Woche 38/2023: Wie lange noch

Montag: Der Tag begann mit theatralischem Türenschlagen meinerseits, weil ich mich morgens aus nichtigem Grund zu unrecht angeblafft fühlte; das sollte man nicht tun, schon gar nicht an einem Montagmorgen. Mehr als über des Geliebten Geblaffe ärgerte ich mich anschließend stundenlang darüber, derart ungehalten reagiert zu haben. Bei Rückkehr war beiderseits der Verdruss verdunstet, das kommt schon mal vor.

Ausnahmsweise habe ich den Sportteil mal nicht überblättert: Im aktuellen SPIEGEL ein Bericht über einen Extremkletterer, der ohne Helm und jede Sicherung hunderte Meter hohe, steile Felswende erklimmt. Meine größte Herausforderung heute lag mal wieder darin, trotz weißem Hemd mittags in der Kantine das Nudelgericht mit Tomatensoße zu wählen. Es ist gutgegangen.

Im Rheinauenpark sind zwei Brücken nach monatelanger Sperrung und Neubeplankung wieder begehbar, was neue Optionen für den Mittagsspaziergang öffnet beziehungsweise alte wiedereröffnet. Das ist zu loben.

Gelesen bei Herrn Fischer (und durchaus ein wenig gestaunt):

»Können wir die auch mal pragmatisch ein bisschen loslassen? Oder sind wir erst zufrieden, wenn Herr Nachbar nicht nur eine Wärmepumpe einbaut, sondern die von uns sorgfältig recherchierte exakt richtige und einzig mögliche Wärmepumpe – weil schließlich alle anderen Wärmepumpenhersteller auf ihren Websites falsch gendern?«

Schauen Sie bitte hier.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück bei angenehmem Jackenwetter.

Hinweg
Rückweg

„Abschied ist ein scharfes Schwert“ war ein großer Hit von Roger Whittaker. Den singt er jetzt nicht mehr, und auch sonst nichts: Vergangene Woche ist er gestorben, wie gemeldet wird; ein weiterer Ach-der-lebte-noch-Moment, die sich in den letzten Jahren häufen, vielleicht geht Ihnen das auch so. Er wurde siebenundachtzig Jahre alt, war somit im Alter meiner Eltern, kam mir stets älter vor als sie, vielleicht lag das an dem Busfahrerbart. In den Siebzigerjahren, als er noch ausschließlich auf Englisch sang, fand ich den gar nicht so schlecht, wir hatten mehrere Langspielplatten von ihm im Haus, die ich mir ganz gerne anhörte, vielleicht auch deshalb, weil ich die Liedtexte kaum verstand. Er konnte nicht nur singen, auch ganz außergewöhnlich pfeifen. Als er in den Achtzigern anfing, auf Deutsch zu singen, wurde er für mich unerträglich. Nicht nur die Sprache hatte sich geändert, auch sein Musikstil, der gut zum damals nicht minder unterträglichen Radiosender WDR 4 passte, wo sie ihn regelmäßig spielten.

Als vor einigen Jahren das Elternhaus verkauft wurde, nachdem mein Vater gestorben war (er war zwei Jahre älter als Roger Whittaker), waren die alten Platten noch da, ich nahm sie an mich und besitze sie noch heute. Vielleicht sollte ich sie mal wieder hören.

Der Ohrwurm des Tages war indes nicht von Roger Whittaker, sonders dieses, auf Wunsch auch auf Englisch. Warum auch immer, Ohrwürmer fragen oft nicht nach Gründen. Jedenfalls wunderschön.

Mittwoch: Nachtrag zu gestern – laut Wikipedia war Roger Whittaker ein Sänger, Liedermacher und Kunstpfeifer. Vor vielen Jahren durch Loriot bekannt geworden, ist mir das Berufsbild des Kunstpfeifers seitdem nicht mehr begegnet.

Donnerstag: »Chemie wird nachhaltig« lautet die Überschrift eines Zeitungsartikels. Welch ein Unsinn.

Der Arbeitstag bestand im Wesentlichen aus einer recht erfreulichen größeren Zusammenkunft in Präsenz und einem nicht minder erfreulichen Abendprogramm mit Essen und Trinken in Porz-Wahn.

„In hundert Metern hast du dein Ziel erreicht“ – Wie ich während der Fahrt dorthin im Wagen des Kollegen feststellen musste, wird man mittlerweile auch von Navigationssystemstimmen geduzt. Ein weiterer Grund, weniger Auto zu fahren.

Freitag: Da ich die Veranstaltung am Vorabend rechtzeitig verlassen hatte, kam ich morgens ganz gut aus dem Hotelbett und ging sogar frühstücken, was ich sonst bei beruflich veranlassten Übernachtungen zumeist meide wegen der Gefahr, bereits morgens reden zu müssen, schlimmstenfalls über Arbeitskram. Auch sonst wirkte nichts unangenehm nach.

Nach einem freitagsangemessen frühen Arbeitsende ging ich zu Fuß nach Hause. Am Rheinufer bewunderte ich das neue Toilettenhaus, das seiner inneren wie äußeren Beschmierung entgegensieht, und bedauerte fast ein wenig, gerade nicht zu müssen.

Noch äußerlich unbeschmiert

Etwas weiter rheinabwärts steht vor dem ehemaligen Plenarsaal dieses Kunstwerk, dessen Namen ich mir nicht merken kann und das ich deshalb hilfsweise „Bundesgalgen“ nenne. Daran hat sich nun ein Graffitischmierer betätigt. Ich weiß, man soll deren Frevel nicht im Netz verbreiten; hier sei mir eine Ausnahme gestattet – nicht, weil der Schriftzug besonders gelungen oder sonstwie zeigenswert wäre, vielmehr weil ich mich frage, wie er den dort oben in luftiger Höhe angebracht haben mag.

