Woche 47/2023: Ich möchte lieber nicht

Montag: Die Woche begann wenig optimismusfördernd. Erst Giesinger im Radio (schon wieder am Montagmorgen, machen die das extra, um mich zu prüfen oder zermürben?), dann die Meldung, wonach eine internationale Konferenz zur Reduzierung von Plastikmüll am Widerstand der erdölfördernden Länder gescheitert ist. Meine Überzeugung, dass diese Spezies den baldigen Untergang verdient, festigt sich täglich.

Abends in der Innenstadt hörte ich über den bereits aufgebauten, noch dunklen Weihnachtsmarktbuden eine Amsel singen, als wäre April. Alle irre.

Dienstag: Dienstag ist Zufußtag, und also ging ich zu Fuß ins Werk und zurück, entlang dem noch immer hochwässrigen Rhein. Auf dem Rückweg hielt ich nach längerem mal wieder Einkehr auf einen Tee (jawohl!) im Rheinpavillon. Dort waren bei Ankunft die meisten Tische reserviert für eine größere Gruppe, weshalb ich mit einem Platz nahe dem Eingang vorlieb nahm, wo es jetzt schon wieder recht kühl ist. Kurz darauf trafen nach und nach die Gäste ein, es wurde immer lauter. Ab der kommenden Woche gibt es dort im Außenbereich wieder Glühwein; die Verkaufsbude ist bereits aufgestellt, aber noch geschlossen.

Tosende Wasser
Urlaubsfreuden
Weg ist der Weg

Vergangene Woche ließ ich mich über die Gewohnheit junger Menschen aus, ständig „genau“ zu sagen, nicht im Sinne von „exakt“, sondern eher „nun denn …“ oder „äh“, weshalb mir die Kategorie „Generation Genau“ passend erscheint. Was sie auch gerne und oft sagen, wie mir heute wieder auffiel, ist „keine Ahnung“. Sie deswegen als „Generation keine Ahnung“ zu bezeichnen erscheint mir indes unangemessen.

Mittwoch: Die Nachbarabteilung trifft sich heute zum Offsite, anschließend teambuildet man in einem Bash Room. Bislang unwissend, was das ist, recherchierte ich kurz und fand heraus: Dort trifft man sich zu einem zweieinhalbstündigen Game-Show-Event, wo es gilt, durch unterschiedliche Aufgaben und Spiele zu ermitteln, wer am Ende der/die/das Beste ist. Motto: „All About Skill“. Da halte ich es wie der Schreiber Bartleby: Ich möchte lieber nicht. Wann genau und wodurch ist berufstätigen Menschen die Fähigkeit abhanden gekommen, zum Zwecke des persönlichen Austauschs einfach nur gemeinsam zu essen und sich nett zu unterhalten? Warum muss daraus immer gleich ein Event gemacht werden?

Donnerstag: »Doch kaum einer will’s oder interessiert’s«, schreibt Bild Online.

Interessiert vielleicht auch keiner:

*** Auftritt Mainzelmännchen ***

Ich hätte es längst erzählen sollen, wollte jedoch abwarten, bis es fertig ist, et voila: das Buch zum Blog. Rechtzeitig für die Gabentische ist es ab sofort fast überall erhältlich, zum Beispiel hier. Auch beim großen A., wenn es unbedingt sein muss.

276 Seiten, ISBN 978-3-758433-08-5

*** Abgang Mainzelmännchen ***

Freitag: »In Zeiten von Krieg macht es keinen Sinn, dass Millionen Euro in Böller fließen, die dann auf der Straße verpuffen«, wird der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft in der Zeitung zitiert. Dazu erlaube ich mir zu ergänzen: Auch in Friedenszeiten macht es keinen Sinn. Die FDP ist erwartungsgemäß anderer Meinung: »Feuerwerk an Silvester ist häufig ‚Made in NRW’ und gehört für viele Menschen zum Jahreswechsel«, so eine Abgeordnete. Auch beim größten Unsinn immer schön an die Wirtschaft denken.

Dieselbe Zeitung über Geert Wilders: »… ein Mann mit einer platinblonden Haartolle aus Venlo«. Venlo ist ja weltberühmt für seine traditionsreichen Haartollenmanufakturen.

