Woche 17/2024: Schöne Aussicht und ein Gang nach Auerberg

Montag: Reisen machen mich nervös, sogar wenn andere sie tun. Morgens reiste der Liebste in die USA nach Atlanta, wo er bis nächste Woche beruflich zu tun hat. Was mich daran nervös machte war nicht die Angst vor einem Flugzeugunglück (obwohl er mit einer Boeing-Maschine flog), sondern die Anreise zum Flughafen Frankfurt, erst mit der Stadtbahn nach Siegburg, dann weiter mit dem ICE. Aufgrund persönlicher Erfahrungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln fand ich meine Sorge begründet, zumal er die spätest mögliche Stadtbahnverbindung wählte. Doch es lief alles zur Zufriedenheit, er kam gut und pünktlich an.

Der erste Arbeitstag im Mutterhaus nach viereinhalb Jahren Auslagerung verlief zufriedenstellend und weitgehend ohne Montäglichkeit. Auch das Gewusel auf dem Flur und in den Nebenbüros – nebenan telefonierte einer zu etwa achtzig Prozent seiner Arbeitszeit – störte mich weniger als befürchtet.

Blick aus meinem Büro über den Rheinauenpark auf das Siebengebirge

Beim Ausräumen meiner Schreibtischschubladen vergangene Woche fand ich eine noch fast volle Schachtel Altoids-Pfefferminzbonbons. Das freute mich ganz besonders, zumal mir schon vor längerer Zeit die örtlich Bezugsquelle abhanden gekommen ist. Vermutlich könnte ich sie beim großen A bestellen, doch bestelle ich dort aus grundsätzlicher Abneigung nichts; wenn es etwas nur beim großen A gibt, dann gibt es das für mich eben nicht.

Falls Sie die irgendwo sehen sollten, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.

Am Samstag hatte ich bei einem Hersteller von Modellautos per Kontaktformular wegen Ersatzteilen angefragt, nachdem bei einem Omnibusmodell durch Unachtsamkeit ein Rückspiegel abgefallen und vermutlich im Staubsauger verschwunden war. Heute kam per Mail die Antwort: Gerne schicke man mir die gewünschten Teile, gegen Zusendung von Briefmarken im Wert von sieben Euro. Bis in die Neunzigerjahre eine durchaus gängige Zahlungsmethode, heute mutet sie ein wenig extravagant an.

Dienstag: Nach eisiger Nacht war der Rhein morgens in Nebel gehüllt, während abseits davon blauer Himmel das Auge erfreute; aus der Kranichperspektive wird das recht beeindruckend gewesen sein, sofern Kraniche auf so etwas achten. Da ein vernebelter Rhein nicht sehr oft zu sehen ist, erlaube ich mir heute eine gewisse Bildlastigkeit.

Am Brassertufer
Blick auf Beuel, wenn es zu sehen wäre
Das übliche Wochenbild, ohne Hintergrund
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Der Bundesgalgen
Wie man sieht beziehungsweise nicht, war auch das Mutterhaus dicht umhüllt

Auf dem Rückweg stillte ich im Rheinpavillon spontane Lust auf ein Arbeitsendegetränk, wobei diese schon morgens auf dem Hinweg erwachte, als die Gaststätte noch geschlossen war. Zudem wäre es bedenklich, bereits vor acht Uhr Bier zu trinken. Währenddessen fuhr auf dem Rhein ein kleines Segelboot mit erheblicher Schräglage vorüber, mal neigte es sich nach Back-, mal nach Steuerbord, stets ausgeglichen durch die beiden Insassen, die sich auf der jeweils anderen Bordseite weit nach außen lehnten. Für mich wäre das nichts, schon gar nicht bei der derzeit herrschenden Kälte.

Luv oder Lee
Später kam eine alte Bekannte durch: Die Alisa, mit der wir im vergangenen Jahr auf dem Rhein kreuzfuhren

In der Fußgängerzone sah ich einen, der Passanten einen angeknitterten Pappbecher entgegen hielt und um Kleingeld anhielt. Kurz darauf begegnete mir ein anderer, ebenfalls mit einem Pappbecher in der Hand, nicht so knitterig wie der erste, gefüllt mit aufgecremtem Kaffee. Ich fragte mich, wie der wohl geschaut hätte, hätte ich dort Münzen eingeworfen.

Mittwoch: Wie ich erst nachmittags bemerkte, waren die beiden Umzugskartons aus dem alten Büro längst angeliefert, nur nicht wie darauf angegeben in mein neues Büro, sondern in einen Sammelraum den Gang runter, Servicewüste Deutschland. Egal, nach dem Auspacken und dekorativer Platzierung des Inhalts im Regal kommt eine gewisse Behaglichkeit auf, im Gegensatz zu den meisten anderen Büros ohne feste Bewohner.

Abends besuchte ich recht spontan eine Lesung, nachdem ich morgens durch die Zeitung darauf aufmerksam wurde. Sie fand statt in einer Kneipe unweit unserer Wohnung, die ich seit Jahren nicht mehr besucht hatte. Beim letzten Mal hieß sie noch anders und das Publikum war ein völlig anderes; soweit ich mich erinnere, hatten Damen keinen Zutritt. In den hinteren Räumen konnte Mann sich in einer Art und Weise vergnügen, die hier detailliert zu schildern womöglich gegen die Richtlinien des Bloganbieters verstößt.

