Woche 37: Hohle Phrasen und leere Versprechungen

Montag: „Wenn ich zum Traumdeuter gehe, muss der danach zum Psychologen“, sagte morgens der Geliebte, nachdem unsere Nachtruhe und die der näheren Nachbarschaft eine jähe Unterbrechung erfahren hatte durch seinen Aufschrei, weil er von wilden Bestien oder was auch immer gejagt wurde.

Aufschreigründe gibt es ja immer, wie solche Sätze, die ich heute hörte: „Es ist wichtig, die Kollegen onboarden zu können.“ – „Da sind wir gerade nicht satifikationsfähig.“

Dienstag: Es ist recht frisch geworden, jedenfalls morgens. Bekleidungstechnisch immer eine schwierige Phase: Auf dem Weg ins Werk kann ich schon Pullover und Jacke vertragen, zurück am liebsten Polohemd und kurze Hosen. Oder: „Ist kühl morgens Rad.“ Sie verstehen schon.

Von frisch zu frivol (bitte verzeihen Sie diesen nicht gerade durch Eleganz hervorstechenden Übergang) – ein gewisser Paul Di­vjak im SPIEGEL über ein Parfüm für Männer: „Das ist zart-süß und ani­ma­lisch-geil. Trop­fen für Trop­fen pure Lüs­tern­heit, mit Schweiß-, Urin- und Dar­kroom-As­so­zia­tio­nen.“ Urin. Und Darkroom. Wenn auch noch eine leichte Poppers-Note anklingt, muss ich es haben.

Mittwoch: Die Landwirtschaftsministerin will das Töten männlicher Küken verbieten. Stattdessen soll das Geschlecht bereits im angebrüteten Ei ermittelt werden. Ich habe keinen Zweifel an der Machbarkeit: Die Wissenschaft ist in der Lage, per Teleskop die Zusammensetzung der Atmosphäre Lichtjahre entfernter Planeten zu bestimmen, dagegen sollte die Geschlechtsbestimmung von Hühnereier*innen wohl ein Klacks sein. Wird es ein Mädchen, kommt das Ei in den Brutkasten, Jungs – knacks – in die Tonne, daraus kann man bestimmt noch Viehfutter für die Massentierhaltung machen. Mmh, lecker, denkt der kastrierte Eber. Wobei: Bringt das dann nicht Abtreibungsgegner in Rage?

Gelesen: Bereits die zweite Kollegin, die aus dem Urlaub heraus Mails beantwortet. Manchen ist nicht zu helfen.

Auch gelesen: „Leever ne Lappen im Jeseech als ne Zeddel am Fooß.“ – Für Nicht-Rheinländer: „Lieber einen Lappen im Gesicht als einen Zettel am Fuß.“ (Jörg P aus Bonn gegenüber dem General-Anzeiger, nachdem er eine schwere Covid-19-Erkrankung überlebt hat.)

Gehört: „Ich muss gerade nachdenken, worüber ich nachdenken wollte.“

Der Abend war es noch überraschend warm, daher verbrachten wir ihn auf dem Balkon. Versehentlich leerte ich dabei alleine eine Flasche Rosé. Darüber sollte ich gelegentlich nachdenken.

Donnerstag: „Wir wollen nach vorne schauen“ – eine sehr beliebte Formulierung für „Da haben wir wohl Mist gebaut“. Nach vorne schauten mittags im Rheinauenpark auch diese Herrschaften.

Was jenseits des Wassers ihr Interesse geweckt hatte, war nicht zu erkennen. Vielleicht hatten sie auch Mist gebaut.

“Ich habe dazu nachher noch einen Call“, sagt eine. Vieles täuscht den Anschein von Bedeutung vor, indem es eine englische Bezeichnung hat oder wenigstens so klingt. Und wenn es nur eitles Geplapper ist.

Eitles Geplapper auch auf Plakaten: Anscheinend gibt es Unternehmen, die allein von Wahlwerbung leben können. Was tun die, wenn gerade mal nicht gewählt wird?

Wahlkampf – viel Getöse, dabei indes nichts anderes als mit Millionenaufwand betriebene mediale und plakative Verbreitung zumeist hohler Phrasen und leerer Versprechungen. Wie die eine Partei, zu deren Markenzeichen in früheren Jahren drei Pünktchen gehörten, die jede Plakatphrase mit „Weil Bonn.“ enden lässt, was auch immer das bedeuten mag, ich zeigte es kürzlich bereits.

