Woche 39/2024: Unreife Brombeeren, Buskursionen und Gaudi ohne Lederhose

Montag: Gegen fünf in der Frühe erwachte ich aus einem ungemütlichen Traum (jemand jagte mich mit gezücktem Messer ein Treppenhaus hoch, dabei war er wesentlich schneller als ich) und fand erst eine knappe Stunde später wieder in den Schlaf, kurz bevor der Wecker des Geliebten anschlug.

Heute wäre mein Vater neunzig Jahre alt geworden. Ich erhebe das Glas auf ihn, das hätte ihn gewiss gefreut.

Der angekündigte Regen blieb weitgehend aus, was die planmäßige Fahrradfahrt ans Werk ermöglichte, wo ich erstaunlich gut gestimmt und in trockener Hose ankam. Der Arbeitstag bot wenig Berichtenswertes, er endete zu angemessener Zeit.

Ekaterina hat eine Mail geschrieben:

Willkomm!!!
Vielleichtdu uberrascht, einen Brief von mir zu sehen!
Sie scheinen mir nur ein interessanter Person zu sein! Ich habe mich nicht in dir geirrt?!?
Im den nachfolgenden Nachricht kann ich Ihnen weitere Informationen uber mich selbst schreiben.. Ich bin eine sehr lange Zeit keine mehr Ich hoffe dass Sie bist nicht dagegen? Wenn Sie die Kommunikation fortsetzen und mehr wissen mochten uber mich, dann antworten
Ich bin ein attraktives und freundliches Person mit ernsthaften Planen fur die Zukunft.. Aber in letzter Zeit empfinden ich mich oft Traurigkeit und Einsamkeit!
Ich bin Ekaterina ..
ernsthafte Beziehung gelebt..
Deshalb ich habe wollte, dir zu schreiben, um kennen zu lernen!
Sie mir.. Ich werde warten auf eine E-mail von Ihnen ! Ekaterina.

Dazu das Bild einer jungen Frau mit langen blonden Haaren, dunkel umschminkten Augen und bedrohlich langen Fingernägeln. Leider habe ich gerade keine Kapazitäten frei, mich der Dame anzunehmen, auch sollte sie an ihrer Zielgruppenbestimmung arbeiten. Wenn Sie interessiert sind, kann ich den Kontakt gerne herstellen.

Dienstag: Die Zeitung bezeichnet eine mögliche Koalition aus CDU, BSW und SPD als „Brombeer-Koalition“. Wie kommen die nur darauf? Reife Brombeeren, also die Früchte, sind schwarz, vorher rot, vielleicht auch ein bisschen violett. Außerdem neigen sie, also die Büsche, dazu, alles in ihrer Umgebung stachelbewehrt zuzuwuchern. Vielleicht deshalb?

Lange nichts Neues über die Rheinnixe geschrieben, die ehemalige Personenfähre nach Beuel. Am dortigen Ufer lag sie seit längerem und wartete auf bessere Zeiten. Laut einem Zeitungsbericht hat sie ein Privatmann gekauft ohne nähere Angaben, was er damit vorhat. Vielleicht ist ihm jetzt was eingefallen, seit heute Morgen ist sie verschwunden. Dieses Mal vielleicht für immer. Wir werden sehen.

In einer internen Mitteilung war etwas vom „richtigen Mindset“ zu lesen, auch so ein Begriff, der mich regelmäßig schaudern lässt. Außerdem nahm ich am Kick Off eines zweifelhaften Projektes teil. Bei solchen Anlässen ist es immer wieder beruhigend, wenn mein Name nicht im Projekt-Organigramm zu lesen ist.

Der Arbeitstag war wegen einiger spontan per Mail eingetroffener Handlungsbedarfe und wegen abzuwartenden Regens etwas länger als erwartet, das war nicht schlimm. Ohnehin empfiehlt es sich dienstags nicht, zu früh nach Hause zu kommen, um bei des Heimes Pflege nicht im Wege zu sein. Wozu das gerade in der Vorweihnachtszeit führen kann, wissen wir dank Loriot.

Mittwoch: Anscheinend bin ich nicht der einzige, bei dem das gestern beschriebene Brombeerbild Verwunderung auslöst. Heute sah sich die Zeitung veranlasst, per Kolumne auf der ersten Seite aufzuklären. Demnach hat sich das ein Parteienforscher (was es alles gibt; demnächst, wenn es einigermaßen gut läuft, forscht er vielleicht nach kaum noch nachweisbaren Spuren der FDP) namens K.-R. Korte ausgedacht, inspiriert durch noch nicht ganz reife Brombeeren, die neben schwarzen auch dunkelrote Fruchtperlen aufweisen. Das finde ich sehr weit hergeholt. Wobei: Unreife Brombeeren sind unbekömmlich, insofern passt das Bild.

Deshalb also
Nanu?

Morgens war es trocken, deshalb fuhr ich planmäßig mit dem Rad zum Büro. Dadurch geriet ich nach Arbeitsende in eine Situation: Wegen eines überzogenen Cheftermins kam ich erst später raus, eine halbe Stunde später hatte ich einen Gesundheitstermin in der Inneren Nordstadt. Zeitlich kein Problem, leider regnete es nun mittelstark. Deshalb versuchte ich, mir die morgens vom Geliebten gereichte, ungefähr auf Postkartengröße (falls Sie damit noch was anfangen können) gefaltete Regenschutzfolie überzuziehen, was im windbegleiteten Regen nicht ganz einfach und für mögliche Beobachter erheiternd gewesen sein muss. Wieder so ein Moment, in dem ich dachte: Hoffentlich filmt das keiner. Trotz aller Ungeschicklichkeit meinerseits leistete die Pelle, bis über den Lenker gezogen, was die Lenkung etwas einschränkte, gute Dienste: Die Hose blieb trocken, die Schuhe wurden nur etwas feucht. Vielleicht sollte ich das demnächst mal trocken üben.

