Woche 19/2025: Kein Oberdeckwetter, beeindruckende Aromatik und eingeschränktes Bemühensinteresse

Montag: Wir sind weiterhin auf Flusskreuzfahrt auf der Rhône in Frankreich, heute auf dem Weg von Avignon, wo wir gestern Mittag abgelegt haben, bis Lyon, wo wir am frühen Abend ankamen. Da es gestern regnete und kühl geworden ist, verbrachten wir den Abend nicht an Deck, sondern im Salon, wo es sich nicht vermeiden ließ und sogar angenehm war, mit Mitreisenden ins Gespräch zu kommen. Wir gingen zeitig zu Bett, konnten jedoch nur schlecht einschlafen. Vermutlich war es keine so gute Idee, einen French Coffee zu bestellen.

Als wir dennoch zeitig erwachten, lag das Schiff vor Andance, einem kleinen Ort zwischen Valence und Vienne, es legte bald wieder ab und setzte die Fahrt fort. Dass und warum wir in Andance Halt machten, war nicht mitgeteilt worden, man muss nicht alles wissen.

Man muss auch nicht alles hinnehmen. Vergangene Woche äußerte ich mich kritisch über nicht ganz frisches Brot zum Frühstück. Was heute an Brot angeboten wurde, grenzte an Frechheit, die Scheiben bogen sich kurz vor hart. Ich halte mich für einen verträglichen Menschen, der (vielleicht manchmal zu) vieles als gegeben zu akzeptieren bereit ist, wenn das Gesamtbild passt. Doch irgendwann kommt auch bei mir der Punkt, wo die Sicherheitsventile abblasen. Der war heute erreicht, zu vieles entspricht seit Abreise nicht den Erwartungen: die geänderte Reiseroute wegen geschlossener Schleusen auf der Saône am 1. Mai, die erst bei Abfahrt mitgeteilt wurde, als ob man das nicht vorher gewusst hätte. Ungefähr jeder zweite Wein von der Karte ist nicht vorrätig, nicht einmal Pastis, mitten in Frankreich. Die Qualität des Essens, die seit den letzten Reisen mit diesem Veranstalter stark nachgelassen hat. All das trugen wir der Reiseleiterin vor, die es sich geduldig anhörte, Notizen machte und versprach, die Beanstandungen weiterzugeben. Wir sind nicht die einzigen an Bord, die diese Mängel empfinden, wie sich aus Gesprächen mit anderen Gästen ergibt. Immerhin hat man damit etwas, worüber man sich unterhalten kann.

Doch vermag all das die Urlaubsfreude nur geringfügig zu trüben. Ebensowenig wie das weiterhin regnerisch-kalte Wetter, das uns vom Oberdeck fernhält und in die Kabine oder die Panorama-Lounge treibt, wo vormittags ein Apéro mit „Spezialitäten aus der Region“ gereicht wurde. Noch gesättigt vom Frühstück verzichteten wir.

Am frühen Abend erreichten wir so zeitig Lyon, dass bis zum Abendessen (unsere Tage an Bord sind im Wesentlichen durch die Essenszeiten getaktet) noch eine Stunde Zeit blieb für eine Runde durch die Stadt. Angesichts des Wetters reichte das auch.

Dienstag: In der Nacht fuhren wir weiter nach Trévoux an der Saône. Trotz Verzichts auf Ohrstöpsel bekam ich nichts davon mit, entweder war das Schiff sehr leise gefahren oder man hat sich inzwischen daran gewöhnt, so wie man Züge nachts nicht mehr hört, wenn man länger an einer Bahnstrecke wohnt.

Nach dem Spätstück verließen wir das Schiff für eine Runde durch Trévoux, ein hübscher Ort mit einer fotogenen Brücke. Nach Rückkehr an Bord hatten wir ein recht angenehmes Gespräch mit der Reiseleiterin, die inzwischen unsere gestrige, oben genannte Beanstandungen betreffende Mail an den Veranstalter erreicht hatte. Zwar kann sie die Mängel nicht alle beheben, sagte uns aber für die letzten Tage frisches Brot und angemessene Weinauswahl zu.

Da es weiterhin zu kalt ist für das Oberdeck, verbrachten wir den Nachmittag im Salon im Vorderschiff mit Tee, Lesen, Postkartenschreiben und in die Gegend Kucken. Auch von dort hat man einen schönen Blick nach draußen, ohne zu frieren.