Wie ich auf der Rückfahrt vom Rad aus sah, ist die Glühweinbude am Rheinpavillon nun geöffnet, was spontane Vorfreude auslöste.

Abends besuchten wir den heute eröffneten Bonner Weihnachtsmarkt. Alles wie immer: Die üblichen Buden an den üblichen Plätzen, dazwischen die üblichen Menschenmengen, die sich durch die Gänge schieben. Am Feuerzangenbowlenstand blies unangenehm kalter Wind die Flammen von den brennenden Zuckerkegeln, auf dem Rückweg wurden wir nassgeregnet. Wir werden wohl trotzdem bald wieder hingehen.

Samstag: Vormittags erledigte ich ein paar Samstäglichkeiten in der Stadt, unter anderem ließ ich ein paar ausgelesene Bücher in einen öffentlichen Bücherschrank frei, in dem sich bei Ankunft seltsamerweise nur ein einziges Buch befand, ein Beziehungsratgeber; da der mir vermutlich auch nicht helfen kann, ließ ich ihn stehen und stellte meine Bücher dazu.

Abends hatten wir mit der Karnevalsgesellschaft einen Auftritt in Wachtberg-Niederbachem, voraussichtlich den letzten in diesem Jahr. Im Januar geht es dann wieder richtig los mit Alaaf und so.

(Fotos: Der Geliebte)

Sonntag: Nach etwas appetitlosem Frühstück (keine Folge des Auftritts gestern, eher der Wetten dass..?-Begleitweine; wir schauten die Sendung gestern Abend, weil der Geliebte unbedingt Cher sehen wollte, was der Alkoholunterstützung bedurfte; die deutlich gealterten Herren von Take That fand ich auch sehenswert) fuhr ich mit dem Bus nach Bonn-Duisdorf, um eine Modellbahnbörse zu besuchen, die zweite innerhalb weniger Wochen, nachdem ich zuvor jahrelang auf keiner mehr gewesen war.

Zurück bei leichtem Regen zu Fuß, damit war der Sonntagsspaziergang auch erledigt. In der Inneren Nordstadt eine kleine Überraschung: Das am vergangenen Sonntag an einem öffentlichen Bücherschrank halblegal angebrachte Plakat für die Lesung nächsten Sonntag war noch nicht entfernt.

Ansonsten gesehen:

Wer wollte das bezweifeln
Auch schön (Weststadt)

Einmal noch Werbung:

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Kommen Sie gut und voller Optimismus durch die Woche.

Woche 36/2023: Fünfzehn Minuten Ruhm und ein neu gestarteter Bus

Montag: Größere Unsicherheit scheint es bei deutschen oder wenigstens Bonner Autofahrern noch immer zu geben über die Bedeutung des grünen Pfeils. Bereits zum zweiten Mal wurde ich auf dem Rückweg an einer Kreuzung in der nördlichen Innenstadt Zeuge einer Situation. Dort gibt es eine allgemeine Ampel für alle Fahrtrichtungen und zusätzlich eine für die Rechtsabbiegerspur. Als erstes zeigt die Ampel für die Rechtsabbieger grün, etwa einige Sekunden später ergrünt auch das universelle Verkehrslicht und die Abbiegerampel erlischt. Die Komplikation: Neben der Rechtsabbiegerampel ist ein Grüner-Pfeil-Schild angebracht mit dem Zusatz „Nur für Radfahrer“, womit nämlichen amtlich erlaubt ist, was die meisten ohnehin längst tun, nämlich auch bei Rotlicht abzubiegen. Heute nun stand neben mir auf der Rechtsabbiegerspur ein junger Autofahrer mit seinem Wagen. Als die Abbiegerampel grün zeigte, fuhr er nicht los, was seinen Hintermann zum Hupen veranlasste. „Grün!“ rief der Hintere, „Nur Radfahrer!“ war vom Jungfahrer durch das heruntergelassene Fenster zu vernehmen. Vielleicht war er in der Fahrschule vom Datengerät abgelenkt gewesen, als der Grüne Pfeil durchgenommen wurde.

Dienstag: Schon morgens beim Fußweg ins Werk war es sehr warm, oder „schönes Wetter“, wie das Personal des Radiosenders WDR 4 es weiterhin nennt, wenn die Sonne im September über dreißig Grad produziert.