Ob die originäre Zweckbestimmung des Produktes der Regenschutz ist, mag aufgrund der Abbildung angezweifelt werden

Donnerstag: Heute hatte ich frei. Da für den Tag Regen angekündigt war, verzichtete ich auf eine Wanderung, zumal die letzte erst zwei Wochen zurück liegt. Stattdessen startete der Tag mit Frühstück und Zeitunglesen im Kaufhof-Restaurant. Zu meiner Überraschung stand ich zunächst vor verschlossener Tür, weil sie erst um zehn öffnen, das muss ich mir merken für künftige freie Tage mit Auswärtsfrühstück.

Die Zeitung berichtet über den vierzehnten Extremwetterkongress in Hamburg. Experten fordern von den Menschen und der Politik sofortiges Umdenken und Handeln ein, wenn uns das Klima nicht schon bald um die Ohren fliegen soll. – In Bad Godesberg geht eine neu gegründete Bürgerinitiative gegen Baumpflanzungen an, weil dadurch Parkplätze entfallen. „Wir sind doch auf das Auto angewiesen“, so die Bürger. – Unterdessen sorgt sich die Weltgesundheitsorganisation um die Jugend, weil sie zu viel Zeit in den sogenannten sozialen Medien verbringt, die bekanntlich einen hohen Energieverbrauch haben. So passt eins zum anderen.

Nach dem Frühstück tat ich, was ich mir schon lange vorgenommen hatte: eine Buskursion in einen mir bislang unbekannten Stadtteil. Auch nach fünfundzwanzig Jahren, die ich nun in Bonn lebe, kenne ich nur wenige der Außenbezirke in den Zielanzeigen der Linienbusse. Also begann ich heute mit der Linie 611 ab Hauptbahnhof nach Heiderhof, ein Stadtteil, den ich bei der vorletzten Wanderung am Rande streifte. Die ersten Kilometer waren vertraute Strecke, sie entsprachen exakt meiner Radfahrt zum Büro. Bei Vorbeifahrt am Mutterhaus sah ich die ersten Hungrigen von den anderen Bürogebäuden in die Kantinen strömen. Die weitere Fahrt führte über Plittersdorf durch das Godesberger Villenviertel, das zu Fuß zu erkunden sich lohnt; falls Sie mal in Bonn sind, empfehle ich Ihnen das sehr. Am Godesberger Bahnhof gab es einen längeren Aufenthalt, weil der Fahrer den Bus verließ, vielleicht drückte die Blase. Es dauerte einige Minuten, ehe es weiter ging, während der ganzen Zeit lief der Motor. Wieviel CO2 mag täglich völlig unnötig ausgestoßen werden, weil Fahrer von Kraftfahrzeugen aller Art es nicht für nötig befinden, während längerer Haltezeiten den Motor abzustellen? Was haben sie davon, wenn der Motor läuft?

An der Godesberger Stadthalle wechselte der Fahrer, was wenige Minuten dauerte, immerhin wurde währenddessen der Motor abgestellt. Dann ging es weiter, nach einigen Kilometern bergauf durch den Wald wurde Heiderhof erreicht. Darüber ist nicht viel zu schreiben: eine nach meinem Empfinden eher seelenlose Ansammlung von Wohnblocks und Bungalows aus den Sechziger- und Siebzigerjahren, immerhin mit viel Grün dazwischen. Ein wenig erinnert es mich an Bielefeld-Sennestadt, das ungefähr zur selben Zeit auf der grünen Wiese bzw. im Wald entstanden ist. Da es keinen Grund zum längeren Verweilen gab, ging ich nach Ausstieg eine Haltestelle vor und fuhr direkt mit dem nächsten (bzw. demselben) Bus zurück.

Die Linie 611 fährt in Gegenrichtung bis Lessenich, das ich ebenfalls noch nicht kannte. Deshalb blieb ich am Hauptbahnhof, wo ein größerer Fahrgast- und der nächste Fahrerwechsel erfolgte, sitzen. Während der Fahrt nach Lessenich, durch die Weststadt, Endenich und Dransdorf, war der Bus wesentlich voller als nach Heiderhof. Lessenich ist im Gegensatz zu Heiderhof ein alter, gewachsener Ortsteil mit teilweise dörflichem Charakter. Bei Erreichen der Endhaltestelle am Sportplatz, direkt am Messdorfer Feld gelegen, war mein Bedarf an Busfahren nach etwa drei Stunden für heute gedeckt, daher beschloss ich, zu Fuß nach Hause zu gehen, zumal der angekündigte Regen ausblieb. Somit kam ich zwar nicht zu einer Wanderung, immerhin einem längeren Spaziergang, mit Einkehr auf Kaffee und Kuchen nach Rückkehr in der Innenstadt.

Man mag das für Zeitverschwendung halten, mir hat es gut gefallen, ich werde das wieder tun. Das Busnetz ist groß, es erreicht viele Orte, in denen ich noch nie war.

Heiderhof I
Heiderhof II
Oft ist böses über Busfahrer zu hören und lesen, sie seien unfreundlich und ließen Leute einfach an der Haltestelle stehen. Doch wie sie ihr Fahrzeug durch enge Straßen mit Baustellen und parkenden Autos lenken, ohne anzuecken, verdient Hochachtung. Meine haben sie.
Messdorfer Feld

Freitag: „Wer bereits geantwortet hat: disregard“ beendete einer seine Mail. Vermutlich war ich der einzige im Verteiler, der das letzte Wort nachschlagen musste. Laut einer Umfrage von Allensbach lehnen nur einunddreißig Prozent der Befragten die Verwendung englischer Begriffe in der deutschen Sprache ab, las ich letztens in der Sonntagszeitung. Offenbar muss ich diesbezüglich an meinem Mindset arbeiten.

