Montag: Abends gab es vom Geschäftsbereich eine Grillparty, richtig mit Menschen und „Dreigeh“. So sehr ich Händeschütteln schon immer ablehne – diese Faustbegrüßung muss sich stattdessen auch nicht unbedingt durchsetzen. (Für die völlig kontaktfreie Begrüßung ist die Menschheit leider noch nicht reif.) Den Vorsatz, um 21 Uhr zu gehen, hielt ich ein. Es wurde dann auch Zeit, da allgemeines Aufräumen die Gemütlichkeit zu trüben begann, da will man nicht im Wege stehen.
Dienstag: Heute gab es ein virtuelles Arbeitstreffen unter Nutzung des Kommunikationsmediums „Mural“. Da mindestens fünfzehn der neunzehn Teilnehmer wie ich damit nicht vertraut waren, gab es zuvor eine spielerische Einweisung. Dann wurden wir aufgeteilt in Gruppen, wobei jede Gruppe dasselbe Thema bearbeitete, danach wurden die Gruppenergebnisse zusammengeführt. (Habe ich schonmal erwähnt, dass ich Gruppenarbeit ablehne, virtuell wie präsent? Bestimmt.) Um elf, als wir längst noch nicht fertig waren, verließ ich die Veranstaltung wegen eines Anschlusstermins. Ich möchte nicht schon wieder den Digitalskeptiker geben, doch bin ich mir sicher, ohne dieses Mural und erst recht ohne Gruppenarbeit wäre ein besseres Ergebnis in wesentlich kürzerer Zeit zustande gekommen.
Zwischendurch hieß es: „Wir können uns alle duzen.“ Das ist auch so etwas, das mir mit zunehmendem Alter immer weniger notwendig erscheint. #gerneweiterpersie
„Erzeugerpreise rauf – Verbraucherpreise runter“, las ich abends auf dem Wahlplakat der MLDP. Die haben es offenbar verstanden.
Irgendwo gelesen: „Mit Fremden reden ist überhaupt das Allerbeste.“ Wie neulich schon geschrieben: Man sollte stets offen sein für abweichende Meinungen, und wenn sie noch so absurd erscheinen.
Mittwoch: „Das hat mit Rasen nix zu tun – biste halt schneller unterwegs.“ Der Geliebte hat jetzt ein Elektrofahrrad.
„Die Corona-Pandemie hat den Trend zum Urlaub im Kokon beflügelt: Viele Touristen haben nach einer Analyse des ADAC in den Sommerferien versucht, den Kontakt zur Mitmenschheit zu reduzieren […] Man will jetzt auch auf der Reise unter sich sein, vielleicht sogar allein sein“, steht in der Zeitung. Das können noch touristisch interessante Zeiten werden. Das Wort „Mitmenschheit“ gefällt mir übrigens ausgesprochen gut.
Kein schöner Rant: Heute sah auch ich erstmals die Wahlwerbung der Grünen. Da hierzu vermutlich bereits alles gesagt und geschrieben wurde, erspare ich mir und Ihnen weitere Schmähungen.
Alle Jahre wieder – Wie sie sich nun wieder in Wort und Schrift empören über vorzeitiges Angebot von Weihnachtsnaschwerk in den Supermärkten, als ob sie gezwungen würden, derlei zu kaufen und essen. Ich freue mich jedenfalls sehr auf den ersten Nougat-Marzipan-Baumstamm. Merke: Stollen und Kurzarm schließen sich nicht zwingend aus.
Donnerstag: Morgens teilte ich das Bad mit drei Wespen, die freundlicherweise wenig Interesse zeigten an einem gemeinsamen Brausebad.
Kurz nach Mittag steckte eine junge Kollegin den Kopf durch den Türspalt meines Büros, es kam zum kurzen Plausch über „lange nicht gesehen“ und „wie gehts dir“. Es lag nicht an der Maskenpflicht, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung habe, wer die Dame war; vielleicht hat sie es ja nicht gemerkt.