Die Lesung (beziehungsweise der Poetry Slam, das Publikum stimmte per bei Gefallen hochgehaltener Fliegenklatsche ab), war unterhaltsam.

Auch die Fliesenbeschriftung über den Urinalen hat Niveau

Einer meiner Vorsätze lautet, nie wieder um die Wette zu lesen, nachdem ich bei einem ähnlichen Anlass vor Jahren grandios den letzten Platz belegt hatte. Dennoch habe ich mir heute einen Handzettel mit den nächsten Terminen und Kontaktdaten des Veranstalters eingesteckt, man soll niemals nie sagen.

Donnerstag: Aus terminlichen Gründen ließ es sich heute nicht vermeiden, die Kantine erst gegen zwölf aufzusuchen. Um diese Zeit ist der Andrang besonders groß, an manchen Tagen findet man dann kaum noch einen freien Platz. Ich hatte Glück und fand einen unbesetzten Zweiertisch, von wo aus ich gute Aussicht auf das hungrige Treiben hatte. Erkenntnis auch heute, wie kürzlich schon bemerkt: Das Platzproblem könnte deutlich gelindert werden, wenn die Leute nach dem Essen gehen würden, anstatt noch eine Viertelstunde und länger vor leer gegessenen Tellern sitzend zu quatschen.

Kennen Sie Gunkl? Sollten Sie. Er schreibt täglich tolle Sachen. Heute dieses:

Vermutlich bin ich nicht der erste, der sich überlegt, ob ein Feiertag fürs Universum, so er einmal eingeführt werden sollte, anders – jedenfalls glamouröser – benannt werden sollte als „Alltag“.

Tolles auch im General-Anzeiger:

Hier wäre wohl zunächst ein Kurs zu richtiges Schreiben angebracht.

Freitag: Resümee nach einer Woche Mutterhaus: Trotz permanentem Gemurmel aus den Nebenbüros fühle ich mich dort wieder wohl, die Sehnsucht zurück in die behagliche Ruhe des bisherigen Gebäudes ist gering. Die Aussicht auf das Siebengebirge entschädigt für vieles. Ein wenig gewöhnen muss ich mich noch daran, dass nebenan ständig die Kollegen wechseln. Ich bin einer der wenigen mit festem Arbeitsplatz, man kann sich das aussuchen: Entweder bis zu drei Tage in der Woche Heimbüro, dafür keinen festen Schreibtisch, oder jeden Tag ins Büro kommen. Da musste ich nicht lange überlegen. Auch der zweite Platz in meinem Büro ist flexibel belegt. In dieser Woche war nur zweimal wer da, beide waren sehr verträglich. Im Übrigen gilt, wie die geschätzte Mitbloggerin Frau Novemberregen schon vor einigen Wochen schrieb: Es ist ein Arbeitsplatz, keine Tagespflege.

Samstag: Der Frühling ist zurückgekehrt mit Sonnenschein und milder Luft. Das veranlasste mich am Nachmittag zu einem längeren Spaziergang nach Bonn-Auerberg. Nicht, weil das ein besonderes schöner Stadtteil wäre, eher im Gegenteil, die Auerberger mögen mir verzeihen, sondern weil mir wieder eingefallen war, vor längerer Zeit mal im Netz recherchiert zu haben, dass der dortige Rossmann Altoids-Bonbons im Sortiment hatte, siehe Montag. Leider nur hatte, jetzt hat er nicht mehr. Dafür immerhin ein ähnliches Produkt eines anderen Herstellers, ebenfalls in einer dekorativen Blechschachtel. Somit war der Gang nach Auerberg nicht vergeblich. Wobei ein Spaziergang ohnehin nie vergeblich ist, auch nicht nach Auerberg.

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Wahlkampf

Sonntag: Nach spätem Frühstück fuhr ich mit der Bahn nach Bonn-Duisdorf, um eine Modellbahnbörse zu besuchen. Damit war ich schnell durch, es war nichts Kauflust erregendes im Angebot, das ist nicht schlimm. Zurück ging es zu Fuß durch das Messdorfer Feld, damit war der Sonntagsspaziergang auch erledigt. Mehr gibt es über den Tag nicht zu berichten, das ist auch nicht schlimm.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 9/2024: Apfelbäumchen und so

Montag: Heute ist Tag der Pistazie, warum auch nicht, irgendwas ist immer. Ihre grünlichen Kerne sind wohlschmeckend und sie bieten ein gewisses Beschäftigungspotenzial, wenn man nichts zu tun hat, vielleicht an lauen Sommerabenden auf dem Balkon bei einer Flasche Rosé, nach dem Grillen; Platz für ein paar Pistazien ist immer noch, nachdem man sie aus der hölzernen Schale gepult und, wer sich die Mühe machen möchte, die bräunliche Haut abgeknibbelt hat. Auch Pistazieneis mag ich, aber bitte ohne Splitter darin, schon immer stören mich Nusskürsel in Eis, Pudding und Schokolade, ich kann das nicht erklären. Außer bei Walnusseis, da kann ich es erklären, das schmeckt mir überhaupt nicht, weder mit noch ohne Kürsel. Pistazien pule und esse ich, wenn sie auf dem Tisch stehen, weil sie jemand gekauft hat; aus eigenem Antrieb selbst welche kaufen, vielleicht extra für den Pistazienerwerb ein Geschäft aufsuchen würde ich eher nicht. Daher erscheint mir ein ihnen gewidmeter Gedenktag übertrieben.