Das Morgenlicht war wieder augstreichelnd

Aus der Zeitung:

Da bekommt das Wort Verbrenner eine ganz neue Bedeutung (General-Anzeiger Bonn)

Samstag: Die britische Schauspielerin Maggie Smith ist tot. Sie spielte in der Serie Downton Abbey die Countess of Grantham, Violet Crawley, Mutter des Hausherrn, und zwar ganz großartig, aber das wissen Sie vermutlich selbst, wenn Sie es gesehen haben. Downton Abbey war eine der wenigen Serien, die ich mir in den letzten zehn bis zwanzig Jahren angesehen habe; aus Gründen, die ich selbst nicht benennen kann, langweilen mich bewegte Bilder eher. Daher schaue ich – außer der Tagesschau, gelegentlich der heute-Show und Nuhr im Ersten* – kaum Fernsehen, gehe nur sehr selten ins Kino, per WhatsApp zugesandte Filmchen werden konsequent disregarded. Auf der Liste der Dinge, die ich im Leben benötige, stünde ein Netflix-Anschluss weit unten. Deshalb kann ich, neben Fußball und überhaupt Sport, beim Thema Filme, Serien und Schauspieler nicht mitreden. Maggie Smith war für mich jedenfalls eine der großen.

*Dazu stehe ich, auch wenn Dieter Nuhr umstritten ist

Zusammenhangloses Spaziergangsbild aus der Nordstadt. Finde den Fehler

Auch ziemlich weit unten auf besagter Liste stünde der Besuch von Oktoberfesten. Manchmal lässt es sich nicht ganz vermeiden, so veranstaltete unsere Karnevalsgesellschaft heute Abend ein solches in ihrem Zeughaus. Dem konnte ich mich als Mitglied nicht ganz entziehen, zumal ich mich freiwillig als Helfer an der Kasse gemeldet hatte. Wessen ich mich jedoch entzog war das Tragen einer pseudo-bayrischen Verkleidung, weil mir als ostwestfälisch-rheinischer Nichtbayer derartige kulturelle Aneignung albern erscheint, aber wer es möchte, bitte sehr. Ich kann auch ohne Lederhose a Gaudi haben, gell.

Sonntag: Das gestrige Oktoberfest geriet recht angenehm, auch negative Auswirkungen auf das heutige Wohlbefinden blieben weitgehend aus, was vielleicht auf die hohe Qualität des gereichten Festbieres zurückzuführen ist. Gleichwohl verließen wir die Schlafstätte erst spät, warum auch nicht, es ist Sonntag.

Für den Sonntagsspaziergang wählte ich nicht eine der schon oft gegangenen Strecken durch die Südstadt oder an den Rhein, sondern verband ihn, nachdem ich am Donnerstag auf den Geschmack gekommen bin, mit einer weiteren Bus-Erkundungstour. Am Friedensplatz stieg ich in den 608, der über den Rhein, durch Beuel, Pützchen und Holzlar bis zum Endpunkt Gielgen fährt. Schon immer wollte ich wissen, wie es in Gielgen sein mag, wohin die Busse an Wochentagen im Zehnminutentakt fahren. Seit heute weiß ich es: Es ist, ähnlich Lessenich, ein recht ansehnlicher, gewachsener Ort überwiegend mit Einfamilienhäusern.

Zurück ging es zu Fuß, am Wald entlang, durch eine Siedlung von Holzlar mit Bebauung mutmaßlich aus den Siebziger- und Achtzigerjahren. Die Häuser passen architektonisch nicht zusammen, was sehr unharmonisch wirkt. Aber was weiß ich schon über Architektur, man wird sich was dabei gedacht haben. Weiter führte der Weg entlang dem Festplatz von Pützchen, wo gleich vier Trafotürme in unmittelbarer Sichtweite stehen und für die Sammlung fotografiert wurden. (Machen Sie sich keine Sorgen, es geht mir gut. Andere fotografieren Flugzeuge oder seltene Käfer.)

Suchbild – finde die vier Trafotürme
Interessante und harmonische Architektur hingegen in Pützchen

In Beuel beendete ich den Spaziergang nach immerhin achteinhalb Kilometern, als ein Bus kam, der mich zurück in die Innenstadt brachte, wo ich einen Gang über das Bonnfest machte, ehe ich zu den Lieben nach Hause zurückkehrte, wo dieser Wochenrückblick vollendet wurde.

***

Kommen Sie gut durch die Woche, bleiben Sie heiter oder, falls Sie es nicht sind, werden Sie es.

Woche 38/2024: Wenn man sich auf etwas freuen kann

Montag: Eine lange Fünftagewoche ohne freien Donnerstag beginnt. Auch die geht vorüber.

Höhere Mächte verlangten bereits vormittags dreimal einen Neustart des Rechners. Das Gute: Auch das ist bezahlte Arbeitszeit. Ansonsten verlief der Arbeitstag angenehm und ohne nennenswerte Montäglichkeit. Nur eine einzige halbstündige Besprechung unterbrach mein emsiges Wirken, an der ich erst einige Minuten später teilnehmen konnte, weil nach dem dritten Rechnerneustart Teams und Kopfhörer erst wieder zusammenfinden mussten.

Am frühen Abend war wegen einer Vereinspflicht meine Anwesenheit in Bad Godesberg gewünscht. Da es sich nicht lohnte, zwischendurch nach Hause zu fahren, radelte ich über die Südbrücke ans andere Rheinufer, wo ich mir im Sonnenschein ein Stück Pflaumenkuchen und eine Tasse Kaffee gönnte, bitte denken Sie sich das entsprechende Bild dazu. (Und später ein klitzekleines Halbliterchen Hellbier, ich gebe es ja zu.) Ein wenig Urlaubsgefühl zum Wochenbeginn.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr es Fußgänger irritiert, wenn man mit dem Fahrrad vor dem Zebrastreifen für sie anhält.