Dagegen sticht Die PARTEI mit Aussagen von bestechender Klarheit geradezu vorbildlich hervor:

Freitag: Eine Jour-Fixe-Teilnehmerin sagte „Ich habe heute nix für die Runde. Außer vielleicht …“ – Dann legte sie los.

Wir sollten nicht nur nach vorne schauen, sondern ab und zu auch nach oben. Kurz nach der Mittagspause hörte ich ein vertrautes, länger anhaltendes Motorbrummen, kurz darauf zeigte sich ein Zeppelin, zu meinem Erstaunen jedoch ein anderer als letzte Woche:

Haben die Dinger gerade Saison?

Samstag: Die Zeitung berichtet über den Bonner Unternehmer Ralf Z, der die morgen stattfindende Kommunalwahl anfechten möchte, weil es ihm „schwer gemacht wird“, die Briefwahl zu beantragen, konkret, weil das online nur bis Mittwochmittag möglich war; danach hätte er den Wahlschein persönlich beim Wahlamt abholen müssen, was nach menschlichem Ermessen und unter Berücksichtigung normaler Postlaufzeiten weder abwegig noch unzumutbar erscheint. Das sieht Herr Z nicht ein und beschwert sich: „Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, für mich aber wieder ein Zeichen, was in dieser Verwaltung alles falsch läuft“, so Z; weiterhin: „Es herrschte völliges Desinteresse an meiner Lage.“ Welche Lage, lieber Herr Z? Ist Ihnen wirklich erst am Mittwochnachmittag eingefallen, per Brief wählen zu wollen? Zur Selbstabholung der Unterlagen: „Aber mir geht es ja eben in der Corona-Pandemie darum, dass ich nicht irgendwo hingehen muss.“ Nun wird er wohl gar nicht wählen, der arme Unternehmer, vielleicht ist das sogar besser so. Warum nur räumt man einem solchen Querulanten einen zweispaltigen Zeitungsartikel ein?

Der Geliebte beschimpft den Staubsauger. Offenbar geht es ihm gut.

Es ist mir übrigens völlig egal, ob andere sich darüber aufregen: Wenn Rewe im September Marzipanbrote anbietet, werden im September Marzipanbrote gekauft.

Sonntag: Es ist mittlerweile üblich geworden, Gegenstände, von denen man sich trennen möchte, sie allerdings als zu schade für die Mülltonne erachtet, vor die Haustür zu stellen mit einem Zettel „Zu verschenken“ daran. Zumeist finden sich Bücher, CDs und kleinerer Hausrat im kostenlosen Angebot. Ob die heute Nachmittag in Bonn-Castel gesichteten Kanister mit unbekanntem Inhalt ebenfalls einen Abnehmer finden, vermag ich nicht zu beurteilen.

Ansonsten in dieser Woche erfreulich waren: ein Donnerstag ohne Donner, zwei neue Bücher für den Stapel der ungelesen, eine Einladung zum Vorlesen, ein früher Feierabend.

Woche 21: Pornostars zu Spargelbauern

Montag: Der General-Anzeiger über den ESC-Gewinner Duncan Laurence: „… jung, sympathisch, mit einem Lied, das ohne großes Brimborium auskommt – sieht man mal vom Videoclip ab, in dem Laurence nackt unter Wasser taucht.“ Weiter kam ich nicht mit Lesen, das verstehen Sie sicher:

 

Was ich nicht verstehe: Auch Madonna hatte einen Auftritt beim ESC. Gut, in der Tat traf sie nicht jeden Ton, und das Kostüm mit der Augenklappe schien mir nicht sehr gelungen. Aber muss man die Frau deswegen in solcher Weise, wie es in den asozialen Hetzwerken geschah, mit Häme überschütten und ihr Karriereende herbeitwittern? Darf nicht auch ein Superstar mal einen schlechten Tag haben? Das hat sie nicht verdient.

Dienstag: Fundsache in der derzeitigen Stadtbahnlektüre:

„Wenn Menschen in einer konkurrenzorientierten, hierarchischen Machtstruktur gefangen sind – etwa in einem Großkonzern -, können Sie die Realität ihres Handelns aus den Augen verlieren, weil der unmittelbare Machtkampf die eigentliche Wirklichkeit überschattet.“

(Aus: Jaron Lanier, „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“)

Manchmal möchte ich inmitten fremder Menschen laut aufschreien: Genau so ist es!