Bundesgalgen mit Banane

Samstag: Laut einer Befragung zu Rechtsextremismus in Deutschland befürworten knapp sieben Prozent der Befragten eine Diktatur. Wieder einmal fragt man sich: Was geht in diesen Leuten vor? Was, glauben sie, würde sich dadurch für sie oder generell verbessern? Können wir denen nicht eine Flugreise nach Nordkorea spendieren, ohne Rückflug? (Wie lange wird es noch möglich sein, derartiges zu äußern, ohne staatliche Repressalien fürchten zu müssen?)

Abends besuchten wir das GOP-Theater, ein Varieté-Theater im ehemaligen Regierungsviertel. Dort war nicht nur viel sehenswerte Haut zu bewundern, auch und vor allem beeindruckten die Mitwirkenden auf der Bühne damit, welche Bewegungen und Verrenkungen menschliche Körper zu vollbringen vermögen, während ich nichtmal freihändig Fahrrad fahren kann.

Sonntag: Auch kurz nach Beginn des kalendarischen Herbstes zeigte sich das Wetter noch sommerlich. Deshalb entfiel auch heute der Sonntagsspaziergang zugunsten einer längeren Radtour mit dem Liebsten, rechtsrheinisch bis Erpel, dort mit der Fähre rüber nach Remagen, linksrheinisch zurück, insgesamt fast fünfzig Kilometer, die sich auch ohne Elektrounterstützung gut fahren ließen. In einem kleinen, sehr netten Biergarten mit Strandkörben am Rhein vor Rolandseck stärkten wir uns mit Bier aus der Eifel. Wir wohnen nun seit vierundzwanzig Jahren in Bonn und haben diese wirklich schöne Tour nie zuvor gemacht. Da muss man sich schon fragen: Warum eigentlich nicht? Wahrscheinlich einfach zu naheliegend.

Rhein bei Unkel
Erpel aus der Fährbootperspektive
Drachenfels bei Königswinker, links daneben Schloss Drachenburg

In Unkel sah ich vor einem Lokal ein Schild mit dem Hinweis, man könne leider nicht öffnen wegen Personalmangels. Ein Zustand, wie zu befürchten ist, an den wir uns mittelfristig gewöhnen müssen, nicht nur in gastronomischen Zusammenhängen. Schon heute fallen aus demselben Grund Busse und Bahnen aus, Läden bleiben geschlossen, Pakete werden verzögert zugestellt. Vielleicht kommen demnächst auch Polizei und Feuerwehr nicht mehr auf Notruf, weil niemand mehr diesen Job machen will.

Als ich abends Gyros holte, leuchtete das ehemalige Krankenhaus in der Nachbarschaft sehr sehenswert.

***

Kommen Sie gut durch die Woche.

Prognose

Neulich wachte ich nachts mal wieder ohne besonderen Grund auf und es dauerte einige Zeit, bis ich wieder einschlief. In solchen Wachphasen kommen manchmal Fragen, Ideen, Gedanken, wie dieser: Wie geht es mit der Menschheit weiter, was könnte sein in zehn, hundert, tausend, hunderttausend, eine Million Jahren? Vielleicht so:

In zehn Jahren wird sich nicht sehr viel geändert haben. Die Sommer sind noch etwas heißer, in einigen Regionen das Wasser knapper. Unser Konsum- und Reiseverhalten ändert sich dadurch nicht. An die ständigen Nachrichten über Dürren, Waldbrände, Unwetter und Überschwemmungen haben wir uns gewöhnt, wir akzeptieren sie als Preis für Wohlstand, Wachstum und unbegrenzte (Auto-)Mobilität.

Nach wie vor ist das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins, dem sich, trotz aller Bemühungen, die Innenstädte vom Autoverkehr zu befreien, alle anderen unterzuordnen haben, immerhin inzwischen überwiegend mit Elektroantrieb. Der Anteil der SUV hat sich weiter vergrößert. Der Umgang der Verkehrsteilnehmer untereinander ist noch rauer, vor allem Auto- gegen Radfahrer. Auf deutschen Autobahnen gibt es weiterhin kein Tempolimit. Das Autoposen mit knallenden Auspuffen ist strengstens verboten und wird hart bestraft. Immerhin.

Die Union regiert wieder, vielleicht heißt der Bundeskanzler Linnemann, vermutlich nicht Merz. Koalitionspartner sind die Grünen. Die AfD ist weiter erstarkt, auf Bundesebene will noch keine Partei mit ihr zusammenarbeiten. Anders in den Bundesländern: In Sachsen ist sie Koalitionspartner der CDU, in Thüringen stellt sie den Ministerpräsidenten.

Die Meinungsfreiheit ist weiterhin sichergestellt, doch wird die Empörung vor allem in den elektronischen Hetzwerken immer schriller, sobald jemand öffentlich eine von der Allgemeinheit abweichende Meinung äußert oder falsch, womöglich gar nicht gendert.

Auf CSD-Paraden kommt es zunehmend zu Anfeindungen und Gewalt, von rechten Gruppen wie von Islamisten.

Der Duden empfiehlt beim Gendern die Schreibweise mit Doppelpunkt.

Die Pünktlichkeit des Bahn-Fernverkehrs liegt im Jahresschnitt bei dreiundvierzig Prozent. Den Verkehrsminister stellt die CSU.

Die Rolling Stones veröffentlichen ein neues Album und gehen noch einmal auf Abschiedstournee.

