Prognose

Neulich wachte ich nachts mal wieder ohne besonderen Grund auf und es dauerte einige Zeit, bis ich wieder einschlief. In solchen Wachphasen kommen manchmal Fragen, Ideen, Gedanken, wie dieser: Wie geht es mit der Menschheit weiter, was könnte sein in zehn, hundert, tausend, hunderttausend, eine Million Jahren? Vielleicht so:

In zehn Jahren wird sich nicht sehr viel geändert haben. Die Sommer sind noch etwas heißer, in einigen Regionen das Wasser knapper. Unser Konsum- und Reiseverhalten ändert sich dadurch nicht. An die ständigen Nachrichten über Dürren, Waldbrände, Unwetter und Überschwemmungen haben wir uns gewöhnt, wir akzeptieren sie als Preis für Wohlstand, Wachstum und unbegrenzte (Auto-)Mobilität.

Nach wie vor ist das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins, dem sich, trotz aller Bemühungen, die Innenstädte vom Autoverkehr zu befreien, alle anderen unterzuordnen haben, immerhin inzwischen überwiegend mit Elektroantrieb. Der Anteil der SUV hat sich weiter vergrößert. Der Umgang der Verkehrsteilnehmer untereinander ist noch rauer, vor allem Auto- gegen Radfahrer. Auf deutschen Autobahnen gibt es weiterhin kein Tempolimit. Das Autoposen mit knallenden Auspuffen ist strengstens verboten und wird hart bestraft. Immerhin.

Die Union regiert wieder, vielleicht heißt der Bundeskanzler Linnemann, vermutlich nicht Merz. Koalitionspartner sind die Grünen. Die AfD ist weiter erstarkt, auf Bundesebene will noch keine Partei mit ihr zusammenarbeiten. Anders in den Bundesländern: In Sachsen ist sie Koalitionspartner der CDU, in Thüringen stellt sie den Ministerpräsidenten.

Die Meinungsfreiheit ist weiterhin sichergestellt, doch wird die Empörung vor allem in den elektronischen Hetzwerken immer schriller, sobald jemand öffentlich eine von der Allgemeinheit abweichende Meinung äußert oder falsch, womöglich gar nicht gendert.

Auf CSD-Paraden kommt es zunehmend zu Anfeindungen und Gewalt, von rechten Gruppen wie von Islamisten.

Der Duden empfiehlt beim Gendern die Schreibweise mit Doppelpunkt.

Die Pünktlichkeit des Bahn-Fernverkehrs liegt im Jahresschnitt bei dreiundvierzig Prozent. Den Verkehrsminister stellt die CSU.

Die Rolling Stones veröffentlichen ein neues Album und gehen noch einmal auf Abschiedstournee.

In hundert Jahren wird Deutschland, wie die meisten europäischen Länder, von Rechtsautoritären regiert. Eine nennenswerte Opposition gibt es nicht, die Grünen sind verboten. Abweichende Meinungen von der offiziellen Linie und jede Kritik an Regierung und Präsidenten werden hart bestraft. Es kommt zu Inhaftierungen und Einweisungen in Umerziehungslager, aus denen viele nicht zurückkehren. Die Todesstrafe ist wieder eingeführt.

Immer mehr Regionen der Welt sind wegen hoher Temperaturen und Wassermangels dauerhaft unbewohnbar, immer mehr Menschen streben in Richtung Norden, wo es zu heftigen Konflikten und Verteilungskämpfen kommt. Deutschland hat seine Grenzen geschlossen, ein strenges Einwanderungsgesetz regelt, dass Zuwanderung nur noch unter bestimmten Voraussetzungen wie einer hohen Qualifikation, perfekten Deutschkenntnissen und passender Hautfarbe möglich ist. Das Recht auf Asyl ist aufgehoben, Abschiebungen sind jederzeit möglich.

Homosexualität ist verboten und führt zu Haftstrafen. Die Regenbogenflagge gilt als verfassungsfeindliches Symbol.

Strom und Wasser werden rationiert, immer wieder kommt es zu stundenlangen Stromausfällen, vor allem in den Armensiedlungen.

Die Rolling Stones geben ihr letztes Konzert.

In tausend Jahren ist die Zahl der Menschen drastisch gesunken, nachdem die Strom- und Wasserversorgung weltweit zusammengebrochen ist. Zudem sind Milliarden von Menschen im Dritten Weltkrieg und durch mehrere Pandemien umgekommen. Staatliche Strukturen, öffentliche Ordnung, Recht und Gesetz existieren nicht mehr, es gilt das Recht des Stärkeren. Was wir heute Zivilisation nennen, gibt es nicht mehr.

Weite Teile der Erde sind unbewohnbar, viele Gebiete und Regionen im Meer versunken. Häufige Unwetter mit Hagel, Tornados und Überschwemmungen setzen den verbliebenen Menschen zu, hinzu kommt eine erhebliche weltweite Rattenplage.

In hunderttausend Jahren ist der Mensch, bis auf ein paar indigene Völker in den wenigen verbliebenen Dschungelgebieten und Keith Richards, nahezu ausgestorben. Nach Ausbruch mehrerer Supervulkane wie den Phlegräischen Feldern bei Neapel und unter dem Yellowstone-Nationalpark war die Erde jahrelang in Dunkelheit gehüllt, was zu erheblichen Ernteausfällen führte.

