Woche 44/2023: Rache der ignorierten Halloweenisten

Montag: Vergangenen Nacht träumte ich, ein von mir regelmäßig und gern gelesener Blogger aus Hamburg hätte dieses geschrieben: »Die Söhne haben inzwischen ihre eigenen Wohnungen. Bald ziehen bei ihnen junge Damen ein, vorübergehend, nur für wenige Wochen. „Herbstunterstützungsbeilage“ nennen die Söhne das.« Niemals schriebe der geschätzte Mitblogger das, und doch freut es mich, mir das Wort „Herbstunterstützungsbeilage“ bis zum Morgen gemerkt und es notiert zu haben.

Um 6:30 Uhr schlug die Realität zu. Kann eine Woche gelingen, die ohrwurmend mit dem unsäglichen „Und wenn sie tanzt“ im Radio beginnt? Wir werden sehen.

Dienstag: Laut einem Zeitungsbericht über das von vielen empfundene und für mich völlig nachvollziehbare Unbehagen, das einst von Schulsport und Turnhallen ausging, ist Sport das gefährlichste Schulfach. Nicht Religion, wer hätte das gedacht.

Ein anderer Zeitungsartikel widmet sich einem aktuellen Skandal im Rheinauenpark, die dortige Nutria-Population betreffend. Seit einiger Zeit werden die pelzigen Racker von Jägern „entnommen“, wie es wohl in deren Jargon heißt, da sie sich mangels natürlicher Feinde stark vermehren und erhebliche Schäden anrichten, was sie, am Rande bemerkt, sehr menschlich erscheinen lässt. Das tun die Jäger augenscheinlich recht gründlich, jedenfalls ist mir bei meinen mittäglichen Runden durch den Park schon länger kein Nutria mehr begegnet.

Nun aber hat sich wohl ein des Metzelns Unbefugter der Tiere angenommen und laut Zeitung zwei „Nutriababys“ erlegt, dazu ein Bild mit vier betroffen blickenden Personen, vor ihnen die nekrotisierten Nager. Dass hier kein Jäger am Werke gewesen war, wurde ihnen zuvor von einem solchen, von einem Tierarzt (nach Röntgenuntersuchung der Leichen) sowie einem Tiernotrufexperten übereinstimmend bestätigt; so kommt man zu dem Schluss: »Das war eine Privatperson, die Nutrias wirklich hasst.« Man erstattete Anzeige wegen Verstößen gegen Tierschutz-, Jagd- und Waffenschutzgesetz; die Existenz von letzterem war mir neu. Die Stadt Bonn erwägt zudem einen Strafantrag wegen Wilderei. Meine Güte. Halb Bonn steht Kopf wegen zweier Junginvasivschädlinge, die ohnehin in absehbarer Zeit ganz legal eliminiert worden wären. „Aber die sind doch so niiiiedlich …“

Ansonsten ignorierten wir, wie jedes Jahr, dieses Halloween.

Morgens

Mittwoch: Nach feiertagsangemessener, nicht allzu später Aufstehzeit frühstückten wir zur Feier des Tages auswärts im Café, wo wider Erwarten noch ein Tisch frei war. – Rache der ignorierten Halloweenisten: Wie wir bei Rückkehr bemerkten, wurden die unteren Etagen unserer Hausfassade vergangene Nacht von mehreren tieffliegenden Eiern getroffen. Sehen wir es positiv, Eiwürfe sind besser als eingeworfene Scheiben oder farbbeschmierte Wände. Regen und eimögende Kleinlebewesen werden sich derer in nächster Zeit annehmen.

Nachmittags begaben sich der Liebste und ich ins Vereinshaus der Karnevalsgesellschaft, um bei den Vorbereitungen für das große Ordensfest am kommenden Freitagabend zu helfen. Zur Stimmungsaufhellung wurde Sekt gereicht.

An so einen arbeitsfreien Tag in der Mitte der Woche könnte ich mich gewöhnen, der Verzicht auf Tanzveranstaltungen erscheint mir dafür vertretbar.

Donnerstag: Der Tag war von heftigen Winden umtost. Morgens sah ich in der Innenstadt umgewehte Pflanzenkübel, vom Außengastronomiemobiliar losgelöste Planen und auf dem weiteren Weg abgebrochene Äste teilweise in einer Stärke, wie man sie sich besser nicht auf den Kopf fallen lässt. Auf dem Radweg am Rhein nur wenige Fahrräder, auf dem Rhein selbst außergewöhnlich geringer Schiffsverkehr, wohl eher nicht windbedingt. Dazu dunkles, eilig vorüberziehendes Gewölk. Nur die Berge des Siebengebirges leuchteten in der Ferne in herbstlichen Farben, als ob sie durch eine nicht erkennbare Wolkenlücke von der Sonne beschienen würden.