Dienstag: Heute war perfektes Anzugwetter, was bei der Textilauswahl am Morgen entsprechende Berücksichtigung fand. Wie schön, dass der Lieblingsanzug, der nach der letzten Kleiderschrankaufräumaktion als einziger übrig geblieben ist, immer noch ziemlich perfekt passt. Dass man darin inzwischen auffällt, nachdem sich die Kleidungsgewohnheiten im beruflichen Umfeld spätestens seit der Corona-Pandemie deutlich gewandelt haben, stört mich überhaupt nicht. Wenn ich in Anzuglaune bin, trage ich einen Anzug.

Dank freiwilliger Meldung als Brandschutzhelfer erhielt ich im Rahmen einer örtlichen Einweisung durch den Werksoberbrandmeister Einblicke hinter Türen, die dem gewöhnlichen Mutterhausbewohner verschlossen sind. Das war sehr interessant. Die nächste Übung kann kommen. Der Ernstfall lieber nicht.

Alle irre

Die CDU/CSU hat sich auf Friedrich Merz als nächsten Kanzlerkandidaten geeinigt. Mir ist das egal, ich werde sie voraussichtlich nicht wählen. Nicht, weil ich sie für schlechter als andere hielte, indes kann ich keiner Partei meine Stimme geben, die „Christlich“ in ihrem Namen trägt, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Politik und Religion konsequent voneinander getrennt gehören, auch im Namen.

Mittwoch: Auch heute nutzte ich das Anzugwetter. Im Büro geriet ich in einen erfreulichen Flow-Zustand. Ein Zusammenhang zur Bekleidung ist weitgehend auszuschließen.

Dessen ungeachtet verband ich abends einen Gesundheitstermin mit einem Besuch des Rewe, wo ich aus der vielfach umstrittenen, da angeblich zu frühen Adventsauslage einen kleinen Vorrat* an Nougat-Marzipan-Baumstämmen erstand. „Sie wollen wohl einen Wald pflanzen“ scherzte die Dame an der Kasse. Schon Alf wusste: Es ist nie zu früh und selten zu spät.

*zehn Stück

Während seit einigen Tagen die Daunenjacke einsatzbereit am Garderobenhaken hängt und schon mehrfach in Gebrauch war, kehrte nachmittags der Sommer noch einmal zurück mit milder Luft und erfreulichen Anblicken. Mal sehen, wie lange er bleibt; mich stört er nicht.

Das Laufen am Abend geriet trotz bester Rahmenbedingungen und passender Musikbegleitung wieder sehr schwerfällig.

Donnerstag: Heute war es schon morgens fast wieder etwas zu warm für eine Anzugjacke. Aber eben nur fast.

Weg ins Werk

Erwartungshaltung ist auch so ein Wort, das deren Nutzer sich etwas bedeutender fühlen lässt.

Freitag: In der Kantine gab es hausgemachten Backfisch. Was auch immer das in Kantinenzusammenhängen bedeuten mag. Im weitesten Sinne ist ja alles hausgemacht, das nicht unter freiem Himmel produziert wird, insofern taugt dieses Attribut nur wenig, die Qualität eines Produktes anzupreisen. Der Fisch schmeckte jedenfalls ganz passabel, nur der Kartoffelsalat entfaltete mit einsetzender Sättigung ein leicht seltsames Aroma, deshalb blieb ein Rest ungegessen auf dem Teller zurück.

Stefan Raab treibt wieder sein mediales Unwesen, wie dieser Tage überall zu vernehmen ist. Von mir aus. Ich fand den schon früher sch mochte den schon früher nicht, es ist nicht damit zu rechnen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird.

Der Liebste hat für uns eine Woche Flusskreuzfahrt* in Frankreich im nächsten Jahr gebucht. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Rhône herab, doch ist es immer schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.

*Ja ich weiß: So ein Schiff ist eine Dreck- und CO2-Schleuder, die Arbeitsbedingungen des Personals fragwürdig. Auch ich bin halt nicht konsequent.

Samstag: Aus Gründen, die bei der Gestaltung des Vorabends zu suchen sind, erwachte ich mit einer gewissen Todessehnsucht, die bis in den frühen Nachmittag anhielt. – In der Tageszeitung ein Artikel über das Arbeitsethos der Japaner, für die unbezahlte Überzeitarbeit selbstverständlich ist. Manche arbeiten sich gar zu Tode, dafür haben sie ein eigenes Wort: „Karoshi“. Ich weiß nicht, was mich eines Tages hinraffen wird, Karoshi wird es wahrscheinlich eher nicht sein.

Nicht nur Menschen sterben, auch Sprachen. Dazu ein Artikel in derselben Zeitung mit dieser schönen Feststellung: „Dabei hat die Kultur eines Sprachsystems nichts mit seiner Größe zu tun. Im Gegenteil: Bei 100 Millionen Sprechern ist das Risiko viel größer, dass Leute wie Mario Barth dabei rauskommen.“

„Wie wir alle 100 werden“ lautet die Titelgeschichte des SPIEGEL in dieser Woche. Das muss nun wirklich nicht sein.

Nachmittags unternahm ich einen Spaziergang zur Wiederbelebung der Lebensgeister. In der Fußgängerzone ein verhaltensauffälliger Mann, der lautstark und heftig unter Gebrauch von Fäkalausdrücken auf die Italiener schimpfte und ankündigte, sie alle aus dem Land zu treiben. Ein bei uns eher selten geäußertes Feindbild. Was genau er den Italienern vorwarf, wurde nicht deutlich und ich verzichtete darauf, ihn zu fragen.