Auch im Urlaub lese ich den Bonner General-Anzeiger, immer informiert bleiben. Darin heute in einem Artikel über eine geführte Radtour auf den Spuren der stillgelegten Straßenbahn nach Mehlem dieser Satz: „Gerhard Lemm führt die Teilnehmenden auf einer rund zweistündigen Rundfahrt in die Zeit von 1891 bis 1976, als eine Bahntrasse für eine Dampf- und später Diplomatenbahn seine Passagiere bis nach Mehlem beförderte.“ Eine Bahntrasse beförderte Herrn Lemms Passagiere? Erst mit Dampfloks, später wurden Diplomaten vor die Wagen gespannt?

Am frühen Abend erreichten wir Mâcon, wo wir über Nacht bleiben, ehe es morgen zurück nach Lyon geht.

Brücke in Trévoux

Mittwoch: Zum Spätstück gab es frisches Brot und Brötchen, die sich ohne Verletzungsgefahr aufschneiden ließen. Geht doch, unsere Hinweise zeigen Wirkung, leider etwas spät, morgen endet für uns die Reise.

Vormittags gingen wir von Bord und schauten uns Mâcon an. Mittags legten wir ab nach Lyon, das abends erreicht wurde. Weiterhin kein Oberdeckwetter. Dennoch suchten wir kurz vor Erreichen des Ziels das Vorderdeck auf, die Einfahrt auf der Saône in Lyon ist bei jedem Wetter ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Müllabfuhr in Mâcon
Einfahrt Lyon I
Einfahrt Lyon II
Abendblick ans andere Rhône-Ufer

Aus der Zeitung: „Vatikan informiert über weiße Rauchzeichen“

Im Übrigen finde ich es nicht angemessen, bereits jetzt über Bundeskanzler Merz und seine Regierung zu richten. Lasst sie doch erstmal versagen.

Donnerstag: Nach dem letzten Frühstück verließen wir planmäßig und geordnet das Schiff, brachten die Koffer ins Auto im nahen Parkhaus und spazierten zur immer besuchenswerten Markthalle, wo es noch ziemlich ruhig war. Wegen der frühen Stunde tranken wir an der Marktschänke einen Kaffee, keinen Rosé.

Danach fuhren wir zum Hotel auf der anderen Rhône-Seite, wir bleiben eine weitere Nacht in Lyon. Das Hotel, das uns der Liebste gebucht hat, ein ehemaliges historisches Krankenhaus, ist mit grandios einigermaßen zutreffend beschrieben. Nicht gerade günstig, zum heutigen 23. Hochzeitstag gönnen wir uns das. Irgendwie hat er ein Apgret hinbekommen, die Suite, in der wir residieren, so muss man das wohl nennen, erstreckt sich über zwei Etagen mit einer Gesamtdeckenhöhe von schätzungsweise sechs bis sieben Metern, die Vorhänge vor dem hohen Fenster werden auf Knopfdruck elektrisch geschlossen und geöffnet. Gemütlich ist anders, auf jeden Fall beeindruckend. Doch auch hier, wie in fast allen Hotels, spart man an Kleinigkeiten, sie ahnen es: Es gibt keine Jackenhaken. Ich werde nicht müde, das immer wieder zu beanstanden.

Nach dem Einschecken gingen wir in die Altstadt, die am Hang liegt und deren höhergelegene Teile über mehrere Treppen mit hunderten Stufen erreichbar sind. Obwohl mir urlaubsbedingt der mittägliche Treppensteig im Mutterhaus des Arbeitgebers fehlt, kam ich gut hoch, der Liebste geriet im letzten Viertel etwas ins Schwitzen. Lyon ist eine großartige Stadt, auch wenn mir die Altstadt etwas zu menschenvoll war.

Auf dem Weg zum Parkhaus
Weg zur Markthalle
Hundehalter
Hotel, Außenansicht
Unsere Kammer, Teilansicht
Blick von der oberen Altstadt

Freitag: Nach dem Frühstück verließen wir Lyon mit Ziel Langres, der letzten Etappe dieser Urlaubsreise. Wieder fuhren wir autobahnmeidend über Land, unter anderem durch die Dombes, eine Art Seenplatte aus künstlich angelegten Fischteichen, wie die Wikipedia weiß. Von den Teichen sahen wir indes nicht viel, weil sie meistens von Gebüsch umsäumt waren. Dafür sahen wir auf einem Acker zahlreiche Störche, die in dieser Gegend vermutlich reichlich zu futtern finden. Ansonsten durchfuhren wir Dörfer und sahen zahlreiche blühende Akazien.

In Beaune legten wir einen Zwischenhalt ein zum Einkauf von Spezialitäten, auf dass wir auch in den nächsten Tagen nicht hungern müssen und vielleicht, wenn es schlecht läuft, in den übernächsten Tagen wieder was zum Wegwerfen haben.