An den Arbeitstag schloss sich die diesjährige Eigentümerversammlung an, auch so eine Angelegenheit, mit der ich am liebsten nicht behelligt werden möchte, gleichwohl notwendig, dabei nur geringfügig vergnüglicher als eine Wurzelbehandlung.

Freitag: Wie bereits berichtet, wurde gestern der erste Weihnachtsmarkt in Essen-Steele eröffnet. Glühwein bei fünfzehn Grad Außentemperatur ist ja mittlerweile auch im Dezember nicht mehr ungewöhnlich. Dennoch erscheint es als eine sehr großzügige Auslegung des Lichterkettengesetzes.

Wie ich erst heute erfuhr, gibt es neben Black Friday und Cybermonday einen weiteren Eintrag im Kalender des Konsumwahnsinns: Am 11.11. ist in China Singles Day, an dem sich alleinstehende Chinesen selbst beschenken. Verhängen die Hersteller und Lieferanten unterleibserfreuender Spezialspielzeuge in dieser Zeit ihren Angestellten eine Urlaubssperre?

Nicht nur im April tragen die Zierkirschen ihren Namen zu recht

Abends beim Ordensfest der Karnevalsgesellschaft hatte ich meinen ersten Auftritt als Trommler im Musikzug. Voll zufrieden war ich mit meiner Leistung noch nicht, das wird schon mit der Zeit. Als einer von fünf Trommlern fällt man nicht so sehr auf wie als ein Trompeter von zweien oder gar als einziger Sänger. Gelernt: Bei Auftritten sollte man immer mindestens einen Ersatztrommelstock dabei haben. Während einer Musikpause hatte ich die Trommelstöcke unter den Arm geklemmt, um dem Präsidenten zu applaudieren. Dabei fiel ein Stock zu Boden und kullerte hinter die Bühne. Mein erfahrener Nebenmann reichte mir sogleich einen Ersatzschläger, daher war ich nicht zum vorläufigen Einhandtrommeln verurteilt, was im Übrigen, da ich ganz hinten stand, auch nicht weiter aufgefallen wäre.

Ordensfest zeigte sich am späteren Abend auch der Chronist. (Foto: Stefan Hamacher)

Samstag: Das Ordensfest wirkte in Form von leichten Kopfschmerzen nach, ich lerne es einfach nicht.

Mittags suchte ich zur Erledigung einer Geldangelegenheit die Postbankfiliale auf. Bei der Gelegenheit wollte ich zehn der neuen Loriot-Briefmarken kaufen, sind sie doch ein schöner Anlass, in letzter Zeit etwas eingeschlafene Brieffreundschaften wieder zu beleben. Leider ausverkauft. Die Brieffreunde müssen sich noch etwas gedulden.

Nachmittags begaben sich der Liebste und ich mit Konsumabsichten in die Innenstadt; bei C&A sind gerade die Hosen günstig, und Hosen kann man immer gebrauchen. Auch in Bonn sind bereits die ersten Buden aufgebaut, allerdings (noch) nicht aus Weihnachtsmarktgründen, sondern im Rahmen der Aktion „Bonn leuchtet“, bei der abends diverse Gebäude bunt angestrahlt werden, was mutmaßlich noch schöner ist, wenn man dabei ein Getränk oder eine Bratwurst in der Hand hält. Auch Glühwein und Eierpunsch sind bereits im Angebot, mein Bedarf daran war nicht nur wegen des äußerst ungemütlichen Wetters noch nicht geweckt.

Sonntag: Bermerknisse zum Tag sind hier nachzulesen, dem ist nichts hinzuzufügen.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche, kommen Sie gut dadurch.

Woche 46/2022: Wenn man sich wohlfühlt und Schweinefutterzusatzstoff als Zufluchtsort

Montag: Gewundert, mal wieder, über Kollegen, die ohne Not sonntags Mails schreiben.