Ansonsten erspare ich Ihnen die Schilderung von trübkühlem Regenwetter, stockendem Stadtbahnbetrieb / Arbeitseifer, latentem Erkältungsgefühl und Nachmittagsmüdigkeit.

Dienstag: Laut Radiomeldung am Morgen erwägt Frankreich, zur Unterstützung der Ukraine Bodentruppen dorthin zu entsenden. Willkommen im Dritten Weltkrieg; womöglich formuliert Putin schon eine Reisewarnung für Paris, Marseille oder Lyon. Mal lieber schnell noch ein Apfelbäumchen pflanzen.

Zurück zum profanen Alltag, solange es ihn noch gibt: Immer wieder erstaunlich, wie jemand es schafft, mit einem Thema, das sich auf einer halben Seite Text darstellen ließe, einundzwanzig Seiten Powerpoint zu füllen.

Doch ist nicht alles schlecht: Mittags in der Kantine gab es, gleichsam als Powerpointe, roten Wackelpudding mit Vanillesoße. Das lässt manches in milderem Licht erscheinen.

WordPress fragt heute: »Wenn du für einen Tag jemand anderes sein könntest, wer wärst du und warum?« Mir ist so, als hätte ich das schon mal beantwortet, mache das gerne nochmals: Ein muskulöser Pornodarsteller. Warum? Ich wüsste gerne, wie es sich anfühlt, in so einem Körper zu leben und es gegen Bezahlung in Anwesenheit einer Filmcrew vor einer Kamera zu tun. Das bleibt bitte unter uns.

Mittwoch: Jedesmal wenn einer sagt „Das ist keine Raketenwissenschaft“, geht mir einer flitzen möchte ich in die Luft gehen.

Wetter- und werkstattbedingt kam ich erst heute, nach über einer Woche, wieder dazu, mit dem Fahrrad ins Werk zu fahren. Auf dem Heimweg befuhr ich erstmals den vor allem in Kraftfahrerkreisen umstrittenen, nun auch stadteinwärts neu abgetrennten Radstreifen an der Adenauerallee, vorbei an den sich auf der ihnen verbliebenen Fahrspur stauenden Autos, was weniger an der nun fehlenden zweiten Spur liegt, vielmehr an der vorübergehenden Umleitung wegen der baustellenbedingt zurzeit gesperrten Autobahn. Auch auf zwei Streifen hätten sie sich wahrscheinlich gestaut. Wie auch immer – es radelte sich prächtig, von mir aus kann das gerne so bleiben, wobei ich anerkenne, dass man auch anderer Meinung sein kann. Dennoch werde ich wohl auch künftig überwiegend am Rheinufer entlang zurück fahren, weil es dort wesentlich schöner ist. Auch wenn es etwas länger dauert und Läufer auf dem Radweg immer wieder ein Ärgernis sind. Für sie habe ich eine neue, deutlichere Fahrradklingel montieren lassen.

Donnerstag: Der heutige 29. Februar gab mir die seltene Gelegenheit, meinen großen Bruder an seinem Geburtstag anzurufen, nicht wie sonst einen Tag vorher, was bekanntlich Unglück bringt und nicht einen danach mit dem Zusatz „nachträglich“. Übrigens sein sechzehnter.

Die Tageszeitung berichtete neulich über einen jungen, sehr erfolgreichen und hochpreisigen Bäcker in der Bonner Südstadt, der sich entschlossen hat, zum Wohle seiner Mitarbeiter und zur Vermeidung von Kündigungen die Geschäftszeiten zu kürzen. Das erzürnt Frau Ingeborg N., die uns per Leserbrief an ihrem Unmut teilhaben lässt: »Der Kunde ist ohnehin allgemein nicht mehr König, die Kunden haben das Nachsehen. Morgens gibt es bei Max Kugel außer samstags kein frisches Brot mehr und von Anfang an gab es keine Brötchen zum Frühstück. Das bedeutet einen Verlust an Lebensqualität für die Kunden, aber die des jungen Bäckers und seiner Angestellten steigt. Ist das okay?«, Ja, liebe Frau N., ist es.

Abends kam es zu einem kollegialen Umtrunk im Wirtshaus. Dabei erfuhr ich, dass der Kollege Vaterfreuden entgegensieht. So löblich es ist, trotz aller Widrigkeiten der Welt einen aktiven Beitrag zur Arterhaltung zu leisten, Apfelbäumchen und so – es gelingt mir immer weniger, mich mit den künftigen Eltern zu freuen. Erkenntnis: Rote-Bete-Schnaps schmeckt gar nicht mal so gut.

Freitag: Manchmal hilft nur bewusstes Ein- und Ausatmen und Abwarten, bis es vorüber ist. Eine lange Besprechung am Vormittag mit geringem Redeanteil meinerseits ermöglichte es mir, längere Zeit untätig aus dem Fenster zu schauen und den Raben, Elstern und Amseln am Futterteller beim Frühstück zuzuschauen. Aufgrund akuter Indisposition war ich dafür sehr dankbar.