In hundert Jahren wird Deutschland, wie die meisten europäischen Länder, von Rechtsautoritären regiert. Eine nennenswerte Opposition gibt es nicht, die Grünen sind verboten. Abweichende Meinungen von der offiziellen Linie und jede Kritik an Regierung und Präsidenten werden hart bestraft. Es kommt zu Inhaftierungen und Einweisungen in Umerziehungslager, aus denen viele nicht zurückkehren. Die Todesstrafe ist wieder eingeführt.

Immer mehr Regionen der Welt sind wegen hoher Temperaturen und Wassermangels dauerhaft unbewohnbar, immer mehr Menschen streben in Richtung Norden, wo es zu heftigen Konflikten und Verteilungskämpfen kommt. Deutschland hat seine Grenzen geschlossen, ein strenges Einwanderungsgesetz regelt, dass Zuwanderung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen wie einer hohen Qualifikation, perfekten Deutschkenntnissen und passender Hautfarbe möglich ist. Das Recht auf Asyl ist aufgehoben, Abschiebungen sind jederzeit möglich.

Homosexualität ist verboten und führt zu Haftstrafen. Die Regenbogenflagge gilt als verfassungsfeindliches Symbol.

Strom und Wasser werden rationiert, immer wieder kommt es zu stundenlangen Stromausfällen, vor allem in den Armensiedlungen.

Die Rolling Stones geben ihr letztes Konzert.

In tausend Jahren ist die Zahl der Menschen drastisch gesunken, nachdem die Strom- und Wasserversorgung weltweit zusammengebrochen ist. Zudem sind Milliarden von Menschen im Dritten Weltkrieg und durch mehrere Pandemien umgekommen. Staatliche Strukturen, öffentliche Ordnung, Recht und Gesetz existieren nicht mehr, es gilt das Recht des Stärkeren. Was wir heute Zivilisation nennen, gibt es nicht mehr.

Weite Teile der Erde sind unbewohnbar, viele Gebiete und Regionen im Meer versunken. Häufige Unwetter mit Hagel, Tornados und Überschwemmungen setzen den verbliebenen Menschen zu, hinzu kommt eine erhebliche weltweite Rattenplage.

In hunderttausend Jahren ist der Mensch, bis auf ein paar indigene Völker in den wenigen verbliebenen Dschungelgebieten und Keith Richards, nahezu ausgestorben. Nach Ausbruch mehrerer Supervulkane wie den Phlegräischen Feldern bei Neapel und unter dem Yellowstone-Nationalpark war die Erde jahrelang in Dunkelheit gehüllt, was zu erheblichen Ernteausfällen führte.

In einer Million Jahren ist die Erde vollständig vom Menschen befreit, all seine Spuren, Städte, Straßen und Bauwerke sind verschwunden unter Wasser, Erdschichten und Eis. Nur ein paar Atommüllreste strahlen im Boden noch vor sich hin. Die Ratten und Keith Richards stört es nicht.

Woche 37/2023: Entrinnen unter üblichen Ausflüchten

Montag: Heute las ich erstmals in der Zeitung, jemand habe etwas auf X abgesondert, ohne den erläuternden Zusatz „vormals Twitter“. Eine kleine Zeitenwende, aber auch nur eine ganz kleine.

Eine große Zeitenwende wurde heute vor zweiundzwanzig Jahren vorausgesehen, als am elften September 2001 in New York und Washington die bekannten Terrorangriffe mit entführten Passagierflugzeugen vollzogen wurden. „Von nun an ist nichts mehr wie es war“, wurden die Medien zu betonen nicht müde. Das fand ich schon damals reichlich überzogen, mühelos ließe sich eine lange Liste erstellen von Dingen, die nach 9/11 genauso sind wie zuvor. Dazu gehört die gedämpfte Arbeitslust zu Wochenbeginn, wobei es heute einigermaßen ging; erst am frühen Nachmittag setzte erhebliche Müdigkeit ein und trübte die morgens gehegte Hoffnung auf einen milden Montagsverlauf ein wenig.

Trotz aller Widrigkeiten der Zeit auch nicht geändert hat sich die menschliche Vermehrungsfreude. So wurde am Wochenende ein Abteilungskollege Vater, wie heute zu erfahren war. Mein erster spontaner Gedanke: Hört das denn nie auf? (Mir fehlt da ein Gen, das ist nicht schlimm.)

Was ebenfalls nicht endet ist mein Misstrauen gegen Baukräne. Ein solcher steht seit ein paar Tagen eine Straße weiter, wo ein neues Haus gebaut wird. Seitdem frage ich mich: Wenn ungünstige Winde den Ausleger in unsere Richtung drehen und der Kran vom Sturm umgeworfen wird, schlägt er dann in unser Haus ein, oder vorher?

Noch steht er

Auf der Rückfahrt vom Werk kam mir am Rhein ein junger Radfahrer entgegen, freihändig fahrend. Das ging nicht anders, in der einen Hand das Datengerät, auf das sein Blick während der Fahrt gerichtet war, in der anderen eine Trinkflasche. Hoffen wir für ihn und vor allem die anderen, dass es nicht zu einem spontanen Bremserfordernis kam.

Dazu recht gut passend des Geliebten Versprecher des Abends: „Deine Zähne sind gezählt.“

Dienstag: Mittags im Park ging ein Aufsitzrasenmäher (zunächst …rasenäher geschrieben. Lässt sich vielleicht was draus machen, das hektische Schneiderlein oder so. Verzeihung:) seinem Geschäft nach, wobei er die zu kürzende Grasfläche von außen beginnend nach innen abarbeitete, gleichsam in konzentrischen Rechtecken. In Rasenmitte grasten zwei Nilgänse und beobachteten das sich nähernde, lärmende Gerät. Erst als der Mäher weniger als einem Meter an ihnen vorbei mähte, wechselten sie langsam, ohne erkennbare Hast und Eile, den Ort. In der Ruhe liegt die Kraft; von Gänsen kann man was lernen.