Nach Feierabend suchte ich ein namhaftes Kaufhaus in der Bonner Innenstadt auf. Dort ist nun ein Teil der Rolltreppen außer Betrieb genommen worden, zur Energieersparnis, wie große, direkt vor den stehenden Treppen angebrachte Tafeln verkünden. Deswegen sind die stehenden Stufen nicht zugänglich, die Treppen somit auch als Nichtrolltreppen unbenutzbar. Stattdessen ist der Konsument, je nachdem, von welcher Seite er kommt, genötigt, nach Ankunft in der nächsten Etage eine Runde durch die Abteilung zu gehen, um per noch rollender Treppe ins nächste Stockwerk zu gelangen. Als Gernegeher beanstande ich das nicht, vielmehr frage ich mich, warum man überhaupt nur per Rolltreppe ins nächste Stockwerk gelangt, warum gibt es nicht auch ganz normale Treppen? Vermutlich gibt es die, irgendwo versteckt, wo man sie nicht auf Anhieb findet. Ich bin der Meinung, für Menschen ohne körperliche Einschränkungen oder unhandliche Traglasten gibt es keinen vernünftigen Grund, überhaupt eine Rolltreppe zu benutzen; Aufzüge erst ab fünf Stockwerken.

Dienstag: Erstmals kam es zu einem persönlichen Treffen mit Leuten eines IT-Dienstleisters, mit denen ich seit fast zwei Jahren gut und gerne zusammenarbeite und die ich bislang zwar regelmäßig, aber nur virtuell traf, und von denen ich zumindest teilweise nicht einmal wusste, wie sie aussehen, da sich kamerabegleitete Teams-Besprechungen bei uns erst langsam durchzusetzen beginnen, was ich bislang nicht vermisste. Das persönliche Treffen war sehr angenehm, wenngleich mir dabei deutlich wurde, wie wenig ich auch größere nicht-virtuelle Besprechungsrunden, bis März 2020 alltäglich, vermiss(t)e.

Abends aßen wir gemeinsam in einem vietnamesischen Restaurant, in dem ich bislang nicht gewesen war und das aufzusuchen ich mich ohne diese Einladung so bald auch nicht veranlasst gesehen hätte, manchmal hat man unerklärliche Vorbehalte gegenüber Unbekanntem. Das Essen war sehr gut, nicht zuletzt auch wegen der auf meinen Wunsch hin unterlassenen Korianderbeigabe. Mir ist völlig unerklärlich, wie man Koriander mögen kann. Ähnlich muss es schmecken, wenn man sich Seife über das Essen raspelt.

Mittwoch: Donald Trump hat (auf seinem Anwesen, wie berichtet wird) verkündet, demnächst wieder als Präsidentschaftskandidat antreten zu beabsichtigen. Als ob die Welt gerade nicht genug Krisen zu verkraften hätte.

Auf dem Rückweg zu Fuß vom Werk schnappte ich Gesprächsfetzen auf: „Das ist schon ganz nice“ und „Da hat man dann seinen eigenen space.“ Vielleicht ist das der Grund, warum junge Menschen heute kaum noch ohne Kopfhörer in der Öffentlichkeit anzutreffen sind, womöglich mögen sie den Unfug, den ihre Altersgenossen so von sich geben, einfach nicht hören. Beziehungsweise Altersgenossinnen, in diesem Falle war beides gesprochen von jungen Frauen. Sicher Zufall, es liegt mir fern, anzunehmen oder gar zu unterstellen, vor allem junge Frauen redeten dummes Zeug. Auch dieser Satz kam von einer jungen Frau: „Ich glaube, man bringt die beste Leistung, wenn man sich wohlfühlt.“ Wer wollte dem widersprechen.

Apropos wohlfühlen: Die Glühweinbude am Rheinpavillon hat nun wieder abends geöffnet. Das ist sehr erfreulich.

Besonders nice mit einem Hauch Amaretto

Nach Rückkehr musste ich mir von meinen Lieben anhören, ich röche wie ein Weihnachtsmarkt. Das war es wert.

Donnerstag: Heute legte ich mal wieder einen Inseltag ein, also einen anlasslos freien Tag zwischendurch. Warum ich diese Tage nicht auf einen Freitag oder Montag lege, werde ich gelegentlich gefragt. Nun: Ich mag diese Inseln im Fluss der Werktätigkeit. Die Arbeitswoche bis Mittwoch ist dadurch angenehm kurz, und am Freitag naht das Wochenende. Wohingegen sich die Rückkehr nach einem verlängerten Wochenende oft besonders mühsam anlässt. Darum Inseltage. Diesen nutzte ich für eine Wanderung durch die Wahner Heide südöstlich von Köln, die schon länger im Geplant-Ordner bei Komoot angelegt war. Das Wetter zeigte sich gnädig, nur ein paar wenige Regentropfen verlangten für kurze Zeit nach einer Kapuze, ansonsten blieb es trocken und mild.