Auch in Langres, das am frühen Abend erreicht wurde, hat der Liebste ein Hotel in gehobener Kategorie gebucht. Nicht minder gehoben das angeschlossene Restaurant, wo wir den Abend bei beeindruckender Aromatik und überraschenden Zutaten (z.B. hölzerne Farnwurzeln, deren Verzehrzweck nicht ganz klar war) verbrachten. Mein Bedarf an französischer Sternküche ist damit vorerst gedeckt, ein wenig freue ich mich wieder auf die Kantine ab Montag. Auf die nahende Werktätigkeit nicht so sehr, das kommt bestimmt noch.

Störche und Möwen bei Villars-les-Dombes
Saint-Julien-sur-Reyssouze
Vor Bonnencontre
Unser Hotel in Langres – ein erstklassiges Haus

Samstag: Nach dem Frühstück traten wir die Heimfahrt an, bis Vittel über die Dörfer, ab dort auf die Autobahn. Am späten Nachmittag erreichten wir Bonn. Fazit: Trotz meteorologischer und bordgastronomischer Schwächen war es ein schöner Urlaub, und ja, ich äußerte es bereits früher bei ähnlicher Gelegenheit, die Bedenklichkeit von (Fluss-)Kreuzfahrten hinsichtlich Umweltschutz und Arbeitsbedingungen des Personals ist mir bewusst.

Wieder einmal komme ich zu der Erkenntnis, Frankreich ist ein sehr schönes Land. Wäre ich noch religiös und ließe es sich nicht vermeiden, dass ich nochmals als Mensch geboren werde, dann gerne dort. Dann käme ich auch mit der Sprache klar: Obwohl wir seit Jahren Urlaub in Frankreich machen, fällt es mir immer noch schwer, Französisch zu verstehen oder gar selbst darin zu kommunizieren. Das ist traurig, doch mangelt es mir an Talent, andere Sprache zu erlernen. Ähnliches gilt, nicht ganz so ausgeprägt, für Englisch. Vielleicht, nein ziemlich sicher ist es auch eine gewisse Bequemlichkeit meinerseits, mehr Aufwand für das Erlernen aufzubringen. Oder wie der Liebste es ausdrückt, der fließend Englisch und ganz passabel Französisch spricht: Mein Bemühensinteresse ist sehr eingeschränkt.

Sonntag: Die Mauersegler sind da, ist in den Blogs zu lesen, auch hier bei uns sausen sie wieder durch die Siedlung, wenn auch noch nicht in großer Anzahl. Nicht nur die, auch der Zeppelin dreht wieder seine Runden über die Stadt, jedenfalls sah ich ihn vormittags zweimal, nachmittags nicht mehr.

Nachmittags unternahm ich einen langen Spaziergang über die Kennedybrücke auf die andere Rheinseite und über die Nordbrücke zurück. Während ich letztere überquerte, fuhr unter mir aus Köln kommend ein großes Partyschiff mit menschenvollem Oberdeck und Tanzfläche, auf der man sich zu „Amsterdam“ bewegte. Ich blieb stehen und betrachtete das Treiben aus sicherer Entfernung, manche winkten mir zu, als meistens freundlicher Mensch winkte ich mit nicht übertriebenem Bewegungsaufwand zurück. Wie üblich bei solchen Fahrten wurde unter der Brücke gejohlt, weil das so schön hallt; ein wenig fühlte es sich an, als jubelte man mir zu. Das Lied hallte danach noch längere Zeit ohrwurmend in meinen Hirnwindungen nach.

Ansonsten die nicht neue Erkenntnis: Wir haben es hier auch ganz schön.

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„Bahnhöfchen Style“ tut ein kleines bisschen weh
Rheinauen vor Schwarzrheindorf
„Mimimi“

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Kommen Sie gut durch die Woche. Falls Sie auch Urlaub hatten, einen angenehmen Start in den Alltag.

Verschlusssache

Es gibt wieder Grund zur Empörung, vermutlich sind die Grünen schuld oder die Bürokraten in Brüssel. Nein, keine neuen Vorgaben, wie man sein Haus zu beheizen hat. Auch werden Gendersterne nicht verbindlich eingeführt, und auf deutschen Autobahnen darf weiterhin ungehemmt gerast werden. Gegenstand des Anstoßes sind die Plastikverschlüsse von Einwegflaschen und Getränkepackungen, die nun gemäß einer neuen Vorschrift über eine Lasche fest mit dem Behältnis verbunden sein müssen und sich ohne Gewalt oder technische Hilfsmittel nicht mehr ablösen lassen. Zweck der Verordnung soll die Vermeidung von Plastikmüll in den Meeren sein. Ob es nützt, ich weiß es nicht; ob die Flaschen nun fest verbunden mit den Verschlüssen auf den Wellen tanzen oder davon separiert, ist kein großer Unterschied. Zudem dürften deutsche Flaschen nur selten den Weg ins Meer finden, das verhindert schon das hohe Pfand. Nicht alles ist schlecht.