Morgens

Mittwoch: Am meisten leiden die Eltern, wenn Kinder von zu Hause abhauen, früher wie heute; hier ein aktueller Fall aus Dresden.

Als ich vor gut zwanzig Jahren nach jahrelanger Sportmeidung mit Laufen begann, war es üblich, sich unter Läufern bei Begegnungen per Handzeichen zu grüßen, so wie es Motorrad-, Bus und Bahnfahrer noch heute tun. Nach meiner Beobachtung ist dieser Brauch seit einigen Jahren aufgebraucht. Daher war ich heute Abend überrascht, als ein entgegenkommender Läufer nach alter Sitte die Hand zum Gruße hob; derart überrascht, dass ich den Gruß erst erwiderte, als wir längst außer Blick waren. Ansonsten lief es sich richtig gut ohne besondere Anstrengung, was auch am Wetter lag: knapp zwanzig Grad, bewölkt, leichter Wind. Für mich nahezu perfektes Laufwetter.

Mindestens genauso alt wie der Läufergruß ist die Gewohnheit mancher, die Dinge ins Internet schreiben, das Wort „früher“ stets mit einem „(TM)“ dahinter zu versehen, was mir inzwischen ebenfalls ziemlich aufgebraucht erscheint.

Für dieses Eichhörnchen scheinen die Gesetze der Schwerkraft nur eingeschränkt zu gelten

Donnerstag: „Das ist ein netter Kerl eigentlich. Du darfst ihm nur nicht begegnen“, sagte der Geliebte am Morgen, was mich bereits vor acht Uhr lachen ließ, das kommt sehr selten vor.

Der planmäßige Fußweg ins Werk erfolgte bei angenehmen Jackenwetter.

Taubtrüber Dunst am Mutterhaus
Wer ist Schorsch?

Um elf wurde ich durch den deutschlandweiten Probealarm geweckt aus konzentrierter Tätigkeit aufgeschreckt.

Der Arbeitstag endete spät mit einer langen Besprechung, der ich in der zweiten Hälfte kaum noch folgen konnte und wollte. Ein Entrinnen unter üblichen Ausflüchten erschien wegen Chefteilnahme nicht ratsam.

Danach gingen wir auf das werksinterne Sommerfest. Dort traf ich einige Kollegen, die ich entweder lange nicht persönlich oder bislang nur auf dem Bildschirm gesehen habe; manche gerne, andere nicht so gerne, siehe oben. Vermutlich kennen auch Sie Leute, die Sie möglichst nichts fragen, weil eine in jeder Hinsicht erschöpfende Auskunft zu befürchten ist. Mit zweien, die ich schon sehr lange kenne, bin ich jetzt per du, in diesen Fällen war das überfällig und passend.

Freitag: Heute war der monatliche Inseltag, also ein Urlaubstag zur freien persönlichen Verfügung, ausnahmsweise an einem Freitag wegen des Sommerfestes am Vortag.

Morgens hatte ich im Stadthaus einen Termin zur Abholung des neuen Personalausweises. Auf die Minute pünktlich wurde meine Wartenummer angezeigt, die Aushändigung erfolgte innerhalb weniger Minuten. Daran kann sich die Bahn eine Schiene abschneiden, dazu komme ich gleich noch.

Den Tag verbrachte ich wandernd: die dritte Etappe des Natursteigs Sieg von Stadt Blankenberg nach Merten. Sonne und Temperatur hatte ich etwas unterschätzt, kurze Hosen wären angebracht gewesen. Da weite Teile des Weges durch den Wald führen, war es dennoch beglückend. Außerhalb der durchwanderten Orte begegneten mir nur drei Menschen, dafür in großer Zahl rote Nacktschnecken, die mich an Kindheitstage erinnerten, als wir auf großväterliche Weisung mit einem Gartenwerkzeug ebensolche Schnecken metzelten, auf dass der Salat im Gemüsebeet unangefressen blieb.

Arion Rufus auf dem Weg zum Mittagessen

Kurz vor dem Ziel in Merten ließ die Wegmarkierung etwas zu Wünschen übrig. Auch hätte ich mir eine Gastronomie für das obligatorische Belohnungsbier gewünscht. Die Abfahrt der S-Bahn zurück nach Siegburg verzögerte sich, zunächst um fünf, am Ende zwanzig Minuten, die ich auf dem sonnenschutzlosen Bahnsteig warten durfte.

Das Bier gab es schließlich in einem Brauhaus in Siegburg, wo örtliches Bier im Angebot ist, unter anderem „Erntedankbier“; für mich gleichsam ein Probierchen, da mir Siegburger Braukunst bislang unbekannt war. Nicht schlecht.

Die Beauftragung eines erfahrenen Gartenarchitekten ist stets gut angelegtes Geld
Eitorf-Bach
Die Sieg in Merten

In der Zeitung las ich erstmals das Wort „Workation“ als Kombination von Arbeit und Urlaub, also am Urlaubsort arbeiten, wenn ich das richtig deute. Welch absurde Idee.

