Woche 4: Luft in Dosen

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Dienstag: Evian ist laut Verbraucherzentrale die Mogelpackung des Jahres. Stellt nicht allein schon das Abfüllen und Verkaufen von stillem Wasser in Flaschen eine der frechsten Dreistigkeit der letzten hundert Jahre dar? Gibt es demnächst Luft in Dosen?

Mittwoch: Beim Mittagessen in der Kantine Diskussion darüber, wer nach einem Lottogewinn noch am nächsten Tag ins Büro ginge. Während es alle anderen für sich ausschließen, bin ich mir nicht völlig sicher. Was stimmt nicht mit mir?

Donnerstag: In einem Artikel las ich heute dieses Kleinod journalistischer Wortkunst: „Christof E., Head of Corporate Communications and Responsibility, begegnet den Herausforderungen und Chancen des digitalen Zeitalters mit der funktionsübergreifenden Integration von strategischem Reputationsmanagement und mit systematischem Stakeholder-Engagement. Dabei spielt die Entwicklung und Implementierung einer nachhaltigen Kommunikationsstrategie mit Hilfe agiler Managementmethoden ebenso eine Schlüsselrolle wie die Bereitstellung eigener meinungsführender Inhalte auf klassischen und digitalen Medienplattformen.“ Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

Freitag: In der Bahn belauschte ich eine japanische Familie. Diese Sprache scheint völlig ohne Konsonanten auszukommen und klingt dadurch wesentlich freundlicher als der an Sch-Lauten schwangere Dialekt bestimmter Jugendkreise.

Samstag: Vereinsverpflichtungen veranlassten mich am Morgen zu einer Fahrt nach Ostwestfalen, wo ich bei unerwartet frühlingshafter Milde dem Auto entstieg. Dennoch fuhr ich am Abend durchaus gerne wieder zurück.

Sonntag: Allen Aquilins, Poppos und Radegunds dieser Welt meine herzliche Gratulation zum Namenstag.

Woche 3: Manchmal muss man vom gewohnten Weg abweichen

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Montag: „Schreib deinen Namen quer über mein Herz, ich möchte, dass du mein Säugling bist.“ Liedzeilen, die nur auf Englisch möglich sind.

Erst im Büro bemerkte ich mein Versäumnis, am Morgen keinen Hosengürtel angelegt zu haben. Ich mag mir nicht ausmalen, was als nächstes kommt.

Dienstag: Als Mensch, der den Sinn von Graffiti grundsätzlich in Frage stellt, erscheint mir deren Anbringen inmitten von U-Bahn-Tunneln besonders zweifelhaft.

Mittwoch: Als ich mich kurz vor dem Erfrierpunkt der Arbeitsstelle nähere, weckt ein am Straßenrand stehender Werkstattwagen eines Kälteanlagenbauers kurzfristig Gewaltphantasien in mir.

Donnerstag: Einen Tag vor der Krönung Donald Trumps zum König der Amerikaner wurde die Bekronung meines Backenzahns vorbereitet.

Freitag: Manchmal muss man vom gewohnten Weg abweichen. Ich zum Beispiel heute morgen auf dem Weg von der Bahn ins Büro, als plötzlich eine Kollegin vor mir her ging mit akuter Ansprechgefahr.

Samstag: Achtsamkeit beim Essen lernt man am besten durch ein Zahnprovisorium im Mund.

Sonntag: Ein am vergangenen Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienener Artikel zum Thema „Katzensteuer“ ruft heftige Reaktionen bei der katzenliebenden Leserschaft hervor, welche in der heutigen Ausgabe der Zeitung nachzulesen sind. Herr Dr. Michael B. teilt elektroschriftlich mit: „Wenn eine von ihnen (seinen Katzen) wirklich mal einen Singvogel erwischt, war er alt oder krank.“ Noch besser Herr Willy M., der ebenfalls elektroschriftlich über seinen eher robusten Umgang mit dem Kater schreibt: „An Singvögel geht er nicht ran, weil ich ihn in jungen Jahren einmal mit einem noch lebenden Vogel erwischte. Ich warf meinen Kater in die Regentonne, er ging unter, der Vogel flatterte weg. Das hat der Kater sich gemerkt.“ Darin dürften die Katzenliebhaber einen weiteren Empörungsvorschlag sehen. Bis nächsten Sonntag.