Wie die Zeitung berichtet, fahren fast siebzig Prozent der Erwerbstätigen nach wie vor mit dem Auto ins Werk, auch auf kurzen Strecken. In Deutschland sind vierzehn Prozent mehr Autos angemeldet als vor zehn Jahren; der Trend zu Zweit- und Drittwagen in deutschen Haushalten steigt. Offenbar gibt es noch zu wenig Staus und zu günstigen Kraftstoff. So wird das jedenfalls nix mit dem Klimaschutz.
Freitag: Sollten Sie demnächst in der Inneren Nordstadt von einem Radio am Kopf getroffen werden, dann ist es womöglich unser netzfähiges (beziehungsweise -unfähiges) Bad-Radio auf dem Flug aus dem Fenster, nachdem es mal wieder minutenlang verbunden, geladen und zwischengespeichert hat.
Um kurz nach vierzehn Uhr gingen mir zuerst die dringend zu erledigenden Geschäfte, dann die Arbeitslust aus. Da mein Gleitzeitkonto gut gefüttert ist, zudem Wochenende, besser noch: eine Woche Urlaub, verließ ich das Werk zeitig. Daheim empfing mich der erwartete Was-willst-du-denn-schon-hier-Blick des Geliebten, das muss man dann aushalten.
Samstag: Als wir im Sommer 2019 den Urlaub in Malaucène wegen unerträglicher Hitze nach einer Woche abbrachen und nach Hause flüchteten, ahnte wir nicht, dass es danach länger als zwei Jahre und zwei Monate dauern würde, bis wir wieder herkommen. Nun sind wir da, und es ist wunderschön, endlich wieder hier zu sein. (Ja, mit dem Auto, ich weiß.)


Ein kurzer Kampf mit dem Türschloss unseres Hauses wurde nach vorübergehendem Ausbau desselben und Rückfrage bei der Vermieterin zu unseren Gunsten entschieden. (Wie fast immer im Leben: Wenn man weiß, wie es geht, ist es ganz einfach, aber eben nur dann.) Danach gingen wir zum traditionellen Ankunftstagesprogramm über, das im Wesentlichen aus Ankunftsgetränk, Pizza und Rosé besteht.
Sonntag: Nirgendwo und -wann schmeckt Baguette so gut wie beim ersten Frühstück in Frankreich, das ist bestimmt auch dieser Urlaubseffekt. Ob indes der beste Stollen wirklich aus Dresden kommt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Ansonsten verbrachten wir den Tag überwiegend in erfreulicher Ereignislosigkeit aus der Liegestuhlperspektive, während im Hintergrund die Meteorologie tobte.

Falls auch Sie gerade Urlaub haben, wünsche ich Ihnen eine angenehme Zeit. Allen anderen auch.
#gerneweiterpersie
Das muss ich meinen Studentys (Entgenderung nach Hermes Phettberg) immer wieder nahelegen. Millennials duzen gern mal alle – auch über 60jährige – und wundern sich dann, wenn sie darauf hingewiesen werden, dass das bei der Angeduzten nicht so gut kommt. Sie wissen es halt nicht besser. Sie haben es halt nicht gelernt. Das nötige Gespür fehlt einfach (noch).
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Ich schätze auch die Zwischenstufe „Vorname und siezen“. Sie ist in Deutschland wenig gebräuchlich, verliert sich in Frankreich mehr und mehr, kann aber genau passen, wenn Sie zu förmlich ist und Du zu nah.
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Im beruflichen Umfeld eher schwer vorstellbar. Im Einzelhandel erlebte ich unter Angestellten früher die umgekehrte Form: Nachname und duzen. Gibt es das noch?
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Das wiederum kenne ich nur vom Hörensagen. In Frankreich war es wohl früher üblich, Schüler von klein auf mit dem Nachnamen anzureden, beim Militär natürlich auch – und ohne Monsieur! – und auch an der Universität.
In Frankreich funktioniert Vorname mit Sie auch im beruflichen Umfeld, jedenfalls in kleinen Betrieben und Geschäften. Das ist vermutlich eine Kulturfrage.
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