Andere machen Urlaub

Seit letzter Woche Freitag verwendet WDR 4 neue Nachrichtenbegleitmusik, Jingles, wie das wohl heißt, die ein wenig an den Kaspersender SWR 3 erinnert. Am Musikprogramm hat sich nichts geändert, weiterhin „Achtziger und die größten Klassiker“, wie zu betonen man auch mit neuen Jingles nicht müde wird. Unmittelbar nach einer derartigen Betonung spielten sie morgens Ed Sheeran, eindeutig nicht aus den Achtzigern. Ob er mal ein Klassiker wird – man wir hören.

»Spannende Pilze kann jeder finden« übertitelt die Zeitung einen Artikel zum Thema Pilzsuche. Pilze können vieles sein: essbar, giftig, schleimig, bunt, unscheinbar, groß, klein, gelegentlich auch halluzinogen oder schlumpfbehausend. Eins sind sie jedoch nicht: spannend. Es sei denn, »Bei dem feuchtwarmen Wetter schießen die Exemplare aus dem Boden«, wie es in dem Artikel weiter heißt. Mit Knall, Funkenflug und Rauch. Das wäre recht spannend.

Spannend fand offenbar am vergangenen Sonntag ein Säugling Beethovens neunte Sinfonie. Wie die Zeitung berichtet, begleitete er/sie/es die Aufführung in der Bonner Oper durch anhaltendes Schreien. Dem Kind ist das nicht vorzuwerfen, ich hätte an seiner Stelle und in dem Alter, durch Paukendonner und Chorjauchzen erschreckt, wohl nicht anders reagiert. Doch was geht in Eltern vor, die es nicht für angezeigt halten, in dieser Situation mit dem Kind den Konzertsaal zu verlassen?

Unverlassen vom Publikum blieb abends auch der Vortragsraum der TapetenPoeten in Bonn-Beuel, wo ich nach drei anderen Vorträgen meine fünfzehn Minuten Ruhm auskosten durfte, als ich dieses, das, das und dieses vorlesen durfte. Angesagt wurde ich als „vierter Autor, beziehungsweise erster“, da vor mir drei Damen aus ihren Werken lasen. Geschlechtergerechte Sprache ist nicht immer einfach, gleichwohl bin ich dem Moderator und Initiator der Veranstaltung sehr dankbar, mich nicht als Autor:in angekündigt zu haben. Dankbar bin ich auch für seine gar wunderbare Idee, zur Vorbereitung des Abends die künstliche Intelligenz zu beauftragen, über die Vorlesenden eine Laudatio zu verfassen. In meinem Fall ging die so:

Carsten Kubicki: Der Blogger des Alltäglichen und des Ausgedachten
Willkommen in der Welt von Carsten Kubicki, dem Meister des Ungewöhnlichen und des Alltäglichen zugleich. Sein Blog, treffend betitelt „Blog von Carsten K. für den Hausgebrauch,“ ist eine Oase der Absurdität und des scheinbar Banalen. Kubicki selbst schreibt über sein Werk: „Was hier zu lesen ist, erhebt keinerlei Anspruch auf Relevanz, Wahrheit, Vollständigkeit, Differenziertheit, Reichweite, Neutralität, (politische) Korrektheit, stilistische Brillanz, Originalität, Weisheit, Sinn und allgemeines Interesse.“ Doch gerade in dieser selbstironischen Verweigerung jeglicher Konventionen und Ansprüche findet sich der einzigartige Charme seines Blogs.
Carsten Kubicki setzt sich auf humorvolle Weise mit den Abgründen des Alltags auseinander und deckt dabei sprachliche Verfehlungen auf, die uns allen tagtäglich begegnen. Seine umfangreiche Liste sprachlicher Verfehlungen, genannt „Floskelschaumkraut – Die Liste des Grauens“ […] ist ein wahrer Schatz trostloser Phrasen und Plattitüden. […]
Carsten Kubickis Blog ist ein Ort des Schmunzelns und Nachdenkens zugleich. Seine unkonventionelle Herangehensweise an den Alltag und die Sprache regt zum Innehalten und Hinterfragen an. In einer Welt, in der oft Oberflächlichkeit und Konformität vorherrschen, erfrischt sein Blog mit einem Hauch von Ironie und einer Prise Wahnsinn. Lassen Sie sich von Carsten Kubicki auf eine Reise in die Tiefen des Alltäglichen und des Ausgedachten entführen, und vergessen Sie nicht, sich von Zeit zu Zeit ein Schmunzeln zu erlauben.