Nicht genehmigungsfähig in einer mitfühlenden Stadt

Ich bin mir nicht sicher, ob ich über das, was vergangene Woche in der Zeitung stand, traurig oder wütend sein soll. Dort war zu lesen über den Kölner Sven Lüdecke, der in seiner Freizeit und auf eigene Kosten kleine bewegliche Holzhäuschen baut. Die schenkt er Menschen, denen es nicht vergönnt ist, sich nach Feierabend in die warme Wohnung auf das Sofa zurückzuziehen.

Die Obdachlosen – darf man das noch schreiben oder ist das inzwischen auch irgendwie diskriminierend? – die Menschen ohne feste Bleibe also nehmen die Häuschen gerne an, haben sie doch eine Tür, hinter die sie sich mal ungestört und wettergeschützt zurückziehen können.

Doch o weh, der Häuschenbauer hat nicht die Stadt Köln gefragt, und die mag die Häuschen nicht. Die Begründung könnte deutscher nicht klingen: Bei den Häuschen handele es sich um „ei­ne Un­ter­kunft oh­ne Strom, Was­ser, Ka­nal, Hei­zung und oh­ne aus­rei­chen­de Steh­hö­he“, so eine Pressesprecherin, daher seien sie „für die dau­er­haf­te Nut­zung als Wohn­raum […] nicht ge­neh­mi­gungs­fä­hig.“ Gewiss. Zudem fehlen schnelles Internet, Flachbildfernseher, Whirlpool, Wintergarten und Stuckdecken. Auch verstoßen sie vermutlich gegen geltende Energiesparnormen für Neubauten. Daher ist es besser, die Menschen weiterhin im Freien schlafen zu lassen, frische Luft ist ja auch gesund.

„Köln ist ei­ne mit­füh­len­de Stadt“, sagt die Pressesprecherin und verweist auf „ei­ne gro­ße Viel­falt von An­ge­bo­ten für die­sen Per­so­nen­kreis“. Diese Meinung teilt dieser Personenkreis jedoch nicht uneingeschränkt, weil er in den Unterkünften schlechte Erfahrungen mit Diebstahl und auch Gewalt gemacht hat.

Aber vielleicht haben sich auch einige Wohlfühlanspruchsbürger beschwert, weil diese Kisten in Sichtweite ihrer Villa standen? Oder Vermieter, die nun befürchten, ihre überteuerten Wohnungen nicht mehr loszuwerden, weil plötzlich alle in so einem Häuschen wohnen wollen? Und denkt bitte mal einer an die Kinder? Kinder leiden ja immer am meisten.

„So­bald Bo­xen auf städ­ti­schem Grund ste­hen, wer­den sie ab­ge­räumt“, so eine Sprecherin. Hoffentlich können die Bewohner die Häuschen dann rechtzeitig verlassen, bevor die Sperrmüllpresse sie in Sondermüll umwandelt.

Liebe Stadt Köln, ich vermisse die rheinische Gelassenheit! Unterstützt lieber diese Initiative, stellt Material zur Verfügung, vielleicht sogar etwas Geld; vor allem aber: Weist Flächen aus, wo die Häuschen aufgestellt werden dürfen! Es muss ja nicht gleich die Domplatte sein.

Klar: Die Häuschen lösen nicht das Problem Obdachlosigkeit. Und doch lassen sie vielleicht einen Hoffnungsschimmer erahnen, auf dass das Leben auf der Straße, im Zelt oder unter der Brücke ein klein wenig besser werde. Nicht nur in Köln.