Jedenfalls ist die öffentliche Erregung groß, in Leserbriefen und den asozialen Hetzwerken wird gewettert: Gibt es keine dringender zu lösenden Probleme? Das ist meine Flasche, damit mache ich, was ich will! Dazu Anleitungen, wie man die Kappe am besten wegbiegen muss oder ganz abtrennt, um sich beim Trinken aus der Flasche nicht am Auge zu verletzen oder beim Einschenken von Milch nicht den Tisch zu fluten. Es würde mich nicht wundern, wenn manche die Verschlüsse extra mit dem Seitenschneider abknipsen, sammeln und sie beim nächsten Urlaub auf Sylt oder Mallorca persönlich den Fluten überlassen, um es denen da oben mal richtig zu zeigen, aber so richtig!

Ich verstehe die Aufregung nicht. Meine erste Begegnung mit angeleinten Verschlusskappen von Mineralwasserflaschen hatte ich schon vor einigen Jahren in Frankreich, wo das anscheinend schon länger vorgeschrieben ist. Zunächst hielt ich es für einen Produktionsfehler, zog und zerrte an der Kappe, ehe ich erkannte, dass das wohl so sein musste. An den Meeresschutz dachte ich dabei nicht, überhaupt machte ich mir, wie so oft, keine größeren Gedanken über das Warum, bog die Kappe nach hinten, bis sie mit einem leisen Knacken einrastete und es so ermöglichte, mich ohne nennenswerte Augenverletzung und sonstige Beeinträchtigungen am Nass zu erquicken.

Nun sind die Franzosen nicht gerade für ihre ausgeprägte Obrigkeitshörigkeit berühmt, vielmehr reagieren sie gerne lautstark und heftig schon auf die kleinste staatlich verordnete restriction. Doch wurde meines Wissens wegen der angebundenen Verschlüsse keine Guillotine aus dem Heimatmuseum gerollt, keine Plastikflaschenhalden vor dem Élysée-Palast abgekippt und in Brand gesetzt, auch die gelben Westen blieben in den Schränken.

Ich glaube, einem Land, in dem angebundenen Drehverschlüssen derartige Aufmerksamkeit wie bei uns zuteil wird, geht es, trotz Klimawandel, zunehmender politischer Bräunung und der Auferstehung von Stefan Raab, noch ganz gut. Und solange sich Weinflaschen noch problemlos entkorken lassen, sehe ich keinen Grund zur Sorge. Santé!

Woche 38/2024: Wenn man sich auf etwas freuen kann

Montag: Eine lange Fünftagewoche ohne freien Donnerstag beginnt. Auch die geht vorüber.

Höhere Mächte verlangten bereits vormittags dreimal einen Neustart des Rechners. Das Gute: Auch das ist bezahlte Arbeitszeit. Ansonsten verlief der Arbeitstag angenehm und ohne nennenswerte Montäglichkeit. Nur eine einzige halbstündige Besprechung unterbrach mein emsiges Wirken, an der ich erst einige Minuten später teilnehmen konnte, weil nach dem dritten Rechnerneustart Teams und Kopfhörer erst wieder zusammenfinden mussten.

Am frühen Abend war wegen einer Vereinspflicht meine Anwesenheit in Bad Godesberg gewünscht. Da es sich nicht lohnte, zwischendurch nach Hause zu fahren, radelte ich über die Südbrücke ans andere Rheinufer, wo ich mir im Sonnenschein ein Stück Pflaumenkuchen und eine Tasse Kaffee gönnte, bitte denken Sie sich das entsprechende Bild dazu. (Und später ein klitzekleines Halbliterchen Hellbier, ich gebe es ja zu.) Ein wenig Urlaubsgefühl zum Wochenbeginn.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr es Fußgänger irritiert, wenn man mit dem Fahrrad vor dem Zebrastreifen für sie anhält.

Dienstag: Heute war perfektes Anzugwetter, was bei der Textilauswahl am Morgen entsprechende Berücksichtigung fand. Wie schön, dass der Lieblingsanzug, der nach der letzten Kleiderschrankaufräumaktion als einziger übrig geblieben ist, immer noch ziemlich perfekt passt. Dass man darin inzwischen auffällt, nachdem sich die Kleidungsgewohnheiten im beruflichen Umfeld spätestens seit der Corona-Pandemie deutlich gewandelt haben, stört mich überhaupt nicht. Wenn ich in Anzuglaune bin, trage ich einen Anzug.