Gleichwohl gelang es mir im Laufe des Tages, eher zufällig ein lästiges Büroproblem zu lösen. Somit habe ich mein Gehalt heute durchaus verdient.

Erkenntnisauffrischung mittags in der Kantine: Rucola ist ein unnötiges Unkraut, das in Kaninchenställen seinen Zweck erfüllen mag, jedoch nicht auf meinen Teller gehört.

Mittags Moosbetrachtung mit Mutterhaus

Kurt Kister in seiner Kolumne „Deutscher Alltag“:

»Seit Lazarus allerdings hat das Wort „revitalisieren“ eine unrühmliche Karriere gemacht. Es ist aus dem Fachjargon von Bauleuten, von denen viele verbal nicht so geschickt sind wie handwerklich, in die fast normale Sprache diffundiert, wo es mit anderen verwandten Blähwörtern (Ertüchtigung, Infrastruktur, Transformation etc.) zu Ansammlungen zusammengerottet wird, die groß klingen, aber klein sind an Sinn. […] Durch das Aneinanderreihen von Substantiven, die gerne auf -ung oder -ion enden, kann ein Klangfolgenhersteller Lautreihen erzeugen, die bei anderen Klangfolgenherstellern und Innen, also bei Projektbeauftragten, Abteilungsleiterinnen, Geschäftsführern oder AG-Koordinatorinnen, gleichzeitig Erkennen, Heimatgefühle und professionelle Müdigkeit auslösen.«

Zum gesamten Text bitte hier entlang.

Auch Herr Formschub hat lesenswerte Gedanken über Sprache aufgeschrieben.

Samstag: Ab Mittag nahmen wir teil an einer kulinarischen Stadtführung durch die Innere Nordstadt, auch als Altstadt bekannt, die ich meinen Lieben zu Weihnachten geschenkt hatte. (Also die Führung, nicht die Nord- bzw. Altstadt, bei aller Liebe.) Erstmals gebucht und verschenkt hatte ich die Tour bereits zu Weihnachten 2019, dann kam Corona, weshalb ich vom Anbieter eine Gutschrift für einen späteren Termin erhielt. Da Corona länger blieb als anfangs vermutet, war die Gutschrift inzwischen verfallen, was will man machen.

Die Tour war sehr angenehm und interessant. Mit sieben Teilnehmernden suchten wir sechs Lokalitäten auf, wo jeweils kleine Probierportionen gereicht wurden. So aß ich erstmals türkische Gözleme und war angemessen begeistert. Zwischendurch erfuhren wir durch die nette Führerin allerlei Wissenswertes über den Stadtteil, in dem wir mittlerweile seit immerhin neunzehn Jahren wohnen. Eine gewisse überregionale Bekanntheit hat er inzwischen erlangt durch die Kirschblüte, die in schätzungsweise drei bis vier Wochen wieder beginnt und die Instagram-Server sirren lässt.

Auch sonst gibt es immer wieder interessantes am Wegesrand zu entdecken, wenn man mal den Blick vom Datengerät hebt:

Foto: der Geliebte (d.h. der Fotograf, nicht das Motiv)
Laut Bundesbank befinden sich noch immer mehrere Milliarden D-Mark allein an Münzen in Bevölkerungsbesitz. Die kann man in Kürze in Bonn wieder verwenden. Man beachte auch die »Innere Altstadt«. (Foto: der Liebste)

Die Führerin (darf man das Wort überhaupt verwenden? Was sonst, wenn man nicht Guide schreiben will? Erklärdame klingt besserwisserhaft, was der freundlichen Frau nicht gerecht würde) wohnt übrigens, wie sich im Laufe des Gesprächs ergab, im selben Haus in der Südstadt, in dem ich wohnte, als ich vor fünfundzwanzig Jahren nach Bonn zog. Außerdem ist sie wie ich in Bielefeld geboren. Nach weiteren Gemeinsamkeiten traute ich mich nicht zu fragen. Zufälle gibts.

Sonntag: Der Frühling ist da mit Blütenpracht, milder Luft und Sonnenschein. Viel zu früh und viel zu warm, ist zu lesen, meine bereits vergangene Woche diesbezüglich geäußerte Vermutung wird bestätigt.

Viel zu warm war deshalb auch die weiterhin getragene Winterjacke. Dessen ungeachtet war der Spaziergang am Nachmittag erquickend. Auch zahlreiche andere zog es nach draußen, zu Fuß und zu Fahrrad; auf dem Rhein paddelte ein nur leicht bekleideter Stehpaddler mit großer Anstrengung flussaufwärts und kam dabei nur sehr langsam voran. Je nachdem wohin er wollte, dürfte mit einer späten Ankunft zu rechnen sein. Auch die ersten Düsenbarken (Jetski) brausten am sich mühenden Paddler vorbei und belästigten ihn und alle anderen mit ihrem Lärm. Der Lieblingsbiergarten hat noch geschlossen, vielleicht war das heute ganz gut und ersparte mir die Versuchung.