Samstag: Wie ich erst heute bemerkte, ist mein Rücken zerstochen von Mücken, vielleicht fielen sie gestern während der Wanderung unbemerkt über mich her, durch das T-Shirt. Verdammte Biester. Dagegen hilft angeblich Hitze: Seit einiger Zeit gehört zur Ausstattung unseres Haushalts eine Art Lötkolben, den man auf die Einstichstelle hält. Auf Knopfdruck entwickelt das Gerät für mehrere Sekunden eine bemerkenswerte Hitze. Ob es wirklich hilft, weiß ich nicht. Immerhin verdrängt der Hitzeschmerz vorübergehend das Jucken.

Heute vor einem Jahr fuhren der Liebste und ich für eine Woche nach Malaucène in Südfrankreich. Dass wir in diesem Herbst aus beruflichen Gründen nicht dort sein können, macht mich ein wenig traurig.

Gelesen bei Herrn Flusskiesel und für gut befunden:

Was kann man gegen den Faschismus, gegen die Faschisierung der Gesellschaft schon tun? Von links sehe ich wenig Hoffnung, weil man sich ja dort viel lieber bis aufs Blut darum streitet, welcher Begriff für welche Minderheit nun der Richtige ist, anstatt gemeinsam die Vision einer neuen, gerechteren Gesellschaft zu zeichnen.

https://kieselblog.flusskiesel.de/2023/09/15/mittwoch-13092023/

Wir leben in einer VUCA-Welt, las ich in einem Zeitungsinterview: V wie Volatilität, also ständige Veränderung, U wie Unsicherheit, C wie Complexity und A wie Ambiguität, also Mehrdeutigkeit. Ich ergänze noch ein R für Rücksichtslosigkeit.

Sonntag: „Beschreibe deine ideale Woche“ lautete die Tagesfrage bereits am Montag. Klar, die Ideale Woche verbringe ich urlaubhabend an einem schönen Ort wie Malaucène mit den urlaubsüblichen (Nicht-)Aktivitäten und Genüssen. Da das, wie bereits dargelegt, nur ein vorübergehender Ausnahmezustand ist, versuche ich mich an der Beschreibung der idealen Arbeitswoche: Sie beginnt mit einem nicht so montäglichen Montag ohne Antriebslos- und Müdigkeit. An zwei Tagen gehe ich zu Fuß ins Werk. Die Arbeitstage sind von befriedigender Tätigkeit erfüllt mit höchstens zwei Stunden Besprechungszeit und sie enden pünktlich. Donnerstags habe ich frei, dann gehe ich Wandern oder verbringe den Tag in anderer glückfördernder Weise. Freitagabend gehen wir Essen, ansonsten ist das Wochenende frei von Terminen und Verpflichtungen. Sonntagnachmittag gehe ich spazieren, mit Einkehr. (Heute fiel der Spaziergang übrigens aus, stattdessen unternahmen der Liebste und ich eine Radtour. Immerhin mit Einkehr im Biergarten am Beueler Ufer.)

Außerdem bietet die ideale Woche reichlich Zeit zum Lesen und Schreiben, der wöchentliche Blogeintrag erfährt erhebliche Resonanz durch zahlreiche Sterne, wohlwollende Kommentare und Erwähnungen in anderen Blogs – gut, wir wollen nicht übertreiben. Insgesamt war diese Woche gar nicht so unideal.

***

Kommen Sie gut durch die möglichst ideale Woche.

Woche 36/2023: Fünfzehn Minuten Ruhm und ein neu gestarteter Bus

Montag: Größere Unsicherheit scheint es bei deutschen oder wenigstens Bonner Autofahrern noch immer zu geben über die Bedeutung des grünen Pfeils. Bereits zum zweiten Mal wurde ich auf dem Rückweg an einer Kreuzung in der nördlichen Innenstadt Zeuge einer Situation. Dort gibt es eine allgemeine Ampel für alle Fahrtrichtungen und zusätzlich eine für die Rechtsabbiegerspur. Als erstes zeigt die Ampel für die Rechtsabbieger grün, etwa einige Sekunden später ergrünt auch das universelle Verkehrslicht und die Abbiegerampel erlischt. Die Komplikation: Neben der Rechtsabbiegerampel ist ein Grüner-Pfeil-Schild angebracht mit dem Zusatz „Nur für Radfahrer“, womit nämlichen amtlich erlaubt ist, was die meisten ohnehin längst tun, nämlich auch bei Rotlicht abzubiegen. Heute nun stand neben mir auf der Rechtsabbiegerspur ein junger Autofahrer mit seinem Wagen. Als die Abbiegerampel grün zeigte, fuhr er nicht los, was seinen Hintermann zum Hupen veranlasste. „Grün!“ rief der Hintere, „Nur Radfahrer!“ war vom Jungfahrer durch das heruntergelassene Fenster zu vernehmen. Vielleicht war er in der Fahrschule vom Datengerät abgelenkt gewesen, als der Grüne Pfeil durchgenommen wurde.

Dienstag: Schon morgens beim Fußweg ins Werk war es sehr warm, oder „schönes Wetter“, wie das Personal des Radiosenders WDR 4 es weiterhin nennt, wenn die Sonne im September über dreißig Grad produziert.

Andere machen Urlaub

Seit letzter Woche Freitag verwendet WDR 4 neue Nachrichtenbegleitmusik, Jingles, wie das wohl heißt, die ein wenig an den Kaspersender SWR 3 erinnert. Am Musikprogramm hat sich nichts geändert, weiterhin „Achtziger und die größten Klassiker“, wie zu betonen man auch mit neuen Jingles nicht müde wird. Unmittelbar nach einer derartigen Betonung spielten sie morgens Ed Sheeran, eindeutig nicht aus den Achtzigern. Ob er mal ein Klassiker wird – man wir hören.