Dank freiwilliger Meldung als Brandschutzhelfer erhielt ich im Rahmen einer örtlichen Einweisung durch den Werksoberbrandmeister Einblicke hinter Türen, die dem gewöhnlichen Mutterhausbewohner verschlossen sind. Das war sehr interessant. Die nächste Übung kann kommen. Der Ernstfall lieber nicht.

Alle irre

Die CDU/CSU hat sich auf Friedrich Merz als nächsten Kanzlerkandidaten geeinigt. Mir ist das egal, ich werde sie voraussichtlich nicht wählen. Nicht, weil ich sie für schlechter als andere hielte, indes kann ich keiner Partei meine Stimme geben, die „Christlich“ in ihrem Namen trägt, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Politik und Religion konsequent voneinander getrennt gehören, auch im Namen.

Mittwoch: Auch heute nutzte ich das Anzugwetter. Im Büro geriet ich in einen erfreulichen Flow-Zustand. Ein Zusammenhang zur Bekleidung ist weitgehend auszuschließen.

Dessen ungeachtet verband ich abends einen Gesundheitstermin mit einem Besuch des Rewe, wo ich aus der vielfach umstrittenen, da angeblich zu frühen Adventsauslage einen kleinen Vorrat* an Nougat-Marzipan-Baumstämmen erstand. „Sie wollen wohl einen Wald pflanzen“ scherzte die Dame an der Kasse. Schon Alf wusste: Es ist nie zu früh und selten zu spät.

*zehn Stück

Während seit einigen Tagen die Daunenjacke einsatzbereit am Garderobenhaken hängt und schon mehrfach in Gebrauch war, kehrte nachmittags der Sommer noch einmal zurück mit milder Luft und erfreulichen Anblicken. Mal sehen, wie lange er bleibt; mich stört er nicht.

Das Laufen am Abend geriet trotz bester Rahmenbedingungen und passender Musikbegleitung wieder sehr schwerfällig.

Donnerstag: Heute war es schon morgens fast wieder etwas zu warm für eine Anzugjacke. Aber eben nur fast.

Weg ins Werk

Erwartungshaltung ist auch so ein Wort, das deren Nutzer sich etwas bedeutender fühlen lässt.

Freitag: In der Kantine gab es hausgemachten Backfisch. Was auch immer das in Kantinenzusammenhängen bedeuten mag. Im weitesten Sinne ist ja alles hausgemacht, das nicht unter freiem Himmel produziert wird, insofern taugt dieses Attribut nur wenig, die Qualität eines Produktes anzupreisen. Der Fisch schmeckte jedenfalls ganz passabel, nur der Kartoffelsalat entfaltete mit einsetzender Sättigung ein leicht seltsames Aroma, deshalb blieb ein Rest ungegessen auf dem Teller zurück.

Stefan Raab treibt wieder sein mediales Unwesen, wie dieser Tage überall zu vernehmen ist. Von mir aus. Ich fand den schon früher sch mochte den schon früher nicht, es ist nicht damit zu rechnen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird.

Der Liebste hat für uns eine Woche Flusskreuzfahrt* in Frankreich im nächsten Jahr gebucht. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Rhône herab, doch ist es immer schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.

*Ja ich weiß: So ein Schiff ist eine Dreck- und CO2-Schleuder, die Arbeitsbedingungen des Personals fragwürdig. Auch ich bin halt nicht konsequent.

Samstag: Aus Gründen, die bei der Gestaltung des Vorabends zu suchen sind, erwachte ich mit einer gewissen Todessehnsucht, die bis in den frühen Nachmittag anhielt. – In der Tageszeitung ein Artikel über das Arbeitsethos der Japaner, für die unbezahlte Überzeitarbeit selbstverständlich ist. Manche arbeiten sich gar zu Tode, dafür haben sie ein eigenes Wort: „Karoshi“. Ich weiß nicht, was mich eines Tages hinraffen wird, Karoshi wird es wahrscheinlich eher nicht sein.

Nicht nur Menschen sterben, auch Sprachen. Dazu ein Artikel in derselben Zeitung mit dieser schönen Feststellung: „Dabei hat die Kultur eines Sprachsystems nichts mit seiner Größe zu tun. Im Gegenteil: Bei 100 Millionen Sprechern ist das Risiko viel größer, dass Leute wie Mario Barth dabei rauskommen.“

„Wie wir alle 100 werden“ lautet die Titelgeschichte des SPIEGEL in dieser Woche. Das muss nun wirklich nicht sein.

Nachmittags unternahm ich einen Spaziergang zur Wiederbelebung der Lebensgeister. In der Fußgängerzone ein verhaltensauffälliger Mann, der lautstark und heftig unter Gebrauch von Fäkalausdrücken auf die Italiener schimpfte und ankündigte, sie alle aus dem Land zu treiben. Ein bei uns eher selten geäußertes Feindbild. Was genau er den Italienern vorwarf, wurde nicht deutlich und ich verzichtete darauf, ihn zu fragen.

