen die beste.

Was würde PETA sagen?
Robuster Marktbeschickerhumor

***

Abgeschossen ist nun auch dieser Wochenrückblick, kommen Sie gut durch die neue Woche.

Woche 46/2023: Bulkbatches, Bühnenpräsenz und bewegte Bilder

Montag: Die IG Metall fordert die 32-Stunden-Woche bei 8,5 Prozent mehr Lohn, meldete morgens das Radio. Wenn die das durchkriegen, schule ich auf meine alten Tage noch um zum Stahlträger.

WDR 4 fragte seine Hörer, was sie tun, um trotz Herbstwetter glücklich zu bleiben. Ich verstehe die Frage nicht: wieso trotz?

Herbstliches Regenwetter nötigte mich, statt mit dem Fahrrad mit der Bahn zum Werk zu fahren; wegen Bauarbeiten endete sie eine Haltestelle vor der üblichen, so dass sich noch ein grundsätzlich willkommener Fußweg anschloss. Zurück nahm ich zur Abwechslung den Bus. Kurz nachdem ich ihn verlassen hatte, begann es heftig zu regnen, daher kam ich trotz Schirm mit nassen Füßen zu Hause an. Das kann meine Freude am Herbst nicht schmälern. Auch nicht, dass der Schirm, ein zusammenschiebbares Taschenprodukt des Premium-Herstellers, heute irreparabel entzwei ging. Nichts hält ewig.

Abends erhielt ich die Einladung zu einem vorweihnachtlichen Schreibvorhaben; darüber habe ich mich trotz der nicht gerade leichten Aufgabenstellung sehr gefreut und zugesagt.

Dienstag: Entschleunigung ist auch eines der beliebten Zeitgeistwörter. Nur weniges entschleunigt mich gründlicher als das Wort „DRINGEND“ im Betreff einer Mail.

Mittags nach dem Essen

Auf dem Rückweg in der Bahn saß mir ein junges Paar gegenüber, innig miteinander beschäftigt. Schon immer finde ich öffentliche Liebesbekundungen abstoßend, unabhängig von Alter, Vorliebe und Geschlechterkombination.

Spontaner Gedanke ohne jeglichen aktuellen Bezug: „Splitterfasernackt“ ist auch so ein Wort, das bei genauer Betrachtung keinen Sinn ergibt.

Mittwoch: In Kolumbien herrscht eine Nilpferdplage, steht in der Zeitung. Zur Dezimierung des Bestandes erwägt man, die Tiere »unter moralischen Aspekten einzuschläfern«, wofür ein »ethisches Euthanasieprotokoll« erstellt wurde. Das ist gewiss viel besser, als sie einfach abzuknallen. Eine andere Möglichkeit sei die Sterilisation für ca. neuntausend Euro je Tier, allerdings befürchtet man, dass sie die Narkose nicht vertragen und womöglich gar sterben. Dann doch lieber moralisch einwandfrei einschläfern.

Ich bin etwas unzufrieden: Nachdem meine Lieben von einer Erkältung heimgesucht worden sind, hat es nun auch mich wieder erwischt, dabei liegt meine letzte Erkältung noch nicht lange zurück, im Grunde bin ich seit Wochen mal mehr, mal weniger erkältet. Immerhin sind Appetit und Geschmackssinn nicht beeinträchtigt. Leider fällt der für morgen geplante Wandertag dadurch aus. Ich werde den Tag dennoch freinehmen, mir wird nicht langweilig werden.

Donnerstag: Inseltag. Statt der geplanten Wanderung durch herbstbunte Wälder des Siebengebirges Frühstück im Café, danach verbrachte ich viel Zeit körperschonend auf dem Sofa und holte Leserückstände auf. Ohnehin war für heute Regen angekündigt und die Anreise nach Linz wäre vom Bahnstreik beeinträchtigt gewesen. (Dass der Regen weitgehend ausblieb und ein paar Bahnen fuhren, soll mich rückblickend nicht ärgern, wegen der Erkältung wäre es so oder so kein Genuss gewesen.)

In der Innenstadt wurden derweil die Weihnachstmarktbuden aufgebaut für den bevorstehenden Besinnlichkeitstrubel.

Gelesen beim Realitätsabzweig: »Zerfällt die Gesellschaft immer weiter in ideologische Lager, die nur noch den eigenen Nachrichtenkanälen glauben und die letztendlich anstreben, möglichst wenig mit den Abweichlern da drüben zu tun zu haben? Es wird nicht einfach werden.« Zum lesenswerten Artikel bitte hier entlang.