Abends waren wir nach längerer Zeit wieder im Malente-Theater, dieses Mal spanischer Themenabend. Es wurde viel gelacht. Erstaunlich viele Plätze blieben unbesetzt, das habe ich dort bislang so noch nicht erlebt.

Sonntag: Am voraussichtlich vorläufig letzten Sommertag* machten der Liebste und ich uns mittags auf zu einer Radtour über eine Teilstrecke der sogenannten Apfelroute, von Bonn durch das Vorgebirge bis Walberberg, zurück durch die Felder. Die Hinfahrt war aufgrund mehrerer Steigungen streckenweise anstrengend, der Liebste mit seiner Elektrounterstützung klar im Vorteil, wohingegen ich mich rein mechanisch hochkurbeln musste, unterbrochen von mehreren notwendigen Verschnaufpausen.

*Kalendarisch ist es auf jeden Fall der letzte Sommertag, wettermäßig wird man sehen

Dabei durchfuhren wir mehrere recht idyllische Orte wie Brenig, Dersdorf und Kardorf, die ich alle, man glaubt es kaum, bislang nicht kannte. In letzterem bot eine kleines Dorffest mit Getränkebude eine willkommene Erfrischung von innen. Die äußere Erfrischung erfuhren wir auf dem Rückweg bei Unterquerung der Autobahn 555 bei Hersel. Der Boden der Unterführung war mit Wasser bedeckt, wie tief, war nicht zu erkennen, also fuhren wir durch. Dann wussten wir es: bis über Pedalhöhe. Freundlicherweise befindet sich kurz dahinter eine Pausenstation mit Bänken, wo wir uns der durchnässten Socken entledigen konnten. Da es auch heute recht warm war, war das kein Problem.

Die Ebene zwischen Bonn und Köln ist geprägt vom Gemüseanbau. Mit ihren Gewerbegebieten und Hochspannungsleitungen nahm ich die Gegend beim Durchfahren mit der Bahn oder dem Auto über die 555 bislang als langweilig bis hässlich wahr. Der Eindruck wurde mit der Radtour heute widerlegt. Demnächst werde ich mal eine Wanderung dorthin planen. Zu Fuß sieht man ja nochmal mehr als mit dem Rad.

Blick über die Rheinebene oberhalb von Roisdorf. Links denken Sie sich bitte Köln, rechts Bonn
Trafoturm in Dersdorf für die Sammlung

***

Kommen Sie gut durch die Woche, genießen Sie den Herbst.

Woche 37/2024: Fahrplanabweichungen, Frohlocken und Fischstäbchen

Montag: Nachdem es am vergangenen Wochenende noch richtig heiß war, scheint nun der Herbst eingetroffen zu sein mit Regenschauern und deutlich gefallenen Temperaturen, in den von mir regelmäßig gelesenen Blogs vielfach bejubelt. Obwohl großer Herbstfreund, halte ich mich mit Frohlocken noch zurück. Erstmals nach längerer Zeit verließ ich morgens das Haus in Jacke und kehrte auch darin zurück. Der Anblick noch erstaunlich vieler kurzer Hosen, dem ich sonst durchaus zugetan bin, ließ mich frösteln. Vielleicht weigern sich deren Träger konsequent, vor dem kalendarischen Herbstanfang ins lange Beinkleid zu wechseln, so wie andere nicht vor Oktober die Heizung in Betrieb nehmen, egal wie kalt es ist.

Da es morgens regnete und für den Tag weitere Schauer zu erwarten waren, nahm ich die Bahn. „Es kommt zu Fahrplanabweichungen und Verspätungen“ verkündete die elektrische Anzeige an der Haltestelle. Ich freute mich über das Wort „Fahrplanabweichungen“ und nahm den Hinweis ansonsten mit der gebotenen Gelassenheit zur Kenntnis. Ins Büro kam ich früh genug.

Dorten viel spontan aufkommender Kleinkram, der mich in seiner Summe ganz gut beschäftigte.

Laut interner Mitteilung heißt die Kopierstelle im Mutterhaus nun Print Center Campus. Das wurde aber auch Zeit.

Nach nicht übertrieben spätem Arbeitsende hatte ich einen Friseurtermin. Eigentlich hatte ich den schon am Samstag gehabt, aufgrund eines Missverständnisses war ich jedoch zu spät erschienen, deshalb ein neuer Termin heute. Vorbei die Zeiten, da Friseure montags geschlossen haben. Ich habe das nie verstanden, andererseits hat es mich auch nicht gestört, das war eben so. Ohnehin neigte und neige ich nicht oder vielleicht zu wenig dazu, gegebene Dinge zu hinterfragen, vielleicht verdanke ich dieser Haltung aber auch einen Zuwachs an Zufriedenheit, während andere sich grämen.

Während der Niederschrift höre ich durch die geöffnete Balkontür den Regen auf die Markise prasseln, derweil der Geliebte Tee kocht. Das kann nicht mehr lange dauern mit dem Frohlocken.

Das war jetzt ganz schön viel Text für einen recht ereignislosen Tag.

Dienstag: Im Gegensatz zu gestern stockte heute die Schreibinspiration etwas. Das ist nicht schlimm, wer soll und will das auch immer alles lesen, nicht wahr. Ein fast ganz normaler Dienstag mit Fußmarsch ins Werk und zurück, wobei der Rückweg nicht mit einer gastronomischen Einkehr verbunden wurde. Zum einen lud das zwar trockene, doch kühle Wetter nicht zu einem Freiluftbier (immer wieder erstaunlich, welche Wörter von der Rechtschreibkorrektur nicht beanstandet werden) ein, zudem hatte ich einen ersten Anprobetermin beim Schuhmacher, wo ich vor mehreren Wochen einem spontanen Entschluss folgend Maßschuhe in Auftrag gegeben habe. Dazu vielleicht demnächst mehr.

