Montag: „Ganz kurz nur.“ Schon als der Kollege das Gespräch mit vorstehenden Worten eröffnete, war klar: Das dauert etwas länger.
Meiner Freude über die wiedereröffnete Kantine verlieh ich bereits Ausdruck. Dort darf aus bekannten Gründen bis auf weiteres nur jeder zweite Sitzplatz benutzt werden, auf den freizuhaltenden Stühlen sind einlaminierte Hinweisblätter ausgelegt. Das hielt zwei Hungrige in meiner unmittelbaren Nähe nicht davon ab, sich an einen Zweier-, somit zurzeit Einzeltisch setzen zu müssen, obwohl ausreichend Mehrpersonentische frei waren; den Hinweiszettel legten sie gut sichtbar und ohne Unrechtsbewusstsein auf den Nebentisch. Den Sicherheitsmann, der wenige Meter daneben stehend über die Einhaltung der Platzregeln zu wachen hatte, interessierte es nicht. Mich immerhin genug, dass ich es notierte.
„Ich liebe Stachelbeeren“, hörte ich im Gehen einen Entgegenkommenden zu seinem Nebenmann sagen. Ich mag sie auch, am liebsten direkt vom Strauch, vor allem die roten; auf Kuchen oder als Kompott hingegen nicht ganz so gerne. Liebe wäre für dieses Mögen daher ein zu starkes Wort.
Dienstag: Wie ich morgens beim ersten Kaffee des Tages in der Zeitung las, plant Helene Fischer im nächsten Jahr ein Deutschlandkonzert. Nicht, dass ich dorthin wollte, indes spielte seitdem mein Hirnradio mindestens bis in den frühen Nachmittag hinein „Die Hölle morgen früh ist mir egal“, mit erschreckend großer Textsicherheit.
Egal könnte und sollte mir sein, wie andere Leute ihre Kinder rufen, und vielleicht verstößt es gegen irgendeinen Bloggerkodex, wenn ich folgendes anzumerken mir nicht verkneifen kann: Es erscheint mir fragwürdig, wenn nicht unverantwortlich, als Mutter den zwölfjährigen Sohn, der einen eigentlich recht schönen anderen Namen hat, öffentlich „Ona“ zu nennen. An das falsche Mitschülerohr geraten könnte das zu unschönen Neckereien führen. Man stelle sich vor, das Kind hieße mit Zweitnamen auch noch Nils. Aber mir soll es egal sein. Zudem steht mir als Kinderlosem derartiges Urteil nicht zu.
Mittwoch: Wie die Zeitung in einer kurzen Meldung wissen lässt, erhalten sieben Länder, darunter ausgerechnet die Türkei, von der EU in den nächsten sechs Jahren wegen Aussicht auf einen Beitritt etwa 14,2 Milliarden Euro an sogenannter „Heranführungshilfe“. Ein wunderbares Wort für eine nach den aktuellen Erfahrungen mit Polen und Ungarn eher fragwürdige Ausgabe.
„Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Und die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber.“ – Warum tut Til Schweiger nicht, was sein Nachname ihm nahelegt?
Apropos Name – Namenstag haben laut Zeitung heute diejenigen, die „Mariä Geburt“ in ihrem Ausweis oder vielleicht auf dem Grabstein stehen haben. Das mag ich nicht recht glauben, andererseits ist es dagegen vergleichsweise erträglich, Ona gerufen zu werden.
Donnerstag: Als ich morgens nach einem Fußmarsch mit angenehmer Müdigkeit ins Werk kam, fand ich im Maileingang einen von Inhalt und Umfang her völlig unklaren Arbeitsauftrag vor, der im wesentlichen das Ausfüllen von Kästchen beinhaltet, zu erledigen bis spätestens kommenden Dienstag. Warum ich?, fragte ich mich. Als kurz darauf die Mitteilung über den Eingang der nächsten Gehaltsabrechnung auf dem Datengerät eintraf, fiel es mir wieder ein.
Abends auf dem Rückweg sah ich am Rheinufer etwas, das morgens noch nicht da war und wahrscheinlich schon jetzt, da auch Sie es sehen, von irgendwelchen Vollidioten kaputt gemacht wurde.

Die Sichtung eines neuen Nachbarn im Nebenhaus durch den Geliebten verlieh der häuslichen Abendkonversation eine gewisse Würze. Ich war zu müde für einen Ausdruck der Missbilligung und sehe vielmehr mit großer Gelassenheit dem langen Gesicht entgegen, wenn erstmals die Freundin des Herrn Nachbarn in Erscheinung tritt.
Freitag: Es hat sich vielfach bewährt, erstmal nichts zu tun. Zu dem gestern beklagten Arbeitsauftrag stellte man sich heute auch an höherer Stelle die Frage nach dem Sinn, bezeichnete dessen Vollzug gar als „overdone“. Leider waren da schon die meisten Kästchen ausgefüllt. Doch wozu klagen – es geschah in gut bezahlter Arbeitszeit.
Samstag: Anscheinend ist es von Relevanz, zu wissen, wo man heute vor zwanzig Jahren war, an dem Tag, als in Amerika … Sie wissen schon. Ich weiß es auch, möchte Sie aber ungern damit belästigen. Eine beliebte Aussage aus jenen Tagen war, von nun an sei nichts mehr, wie es war. Das ist nicht eingetreten, ob zum Glück oder leider, mag jeder für sich bewerten.
Laut Aufschrift auf der Zahnpastatube ist ihr Inhalt für den täglichen Gebrauch bestimmt. Ja was denn sonst?
Gemessen an der Zahl der zerstörten und heruntergerissenen Wahlplakate muss die Politikverdrossenheit erheblich sein. Was würden politische Parteien und Werbetreibende wohl dafür zahlen, wenn es ihnen gelänge, direkt in unsere nächtlichen Träume eingreifen zu können?
Sonntag: Wandertag im Siebengebirge mit lieben, seit Monaten nicht gesehenen Menschen; dazu Wiedersehensfreude unterstreichende Begleitgetränke und eine abschließende Einkehr in Königswinter. Die Hölle morgen früh ist mir egal.