Mittwoch: Wo ich gerade so schön am Schreien bin: Als mich heute in der Kantine jemand versehentlich leicht anrempelte, überlegte ich trotz umgehender Entschuldigung des Rempelnden, wie es wäre, wenn ich jetzt mein Tablett mit Hähnchenkeule und Karamellpudding theatralisch zu Boden würfe und zu brüllte: „Pass doch auf, du Trottel!“ Habe ich natürlich nicht gemacht. Genauso wenig, wie ich mich vor die Bahn werfe, wenn sie einfährt und ich manchmal, selten, spontan denke: Wenn du jetzt… (Keine Sorge, nur ein Gedanke ohne jede Ausführungsabsicht.)

Donnerstag: In der Bahn auf der Rückfahrt vom Werk telefonierte eine junge Frau ziemlich laut und lebhaft. Auf Italienisch. Das hatte etwas durchaus Sympathisches. Auf Deutsch hätte ich sie vermutlich gehasst.

Laut Zeitungsbericht verklagt ein Mann den Hersteller eines Haarwuchsmittels, weil aufgrund einer Nebenwirkung des Mittels sein Sexualtrieb erloschen sei. – Wo gibt es das Zeug?

Freitag: „Im Rahmen der Globalen HR Roadmap 2020 erfolgt unter anderem eine Analyse der bestehenden HR Prozesse hinsichtlich Vereinfachung und Steigerung des Mitarbeitererlebnisses“, lese ich in einer internen Mitteilung. Mein Mitarbeitererlebnis bedarf keiner weiteren Steigerung, vielen Dank.

Samstag: „Der Ball ist rund, die Eiskugel auch: Vielleicht ist das eine Erklärung dafür, dass ausgerechnet ein Fußballspieler wie Lukas Podolski (33) stolzer Eigentümer von Eisdielen wird“, steht in der Zeitung. Dieser Logik folgend müsste James Deen demnächst Spargel oder Salatgurken anbauen.

Übrigens, wenn Sie in Bonn auf der Suche nach gelungener Abendunterhaltung sind, besuchen Sie unbedingt Malentes Theaterpalast am Hochkreuz. Dort erwartet Sie ein Abend voller Witz, mit einem Hauch Erotik und etwas Gesellschaftskritik, die kann ja nie schaden. „Die sind schwul, aber totaaal nett!“ – Wir waren heute zum ersten und bestimmt nicht letzten Mal dort.

Sonntag: Gehört und notiert: „Das steht im Imker-Kalender.“ – „Du meinst den Maja-Kalender.“ – „Ach ja.“

Während meiner Sonntagsrunde fand ich an einem Pfahl Straßenkunst, die mich ein wenig ratlos macht, aber man muss ja nicht alles Schöne verstehen:

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Rätselhaft auch der kleine Blumenstrauß, der bei Rückkehr auf unserer Fußmatte vor der Wohnungstür lag. Wer hat ihn dort abgelegt, für wen ist er bestimmt, aus welchem Grund? Oder hat ihn einfach nur jemand dort verloren?

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Wie auch immer: Vielen Dank dafür!

Woche 15: Unterwegs

Montag: „Matinee der Bewegung“ lese ich auf einem Plakat im württembergischen Langenau, wo die Geschäfte meine Anwesenheit bis Mittwoch erfordern. Die Anreise mit der Bahn verlief pünktlich, angenehm und ohne nennenswerte Vorkommnisse, sieht man einmal von der umgekehrten Wagenreihung des ICE in Frankfurt ab, welche, wenn man wie ich auf den ersten (beziehungsweise letzten) Wagen gebucht ist, ebenfalls zu einer Matinee der Bewegung wird.

Im Hotelzimmer haben sie so Duftstäbchen in einer Verdunstungsflüssigkeit aufgestellt, welche das Zimmer in einen schweren, süßlichen, insgesamt unangenehmen Geruch hüllen. Zum Zwecke des Verduftens öffne ich das Fenster und stelle die Flasche auf den Flur. Als ich abends vom Essen mit den Kollegen zurück kehre, duftet der ganze Flur. Das Zimmer leider auch immer noch. Anscheinend ist jede Faser darin nachhaltig von dem Duftstoff getränkt. Selbst verbotenes Rauchen hilft nicht.

Dienstag: Das Speisenangebot des Hotels wirft Fragen auf.

