#WMDEDGT im Dezember: Wörtliche Rede und Vorfreude

Am fünften eines jeden Monats ruft die geschätzte Mitbloggerin Frau Brüllen zur Pflege der Tagebuchblogkultur auf. Hierzu schreibt der geneigte Teilnehmer einen Aufsatz zum Thema „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“, kurz #WMDEDGT, und verlinkt ihn auf dem Brüllen-Blog.

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Während der Zeitungslektüre zum ersten Kaffee am Morgen las ich diesen Satz: »Es wird Zeit, dass Bund und Land sich ehrlich machen.« Sich ehrlich machen – eine weitere Floskel für die Liste.

Ehrlich machen sollte sich auch eine Metzgerei in der Bonner Innenstadt, an deren Fenster seit Tagen, wenn nicht Wochen, ein handschriftlicher Zettel angebracht ist: »Heute nur Barzahlung«.

»Wir bringen das Mittelmeer in Ihre Küche«, wirbt ein paar Meter weiter ein Fachgeschäft für olivenhölzerne Haushaltswaren. Das muss nun wirklich nicht sein.

Der dienstagsübliche Fußmarsch ins Werk erfolgte bei Trockenheit und etwas milderer Temperatur gegenüber den letzten Tagen. Auch der Rheinpegel liegt wieder auf einem normalen Niveau, mal sehen, wie lange angesichts der Schneefälle der vergangenen Tage im Süden.

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Kurz nach Ankunft im Büro klopfte ein Kollege an die Tür, den ich nur selten sehe, weil er im Gegensatz zu mir meistens zu Hause arbeitet. Es kam zu einem längeren Plausch über Gott und die Welt, was in diesem Fall wörtlich zu verstehen ist; trotz meiner grundsätzlichen Abneigung gegen wörtliche Rede am frühen Morgen (also vor neun Uhr) war es sehr angenehm.

Der Arbeitstag floss recht erfreulich dahin; die gestern herrschende Generalunlust hatte sich gelegt, wie so häufig von Montag auf Dienstag. Vor dem Fenster kam immer wieder die Elster zu Besuch, vielleicht waren es auch mehrere abwechselnd, und machte(n) sich, nachdem das von mir dort aufgestellte Futterhäuschen auf mysteriöse Weise abhanden gekommen war, über das nun auf einem profanen Teller dargereichte Vogelfutter her. Ansonsten habe ich zweimal Nein gesagt. Das war gar nicht schwer und fühlte sich gut an.

Der SPIEGEL meldet das »Pisa-Debakel«, nach dem »Pisa-Schock« von 2001. Was kommt als nächstes, Pisa-Krise, -Katastrophe, -Misere? -Horror? Wir werden es vielleicht noch erleben, wenn nicht andere Imponderabilien dazwischenkommen.

Zum Mittagessen in die Kantine gingen wir zu sechst, bis Ende 2019 nichts Besonderes. Jetzt, da ich es gewohnt bin, mittags zumeist allein, allenfalls mal zu zweit zu essen, weil fast alle überwiegend zu Hause arbeiten, empfinde ich derartige Gruppenessen als gewöhnungsbedürftig bis anstrengend. Anscheinend hat meine Sozialtoleranz während der Coronazeit einen irreparablen Schaden genommen. – Gegessen habe ich vegetarisch: Kartoffelpolenta an Grünkohlsalat, ganz gut, hätte etwas mehr sein dürfen. Zum Dessert gab es laut Karte »Schichtdessert von Erdbeeren und Waldmeister-Quark-Creme«. De facto ein Schälchen mit sehr fester, säuerlicher grüner Götterspeise (wenig göttlich), darauf fünf bis sechs kleine Erdbeeren, wo auch immer die herkommen Anfang Dezember, gekrönt mit einer Haube aus einer sahneartigen Vanillecreme. An den meisten Tagen bin ich mit dem Angebot der Kantine höchst zufrieden, heute würde ich allenfalls ein Ausreichend vergeben.