»Spannende Pilze kann jeder finden« übertitelt die Zeitung einen Artikel zum Thema Pilzsuche. Pilze können vieles sein: essbar, giftig, schleimig, bunt, unscheinbar, groß, klein, gelegentlich auch halluzinogen oder schlumpfbehausend. Eins sind sie jedoch nicht: spannend. Es sei denn, »Bei dem feuchtwarmen Wetter schießen die Exemplare aus dem Boden«, wie es in dem Artikel weiter heißt. Mit Knall, Funkenflug und Rauch. Das wäre recht spannend.

Spannend fand offenbar am vergangenen Sonntag ein Säugling Beethovens neunte Sinfonie. Wie die Zeitung berichtet, begleitete er/sie/es die Aufführung in der Bonner Oper durch anhaltendes Schreien. Dem Kind ist das nicht vorzuwerfen, ich hätte an seiner Stelle und in dem Alter, durch Paukendonner und Chorjauchzen erschreckt, wohl nicht anders reagiert. Doch was geht in Eltern vor, die es nicht für angezeigt halten, in dieser Situation mit dem Kind den Konzertsaal zu verlassen?

Unverlassen vom Publikum blieb abends auch der Vortragsraum der TapetenPoeten in Bonn-Beuel, wo ich nach drei anderen Vorträgen meine fünfzehn Minuten Ruhm auskosten durfte, als ich dieses, das, das und dieses vorlesen durfte. Angesagt wurde ich als „vierter Autor, beziehungsweise erster“, da vor mir drei Damen aus ihren Werken lasen. Geschlechtergerechte Sprache ist nicht immer einfach, gleichwohl bin ich dem Moderator und Initiator der Veranstaltung sehr dankbar, mich nicht als Autor:in angekündigt zu haben. Dankbar bin ich auch für seine gar wunderbare Idee, zur Vorbereitung des Abends die künstliche Intelligenz zu beauftragen, über die Vorlesenden eine Laudatio zu verfassen. In meinem Fall ging die so:

Carsten Kubicki: Der Blogger des Alltäglichen und des Ausgedachten
Willkommen in der Welt von Carsten Kubicki, dem Meister des Ungewöhnlichen und des Alltäglichen zugleich. Sein Blog, treffend betitelt „Blog von Carsten K. für den Hausgebrauch,“ ist eine Oase der Absurdität und des scheinbar Banalen. Kubicki selbst schreibt über sein Werk: „Was hier zu lesen ist, erhebt keinerlei Anspruch auf Relevanz, Wahrheit, Vollständigkeit, Differenziertheit, Reichweite, Neutralität, (politische) Korrektheit, stilistische Brillanz, Originalität, Weisheit, Sinn und allgemeines Interesse.“ Doch gerade in dieser selbstironischen Verweigerung jeglicher Konventionen und Ansprüche findet sich der einzigartige Charme seines Blogs.
Carsten Kubicki setzt sich auf humorvolle Weise mit den Abgründen des Alltags auseinander und deckt dabei sprachliche Verfehlungen auf, die uns allen tagtäglich begegnen. Seine umfangreiche Liste sprachlicher Verfehlungen, genannt „Floskelschaumkraut – Die Liste des Grauens“ […] ist ein wahrer Schatz trostloser Phrasen und Plattitüden. […]
Carsten Kubickis Blog ist ein Ort des Schmunzelns und Nachdenkens zugleich. Seine unkonventionelle Herangehensweise an den Alltag und die Sprache regt zum Innehalten und Hinterfragen an. In einer Welt, in der oft Oberflächlichkeit und Konformität vorherrschen, erfrischt sein Blog mit einem Hauch von Ironie und einer Prise Wahnsinn. Lassen Sie sich von Carsten Kubicki auf eine Reise in die Tiefen des Alltäglichen und des Ausgedachten entführen, und vergessen Sie nicht, sich von Zeit zu Zeit ein Schmunzeln zu erlauben.

Quelle: ChatGBT

Ich fühle mich geschmeichelt.

Vorher

Mittwoch: Vorletzte Woche Donnerstag habe ich, wie berichtet, einen neuen Personalausweis beantragt. Bereits heute erhielt ich die Mitteilung der Stadt Bonn, dass der neue Ausweis zur Abholung bereit liegt. Daher nicht immer nur über die öffentliche Verwaltung herziehen, sondern sie auch mal loben, was hiermit getan sei.

Donnerstag: Ausnahmsweise nicht zu Fuß ins Werk sondern mit dem Fahrrad, da ich an einer Tagung in einem nahegelegenen Hotel teilnahm, die bis zum frühen Nachmittag ging. Nach Rückkehr ins Büro überkam mich eine seltsame Übelkeit, die zum Glück nicht lange anhielt, vielleicht lag es an der Hitze. Im Büro wollte keine rechte Arbeitslust aufkommen, zumal die defekte Jalousie noch immer nicht repariert ist und die Nachmittagssonne direkt auf meinen Schreibtisch und mich scheint. Vergangenen Donnerstag war mal wieder ein Techniker da gewesen, er schaute, sagte, er müsste nochmal telefonieren und käme spätestens morgen (also letzten Freitag) wieder. Da er nicht kam, rief ich heute den Hausservice an; sie werde sich kümmern, sagte die freundliche Dame. Ich musste an meinen alten, längst pensionierten Kollegen Heinz B. denken, der bei solcher Gelegenheit gesagt hätte: „Es ist alles so maßlos traurig.“ Da lächelte ich.

Ein Schild sagt mehr als tausend Worte, wobei dieses Exemplar Raum für Interpretation lässt

Freitag: Vergangene Nacht träumte ich, ich säße in konzentrierter Tätigkeit im Büro, als es klopft und ein Haustechniker herein kommt. Er wollte nur schauen, ob die Jalousie nun funktioniert, sagte er. Erst jetzt bemerkte ich, dass auch das defekte Drittel heruntergefahren war, und freute mich.