Gelesen bei Frau Brüllen: »… dass ich für einen drug product release test ein Mischmuster von verschiedenen Samplingpunkten im Prozess nehmen muss, damit das Testmuster repräsentativ ist für den gesamten Batch? Achtung: es geht um das tatsächliche Testen im Labor, nicht das tatsächliche Sampling des Bulkbatches.« Ich habe keinen Schimmer, um was es geht, jedenfalls klingt es toll. Vor allem Bulkbatches.

Freitag: Da ich mich morgens erkältungsbedingt ziemlich dusig im Kopf fühlte und im Büro vermutlich keine Dringlichkeiten anstanden, nichts, was nicht auch noch am Montag oder später erledigt werden kann, meldete ich mich krank. (Heimbüro ging nicht, weil der Rechner sich befindet, wo er hingehört: im Büro.

Zeitig aufstehen musste ich dennoch, zum einen für die Krankmeldung, zum anderen, weil ich morgens einen Zahnarzttermin hatte. Mein Hinweis auf die Erkältung wurde in der Praxis zur Kenntnis genommen, indes für die vorgesehene Zahnbehandlung (nur regelmäßige Reinigung) nicht als hinderlich angesehen. Wenn es nicht mehr ginge, könnte man ja abbrechen. Es ging gut, der Hustenreiz setzte erst später wieder ein, als ich auf dem heimischen Sofa vor mich hin genas. (Ja, ich habe in der Duden-App nachgeschaut, ob geneste oder genas korrekt ist.)

„Ich werde dich pflegen bis ins hohe Alter“, versprach der Geliebte. Vielleicht habe ich ja Glück und werde nicht so alt.

Gelesen in der Zeitung: »Betrunkener Mann schläft in Gleisbett ein«

Seit geraumer Zeit spotte ich regelmäßig über die Generation Genau, vor allem jüngere Kolleginnen (ja, nach meiner Beobachtung und ohne Wertung meistens weiblich), die gerne das Wort „genau“ als Füllwort in Besprechungen verwenden. Über Frau Kaltmamsell wurde ich auf eine wissenschaftliche Abhandlung aufmerksam, die sich genau diesem Phänomen widmet, bezeichnet als „Powerpoint-Genau“. Vielleicht gibt es ähnliches demnächst oder bereits heute schon auch über „quasi“ und „tatsächlich“. Für Hinweise wäre ich dankbar.

Samstag: Heute war die offizielle Sessionseröffnung des Godesberger Karnevals, traditionell immer am Samstag nach dem elften Elften. Obwohl auch unsere Gesellschaft dort mit Bühnenpräsenz, Bierbude und Bratwurstverkauf vertreten war, blieben wir zu Hause: der Liebste, weil er erst gestern Abend von einer mehrtägigen Dienstreise aus Paris zurückgekehrt war, der Geliebte, weil er da ohnehin nicht mehr hingeht und ich wegen Erkältung, die langsam abklingt. Da sich das Wetter äußerst novemberlich gestaltete, ist davon auszugehen, dass wir nicht viel verpasst haben.

Stattdessen verlief der Tag nach ein paar aushäusigen Erledigungen (unter anderem drei neue Bücher für den Stapel der ungelesenen aus der Buchhandlung abgeholt) ereignislos mit Lesen und Teetrinken auf dem Sofa, derweil der November auf das Glasdach des Erkers tropfte. Viele andere hätten stattdessen Filme oder Serien geschaut. Ich kann es mir selbst nicht recht erklären, für bewegte Bilder bringe ich immer weniger Interesse auf, das gilt besonders für über Whatsapp zugesandte Filmchen, auch fehlt mir die Zeit dazu; kaum dass die Tageszeitung, das letze Blog gelesen, der neue SPIEGEL durchgeblättert sind, wird es draußen schon wieder dunkel und die Abendkulinarikfrage steht im Raum.

Sonntag: Mittags unternahm ich bei milder Temperatur einen Spaziergang, ab und zu begleitet von ein paar Regentropfen. In dessen Zuge brachte ich halblegal an einem öffentlichen Bücherschrank ein Plakat an, danach besichtigte ich das Rheinhochwasser, das nur wenig Dramatik bot – die Uferpromenade war noch nicht (oder nicht mehr) überflutet.

..

Seit nunmehr siebenunddreißig Jahren führe ich regelmäßig Tagebuch, seit fast zwanzig Jahren bevorzugt in Moleskine-Bücher, man gönnt sich ja sonst nichts. Doch ist fraglich, ob ich künftig dabei bleiben werde: Vor ein paar Tagen fing ich ein neues Buch an, weil das vorherige vollgeschrieben ist. Hier stelle ich nun fest, dass die Tinte, mit der ich üblicherweise schreibe, durch die Seiten sickert und das Geschriebene auf der Blattrückseite durchscheint. Sparen die jetzt an der Papierqualität? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht, können Sie ein anderes Produkt empfehlen?