Im Hotelzimmer ist eine elektrische Glocke an der Wand angebracht, wie wir sie früher im Hausflur meines Elternhauses hatten, damals, als Telefone noch Eigentum der Deutschen Bundespost waren und nur von dieser installiert werden durften. Bei jedem eingehenden Anruf erzeugte dieser Klangkörper einen höllischen Lärm.

Welchen Zweck diese Glocke in meinem Zimmer erfüllt, kann ich nur mutmaßen. Vielleicht warnt sie bei Feueralarm. Somit würden alle Gäste, die nicht durch Flammen und Rauch umkommen, wenigstens zu Tode erschreckt.

Mittwoch: Auf das Hotelfrühstück verzichtet. Zum einen wegen morgentypischer Appetitlosigkeit, zum anderen ertrage ich es nicht, so früh eine größere Anzahl Menschen um mich zu haben, die ein Mindestmaß an Kommunikation erwarten.

Wer mir ungefragt Bilder seines Hundes vor die Nase hält, hat meine Gunst schon verspielt. Kollegin C zeigte mir hingegen auf der Rückfahrt aus Langenau gunsterhaltend ein Bild des Teichfroschs, der in ihrem Gartenteich wohnt. Ein Prachtbursche.

Unglaublich: Manche Leute sind zu doof, im ICE ihren reservieren Sitzplatz einzunehmen. Erst versuchen sie, andere vom Platz zu scheuchen, weil sie sich in der Platznummer vertan haben, dann, nachdem sie ihren Fehler bemerkt haben, nehmen sie dennoch den falschen Platz ein, weil sie die angebrachte Nummer dem falschen Sessel zuordnen, von welchem sie schließlich – zu recht – durch den rechtmäßigen Inhaber vertrieben werden. Solch ein Trottel war heute ich. Das ist aber auch kompliziert in diesen neuen Zügen!

Donnerstag: Es kommt nicht häufig vor, dass ich die Lektüre eines Buches bereits im ersten Drittel abbreche. Möglicherweise kam es gar noch nie vor. Nun aber: „Ich war jung und hatte das Geld – Meine liebsten Jugendkulturen aus den wilden Neunzigern“ von Sebastian Lehmann, auf welches ich durch eine wohlwollende Buchbesprechung in der Tageszeitung aufmerksam wurde. Es möchte witzig sein, ist es aber nicht. Auch der augenscheinlich von Marc-Uwe Kling autorisierte „Witzig“-Sticker auf dem Titel ändert daran nichts. Bei Bedarf können Sie es sich gerne in den nächsten Tagen aus einem der öffentlichen Bücherschränke in Bonn abholen.

Stattdessen während der Stadtbahnfahrten nun: „Jeder lügt so gut er kann“ von Harald Martenstein. Viel besser und mit besten Aussichten, bis zum Ende gelesen zu werden und danach dauerhaften Platz in meinem Bücherregal zu finden.

Freitag: Amazon zeichnet Dialoge zwischen Alexa und ihren Kunden auf, wie jetzt berichtet wird. Der öffentliche Aufschrei bleibt aus, was wenig verwunderlich ist, wohl nur unbeirrbare An-den-Osterhasen-Glauber nahmen bislang an, diese Gespräche würden die Stube, in der Alexa auf der Anrichte steht, nicht verlassen.

Auch ich zeichnete am kühlen Morgen auf dem Weg zur Bahn einen Dialog auf, oder jedenfalls einen kleinen Fetzen daraus: „… wirklisch kalt, das macht voll aggro.“ Besonders aggressiv wirkte der junge Mann, der das sagte, allerdings nicht, vielmehr wandelte er liebevoll Hand in Hand mit seiner Freundin.

Der Rheinländer feiert bekanntlich gerne, auch bei niedrigen Temperaturen. Heute beispielsweise wird in der zurzeit kirschblütenschwangeren Bonner „Altstadt“ die diesjährige Inbetriebnahme eines Straßen-Zierbrunnens begossen. Ein Anlass, der den Ostwestfalen oder Niedersachsen maximal eine Augenbraue leicht anheben ließe; der Bonner hingegen begrüßt den wiedererwachten Wasserstrahl (Pfeil) mit Freibier und Musik.

Samstag: Vergangene Nacht träumte ich von der künftigen Verkehrssituation in und um Bonn nach Start der bevorstehenden Brückensanierung im Norden und tektonischer Erdplattenverschiebung. Einer sagte: „Dann bewegt sich jeder Fabrikschornstein mit einer höheren Reisegeschwindigkeit als Sie morgens mit dem Auto zur Arbeit.“ Auf solche Sätze muss man am wachen Tag erstmal kommen.