Weg ins Werk
Das kann ja mal passieren.

Erstmals seit Wochen wurde das Abendessen, gemäß einer alten Familientradition dienstags Döner, am Küchentisch statt auf dem Balkon eingenommen, als Begleitgetränk Tee statt Wein. Willkommen im Herbst.

Mittwoch: Erstmals in dieser Woche mit dem Fahrrad ins Werk. Pünktlich zur Abfahrt hörte der Regen auf, nachdem es die Nacht durchgeregnet hatte, so dass die vorsichtshalber übergezogene Regenjacke nicht erforderlich war. Manchmal ist es fast etwas unheimlich, wie es sich fügt.

Mittags in der Kantine gab es Fischstäbchen, die habe ich ewig nicht gegessen. Sie schmeckten gut, so wie ich sie in Erinnerung hatte, alles andere wäre ja auch bedenklich. Zufällig sah ich gerade gestern Werbung eines Herstellers dieses Produkts, worin das „Frosta-Reinheitsgebot“ angepriesen wurde, am Ende hieß es „Frosta ist für alle da“, in womöglich unbewusster Anlehnung an die frühere Bac-Reklame, die Älteren erinnern sich vielleicht, „Ach Kinder … mein Bac, dein Bac – Bac ist für uns alle da!“ Eher ein Grund, auf den Verzehr von Fischstäbchen zu verzichten.

GLS brachte eine Sendung, darin ein Buch, eine Anthologie, zu der ich vor vielen Jahren, als ich noch gerne über Liebe und Triebe schrieb, einen Text beigetragen hatte und die nun, unter neuem Verlag und neuem Titel, wieder aufgelegt wurde. Kommt auf den wachsenden Stapel der ungelesenen Bücher.

Falls es Sie interessiert: erschienen im MAIN Verlag, ISBN 978-3-95949-735-0, 14€. Ich erhalte kein Honorar, was Sie nicht davon abhalten soll, es zu kaufen.
Ich brauche einfach mehr Zeit

Der Liebste hat Grillzubehör gekauft.

Von Profis für Profis

Beim Laufen abends merkte ich die dreiwöchige Unterbrechung wegen der Tagungs-Tournee, es lief sich sehr schwerfällig trotz idealer Lauftemperatur und ausgewählter Musikbegleitung im Takt der Schritte, was mich normalerweise beflügelt. Daher nur die kurze Strecke. Ab sofort wieder regelmäßig, immer schön in Bewegung bleiben, gerade im Alter.

Ansonsten Vorfreude auf den freien Tag morgen.

Donnerstag: Gelobt sei die Teilzeit. Den ersten „planfreien“ Tag nutzte ich für eine Wanderung über die vierte Etappe des Natursteigs Sieg von Merten bis Eitorf. Das Wetter war mir wohlgesinnt, um die fünfzehn Grad, meistens sonnig und trocken, erst bei Ankunft in Eitorf leichter Regen. Pünktlich um elf Uhr und mitten im Grünen plärrte das Datengerät los anlässlich des Warntages, kurz darauf heulten aus den Tälern rundherum die Sirenen hoch. Bis heute empfinde ich das Geräusch als gruselig, vor allem den auf- und abschwellenden Ton für Luftalarm. Wenn mir als in Friedenszeiten Aufgewachsener das schon so geht, was müssen dann erst diejenigen empfinden, die das noch als Ernstfall erlebt haben?

Die Strecke ist angenehm zu gehen und nicht sehr anstrengend, die Kennzeichnung gut, nur an wenigen Stellen musste ich in die App schauen, um die richtige Abzweigung zu nehmen. Die Bäume stehen noch in sattem Grün, abgesehen von den zahlreichen Fichtenleichen, die kahl in die Höhe ragen, dennoch lag bereits der würzige Hauch des Herbstes in der Luft. Immer wieder spürte ich unsichtbare Fäden des Altweibersommers (darf man das noch schreiben?) im Gesicht. Nur einmal begegnete mir ein anderer Wanderer. Insgesamt war es wieder beglückend.

Bereits kurz vor vierzehn Uhr erreichte ich das Ziel, Eitorf. Da es, wie oben erwähnt, regnete und zudem zehn Minuten später eine Bahn fuhr, suchte ich gar nicht erst nach einer geeigneten Gaststätte für das Wanderabschlussgetränk (hier schlägt die Rechtschreibprüfung an) und nahm stattdessen die Bahn zurück. Erst nach Rückkehr in Bonn erfolgte die Belohnung für die Mühen mit Oktoberfestbier und Fleischpflanzerln (für Außerbayrische: Frikadellen, Buletten) im bayrischen Brauhaus. Am Nebentisch zwei Herren, die offenbar schon länger dort verweilten. Als ein dritter dazukam, fiel der Satz: „Setz dich, wir sind gerade von swinging states auf Swingerclub gekommen.“

Hier ein paar Eindrücke des Tages:

Für die Sammlung (Merten)
Moosbetrachtungen I
Talblick
Stechpalme für Frau Lotelta
Rastplatzlyrik
Moosbetrachtungen II
Totes Holz
Moosbetrachtungen III
Käfer laben sich an einer Nacktschnecke. Vielleicht für Gartenfreunde eine Alternative zu Schneckenkorn, wobei man nicht weiß, worüber sie sich hermachen, wenn sie mit den Schnecken fertig sind.
Die Sieg in Eitorf

„PFERDE WETTEN“ steht in großen Buchstaben auf einem Schaufenster in der Bonner Innenstadt. Offen bleibt, um was die Gäule wetten.