Die Erkältung ist noch nicht ganz verschwunden, doch soweit abgeklungen, dass einer Werktätigkeit ab morgens nichts entgegensteht. Hurra.

Ein ganz besonderer Gruß geht an meine treue Leserin R., zurzeit im Waldkrankenhaus Bad Godesberg. Liebe R., alles Gute dir, komm bald wieder auf die Beine!

***

Werbung:

***

Kommen Sie gut und möglichst unerkältet durch die Woche.

Woche 20: Künstliche Zoom-Hintergründe

Montag: Die größte Leistung bestand heute mal wieder darin, nach vier freien Tagen acht Stunden lang den Dingen Interesse entgegen zu bringen, für die zu interessieren ich ganz gut bezahlt werde.

Erster Gedanke in Besprechung mit junger Kollegin: Gleich sagt sie „genau“. Sie hat mich nicht enttäuscht.

Die Zeitung berichtet über ein Treffen von rund zweihundertfünfzig PS-Äffchen am vergangenen Samstag in Sankt Augustin. Auf einem Parkplatz präsentierten sie sich gegenseitig ihre Geschlechtsteile Fahrzeuge, unter Verzicht auf Masken und Abstand, dafür mit Musik und Tanz. „Die Polizei war nach Angaben der Leitstelle vor Ort, habe aber keine Straftaten festgestellt. Für die Kontrolle der Corona-Vorschriften sei das Ordnungsamt zuständig“, so die Zeitung. Es ist schön, in einem Land mit klaren Zuständigkeiten zu leben.

Abends verursachte eine arglose Frage zu Ölsardinen heftige, völlig unnötige und zum Glück nur kurzzeitige Reibungen. Ansonsten geht es uns gut.

Dienstag: Die bevorstehende Ablösung des Fußballpräsidenten bezeichnete die Frau im Radio morgens als „eine ernste Frage“. Dagegen ist der Nahostkonflikt natürlich ein Fliegenschiss.

Journalistisch Gelungeneres dagegen in der Zeitung über die Verbreitung der indischen Virusvariante in Groß Britannien: „… ein Wettrennen zwischen Infektion und Injektion“.

Mittwoch: In einer Besprechung wurde verkündet, dass ein nicht anwesender Kollege Vater geworden sei („Ein ganz süßes Kind“). Darauf die auch sonst von mir sehr geschätzte Kollegin C: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihm gratulieren oder ihn dafür bedauern soll.“ Ein besonderer Moment, wenn jemand ausspricht, was ich allenfalls im Stillen zu denken wage. Respekt, liebe C!

Donnerstag: Heute nahm ich an einer der bei uns glücklicherweise noch immer seltenen Videokonferenzen teil. Künstliche Zoom-Hintergründe sind ja auch so eine eher spezielle Sache: Man sieht die Kollegen, während sie „genau“ (45 mal), „quasi“ (25 mal) und „tatsächlich“ (nur einmal) sagen, virtuell am Strand, in den Bergen, in einer tristen Fabrikhalle, an einer pittoresken, villengesäumten Allee oder anderen Orten, wo man währenddessen eben viel lieber wäre als im Büro oder am Heimarbeitsplatz. Da ich nicht weiß und es mich nicht im Geringsten interessiert, wie man das bei Zoom einstellt, zeigte mich das Bild ganz normal im Büro, wobei ich mich erst daran gewöhnen musste, nicht desinteressiert die Augen zu verdrehen, als einer anfing, von seinem Hund zu erzählen. Bester Satz des Einladenden, als einer eine textschwangere Präsentation zeigen wollte: „Ich mach dich zum Host.“ Gibt es eigentlich auch den Vollhost?

Freitag: Liebe Kollegen*, es macht mir wirklich überhaupt nichts aus, regelmäßig in der Kaffeeküche die Spülmaschine auszuräumen, das ist vielleicht gut für mein Kaffeeküchenkarma. Doch verratet mir bitte: Welchen Sinn hat es, Besteck mit dem Griff nach unten in den Besteckkorb zu stecken? Es wird dadurch nicht sauberer, und beim Entnehmen muss ich es dort anfassen, wo ihr es später in den Mund steckt.

Frage der Woche: Wann haben Sie das letzte Mal vor Weiterleitung einer längeren Mailkommunikation geschaut, ob der Betreff noch zum Inhalt passt?