Über die knöchelfreie Hosenbeinmode junger Männer ließ ich mich bereits des öfteren aus, wobei ich es nicht kritisiere, viele können das durchaus tragen, nicht alle sollten es. Hier beobachte ich einen neuen Trend: Die Hosenbeine bleiben kurz, vielleicht einmal umgekrempelt wie bisher. Doch verjüngen sie sich nach unten hin nicht mehr, vielmehr bleiben sie bis zum Ende weit geschnitten und schlackern beim Gehen um die weiterhin sichtbaren Fesseln, die wie ein Besenstiel aus einem Abflussrohr staken. Jungs, glaubt dem alten Boomer: Es sieht bescheuert aus. Meine Oma nannte das früher „Hochwasserhosen“, vermutlich ein ebenso aussterbender Begriff wie Kassettenrekorder oder Videothek.

Die Sonntagszeitung berichtet über die schnelle Ausbreitung der Roten Feuerameise, deren Bisse und Stiche extrem schmerzhaft sein sollen. Unter anderem das Rheinland soll besonders prädestiniert sein als Lebensraum für die Eindringlinge, auch das noch. Das hinderte mich nicht daran, nach der Zeitungslektüre die Augen zu schließen und ein Stündchen der Dämmerung entgegen zu schlummern.

Das bereits am Montag erwähnte Erkältungsgefühl hat sich zu einer richtigen Erkältung mit Nasenpein und Hustenreiz entwickelt. Ins Büro muss ich morgen auf jeden Fall, da sich mein Rechner dort befindet und ich etwas Unaufschiebbares erledigen muss. Ob ich mich danach krank melde oder weiterarbeite, entscheide ich situativ morgen.

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Kommen Sie gut und möglichst ohne Indispositionen durch die Woche.

Woche 12: Apfelbäumchen und so

Montag: Morgens diskutierte ich mit dem Geliebten darüber, ob die Sonntagszeitung entsorgt oder für bestimmte Notsituationen vorerst aufbewahrt werden sollte.

Ins Werk fuhr ich zur Meidung öffentlicher Verkehrsmittel mit dem Fahrrad, was ich für die nächsten Wochen beizubehalten beabsichtige. Wie konsequent, wird sich zeigen, wenn es regnet. Der Geliebte ist in dieser Hinsicht seit Monaten leuchtendes Vorbild.

Im Werk war es noch sehr ruhig, sämtliche Termine laufen per Skype, viele arbeiten zu Hause. Der meistgehörte Satz heute: „Bleib / bleiben Sie gesund“, und das klang immer genauso gemeint, nicht wie ein sonst automatisch und pflichtgemäß hingeworfenes „Guten Morgen“, „Frohes neues Jahr“ oder „Mahlzeit“. Nunmehr ergibt es einen Sinn, „Gesundheit“ zu wünschen, nicht nur im Niesefall.

Was ich mir indessen nicht angewöhnen werde sind diese komischen Ellenbogenstupser und Fußtritte zur Begrüßung. Die finde ich mindestens so überflüssig wie Händeschütteln und Küsschen-links-Küsschen-rechts, und worin liegt der Sinn, wenn anstatt zweier Hände nun zwei vollgenieste Armbeugen in Kontakt kommen?

Einer der wenigen eher positiven Effekte des Ausnahmezustands: ZDF-heute verzichtet auf einen separaten Nachrichtensprecher für Sport und nutzt die Zeit stattdessen für Wichtiges. Wobei – eigentlich gibt es ja zurzeit nur ein Thema.

Dienstag: Auch die Tagung, die heute und morgen in Berlin stattfinden sollte, wird per Skype durchgeführt. Als kleine akustische Auflockerung das Hintergrundtschilpen der Wellensittiche eines Vortragenden, der von heimischer Stube aus teilnahm.

In der Kantine wurde das Speisen- und Sitzplatzangebot stark reduziert. An den Tischreihen fehlt jeder zweite Stuhl, und nur noch jede zweite Vierer-Nische darf benutzt werden. Das hält manche Kollegen nicht davon ab, sich wie gewohnt zu viert in eine Nische zu kuscheln. Sie haben es wohl nicht verstanden.

Nach dem Mittagessen schaute ich durch den Rheinauenpark spazierend dem Frühling beim Erwachen zu.

KW12 - 1 (2)

KW12 - 1 (1)

Ein Lichtblick in dieser unsicheren Zeit: Tagsüber unterbrach der Liebste seine Heimarbeit und ging in den Supermarkt. Auf die Frage an den Marktleiter, wie viel Toilettenpapier er mitnehmen dürfe, wurde ihm beschieden: So viel er wolle, es sei genug da. Er beschränkte sich den allgemeinen Aufrufen folgend auf eine haushaltsübliche Zehnerpackung. Somit kann die Sonntagszeitung entsorgt werden.

Um dem Tag ein wenig Normalheit zu verleihen, vereinbarte ich einen Frisörtermin in drei Wochen, der auch bestätigt wurde. Sie wissen schon, Weltuntergang, Apfelbäumchen und so.

Abends gabs Champagner. Nur so, ohne besonderen Anlass. Zudem: Mit was kann man angemessener auf die Gesundheit anstoßen?

Mittwoch: Frühmorgens singen die Amseln, als wenn nichts wäre.

Erst beim Morgenkaffee am Küchentisch fiel mir ein, dass wir gestern unseren Hochzeitstag vergessen haben, wenn auch nur den „kleinen“, also die amtliche Umwandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaft vor zwei Jahren. Insofern war der gestrige Champagner doch nicht anlasslos, sondern instinktiv notwendig.