Laut Zeitungsbericht haben über vierzig Prozent der elf- bis siebzehnjährigen schon mal einen Porno gesehen, oh Zeiten, oh Sitten! – Aha. Wo ist das Problem? Vermutlich haben über achtzig Prozent aus derselben Altersgruppe schon Tatort gesehen, wo Mord und Totschlag im Mittelpunkt stehen. Darüber wird nie berichtet. Warum auch.

Freitag: Heute ist Freitag, der dreizehnte. Wenn Sie das beunruhigt, sind Sie Paraskavedekatriaphobiker, falls Sie das noch nicht wussten. Sonst auch.

Mein Tag begann mit diesem Lied morgens im Radio, das, da wiederhole ich mich, meine Laune stets zu heben vermag, und das mich als angenehmer Ohrwurm durch den Werktag begleitete.

Beim Morgenkaffee das erste Mal gelacht:

Quelle: General-Anzeiger Bonn

Der Werktag verlief ohne nennenswerte Imponderabilien. In der Präsentation zu einer Besprechung stand „Scheiss Experience“, erst dachte ich, mich verlesen zu haben, doch das stand da wirklich. In derselben Runde sagte einer „Sonst bekommen wir ein Fuck up“. Dass die sich nicht schämen. Später, in einer anderen Besprechung, war „Das wäre ein kleiner Super-GAU“ zu hören; was so gesagt wird, wenn man nicht weiter nachdenkt.

Samstag: „… hat Wladimir Putin außerdem zwei Söhne aus seiner Partnerschaft mit der Rhythmischen Sportgymnastik-Olympiasiegerin Alina Kabajewa“, ist in der Zeitung zu lesen.

Vor Jahren, als ich noch regelmäßig den Radiosender 1live hörte (heute ertrage ich das Gelaber nicht mehr), lief dort täglich eine Juxserie, deren Titel mir entfallen ist. Ich erinnere mich nur noch an den in jeder Folge gesagten Satz „Du hast doofe Ohren“, am Ende explodierte immer eine Bombe. Wie ich darauf komme: In der Fußgängerzone sah ich einen, der offenbar früher diese riesigen Ösenringe in den Ohren getragen hatte. Nun nicht mehr, die großräumig durchlöcherten Ohrläppchen hingen schlaff herunter. Der hatte wahrlich doofe Ohren.

Sonntag: Der Sonntagsspaziergang fiel kurz aus, er führte in das Kult41, wo acht Autorinnen und ein Hobbyschreiber ihre selbstverfassten Texte für die „Bonntastik V“ vortrugen. Anschließend wurde ich für das Bürgerradio interviewt, das kommt auch nicht oft vor. Die vorgetragenen Texte und noch viel mehr gibt es auch als Buch, wenn Sie hier mal schauen möchten.

***

Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern.

Werbung: Lesung „BonnTastik V“ am 15. September

Falls Sie am kommenden Sonntag in Bonn sind und noch nicht wissen, wie und wo Sie den Nachmittag verbringen sollen, kommen Sie doch zur Lesung „BonnTastik V“ im Kult41.

Aus der Mitteilung des BVjA:

BonnTastik, die Fünfte! Texte treffen Bilder – Bilder treffen Texte: Unter diesem Motto steht das gemeinsame Projekt des Künstlers Martin Welzel und der Regionalgruppe Bonn des Bundesverbandes junger Autoren und Autorinnen e.V. (BVjA). Die Autorinnen und Autoren aus Bonn und Umgebung ließen sich zum fünften Mal von Martin Welzels phantastischer Malerei inspirieren und umgekehrt. Die Ergebnisse der Fortsetzung dieses einzigartigen Projekts aus den Jahren 2018, 2019, 2022 und 2023 stellen der Künstler und die Autorinnen am Sonntag, den 15. September ab 16 Uhr bei der „BonnTastik“, einer Ausstellung mit Lesung vor. Gleichzeitig präsentieren Welzel und die Autorinnen die BonnTastik-Anthologie mit allen Bildern und Texten. Die BonnTastik entführt in fremde Welten. Karten für acht Euro bzw. vier Euro ermäßigt gibt es im Vorverkauf beim Kult41 sowie an der Abendkasse. 

Wann: Sonntag, 15. September 2024, 16 Uhr (Einlass ab 15 Uhr)

Wo: Kult41, Hochstadenring 41, 53119 Bonn

Wieviel: 8 bzw. 4 Euro (ermäßigt) 

Vielleicht sehen wir uns, es würde mich freuen.

Woche 36/2024: Tagung mit Seeblick

Montag: Laut Zeitungsbericht beklagt die Bonner CDU-Fraktion, dass die neuen Sitzbänke an der Poppelsdorfer Allee nicht zu den bisherigen passen. Ist es nicht herrlich, in einem Land zu leben, wo es derartige Probleme in die Tageszeitung schaffen?

Eher ein Contrablem: Die letzte Etappe der Tagungstournee führte nach Buch am Ammersee, wo der Arbeitgeber direkt am Seeufer eine Tagungsstätte mit eigenem Badesteg betreibt. Vormittags wurde ich zu Hause abgeholt, nachmittags kamen wir an. Nach Ankunft ging es auf den Steg, wo erste kühle Getränke gereicht wurden. Zwei, die im Gegensatz zu mir an Badebekleidung gedacht hatten, schwammen eine Runde, derweil ich mich damit begnügte, die Füße ins angenehm temperierte Wasser zu legen. Es gibt wahrlich Unangenehmeres.