Quelle: ChatGBT

Ich fühle mich geschmeichelt.

Vorher

Mittwoch: Vorletzte Woche Donnerstag habe ich, wie berichtet, einen neuen Personalausweis beantragt. Bereits heute erhielt ich die Mitteilung der Stadt Bonn, dass der neue Ausweis zur Abholung bereit liegt. Daher nicht immer nur über die öffentliche Verwaltung herziehen, sondern sie auch mal loben, was hiermit getan sei.

Donnerstag: Ausnahmsweise nicht zu Fuß ins Werk sondern mit dem Fahrrad, da ich an einer Tagung in einem nahegelegenen Hotel teilnahm, die bis zum frühen Nachmittag ging. Nach Rückkehr ins Büro überkam mich eine seltsame Übelkeit, die zum Glück nicht lange anhielt, vielleicht lag es an der Hitze. Im Büro wollte keine rechte Arbeitslust aufkommen, zumal die defekte Jalousie noch immer nicht repariert ist und die Nachmittagssonne direkt auf meinen Schreibtisch und mich scheint. Vergangenen Donnerstag war mal wieder ein Techniker da gewesen, er schaute, sagte, er müsste nochmal telefonieren und käme spätestens morgen (also letzten Freitag) wieder. Da er nicht kam, rief ich heute den Hausservice an; sie werde sich kümmern, sagte die freundliche Dame. Ich musste an meinen alten, längst pensionierten Kollegen Heinz B. denken, der bei solcher Gelegenheit gesagt hätte: „Es ist alles so maßlos traurig.“ Da lächelte ich.

Ein Schild sagt mehr als tausend Worte, wobei dieses Exemplar Raum für Interpretation lässt

Freitag: Vergangene Nacht träumte ich, ich säße in konzentrierter Tätigkeit im Büro, als es klopft und ein Haustechniker herein kommt. Er wollte nur schauen, ob die Jalousie nun funktioniert, sagte er. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch das defekte Drittel heruntergefahren war, und freute mich.

In echt erschienen heute gegen Mittag zwei Techniker, schraubten ein wenig am Schalter, einer ging raus und kehrte bald zurück, und siehe, die Jalousie senkte sich vollständig. Er habe nur den Bus neu gestartet, so seine Auskunft an den anderen. Ich weiß nicht, was das bedeutet und wohin der Bus fuhr, jedenfalls hat er sein Ziel offenbar erreicht, die Jalousie funktioniert wieder, die Sonne blieb nachmittags draußen und ich freue mich. „Dass ich das noch erleben darf“, hätte Kollege Heinz vielleicht gesagt.

Die Tagesschau um zwanzig Uhr wurde eröffnet mit einer Basketball-Meldung. Ein Grund, warum ich Fernsehnachrichten nur noch unregelmäßig schaue. In der Zeitung kann ich bei Sport einfach weiterblättern.

Samstag: Es ist weiterhin heiß, sehr heiß. Das sei keine Klage, nur Feststellung. Ansonsten der übliche Samstagskram ohne nennenswerte Bloggenswürdigkeiten.

Gelesen bei Thomas: »… aber ich habe es verlernt, einfach so da zu sitzen und nichts zu tun. Ich bewundere Menschen, die das noch können, bin aber gleichzeitig zu faul, es wieder zu lernen.« Ich kann das sehr gut, sitzen und nichts zu tun, wenn es was zu schauen gibt, und das gibt es ja fast immer; während Bahnfahrten mit Fensterplatz gerne stundenlang. Auch glaube ich nicht, dass man das mühsam erlernen muss und verlernen kann.