Eigenlob verpflichtet: Die erste epubli-Abrechnung für „Herbsterwachen“ ist eingetroffen, demnach wurde im zurückliegenden Monat ein Buch verkauft. Na also, die Mühen und Entbehrungen der letzten Jahre beginnen, sich auszuzahlen, wenn auch zunächst verhalten, aber das wird schon. Lieber Käufer*, ich hoffe, Sie bereuen die Ausgabe nicht und empfehlen es weiter.

Samstag: Im Zusammenhang mit der gestern beschlossenen Kükenverschonung steht in der Zeitung das wunderschöne Wort „Zweinutzungshühner“. Biologisch bemerkenswert auch dieser Satz: „Dabei sollen weibliche Küken Eier legen.“

Seit heute dürfen auch in Bonn Läden und Außengastronomie wieder öffnen. Leute stehen Schlange für ein zweifelhaftes Getränk, das als „Bubble Tea“ bezeichnet wird und mit „Blasentee“ wenig gemein hat.

Kennen Sie noch Hermann Hoffmann? Er war in den Achtzigern mit seiner „Kleinen Dachkammermusik“ Teil der Radiounterhaltung am Samstagnachmittag, als das Wort „Comedy“ zumindest bei uns in Ostwestfalen noch nicht gebräuchlich war. Die Sendung wurde stets eingeleitet mit einer schief intonierten Kinderflöte, dann folgten ungefähr eine Viertelstunde lang witzig-absurde Szenen und Lieder mit Herrn Hoffmann, seiner Frau, den Herren de Vries, Schräuble, Schotterbeck und anderen; alles gespielt und gesprochen von Hermann Hoffmann daselbst. Lange ist es her.

Wie ich darauf komme: Etwas Ähnliches hat mein lieber Kollege Farhad Shahed nun gemacht, nur nicht im Radio, sondern im Netz: „Dark Day“, mit ihm daselbst in allen Rollen. Schauen Sie es sich an – es lohnt sich.

Übrigens: Wenn beim Scrabble richtig viele Punkte machen wollen, merken Sie sich das Wort „Shershenowiskanajaskiana“.

Sonntag: Ich habe angefangen, „Die Selbstgerechten“ von Sarah Wagenknecht zu lesen. Wenngleich ich mich nicht als der Dame und ihrer Partei nahestehend betrachte, gefällt mir doch sehr gut, wie sie den Linksliberalen, oder, wie sie sie nennt, „Lifestyle-Linken“, das sind die, denen Gendersterne wichtiger sind als gerechte Entlohnung, wie sie denen also – mit generischem Maskulinum – ordentlich die Uhr stellt.

Eins meiner persönlichen Probleme mit links sind übrigens konsequent linksgehende Fußgänger*, die mir auf dem Gehweg entgegenkommen und mich so zum Ausweichen nötigen. Vielleicht haben die noch den Satz „Links gehen – der Gefahr ins Auge sehen“ allzu sehr verinnerlicht, der uns als Kinder mit auf den Weg gegeben wurde, wenn wir eine Landstraße ohne Bürgersteig entlanggehen mussten. Alles vorbei: Heutige Kinder laufen nicht mehr entlang solcher Straßen, und Bürgersteig sagt man wohl auch nicht mehr. Auch nicht Bürger*innensteig.

Übrigens, wundern Sie sich bitte nicht über die neue Optik dieses Blogs. Seit gestern ließen sich Artikel nicht mehr über das MacBook bearbeiten oder neu anlegen. Da laut WordPress das bisherige Theme nicht mehr unterstützt wird, dachte ich, vielleicht liegt es daran, und habe kurzfristig die virtuelle Stube neu tapeziert. Daran lag es dann aber doch nicht, sondern an irgendwelchen Cookies, wie der Liebste herausfand. Das bisherige Design gefiel mir zwar etwas besser, aber an das neue werde ich mich wohl auch bald gewöhnen, es schadet ja fast nie, mal was zu ändern.

* Das Experiment Gender-i‘ erkläre ich für beendet. Kann man machen, muss man aber nicht. Deshalb, liebe Damen und Diverse, bitte fühlen Sie sich ausdrücklich mitgedacht.

Woche 20: Manchen ist nicht zu helfen

Montag: Ein leichter, anlassloser Anflug schlechter Laune ist heute mein stummer Begleiter. Doch nach einem Hauch Rotwein am Abend sieht die Welt schon wieder anders aus. Und schließlich tröstet es sehr, dass jeder Montag einmal endet, selbst wenn er auf einen dreizehnten fällt.