Ab Mittag setzte Regen ein, der sich bis zum Arbeitsende hielt. Deshalb verzichtete ich auf den Fußweg zurück (und auf die Einkehr auf einen Glühwein am Rheinpavillon) und nahm die Bahn. Den Glühwein gab es dann an einer etwas abgelegenen Bude auf dem Weihnachtsmarkt in der Innenstadt, der trotz Regen recht gut besucht war, insbesondere die überdachten Trinkstellen.

Abends war ich ein weiteres Mal auf dem Weihnachtsmarkt, nun mit dem Liebsten, zum Abendessen (erst Reibekuchen, dann Bratwurst) und auf ein Warmgetränk, derweil bei immer noch leichtem Regen eine feuchte Kälte langsam durch die Jacke drang.

Auf dem Rückweg reservierten wir für den Vorheiligabend in unserem Lieblingsrestaurant. Es ist immer schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.

Woche 30: Wenn es warm ist

Montag: Gut geschlafen von gestern 23:00 bis heute 6:30 Uhr. Das sind siebeneinhalb Stunden Schlaf, somit fast so lang wie ein normaler Arbeitstag. Warum nur muss sich ein Arbeitstag so viel länger hinziehen als eine in sanften Träumen durchschlummerte Nacht?

Die erste Hälfte des Tages verbrachte ich mit ziemlich sinnlosem Kästchenausfüllen, was für einen Montag gleichwohl die angenehmere Tätigkeit ist gegenüber der von Halbwissen und Unlust getrübten Überarbeitung einer Prozessbeschreibung.

Dienstag: Skype-Konferenz. Die Einladende kommt sieben Minuten zu spät und fragt: „Wer ist denn schon alles da?“

„Das Projekt läuft im grünen Fahrwasser“, sagt der Projektleiter und freut sich selbst über die Formulierung. Sofort stellen sich Bilder algenbedeckter, übel riechender Tümpel ein.

Mittwoch: Es ist warm. Sehr warm. Und es soll noch wärmer werden. Ich mag es, wenn es warm ist. Und ich beneide Leute, die dann so ins Werk gehen können:

Donnerstag: Ja, es ist heiß.

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Am kühlsten ist es zurzeit übrigens im Büro, wo die werksinterne Temperaturregelung bestens funktioniert. Das kann natürlich kein hinreichender Grund sein, sich dort länger aufzuhalten als unbedingt nötig.

Freitag: Abends beim Aperol im Garten. Der Liebste: „Kuck mal, die Hortensien sind von der Hitze auch schon ganz ausgeblichen.“ – Ich: „Ja, tatsächlich!“ – Er: „Nicht die, das sind Weiße!“ Ornithologie ist nicht so meins.

Samstag: Gunild Lohmann schreibt im General-Anzeiger über Narzissten:

Was fehlt in diesem unserem egomanen Zeitalter, sind die stillen Wasser. Die sind nämlich tief. Und spiegelglatt. Und an jedem stillen Teich könnte ein Trump, Johnson oder Bohlen sich selbst anschmachten, bis er sich in eine Narzisse verwandelt. Wir hätten blühende Landschaften.

Abends aßen wir im Außenbereich eines griechischen Restaurants in der Fußgängerzone. Am Nachbartisch eine französische Familie mit zwei Jungs von etwa sechs bis acht Jahren. Während der Wartezeiten spielten die beiden auf der Straße vor dem Restaurant: Der eine balancierte einen Plastikteller auf einer Stange, so wie man das früher öfter im Fernsehen sah, der andere schleuderte mit einem Seil einen sich nach innen verjüngenden runden Gegenstand in die Luft und fing ihn mit dem Seil wieder auf. Ihr Essen verzehrten sie ohne Geplärre oder Streit, auch aßen sie ohne elterliche Ermahnung ihre Teller leer. Danach widmeten sie sich wieder dem Spiel auf der Straße. Warum ich das notiere: Nicht ein einziges Mal schauten sie, weder Eltern noch die Jungs, auf ein Datengerät. Vielleicht hatten sie gar keins.

Sonntag: Die Hitzewelle ist erstmal abgeebbt.

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Entdeckt im Kundenmagazin der Lufthansa:

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„Hochwasserhose“ steht wohl auch bald in einem Lexikon der aussterbenden Wörter.

Hier lesenswerte Gedanken zum Thema Urlaub.