Abends waren wir nach längerer Zeit wieder im Malente-Theater, dieses Mal spanischer Themenabend. Es wurde viel gelacht. Erstaunlich viele Plätze blieben unbesetzt, das habe ich dort bislang so noch nicht erlebt.

Sonntag: Am voraussichtlich vorläufig letzten Sommertag* machten der Liebste und ich uns mittags auf zu einer Radtour über eine Teilstrecke der sogenannten Apfelroute, von Bonn durch das Vorgebirge bis Walberberg, zurück durch die Felder. Die Hinfahrt war aufgrund mehrerer Steigungen streckenweise anstrengend, der Liebste mit seiner Elektrounterstützung klar im Vorteil, wohingegen ich mich rein mechanisch hochkurbeln musste, unterbrochen von mehreren notwendigen Verschnaufpausen.

*Kalendarisch ist es auf jeden Fall der letzte Sommertag, wettermäßig wird man sehen

Dabei durchfuhren wir mehrere recht idyllische Orte wie Brenig, Dersdorf und Kardorf, die ich alle, man glaubt es kaum, bislang nicht kannte. In letzterem bot eine kleines Dorffest mit Getränkebude eine willkommene Erfrischung von innen. Die äußere Erfrischung erfuhren wir auf dem Rückweg bei Unterquerung der Autobahn 555 bei Hersel. Der Boden der Unterführung war mit Wasser bedeckt, wie tief, war nicht zu erkennen, also fuhren wir durch. Dann wussten wir es: bis über Pedalhöhe. Freundlicherweise befindet sich kurz dahinter eine Pausenstation mit Bänken, wo wir uns der durchnässten Socken entledigen konnten. Da es auch heute recht warm war, war das kein Problem.

Die Ebene zwischen Bonn und Köln ist geprägt vom Gemüseanbau. Mit ihren Gewerbegebieten und Hochspannungsleitungen nahm ich die Gegend beim Durchfahren mit der Bahn oder dem Auto über die 555 bislang als langweilig bis hässlich wahr. Der Eindruck wurde mit der Radtour heute widerlegt. Demnächst werde ich mal eine Wanderung dorthin planen. Zu Fuß sieht man ja nochmal mehr als mit dem Rad.

Blick über die Rheinebene oberhalb von Roisdorf. Links denken Sie sich bitte Köln, rechts Bonn
Trafoturm in Dersdorf für die Sammlung

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Kommen Sie gut durch die Woche, genießen Sie den Herbst.

Woche 28/2024: Vorfreude, Staunen und bilinguale Aufgeblasenheit

Montag: Frankreich hat gestern gewählt. Wie es aussieht, ist es noch einmal gut gegangen, damit war nach dem ersten Wahlgang am Wochenende zuvor nicht unbedingt zu rechnen. Unserer nächsten Reise dorthin in zwölf Wochen steht nach jetzigen Erkenntnissen somit nichts entgegen, freuen wir uns also vorsorglich drauf.

Zum Thema Vorfreude etwas seltsam die WordPress-Tagesfrage: „Worauf freust du dich im Hinblick auf die Zukunft am meisten?“ Mir wäre neu, wenn man sich auch auf Vergangenes oder Gegenwärtiges freuen kann.

Ansonsten war es insgesamt ein überwiegend angenehmer Tag ohne größeren Notierenswert, was für den Beginn einer neuen Arbeitswoche schon mal nicht schlecht ist.

Dienstag: Fußweg ins Werk bei Sonnenschein. Wegen der vorausgesagten hohen Temperaturen nahm ich vom ursprünglichen Plan Abstand, nach längerer Zeit mal wieder den letzten verbliebenen Anzug spazierenzutragen, eine gute und richtige Entscheidung, wie sich bereits auf dem Hinweg zeigte. Ich weiß, in Zeiten der Klimaerwärmung sollte Sonnenschein kein Grund zur Freude mehr sein, auch der Begriff „schönes Wetter“ relativiert sich in dem Lichte, doch steigerte es meine Stimmung erheblich.

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Noch mehr stieg die Laune, nachdem ich den nächsten Inseltag für kommende Woche gebucht hatte. Es ist immer gut, wenn man sich auf etwas nicht sehr fernes freuen kann.

„Hallo Herr B.“ begann eine Mail, die ich Cc erhielt, im Folgenden wurde Herr B. geduzt. So wie früher, vielleicht heute hier und da heute auch noch, Beschäftigte im Einzelhandel. Im weiteren Verlauf stellte Herr B. mit „gerne per du“ die Kommunikationssymmetrie wieder her.