Im Übrigen schloss ich heute die Buchdeckel von „Jeder lügt so gut er kann“ von Harald Martenstein, welches mir in den zurückliegenden Wochen die Bahnfahrten ins Werk und zurück versüßte. Besonders gefallen hat mir der Aufsatz über die Generation Genau, also jene seit etwa um die Jahrtausendwende geborene Menschen, die ständig „genau“ sagen, wenn sie „äh“ meinen.

Bei Frau Marie lese ich das schöne Wort „Digitalitäten“. Gleichzeitig frage ich mich erneut, warum es so vielen Menschen nahezu unerträglich ist, einfach mal nichts zu tun.

Dienstag: Die ab morgen in den Urlaub gehende Kollegin verkündet in der Besprechung, fast entschuldigend, ihren dienstlichen Rechner nicht mitzunehmen. Telefonisch sei sie selbstverständlich erreichbar. Manchen ist nicht zu helfen.

Eigenlob stinkt bekanntlich. Ob Eigengratulationen ähnlich unangenehme Begleiterscheinungen aufweisen, entzieht sich meiner Kenntnis. Ungeachtet dessen: Herzlichen Glückwunsch allen Christians und Carstens zum Namenstag!

Mittwoch: „Zurzeit dreht sich die Welt ziemlich schnell. Ich hoffe, es wird uns nicht schwindelig“, schließt ein Kollege seine Mail und bringt damit einiges, was im Werk so abläuft, auf den Punkt.

Nicht mehr schnell, sondern nur noch langsam kann ich mich indessen bewegen, seit mir am Vormittag ein Hexenschuss verdeutlicht, was für ein alter Sack ich geworden bin.

Ebenfalls langsam, leider zu langsam war ein Rentner in Bornheim, denn er wurde von einer Stadtbahn totgefahren, als er trotz geschlossener Schranken die Gleise überquerte, um – ausgerechnet – zu einer Beerdigung zu gelangen. Verfilmt ginge das wohl als schwarzer oder englischer Humor durch.

Apropos Stadtbahn: Der korrekte Gebrauch von Anführungszeichen ist nicht selbstverständlich.

KW20 - 1

Donnerstag: Alltägliche Verrichtungen wie Duschen und Socken anziehen erhalten mit einem schmerzhaft verspannten Rücken eine interessante Note. Zudem scheint sich der Fußweg zwischen Bahnhaltestelle und Werk um ein Vielfaches zu dehnen.

Freitag: Auf Drängen meiner Lieben suchte ich am Morgen wegen des Rückenleidens einen Arzt auf. Ich soll möglichst wenig sitzen und stehen, dafür liegen und gehen, womit er bei mir offene Türen einrennt. Zudem verschreibt er diverse Medikamente.

Nachmittags fuhr ich nach Köln zu einer Hochzeit. Hinter mir in der Bahn zwei Asiaten, die den Mangel an Konsonanten durch Lautstärke ausglichen. Auf der Hochzeit sah ich Männer, die möglicherweise äußerlich nicht erkennbare Mängel durch seltsame Frisuren kompensierten. Ansonsten war es sehr schön.

Dem Rücken geht es unterdessen etwas besser. Ob die am Morgen verschriebenen und seitdem vorschriftsmäßig eingenommenen Medikamente daran einen maßgeblichen Anteil haben, vermag ich nicht zu beurteilen, vielleicht wäre es auch so besser geworden.

Samstag: Vielleicht ist es ein Beleg für den trotz weit verbreitetem Pessimismus relativ guten Allgemeinzustand unseres Landes, wenn der Tageszeitung die Tatsache, dass sich auf einem Godesberger Parkplatz nach Regen Pfützen bilden, einen vierspaltigen Bericht wert ist.

Sonntag: „Der Blick in den Spiegel kann trügen“, schreibt DER SPIEGEL in der aktuellen Ausgabe.

Wie ich demselben entnehme, sieht sich der von mir sehr geschätzte Comiczeichner Ralf König Anfeindungen aus der queer-feministischen Community ausgesetzt, weil sich bestimmte Personengruppen durch seine Knollennasenfiguren diskriminiert fühlen. Gut, Frauen kommen bei ihm nicht immer ganz so gut weg, aber das ist so ziemlich das Absurdeste, was ich seit langem gelesen habe: Ausgerechnet Ralf König diskriminiert Minderheiten! Die politisch-korrekte Selbstgerechtigkeit dieser Leute wird immer unerträglicher. Verlangen sie demnächst auch die Absetzung von „Dinner For One“, weil dort Alte, Alkoholiker und Verstorbene diskriminiert werden, außerdem das Töten geschützter Tierarten verharmlost wird?