In echt erschienen heute gegen Mittag zwei Techniker, schraubten ein wenig am Schalter, einer ging raus und kehrte bald zurück, und siehe, die Jalousie senkte sich vollständig. Er habe nur den Bus neu gestartet, so seine Auskunft an den anderen. Ich weiß nicht, was das bedeutet und wohin der Bus fuhr, jedenfalls hat er sein Ziel offenbar erreicht, die Jalousie funktioniert wieder, die Sonne blieb nachmittags draußen und ich freue mich. „Dass ich das noch erleben darf“, hätte Kollege Heinz vielleicht gesagt.

Die Tagesschau um zwanzig Uhr wurde eröffnet mit einer Basketball-Meldung. Ein Grund, warum ich Fernsehnachrichten nur noch unregelmäßig schaue. In der Zeitung kann ich bei Sport einfach weiterblättern.

Samstag: Es ist weiterhin heiß, sehr heiß. Das sei keine Klage, nur Feststellung. Ansonsten der übliche Samstagskram ohne nennenswerte Bloggenswürdigkeiten.

Gelesen bei Thomas: »… aber ich habe es verlernt, einfach so da zu sitzen und nichts zu tun. Ich bewundere Menschen, die das noch können, bin aber gleichzeitig zu faul, es wieder zu lernen.« Ich kann das sehr gut, sitzen und nichts zu tun, wenn es was zu schauen gibt, und das gibt es ja fast immer; während Bahnfahrten mit Fensterplatz gerne stundenlang. Auch glaube ich nicht, dass man das mühsam erlernen muss und verlernen kann.

Sonntag: In der Sonntagszeitung ein interessanter Artikel über Bürokratie in Deutschland und warum wir so viel davon haben. Mit eigenen Worten zusammengefasst: Die deutsche Mentalität umfasst zwei Eigenheiten, die dazu führen. Die erste ist ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, der insbesondere dann empfindlich gestört wird, wenn öffentliche Zuwendungen Leuten zukommen, denen sie nicht zustehen. Die zweite ist das unbedingte Verlangen, gegen jede noch so abseitige Eventualität abgesichert zu sein, und wenn sie doch eintritt, jemanden ausfindig machen zu können, der schuld und schadensersatzpflichtig ist. Als Beispiel werden die immer umfassender werdenden Bestimmungen zum Brandschutz genannt, wohingegen beim Sport fast jedes Risiko akzeptiert wird. Wenn jemand klagt, weil er sich aufgrund einer Regelungslücke benachteiligt oder geschädigt fühlt und Recht bekommt, wird die Lücke gefüllt, und wieder ist die Bürokratie ein Stückchen gewachsen. Wir sind also selbst schuld, weil wir nicht gewillt sind, manches als allgemeines Lebensrisiko zu akzeptieren, etwa im Winter Schnee und Eis auf ungeräumten Gehwegen. Ich finde das einleuchtend.

Von Schnee und Eis sind wir weit entfernt: Bei über dreißig Grad führte der Spaziergang über die Rheinbrücke ans andere Ufer, über die Nordbrücke zurück, mit Besuch des Biergartens am Rhein. Dort haben die Kastanien begonnen, die ersten Blätter abzuwerfen, immer wieder fielen fünfblättrige, bräunlich-gelbe Laubeinheiten zu Boden, vielleicht gelockert von in den Bäumen balgenden Halsbandsittichen, die nicht zu sehen, dafür deutlich zu hören waren. In der Ferne auf der gegenüberliegenden Rheinseite sieht man das Riesenrad der Großkirmes Pützchens Markt, die an diesem Wochenende läuft, und ein weiteres Fahrgeschäft mit langen, vertikal rotierenden Armen, an deren Enden Sitzkabinen angebracht sind. Nichts für mich, der gerne untätig sitzt.

Eine weitere Folge der Reihe „Warum sind Dinge, wo sie sind?“
Idyll vor Schwarzrheindorf
Innere Nordstadt

***

Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 35/2023: Tapfer bleiben

Montag: Mein Arbeitseifer zu Wochenbeginn tendierte gegen Null, obwohl genug zu tun ist, darunter jedoch nichts, was nicht auch ab morgen anzugehen früh genug wäre. Da kam mir eine mehrstündige virtuelle Einweisungsveranstaltung entgegen mit nur geringem Redeanteil meinerseits und viel Gelegenheit, konzentriert zuhörend *hüstel* aus dem Fenster zu schauen. Danach erledigte ich eine Aufgabe, die überwiegend aus Kästchenausfüllen bestand und beendete den Arbeitstag nicht allzu spät. Ab morgen wieder voller Einsatz für das Firmenwohl. So der Plan.

Eine ansonsten deutschsprachige Mail endete mit „Thanks & cheers“. Was Leute so schreiben, wenn sie busy sind.

Mein Rechner zeigt merkwürdige Meldungen:

Ich kann es auch nicht rendern

Abends nach den Nachrichten im Fernsehen Reklame für Hundefutter mit hundert Prozent Kennerfleisch. Pansen, Schwein und Geflügel waren gestern, heute muss es von Experten sein. Cheers.

Dienstag: Übermorgen beginnt der meteorologische Herbst. Bereits heute zeigte sich der Morgen kühl und herbstlich, das Siebengebirge war fast vollständig in Wolken gehüllt. Endlich kehrt mit der Jackenzeit wieder eine gewisse Ordnung ein; Aufbewahrung und Mitführen von Portemonnaie, Schlüssel, Notizbuch und Pfefferminzbonbons werden dadurch enorm erleichtert.