In einer Million Jahren ist die Erde vollständig vom Menschen befreit, all seine Spuren, Städte, Straßen und Bauwerke sind verschwunden unter Wasser, Erdschichten und Eis. Nur ein paar Atommüllreste strahlen im Boden noch vor sich hin. Die Ratten und Keith Richards stört es nicht.

16 Gedanken zu “Prognose

  1. TapetenPoet September 21, 2023 / 09:51

    Ich teile deine Prognose bezüglich Keith Richards. Aber ob der Rest der Menschheit es noch so lange schafft, sehe ich skeptisch. Ich halte es da eher mit Ernst Neger*: „Heile, heile Mausespeck, In hundert Jahr ist alles weg!“

    *Nach wie vor politisch korrekt, da der Mann tatsächlich so hieß.

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  2. Kraulquappe September 21, 2023 / 10:19

    Lieber C.,
    dem Himmel (heute blau) sei Dank, dass Sie diese Szenarien der Trostlosigkeit (die ich weitgehend teile, ergänzen würde ich die Spezies der Überlebenden noch um die Kakerlaken) durch das unerschütterliche Rollen der Steine zumindest hie und da unterbrochen haben.
    Fühlen Sie sich herzlich gegrüßt
    Ihre N.

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    • stancerbn September 21, 2023 / 10:53

      Liebe N.,
      Sie haben recht, neben Kakerlaken wären noch Ameisen zu nennen.
      Herzliche Grüße in die Solitude
      Ihr C.

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      • Kraulquappe September 25, 2023 / 13:57

        Lieber C.,
        stimmt, die Ameisen… – womöglich fehlen noch andere? Lassen Sie uns über eine Liste nachdenken.
        Sonnige Solitudengrüße,
        Ihre N.

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      • stancerbn September 25, 2023 / 14:07

        Liebe N.,
        mir fielen noch Brombeeren ein. Kellerasseln vielleicht?
        Eine solche Liste wäre doch was für unser künftiges, gemeinsames … Sie wissen schon.

        Herzliche Grüße zurück, genießen Sie es weiterhin
        Ihr C.

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      • Kraulquappe September 25, 2023 / 14:21

        Lieber C.,
        natürlich weiß ich!
        Und so eine Liste passt da gut dazu, ich hatte denselben Gedanken (vielleicht eine eigene Registerkarte für derlei Listen?).
        Mit der Kellerassel bin ich einverstanden. Aber wieso wollen Sie die Brombeere auf dieser Liste sehen?
        Wen ich gerne noch ergänzen würde: Heino. Und die Mehlmade. Ginge das Ihrerseits in Ordnung?

        Nochmals viele Grüße,
        Ihre N.

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      • stancerbn September 25, 2023 / 14:41

        Liebe N.,
        Brombeerbüsche legen auf brachliegenden Flächen ein sehr einnehmendes Wesen an den Tag, deshalb passen sie auf die Liste. Heino unbedingt auch, mit Mehlmaden hatte ich bislang wenig Befassung. Cher wäre auch einen Eintrag wert, meinen Sie nicht?
        Weiterhin frohes Schaffen
        Ihr C.

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      • Kraulquappe September 25, 2023 / 15:08

        Und danke für die Erläuterung bzgl der Brombeerbüsche. Dann stimmte ich diesem Listeneintrag gerne zu.
        Grad fällt mir noch das Usambaraveilchen ein, auch das gehört zu den Unverwüstlingen.

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  3. Elke September 21, 2023 / 12:38

    Herrlich beschrieben, genau so wird es kommen…

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  4. Renate Reinbold September 21, 2023 / 14:00

    GENIAL, ich stimme Allem zu und bin froh, dass ich schon alt bin

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    • deingruenerdaumen September 21, 2023 / 16:14

      Ich traue der Menschheit mehr zu. Vor Allem baue ich auf die Critical Mass. Denken Sie an die Wende in der DDR. Die Zukunft voraus zu denken in dem man von Allem was jetzt noch geht, einfach mehr davon denkt, das ist zu kurz gedacht. Die Menschen sind zu viel Besserem fähig. Liebe Grüße vom gruenen Daumen.

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      • stancerbn September 21, 2023 / 16:49

        Ihren Optimismus teile ich nicht. Wir schaffen ja nicht mal, ein Tempolimit auf Autobahnen einzuführen, weil der Verzicht auf freie Fahrt eine zu große Zumutung wäre.

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      • deingruenerdaumen September 22, 2023 / 14:27

        Oh ja, da gebe ich Ihnen Recht. Ich bin aus Österreich, wir haben Tempolimits und darauf bin ich ein bisschen stolz. Ich denke es ist viel, was ein einzelner Mensch durch seine Entscheidungen erreichen kann. Wenn ich nur schaue, was nicht geht und nichts für eine Veränderung hin zum Leben (zum guten Leben) tue, dann versäume ich meine Chance. Ich tue, was mir möglich ist und ich spüre Befriedigung dabei. Einen nachbarschaftlichen Gruß hin nach Bonn (wie war das noch einmal mit der friedlichen Wiedervereinigung? Alles selbstverständlich?

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