Sonntag: In der Sonntagszeitung ein interessanter Artikel über Bürokratie in Deutschland und warum wir so viel davon haben. Mit eigenen Worten zusammengefasst: Die deutsche Mentalität umfasst zwei Eigenheiten, die dazu führen. Die erste ist ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, der insbesondere dann empfindlich gestört wird, wenn öffentliche Zuwendungen Leuten zukommen, denen sie nicht zustehen. Die zweite ist das unbedingte Verlangen, gegen jede noch so abseitige Eventualität abgesichert zu sein, und wenn sie doch eintritt, jemanden ausfindig machen zu können, der schuld und schadensersatzpflichtig ist. Als Beispiel werden die immer umfassender werdenden Bestimmungen zum Brandschutz genannt, wohingegen beim Sport fast jedes Risiko akzeptiert wird. Wenn jemand klagt, weil er sich aufgrund einer Regelungslücke benachteiligt oder geschädigt fühlt und Recht bekommt, wird die Lücke gefüllt, und wieder ist die Bürokratie ein Stückchen gewachsen. Wir sind also selbst schuld, weil wir nicht gewillt sind, manches als allgemeines Lebensrisiko zu akzeptieren, etwa im Winter Schnee und Eis auf ungeräumten Gehwegen. Ich finde das einleuchtend.

Von Schnee und Eis sind wir weit entfernt: Bei über dreißig Grad führte der Spaziergang über die Rheinbrücke ans andere Ufer, über die Nordbrücke zurück, mit Besuch des Biergartens am Rhein. Dort haben die Kastanien begonnen, die ersten Blätter abzuwerfen, immer wieder fielen fünfblättrige, bräunlich-gelbe Laubeinheiten zu Boden, vielleicht gelockert von in den Bäumen balgenden Halsbandsittichen, die nicht zu sehen, dafür deutlich zu hören waren. In der Ferne auf der gegenüberliegenden Rheinseite sieht man das Riesenrad der Großkirmes Pützchens Markt, die an diesem Wochenende läuft, und ein weiteres Fahrgeschäft mit langen, vertikal rotierenden Armen, an deren Enden Sitzkabinen angebracht sind. Nichts für mich, der gerne untätig sitzt.

Eine weitere Folge der Reihe „Warum sind Dinge, wo sie sind?“
Idyll vor Schwarzrheindorf
Innere Nordstadt

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Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 37/2021: Wenn man weiß, wie es geht

Montag: Abends gab es vom Geschäftsbereich eine Grillparty, richtig mit Menschen und „Dreigeh“. So sehr ich Händeschütteln schon immer ablehne – diese Faustbegrüßung muss sich stattdessen auch nicht unbedingt durchsetzen. (Für die völlig kontaktfreie Begrüßung ist die Menschheit leider noch nicht reif.) Den Vorsatz, um 21 Uhr zu gehen, hielt ich ein. Es wurde dann auch Zeit, da allgemeines Aufräumen die Gemütlichkeit zu trüben begann, da will man nicht im Wege stehen.

Dienstag: Heute gab es ein virtuelles Arbeitstreffen unter Nutzung des Kommunikationsmediums „Mural“. Da mindestens fünfzehn der neunzehn Teilnehmer wie ich damit nicht vertraut waren, gab es zuvor eine spielerische Einweisung. Dann wurden wir aufgeteilt in Gruppen, wobei jede Gruppe dasselbe Thema bearbeitete, danach wurden die Gruppenergebnisse zusammengeführt. (Habe ich schonmal erwähnt, dass ich Gruppenarbeit ablehne, virtuell wie präsent? Bestimmt.) Um elf, als wir längst noch nicht fertig waren, verließ ich die Veranstaltung wegen eines Anschlusstermins. Ich möchte nicht schon wieder den Digitalskeptiker geben, doch bin ich mir sicher, ohne dieses Mural und erst recht ohne Gruppenarbeit wäre ein besseres Ergebnis in wesentlich kürzerer Zeit zustande gekommen.

Zwischendurch hieß es: „Wir können uns alle duzen.“ Das ist auch so etwas, das mir mit zunehmendem Alter immer weniger notwendig erscheint. #gerneweiterpersie

„Erzeugerpreise rauf – Verbraucherpreise runter“, las ich abends auf dem Wahlplakat der MLDP. Die haben es offenbar verstanden.

Irgendwo gelesen: „Mit Fremden reden ist überhaupt das Allerbeste.“ Wie neulich schon geschrieben: Man sollte stets offen sein für abweichende Meinungen, und wenn sie noch so absurd erscheinen.

Mittwoch: „Das hat mit Rasen nix zu tun – biste halt schneller unterwegs.“ Der Geliebte hat jetzt ein Elektrofahrrad.

„Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Urlaub im Kokon beflügelt: Viele Touristen haben nach einer Analyse des ADAC in den Sommerferien versucht, den Kontakt zur Mitmenschheit zu reduzieren […] Man will jetzt auch auf der Reise unter sich sein, vielleicht sogar allein sein“, steht in der Zeitung. Das können noch touristisch interessante Zeiten werden. Das Wort „Mitmenschheit“ gefällt mir übrigens ausgesprochen gut.

Kein schöner Rant: Heute sah auch ich erstmals die Wahlwerbung der Grünen. Da hierzu vermutlich bereits alles gesagt und geschrieben wurde, erspare ich mir und Ihnen weitere Schmähungen.

Alle Jahre wieder – Wie sie sich nun wieder in Wort und Schrift empören über vorzeitiges Angebot von Weihnachtsnaschwerk in den Supermärkten, als ob sie gezwungen würden, derlei zu kaufen und essen. Ich freue mich jedenfalls sehr auf den ersten Nougat-Marzipan-Baumstamm. Merke: Stollen und Kurzarm schließen sich nicht zwingend aus.

Donnerstag: Morgens teilte ich das Bad mit drei Wespen, die freundlicherweise wenig Interesse zeigten an einem gemeinsamen Brausebad.

Kurz nach Mittag steckte eine junge Kollegin den Kopf durch den Türspalt meines Büros, es kam zum kurzen Plausch über „lange nicht gesehen“ und „wie gehts dir“. Es lag nicht an der Maskenpflicht, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wer die Dame war; vielleicht hat sie es ja nicht gemerkt.

Wie die Zeitung berichtet, fahren fast siebzig Prozent der Erwerbstätigen nach wie vor mit dem Auto ins Werk, auch auf kurzen Strecken. In Deutschland sind vierzehn Prozent mehr Autos angemeldet als vor zehn Jahren; der Trend zu Zweit- und Drittwagen in deutschen Haushalten steigt. Offenbar gibt es noch zu wenig Staus und zu günstigen Kraftstoff. So wird das jedenfalls nix mit dem Klimaschutz.

Freitag: Sollten Sie demnächst in der Inneren Nordstadt von einem Radio am Kopf getroffen werden, dann ist es womöglich unser netzfähiges (beziehungsweise -unfähiges) Bad-Radio auf dem Flug aus dem Fenster, nachdem es mal wieder minutenlang verbunden, geladen und zwischengespeichert hat.

Um kurz nach vierzehn Uhr gingen mir zuerst die dringend zu erledigenden Geschäfte, dann die Arbeitslust aus. Da mein Gleitzeitkonto gut gefüttert ist, zudem Wochenende, besser noch: eine Woche Urlaub, verließ ich das Werk zeitig. Daheim empfing mich der erwartete Was-willst-du-denn-schon-hier-Blick des Geliebten, das muss man dann aushalten.

Samstag: Als wir im Sommer 2019 den Urlaub in Malaucène wegen unerträglicher Hitze nach einer Woche abbrachen und nach Hause flüchteten, ahnte wir nicht, dass es danach länger als zwei Jahre und zwei Monate dauern würde, bis wir wieder herkommen. Nun sind wir da, und es ist wunderschön, endlich wieder hier zu sein. (Ja, mit dem Auto, ich weiß.)

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Ein kurzer Kampf mit dem Türschloss unseres Hauses wurde nach vorübergehendem Ausbau desselben und Rückfrage bei der Vermieterin zu unseren Gunsten entschieden. (Wie fast immer im Leben: Wenn man weiß, wie es geht, ist es ganz einfach, aber eben nur dann.) Danach gingen wir zum traditionellen Ankunftstagesprogramm über, das im Wesentlichen aus Ankunftsgetränk, Pizza und Rosé besteht.

Sonntag: Nirgendwo und -wann schmeckt Baguette so gut wie beim ersten Frühstück in Frankreich, das ist bestimmt auch dieser Urlaubseffekt. Ob indes der beste Stollen wirklich aus Dresden kommt, vermag ich nicht zu beurteilen.

Ansonsten verbrachten wir den Tag überwiegend in erfreulicher Ereignislosigkeit aus der Liegestuhlperspektive, während im Hintergrund die Meteorologie tobte.

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Falls auch Sie gerade Urlaub haben, wünsche ich Ihnen eine angenehme Zeit. Allen anderen auch.