Vorherbst

Die Arbeitslust war gegenüber gestern erheblich verbessert. „Tapfer bleiben“ schrieb mir mein früherer Chef, was zu beherzigen ich mir fest vornehme.

Auf dem Rückweg sah ich am Rheinufer einen älteren Herrn Turnübungen ausführen: die Arme nach vorne und nach hinten; nach vorne bäugen, ein Hohlkreuz mit nach hinten gestreckten Armen; die Schultern kreisen lassen; den Oberkörper nach links und rechts; Laufschritte auf der Stelle; Hüpfen. Dass er dabei einen schwarzen Anzug und Krawatte trug, irritierte wohl nur mich ganz kurz.

Mittwoch: Der Arbeitstag verlief recht angenehm ohne nennenswerte Blogabilitäten. Nachmittags setzte Regen ein. Um einigermaßen trocken nach Hause zu kommen, vertraute ich auf eine bei WetterOnline in Aussicht gestellte Regenlücke. Das war ein Fehler: Als ich am Rhein entlang radelte ohne jede Unterstellmöglichkeit in absehbarer Entfernung stürzten die Himmelsfluten herab und durchnässten in kurzer Zeit alles unterhalb der Regenjacke. Wäre ich – entsprechenden Pegel vorausgesetzt – bis kurz unter Klötenhöhe durch den Rhein nach Hause gewatet statt mit dem Rad zu fahren, hätte ich nicht nasser werden können. Ich mag den Moment, ab dem das nur noch egal ist. Tapfer bleiben.

Donnerstag: Der Fußweg ins Werk morgens war sonnenbeschienen.

Und das Siebengebirge wieder da.

„Wir arbeiten mit Hochdruck an der Behebung des Fehlers“, las ich in einer Mitteilung. Ein wenig klingt das immer nach „Wir haben keinen blassen Schimmer, was wir tun können“.

„Erwartungshaltung“ ist auch so ein Wort, das den Schein von Bedeutung erzeugen soll, dabei doch nur mit lauer Luft aufgeblasen ist.

Freitag: Der Tag begann mit einem Schrei, nachdem der Geliebte im morgendlichen Halbdunkel des Schlafzimmers ein „Viech“ wahrgenommen hatte, das sich nach Abklingen der ersten Aufregung als Nachtfalter herausstellte, der sich anscheinend über den Schrei ebenso erschrak, denn er verschwand hinter dem Kleiderschrank und wurde für den Rest des Tages nicht mehr gesehen.

Heute vor siebenunddreißig Jahren war mein erster Tag beim Arbeitgeber, der mir nicht nur noch immer ein erfreuliches Gehalt überweist, sondern mich auch regelmäßig mit Bemerknissen für dieses Blog versorgt wie nämliches: „Ich bin heute komplett durchgetaktet“, wie eine wichtige Person in einer Besprechung die Teilnehmenden wissen ließ. Die nächsten maximal neun Jahre werde ich dort voraussichtlich auch noch ganz gut aushalten und tapfer bleiben.

Wegen eines Vereinsvergnügens am Abend beendete ich die Arbeitswoche zeitig, nachdem ein Blick aus dem Fenster und ein weiterer in WetterOnline eine Schauerlücke in Aussicht stellten. Sie ahnen es vielleicht – etwa auf halber Strecke am Rheinufer ging es wieder los, heute nicht ganz so heftig wie am Mittwoch, doch genug für einen erforderlichen Hosenwechsel nach Ankunft. Kaum stand das Fahrrad in der Garage, schien wieder die Sonne. Ich beginne, WetterOnline ein wenig zu hassen, bei aller Tapferkeit.

Samstag: Der Vereinsabend wirkte nach, weshalb wir etwas länger im Tuch blieben und spät, immerhin mit zufriedenstellendem Appetit frühstückten.

Das Jackenwetter ist schon wieder vorüber, der Sommer noch einmal zurückgekehrt. Die Innenstadt voller Menschen, die langsam vor mir gingen und stehen blieben, eine lange Schlange bildeten vor einem Geschäft, wo es diesen albernen Blasentee zu kaufen gibt, den ich noch nie probiert habe und den zu probieren ich nicht beabsichtige, schon gar nicht, wenn ich dazu in einer Schlange stehen muss. Zudem laute Livemusik von einer Bühne auf dem Münsterplatz, die meine Schritte beschleunigt hätte, wären vor mir nicht diese langsamen Leute gewesen.

Einer Initiative der Bonner IHK, die die Infragestellung der jahrzehntelangen, natürlichen Vorherrschaft des Kraftfahrzeugs auf städtischen Straßen doof findet, nennt sich ausgerechnet „Vorfahrt Vernunft“.

Sonntag: Auch dieser Tag zeigte sich sonnig und warm, wodurch sich im Rahmen des Spaziergangs ein Besuch des Lieblingsbiergartens geradezu aufdrängte. Wer weiß, wie lange noch. Ansonsten bot der Tag nichts Berichtenswertes, daher will ich Sie nicht länger aufhalten.

Vielleicht das noch, zur Erinnerung und Werbung: Am kommenden Dienstagabend, 5. September, ab 20 Uhr ist die nächste Lesung der TapetenPoeten in Bonn-Beuel, an der teilzunehmen ich das Vergnügen habe. Wenn Sie zufällig in der Nähe sind und nichts Besseres zu tun haben, kommen Sie gerne. Weitere Informationen hier.

***

Kommen Sie gut durch die Woche, bleiben Sie tapfer.