Seit Montag besucht mich jeden Morgen gegen halb neun eine Taube vor dem Bürofenster. Sie trippelt (heißt das so bei Tauben?) einmal die äußere Fensterbank entlang, schaut kurz zu mir herein und verschwindet wieder. Vielleicht ist die vom Arbeitgeber beauftragt, zu kontrollieren, ob weisungsgemäß in jedem Büro maximal eine Person anwesend ist.

In der Online-Ausgabe des General-Anzeigers fand ich dieses:

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Donnerstag: Über kollegiale Gedankenlosigkeiten in der Kantine muss ich mir seit heute auch keine Gedanken mehr machen. Bis auf Weiteres ist sie geschlossen. Also ab morgen Bütterchen und Apfel zu Mittag.

Da die Proben des Musikcorps unserer Karnevalsgesellschaft bis mindestens nach Ostern ausgesetzt sind, reduziere ich meine täglichen Trompetenübungen. So können vielleicht auch die Nachbarn der Krise ein klein wenig Gutes abgewinnen.

Gelesen bei fragmente:

Es hilft, ins Büro zu gehen, weil es mich einschnürt in ein Korsett aus Gewohnheiten, das mich hält. Es scheint nicht möglich, dass sich der Lauf der Welt ändern könnte, wenn doch die Abfolge der Alltäglichkeiten so ist wie immer.

Ja, noch darf auch ich täglich ins Büro fahren. Aber vermutlich nicht mehr lange. Und dann wird es mir sehr fehlen. Hätte nie gedacht, das mal zu schreiben.

Freitag: Möglichst zu Hause bleiben, unnötige Kontakte meiden, klar. In den Ärmel niesen und husten, sicher. Abstand halten, logo. Wie ich morgens im Radio hörte, rät das Gesundheitsamt Dortmund zudem dringend davon ab, Pakete abzulecken. Das geht nun wirklich etwas zu weit.

In einer werksinternen Mitteilung wird indessen auf die Empfehlungen des Roland-Koch-Instituts verwiesen.

„Wir haben da kein stake“, hörte ich in einer (natürlich per Skype durchgeführten) Besprechung. Mangels Kantine hatte auch ich kein Steak, dafür Butterbrot und Apfel. Daran muss ich mich noch etwas gewöhnen. Da fällt mir ein, kürzlich las ich einen Artikel über sogenannte Bento-Boxen. Das sind von urbanen Müttern, die offenbar sonst nichts Wichtiges zu bedenken haben, kunstvoll für die Kinder angerichtete Pausenfutterdosen mit Instagrampflicht. Hat sich ja auch erstmal erledigt.

Samstag: Den Beginn des Frühlings erkennt man nicht nur an Amselgesang in der Frühe, der kurz bevorstehenden Kirschblüte in der Inneren Nordstadt, die in diesem Jahr wohl wesentlich weniger Betrachter anlocken wird als sonst, sondern auch am Geschrei der Singstar-Krähe von gegenüber, die nun wieder bei geöffnetem Fenster die Siedlung beschallt. Heute im Angebot: „Who wants to live forever“.

Abends unterstützten wir die örtliche Gastronomie, indem wir uns etwas vom Außerhausverkauf unseres Lieblingsitalieners holten. Das werden wir in der nächsten Zeit wohl öfter tun. Den als Aperitif erforderlichen Aperol Spritz nahmen wir zuvor zu Hause ein, den Grappa als Digestif reichte uns der Wirt vorab während des Wartens durch das Fenster. Man muss flexibel sein in diesen Zeiten.

Sonntag: Mittlerweile erfährt der Satz „Bleib / bleiben Sie gesund“ erste Abnutzungserscheinungen.

Wie am frühen Abend gemeldet wurde, müssen nun auch Frisöre in NRW schließen, soviel zum Thema Apfelbäumchen. Was wird jetzt aus den jungen Männern mit den strengen Scheitelfrisuren?

Nicht nur dieses Blog drehte sich in dieser Woche überwiegen um das Virus und seine Auswirkungen. (Übrigens kann man laut Duden, genau wie bei Blog, der oder das Virus sagen/schreiben, nur so nebenbei.) Obwohl zu erwarten ist, dass wir erst am Anfang stehen und uns in den kommenden Wochen und Monaten noch einiges bevorsteht, werde ich versuchen, künftig wieder etwas weniger virenlastig zu schreiben. Ob das gelingt, kann ich Ihnen leider nicht versprechen, bitte bleiben Sie mir trotzdem treu. Vielen Dank und alles Gute!

Woche 7: Ich bereue nichts

Montag: „Damit schaffen wir die Grundlage, die bereits erfolgreich begonnene Modernisierung und Weiterentwicklung der operativen Prozesse durch Automatisierung und Digitalisierung kontinuierlich voranzutreiben und die operativen Synergien künftig noch stärker zu nutzen.“ In gewisser Weise bewundere ich Menschen, die solche Sätze hervorbringen können. Wobei zweimal „operativ“ leichten Punktabzug nach sich zieht.

Laut einem Zeitungsbericht wurde in Argentinien eine bislang unbekannte Saurierart entdeckt und mit dem schönen Namen Bajadasaurus pronuspinax versehen. Die Biester wiesen bis zu einen Meter lange Stacheln am Hals auf, über deren Zweck die Forscher noch rätseln. Möglicherweise sollen sie gar die sexuelle Attraktivität ihrer Träger gesteigert haben. Na ich weiß nicht.