Sonntag: Im französischen Radiosender Nostalgi spielen sie „More than I can bear“ von Matt Bianco, allerdings in einer verkürzten Version ohne das wunderbare Trompetensolo. Das ist so wie Mon Cherie ohne Piemontkirsche oder Die Simpsons ohne Bart. Darum hier die vollständige Fassung:

Apropos ohne Bart: Seit heute bin ich wieder ohne Gesichtsbehaarung (beziehungsweise ohne Gesichtsbehaarung unterwegs, wie einige mir bekannte Menschen sagen würden), und das soll jetzt erstmal so bleiben, auch wenn das Spiegelbild noch etwas ungewohnt ist.

BEGEDER ruft auf zum "Rosenmontagspaziergang"

Kaum wurde der rheinische Karneval zum Weltkulturerbe erklärt, schon macht ausgerechnet die Kultusministerkonferenz (KMK) in Berlin deutlich, dass es sich hierbei um eine ernste Angelegenheit handelt. So teilte sie ihren Bonner Mitarbeitern mit, der Rosenmontag sei ab sofort kein per se arbeitsfreier Tag mehr. Wie nicht anders zu erwarten, folgte dieser Weisung eine Empörungswelle der Betroffenen, auch die anderen Bonner Bundesbehörden schauen bereits mit aschermittwöchlich-sorgenvoller Miene in Richtung Bundesinnenminister, könnten sie doch ebenfalls in den Strudel hauptstädtisch-neidischen Unfrohsinns hineingezogen werden.

Ein Sprecher der ‚Arbeitsgemeinschaft der Personalräte der obersten Bundesbehörden‘ betonte gegenüber dem General-Anzeiger, beim Feiern lerne sich die Belegschaft auch anders kennen: „Manches geht nachher einfacher.“ Wir wollen aus Gründen des Anstandes nicht hinterfragen, was genau er damit meint.

„Diese Entwicklung ist bedenklich und könnte einen Stein ins Rollen bringen. Rosenmontag ist im Rheinland ein Feiertag, wenn auch kein gesetzlicher“, so zitiert die Zeitung Festausschusspräsidentin Marlies Stockhorst. Der Untergang des Rheinlandes steht unmittelbar bevor. Wie aus ungewöhnlich gut informierten Kreisen zu erfahren war, haben einige KMK-Mitarbeiter bereits die Initiative BEGEDER („Beamte gegen Entkarnevalisierung des Rheinlandes“) gegründet und für Montag, den 16. Februar, nach Dienstschluss zu einem „Rosenmontagsspaziergang“ aufgerufen. Die Polizei rechnet daher für diesen Tag mit erheblichen Verkehrsbehinderungen, auch Wurfgeschosse, Konfettikanonen und Lärmbelästigungen können nicht ausgeschlossen werden. Daher rät sie, die Bereiche Innenstadt und Innere Nordstadt möglichst zu meiden, bis BonnOrange die Straßen geräumt hat; der genaue Weg des Spaziergangs wird noch bekanntgegeben.

Von der Bildung einer Gegenbewegung ist bislang nichts bekannt. Auch die Mitarbeiter von Post, Telekom und Postbank, ebenfalls ehemalige Behörden, sowie weiterer Bonner Unternehmen begegnen dem amtlichen Aufschrei mit einem Schulterzucken, zumal für sie schon vor Jahren die Arbeitsbefreiung nicht nur an Rosenmontag, sondern auch Heiligabend und Silvester aufgehoben worden ist. Viele von ihnen wollen jedoch am 16. Februar Urlaub nehmen, um sich den BEGEDER-Spaziergang anzuschauen. Mit einer Teilnahme der Initiative „Abendland antwortet auf Feierverbot“ (ALAAF), die sich aus der Mitte einiger Ministerien gebildet hat, ist indes aufgrund innerer Zerstrittenheit nicht zu rechnen. Daher ist laut Polizei mit gewalttätigen Ausschreitungen – abgesehen von wenigen alkoholbedingten persönlichen Ausfällen – nicht zu rechnen. Oder wie der Rheinländer sagt: Et hätt noch emmer joot jejange.

(Auch veröffentlicht in gekürzter, nicht ganz so alberner Version bei bundesstadt.com)