Inzwischen hat Sven Lüdecke einen Verein gegründet. Wenn Sie, liebe Leser, dieses Projekt unterstützen möchten, können Sie das hier tun:

Little Home Köln
Spendenkonto:
IBAN DE96 3705 0198 1933 6044 47
BIC COLSDE33XXX

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Hier noch ein paar Links dazu:

https://www.welt.de/vermischtes/article161022780/Wie-2-8-Quadratmeter-fuer-Obdachlose-eine-Stadt-spalten.html

http://www.huffingtonpost.de/sven-luedecke/

http://www.ksta.de/koeln/innenstadt/soziales-projekt-koelner-verschenkt-wohnboxen-an-obdachlose-25041460

Woche 2: Karneval gibt es auch in Recklinghausen

Montag: Die Stadtbahn verspätet, Bahnen, Straßen und Büroflure voller Menschen. Sie sind wieder da. Unterdessen hebt die offizielle Bestätigung eines schon lange geraunten Gerüchtes, dessen Inhalt ich Ihnen erspare, die Laune der Belegschaft. Frohes neues Jahr.

Dienstag: Ich mag meine beiden Bürokolleginnen sehr. Doch es gibt Tage, an denen ich die Erfindung des Telefons verfluche. – Zitat des Abends: „Ich kann auch nett, bringt aber nichts.“

Mittwoch: Ein die Straßenbahngleise blockierender LKW beschert mir in Verbindung mit einem zwar angekündigten, gleichwohl unsichtbaren Schienenersatzverkehr einen Feierabend-Spaziergang durch die Bonner Südstadt. Immer positiv denken, auch bei Regen und eisigem Wind. – Abends erste Chorprobe des Jahres mit Sekundreibung, Quintenfallsequenz und Nonenvorhalt.

Donnerstag: Warten auf Egon – Ruhe vor dem Sturm.

Freitag: (Schne)egon spaltet die Menschen in Nordrhein-Westfalen. Während die einen auf schneeglatten Straßen verzweifeln, fragen die anderen bei WDR 2 an, wo denn der versprochene Schnee bliebe, auf den sich ihre Kinder so gefreut haben.

Samstag: Nach einem Gesangsauftritt auf der Prunksitzung der Fidelen Burggrafen in der Godesberger Stadthalle wurde ich nach einer Autogrammkarte gefragt. Die Dame wollte mich ein wenig veräppeln, nehme ich an.

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Sonntag: Karneval gibt es auch in Recklinghausen. Wer hätte das gedacht. Gut, sie rufen „Helau“ dabei, aber wer bin ich, dass ich darüber richtete?

Woche 1: Das Unwort 2017 ist möglicherweise bereits gefunden

Montag: Allen, die sich ob des Wortes „Nafris“ empören, möchte ich ein entschiedenes „Heul doch!“ entgegenrufen. Über das Wetter heult indessen keiner: „Endlich Schnee“ eskalieren sie vor Freude. Endlich? Schnee? Es sagt doch auch niemand „Endlich Zahnschmerzen“.

Dienstag: Jede Woche mindestens zwei Stunden am Bestseller arbeiten, so die Vorgabe für das neue Jahr. Für diese Woche erledigt. Oder Haken dran. Oder Check, wie es auf dümmlichdeutsch heißt.

Mittwoch: Wenn in der Waage Wahrheit liegt, habe ich drei Kilo zugenommen über den Jahreswechsel. Vermutlich eine von Russland gesteuerte Fehlanzeige.

Donnerstag: Radiowerbung für Radiowerbung. Gleichsam die Onanie des Konsumterrors.

Freitag: Manche Dinge vergehen nie. Zum Beispiel der Fluchtreflex, welcher augenblicklich Besitz von mir ergreift, sobald Menschen meiner näheren Umgebung beginnen, über Fußball zu reden.

Samstag: CDU und CSU ist es möglicherweise gelungen, bereits im Januar das Unwort des Jahres 2017 zu erfinden: „Atmender Deckel“.

Sonntag: Nebel und Eis.

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