Dienstag: „Das soll kein Fingerpointing sein, wie man auf neudeutsch sagt“, erklärt der Projektleiter in einer Besprechung. Einmal mehr möchte ich aufstehen und ihm zurufen: „Das ist weder neu noch deutsch!“ – Merke: Wer unnötige Anglizismen in Umlauf bringt oder nachplappert, ist nicht klug, sondern nur zu faul.

„Was hält dich momentan am meisten auf?“, lautet die Frage des Tages bei Quergefönt. Ganz klar: Besprechungen.

(Bitte denken Sie sich hier das Bild eines wunderschönen Abendrotes über dem Bonner Venusberg zur Feierabendzeit, welches ich in Ermangelung eines geeigneten Fotostandpunktes nicht anfertigte. Gleichsam Verbal-Instagram.)

Frau Marie greift die Frage auf, ob es angezeigt ist, „Gesundheit!“ zu rufen, wenn jemand in der Nähe niest. Auch ich widmete mich vor längerer Zeit diesem Thema, (oder dieses Themas? Sebastian Sick wüsste es), und an meiner Meinung hat sich seitdem nichts geändert: Es ist Unfug. Nicht weil ich es sage, sondern ich sage es, weil es so ist.

Mittwoch: Am Ende eines Satzes „Punkt“ zu sagen, zur Bekräftigung des zuvor gesagten, ist ja auch eher so eine dumme Angewohnheit. Punkt.

Donnerstag: Gemäß vielfach verbreiteter Meinung ist der Valentinstag eine Erfindung der Blumenindustrie. Das schließe ich nicht völlig aus, glaube jedoch vielmehr, die Radiosender haben ihn sich ausgedacht, damit sie an diesem Tag die Hörer befragen können („Schreibt uns auf Facebook, was ihr vom Valentinstag haltet, oder ruft uns an unter …“), und sie, im Falle des Gutfindens, erzählen lassen, womit sie ihre Liebsten zu bestechen versuchen. Irgendwie muss die Sendezeit zwischen den Werbeblöcken ja gefüllt werden.

Aus der Reihe Wirklich schöne Sätze hier eine Fundsache bei Herrn Buddenbohm: „Man kann ja nicht immer geistreiche Bemerkungen machen und auch das Sagen des Offensichtlichen hat seine Berechtigung im sozialen Miteinander.“

Freitag: Eher zufällig bemerkte ich, dass das Tattoostudio in der Fußgängerzone, welches ich vor zwanzig Jahren in einem Anflug spätjugendlichen Übermutes aufsuchte, noch immer besteht. Jahrelang ging ich fast täglich daran vorbei, ohne ihm die geringste Aufmerksamkeit zu erweisen, vielleicht weil es im ersten Stock liegt und man in der Fußgängerzone eher selten den Blick nach oben richtet, man muss ja aufpassen, nicht mit einem anderen, in sein Datengerät vertieften Fußgänger zu kollidieren. Heute schaute ich zufällig doch mal hoch, und siehe da, das Studio ist immer noch an derselben Stelle, wer hätte das gedacht. Erstaunlich, wie man manchmal Dinge völlig aus dem Blick verliert und erst viele Jahre später feststellt, es gibt sie immer noch, sie waren nie weg. Gerade in Zeiten, wo nur weniges mehr gepriesen wird als der ständige Wandel.

Aus heutiger Sicht würde ich die Dienste des Studios wohl nicht mehr in Anspruch nehmen, doch halte ich es diesbezüglich wie Edith Piaf: Ich bereue nichts.

Samstag: Plötzlich ist Frühling. Ich kenne heute schon die Titelseite der Tageszeitungen am kommenden Montag. Dort werden zwei junge Frauen auf einer Parkbank oder vor einem Brunnen sitzend abgebildet sein, die Köpfe zusammengesteckt, jede grinsend an einem Eis schleckend, dazu diese oder eine ähnliche die Bildunterschrift: „Emma und Lisa-Marie genießen bei frühlingshaften Temperaturen das erste Eis.“ Wetten?

Abends Auftritt in Bad Breisig. Manchmal frage ich mich, welchem Zweck manche Dinge dienen.

KW7 - 1

Sonntag: Während die ersten Krokusse und Schneeglöckchen blühen, hier und dorten zartes Grün knospt, Kraniche zurück kehren, der Lieblingsbiergarten öffnet und ich den Fellbesatz von der Kapuze abnehme, gehen andere schon deutlich weiter:

KW7 - 1 (1)

(Gesehen heute gegen 15:15 Uhr)

Woche 14: Junge, sonnenbebrillte, synchroneisschleckende Damen

Montag: Immer noch Ostern. Bis auf eine kurzfristige und zugegebenermaßen überflüssige Ungehaltenheit meinerseits wegen unsachgemäßer Mülltrennung verlief die Verrichtung unserer Wohnzimmerbaustelle weitgehend im milden Lichte der Harmonie. Da die gröbsten Gewerke geschafft sind, konnte ich mich am Nachmittag wieder der Arbeit am Bestseller widmen. Wenn man nach dem Schreiben einer Sexszene den dringenden Wunsch nach einer Zigarette verspürt und noch beim Rauchen grinsen muss, hat man wohl nicht alles falsch gemacht. Das Wohnzimmer ist übrigens sehr schön geworden. Hoffentlich kann ich das über den Bestseller auch irgendwann sagen.