Die Tagungsstätte, Seeseite
Innere und äußere Kühlung. Den eher störenden Ohrwurm, den der Name der Biermarke auslöste, nahm ich gerne in Kauf.
Abendblick beim Abendglas

Dienstag: Vormittags trafen nach und nach die Teilnehmer ein. Mit dem Programm waren wir am Nachmittag eine Stunde vor Plan durch, vielleicht weil es die Leute nach draußen zog anstatt durch das Äußern von Fragen und deren Beantwortung unnötig lange im Tagungsraum zu verbleiben. Wer wollte es ihnen verdenken.

Seeblick beim Frühstück, im Hintergrund Schondorf
Seeblick vom Steg

Anschließend unternahm ich einen Spaziergang am Seeufer entlang bis Breitbrunn, zurück durch die Fluren. Bei Rückkehr saßen die ersten Kollegen schon wieder mit Getränken auf dem Steg. Aus Höflichkeitsgründen trank ich eins mit, zog mich danach aus Sicherheitsgründen bis zum Abendessen in mein Zimmer zurück, wo diese Notiz entstand.

Seeuferweg, links der Ammersee (das müssen Sie mir jetzt glauben)
Bautätigkeit in Breitbrunn. Zu den schönsten Wörtern, die die deutsche Sprache hervorgebracht hat, zählt für mich „Doppelhaushälfte“. Aufgabe: Wie viele Häuser ergeben vier Doppelhaushäften?
Rückweg durch die Fluren

Der Tag endete gesellig.

Mittwoch: Auch heute endete das Programm gut eine Stunde vor Plan, deshalb machten wir uns direkt nach dem Mittagessen auf den Rückweg. Fast fiel der Abschied schwer, weil es ein wirklich schöner Ort ist, an dem eine Woche Urlaub zu verbringen kein völlig abwegiger Gedanke ist.

Während der Fahrt holte ich Leserückstände auf, unterbrochen von einem Schreckmoment, als kurz vor uns ein polnischer LKW ohne Rücksicht und offensichtlich ohne Hirn auf die linke Fahrspur wechselte, um seinerseits einen LKW zu überholen und dadurch unseren Fahrer zu einer dramatischen Bremsung zwang. Das war knapp und wir waren anschließend sehr wach.

Donnerstag: Heute ist der fünfte, deshalb ist alles Wesentliche zum Tage hier nachzulesen.

Freitag: Kurz nachdem ich morgens das Haus verlassen hatte, fand ich auf einer Rasenfläche am Ende der Straße etwa ein Dutzend verstreuter Briefe vor. Als bekennender Brieffreund schaute ich sie mir genauer an: Sie mussten schon länger dort gelegen haben, waren durchfeuchtet und kleine Nacktschnecken hatten sich ihrer bereits angenommen. Da sie alle an denselben Empfänger gerichtet waren, der in unmittelbarer Nähe wohnt, sammelte ich sie auf und warf sie in seinen äußerlich unbeschädigten Briefkasten ein. Wieder etwas, bei dem man sich fragt, wie es sich zugetragen haben mag.

Während des Aufsammelns der Briefe trat ich in einen Hundehaufen, was mich zu einem leisen Fluch veranlasste. Auf dem weiteren Fußweg ins Werk versuchte ich, die Schuhsohle mithilfe von Pfützen und Grasflächen am Rheinufer zu reinigen. Offenbar erfolgreich, nach Ankunft im Büro war nichts mehr zu riechen. Jedenfalls ließ sich die Kollegin am Schreibtisch gegenüber nichts anmerken.

Weg ins Werk. Es sieht deutlich kühler aus als es war.

Samstag: Vielleicht kennen Sie die Diskussion zwischen Loriots Knollennasen-Eheleuten über den Frühstücksei-Härtegrad. Ähnliches begab sich morgens auf unserem Balkon: „Willst du noch ein Brötchen?“ – „Ja.“ – „Mit Mohn oder ohne?“ – „Mit Sesam.“ – „Haben wir nicht.“ – „Warum fragst du dann?“

Aus der Tageszeitung: „Donald Trumps Verteidiger versuchten, den neuen Fahrplan für den historischen Strafprozess gegen den Ex-Präsidenten zu entgleisen, bevor die Bundesrichterin ihn verkündete.“

Gelesen im Kieselblog: »Wenn ich mal Chef bin, dann erstelle ich eine „Tu-Du!“-Liste.«

Abends besuchten der Liebste und ich nach ich weiß nicht wie vielen Jahren Pützchens Markt, die große Kirmes auf der anderen Rheinseite. Bei Ankunft war es noch nicht allzu voll, daher erträglich. Auf Anregung des Liebsten fuhren wir mit dem Riesenrad. Das war bemerkenswert, da er Höhe gegenüber üblicherweise eine gewisse Skepsis hegt. Mir hat es Spaß gemacht und er hat tapfer durchgehalten. Andere Fahrgeschäfte, in denen man mit hoher Geschwindigkeit umhergeschleudert wird oder im freien Fall zu Boden rast, betrachteten wir mit gewissem Schauder. So viel Geld könnte man mir nicht zahlen, dass ich da ohne Vollnarkose einsteigen würde. Später hatte es sich deutlich gefüllt, in Verbindung mit der kirmesüblichen Beschallung von allen Seiten wurde es etwas anstrengend. Somit ist mein Rummelbedarf erstmal wieder für einige Jahre gedeckt.

Vorher (Foto: der Liebste)
Währenddessen

Sonntag: Der Sonntagsspaziergang hatte heute ein konkretes Ziel, nämlich die Atelierbühne in Bonn-Beuel, wo ich als TapetenPoet wieder was vorlesen durfte. Es gab noch freie Plätze, doch waren mehr Zuhörer gekommen als ich wegen Pützchens Markt erwartet hätte. Dafür vielen Dank an das Publikum, die Mitlesenden und vor allem den Organisator. Ich komme gerne wieder.

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Kommen Sie gut durch die Woche.