Mittags gab es in der Kantine Königsberger Klopse. Am Tisch war ich der einzige, der das Gericht vollständig verzehrte, während der eine keine Rote Bete, die andere keine Kapern mochte. Der Verzicht auf erstere wurde bereits bei der Ausgabe geäußert und berücksichtigt, der verschmähten Kapern nahm ich mich an, auf dass nichts umkomme.

Ich kann mir nicht den Namen des neuen britischen Premierministers merken. Vielleicht lohnt sich das auch gar nicht.

Mittwoch: Nach einem heißen Sommertag war das Wetter heute durchwachsen, zwischendurch immer wieder Regen, am frühen Abend erneut sehr heiß. Nachmittags auf der Rückfahrt vom Tagwerk fuhr ich einem beeindruckenden Wolkenereignis hinterher, das zum Glück in ausreichender Entfernung wirkte.

Auf dem Foto wirkt es noch etwas bedrohlicher als in echt

Immer häufiger ist der Duft von Cannabis zu vernehmen, so auch heute, als ich abends aus Besorgungsgründen durch die Innere Nordstadt ging. Ich habe überhaupt nichts dagegen, warum auch, schließlich ist es jetzt erlaubt, indes nicht verpflichtend. Oder: Spaß muss sein, um eine reichlich abgenutzte Phrase zu bemühen.

„Ich muss das noch mal challengen“ hörte ich in einer Besprechung. Warum nur können die Leute nicht mehr normal reden? Irgendwo hörte oder las ich vor einiger Zeit den Begriff „bilinguale Aufgeblasenheit“ und notierte ihn, um ihn bei passender Gelegenheit anzubringen. Voila.

Donnerstag: „Döner Game“ nennt sich eine innerstädtische Fleischzerspanungsstätte, die demnächst eröffnet, wie ich morgens sah. Meine Großmutter, des Englischen nicht mächtig, aß vermutlich ihr Leben lang kein einziges Döner, so wie ich noch keinen Bubble Tea trank und es für den Rest meiner Jahre nicht zu tun beabsichtige. Jedenfalls hätte sie dazu wohl gesagt: Mit Essen spielt man nicht.

Freitag: „Bushido kündigt Karriereende an“ meldet der SPIEGEL. Eine Nachricht, die man, auch mit anderen Namen, gerne öfter lesen möchte.

Die Bonner Oberbürgermeisterin (2. von links) hat eine barrierefreie Stadtbahnstation in Betrieb genommen. Wünschen wir allzeit gute Fahrt.

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Samstag: Im Gegensatz zu anderen Haushaltsmitgliedern begegne ich Haushaltsgeräten zumeist mit Gleichgültigkeit oder, wenn sie (also die Geräte, nicht die Mitglieder; wobei, doch, die bisweilen auch) Geräusche erzeugen, ablehnender Skepsis. Das gilt nicht für den neuesten Zuwachs des heimischen Geräteparks: ein Fensterputzroboter. Im Prinzip das gleiche wie ein Staubsauger- oder Rasenmähroboter, nur eben für senkrechte Fensterscheiben. Ich weiß nicht, wie das funktioniert, jedenfalls fährt der quadratische Kasten von etwa zwanzig Zentimeter Kantenlänge wie ein Insekt oder eine Schnecke die Scheiben entlang, ohne herabzufallen, dabei verspritzt er in regelmäßigen Abständen eine Reinigungsflüssigkeit. Immer wieder erfreulich, wenn ich auch in meinem Alter noch ins Staunen gerate. Staunen Sie selbst;

Sonntag: Donald Trump wurde bei einem Anschlag nur am Ohr verletzt. Politiker aus aller Welt bringen ihr Entsetzen über die Tat zum Ausdruck, sogar Joe Biden soll seinem Widersacher Genesungswünsche übermittelt haben. Daher ist es selbstverständlich moralisch verwerflich, wenn der erste Gedanke beim Vernehmen dieser Nachricht lautet: wie schade.

Das Sonntagswetter war unentschlossen. Die Lektüre der Sonntagszeitung auf dem Balkon erfolgte noch an der (bei mir sehr niedrig gezogenen) Gänsehautgrenze, beim anschließenden Spaziergang wären kurze Hosen angebracht gewesen. Auf den Rasenflächen am Poppelsdorfer Schloss zahlreiche Menschen in unterschiedlichen Entkleidungsstufen, vertieft in ihre Datengeräte. Gegen Ende leitete mich Appetit auf bayrisches Bier zu einem geeigneten Lokal in der Innenstadt, wo großflächig tätowierte Arme inzwischen Einstellungsvoraussetzung zu sein scheinen. Dessen ungeachtet ließ ich mich nieder zum Biertrinken und Leutekucken.