Dienstag: „Frohe Ostern gehabt zu haben“ hörte ich heute zweimal: Einmal ironisch von einer regelmäßigen Leserin dieses Blogs, die meine bisweilen auftretende sprachliche Pedanterie kennt, und einmal ernst gemeint.

Wie sich inzwischen herausgestellt, ist mein Anmeldegesuch für das Mitmachblog vergangene Woche im Spamordner der Administratoren gelandet. Das sollte mir zu denken geben. Es hat dann aber doch noch geklappt.

Laut Zeitungsbericht sagt Verkehrsminister Andreas Scheuer Funklöchern den Kampf an. „Wir haben die Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Bürger nicht im Funkloch stecken bleiben“, sagte er gegenüber Zeitungen (ausgerechnet) der Funke-Mediengruppe. Weiterhin plant Funke – Verzeihung: Scheuer einen „Mobilfunkgipfel“ und einen „Funklochmelder“, was auch immer das ist. Echt funky.

Mittwoch: Wie heute in der Zeitung steht, konnte Volkswagen seinen Absatz auf dem US-Markt erheblich steigern, insbesondere wegen hoher Nachfrage nach SUVs. Unterdessen ist in Deutschland die Autodichte auf 555 Fahrzeuge je 1.000 Einwohnern gestiegen. Nicht nur Autos, auch Panzer erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. So weckt der Wiedereinstieg der Briten in das Projekt „Boxer“ bei der deutschen Rüstungsindustrie Hoffnungen auf einen Liefer-Großauftrag. Hoffentlich nicht nach Amerika, sonst wird es dort wegen der vielen SUVs bald eng. Geradezu edel dagegen die Entscheidung des Waffenherstellers Heckler & Koch, seine Produkte nur noch an rechtsstaatlich-demokratische Länder ohne Korruptionskultur zu liefern. Friedensaktivisten fordern von H&K dennoch einen Opferfonds für Menschen, die durch den unrechtmäßigen Einsatz von H&K-Gewehren Ungemach erlitten. (Demnach kann Leid durch Waffen also auch rechtmäßig zugefügt werden. Interessante These.) – Damit ist der menschliche Irrsinn in nur vier kurzen Zeitungsmeldungen an einem Tag ganz gut auf den Punkt gebracht.

Donnerstag: Die Nachricht über einen personellen Wechsel in der obersten Führungsebene meines Arbeitgebers hebt die Laune auf unserer Etage.

„Die Welt da draußen ist im Grunde voller Aufsatzthemen, vielleicht ist sie auch deswegen oft so unerträglich“, las ich heute in dem auch ansonsten sehr lesenswerten Blog Buddenbohm und Söhne.

Freitag: „Plötzlich musste jedes heiklere Wort […] unter Anführungszeichen gesetzt werden – nicht nur, weil kaum noch jemand wusste, wie nun innerhalb der permanenten Ersetzungsdynamik ständig wieder verfallender Worte der dernier cri des korrekten Bezeichnens lautete, sondern auch, weil man offenbar nicht wissen konnte, ob eine ironische Wortwahl auch verstanden werden würde. Öffentliche Vernunft und erwachsene Fähigkeit, mit Sprache umzugehen, durften nun nicht mehr mit Selbstverständlichkeit erwartet werden. Anführungsstriche sollten davor schützen, entweder die anderen für Idioten halten zu müssen oder selbst von ihnen dafür gehalten zu werden.“ (aus: Robert Pfaller – Erwachsenensprache)

Samstag: Der erste wärmere Frühlingstag. Wie jedes Jahr zu diesem Anlass titelbilden die Zeitungen zwei junge, sonnenbebrillte, synchroneisschleckende Damen, dazu ein möglichst sinnloser Text wie dieser: „Lara und Laura genießen das erste Eis in der Sonne. Mit Temperaturen von über 20 Grad können sich die Rheinländer auf das erste sommerliche Wochenende freuen.“

Sonntag: So geht Frühling:

KW14 - 1

So eher nicht:

KW14 - 1 (1)

Ein Hinweis an die radfahrende Dame, die mich gegen 14:30 Uhr auf dem Verbindungsweg vom Rhein zum Ausgustusring trotz reichlich Platz zu beiden Seiten von hinten anklingelte und behauptete, ich ginge auf dem Radweg: Das Verkehrszeichen 240 kennzeichnet einen gemeinsamen Rad- und Fußweg, auf dem Radfahrer keinerlei Vorrechte gegenüber den Fußgängern genießen. Bitte bedenken Sie dies, bevor Sie das nächste Mal die Klingel und Ihr Mundwerk betätigen.

KW14 - 1 (2)

Fundsache in der FAS: „Leider habe ich keine Ahnung, ob und wogegen ich versichert bin, weil mich all diese Lebenssachen krank machen und ich daher unterschreibe, was man mir hinhält, und bezahle, was auf der Rechnung steht, Hauptsache, man lässt mich dann in Ruhe.“ (Thomas Glavinic)