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 19: Ein Rosé geht immer

KW19 - 1

Montag: Wenn Ihnen nach spätestens zweihundert Metern Autofahrt auf der Landstraße ein weißer Lieferwagen an der Stoßstange klebt, dann sind Sie vermutlich in Südfrankreich.

Dienstag: Während die Franzosen heute das Ende des Zweiten Weltkriegs mit einem Feiertag würdigen, begehen der Liebste und ich den sechzehnten Hochzeitstag, laut einer Liste im Netz, deren Richigkeit ich nicht beurteilen kann, die Saphierhochzeit. Wie auch immer: Danke, dass du es noch immer mit mir aushältst! Passend dazu ist laut Zeitungsbericht in China heute der Tag des Lächelns. Das ist bemerkenswert, mir war nicht bekannt, dass es im Land des Lächelns dazu noch eines besonderen Tages bedarf.

Ungeachtet aller Feierlichkeiten berichtet der Liebste hier über unsere derzeitige Geschäftsreise.

Die Post steht zurzeit in der Kritik wegen ihrer Personalpolitik zur Übernahme von Mitarbeitern in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Ich kann nicht erkennen, was falsch daran sein soll, hierfür bestimmte Kriterien wie Krankheitstage festzulegen, jede Firma würde (und sollte) das tun. Den Ausführungen von Nicolai Levin hierzu stimme ich daher zu. Bis auf einen Punkt: Warum müssen es immer gutaussehende junge Damen sein, die am Empfang als Blickfang dienen? Ist das nicht auch ein klein wenig diskriminierend?

Mittwoch: Notiz an mich: Nicht immer „super“ sagen, wenn mir etwas ganz gut gelungen erscheint. Auch nicht bei einem äußerst wohlschmeckenden Wein aus Vacqueyras.

Donnerstag: „Selfieccino“ heißt das neueste Steinchen im großen Mosaik, welches die Verblödung der Menschheit abbildet. In einem Londoner Café kann man sich laut Zeitungsbericht nun ein Bildnis des eigenen Antlitzes auf den Kaffeeschaum sprühen lassen, nicht etwa mit Kakaopulver, sondern geschmackloser Lebensmittelfarbe. Wie nicht anders zu erwarten, stehen die Leute Schlange und füllen Instagram mit ihren Kaffeeportraits. Weitere Steinchen (unter vielen vielen anderen) sind: Filme mit Computerspiele spielenden Menschen auf Youtube anschauen und Selfiestangen.

Freitag: Ausflug nach Avignon, Sie wissen schon, die Stadt mit der besungenen, vom Sehenswert meines Erachtens jedoch völlig überbewertete halbe Brücke über die Rhône (welche strenggenommen der Rhône heißen müsste, denn die Eingeborenen nennen den Fluß le Rhône). Ansonsten ist die Stadt gerade an warmen Tagen immer wieder sehr schön. Erkenntnis des Tages: Ein Rosé geht immer.

KW19 - 1 (1)

Was nicht geht, sind lustige Filmchen, die ein Bekannter seit Tagen regelmäßig in eine Whatsapp-Gruppe „postet“, welcher ich zufällig angehöre. Stets bleiben sie von mir unangesehen, weil sie mich nicht interessieren. Sollte mir jemals Herr Zuckerberg begegnen, und ich hätte drei Wünsche frei, so wünschte ich mir als erstes eine Filterfunktion für Whatsapp, die mich von unverlangt zugesandten Filmchen verschont. Die beiden anderen Wünsche mir zu überlegen, erübrigt sich, da mir Herr Zuckerberg mit hoher Wahrscheinlichkeit niemals begegnen wird.

Samstag: Rückfahrt im mit Wein und weiteren Lebensmitteln vollgeladenen Wagen von der Provence in heimatlich-rheinische Gefilde. Schon nach wenigen Kilometern meldet das Auto Druckverlust in einem Reifen. Je älter ich werde, desto lästiger erscheinen mir Abweichungen vom gewohnten Regelablauf. Glücklicherweise stellte sich die Meldung als nicht dramatisch dar und wir kamen nach Luftaufnahme an der nächsten Tankstelle ohne weitere Zwischenfälle zu Hause an.

Sonntag: Das Wohlgefühl der ersten Nacht im eigenen Bett nach einer Reise ist mit Geld nicht zu bezahlen. Als ich nach dem Aufstehen aus dem Fenster blickte und den Regen auf unseren Balkontisch prasseln sah, lächelte ich und dachte, ganz ohne Ironie und Bitterkeit: Wie schön!

KW19 - 1 (2)