Sehen Sie:

Bei Rösrath, kurz nach Betreten der Heide

Ebenfalls bei Rösrath

Vor Altenrath

Hinter Altenrath

Bei Lohmar

Vor Troisdorf. Im Vordergrund etwas verblühte Heide, also das namensgebende Kraut.

Während der Bahnfahrt nach Köln hörte ich eine Frau zu ihrem Begleiter sagen: „Ich finde das echt schwer, den Überblick zu behalten mit dem ganzen ab den Sechzigerjahren.“ Ich habe nicht genau mitbekommen, um was es ging; als 1967 Geborener stimme ich ihr jedenfalls uneingeschränkt zu.

Freitag: Manchmal, wenn ich Präsentationen anderer Bereiche sehe, bin ich froh, mit welchen Themen ich mich nicht beschäftigen muss.

Heute eröffnete der Bonner Weihnachtsmarkt. Unser Besuch am Abend fühlte sich unwirklich an, was nicht nur an den Männern in kurzen Hosen lag, die ich dort sah. Wie in besseren Zeiten strömten Menschen in großer Zahl durch die Budengassen und labten sich an Bratwurst, Backfisch und Warmgetränken. Erstmals wieder ohne Corona-Beschränkungen wie Masken, Impf-/Testnachweis und Abstände, als wäre es vorbei. Ich kritisiere das nicht, auch für mich hat die Seuche mittlerweile ihre Bedrohlichkeit weitgehend eingebüßt. Wenngleich mir bewusst ist, dass ich mich jederzeit erneut infizieren kann, nächstes Mal vielleicht mit langfristigen Folgen. Doch scheint mir die Gefahr zurzeit nicht größer, als während der Radfahrt ins Werk von einem Auto angefahren zu werden oder, wenn ich zu Fuß gehe, von einem irren Radfahrer, der während des Rasens durch die Fußgängerzone seine Aufmerksamkeit statt dem Fahrweg lieber dem Datengerät widmet.

Ist das wirklich so schwer?

Samstag: Im Rheinauenpark, durch den ich gelegentlich nach dem Mittagessen eine kleine Runde drehe, fand heute ein „Trauermarsch für die Nutrias“ statt, steht in der Zeitung. Damit will eine Initiative gegen das Abschießen der Tiere protestieren, die sich dort in den letzten Jahren mangels natürlicher Feinden stark vermehren und zunehmend aggressiv-futterfordernd gegenüber Parkbesuchern auftreten, wie mir meine Kollegin aus eigener Erfahrung bestätigte. Statt letaler Entnahme solle man sie sterilisieren, so die Forderung der Trauernden. Wie schön, wenn man keine anderen Probleme hat.

Ich werde alt. Das wurde mir mittags wieder auf dem Weihnachtsmarkt deutlich, wo ich einen bestimmten Stand suchte, den wir am Vorabend gesehen hatten, um auf Geheiß des Geliebten Trinkgefäße zu kaufen. Erst nach mehreren erfolglosen Runden über den Münsterplatz, wo ich mich mit den bereits um diese Tageszeit zahlreichen Besuchern im Tempo eines Gletschers durch die Gänge treiben ließ, fiel mir ein, dass sich der Stand in der Vivatsgasse befindet, wo ich ihn – immerhin – sofort fand und die Bierkrüge erstand.

Zahlreich auch die Kraniche, die nachmittags auf dem Weg Richtung Süden über das Haus zogen.

Nur eine von mehreren Formationen

Sonntag: Über Twitter wollte ich eigentlich nichts mehr schreiben. Einmal noch: Viele beklagen nun dessen Übernahme durch Elon Musk, der dort seitdem wütet und alles aus den Angeln zu heben im Begriff ist. Sie sehen sich dadurch aus ihrer digitalen Heimat vertrieben und beabsichtigen, Twitter zu verlassen oder haben es bereits getan. Als Zufluchtsort wird Mastodon genannt, was für mich weiterhin wie ein Schweinefutterzusatzstoff klingt.

Auch ich fühlte mich einst bei Twitter sehr wohl. Zehn Jahre lang, von 2009 bis 2019, betrieb ich dort einigermaßen – nun ja: erfolgreich ein Konto, hatte zeitweise mehr als tausend Follower. Mit der Zeit schwand die Freude daran, an meinem zehnten Jahrestag löschte ich das Konto. Die Gründe dafür habe ich hier und dort dargelegt. Doch bereits im August 2020 verspürte ich erneut Lust, wieder dabei zu sein, und legte mir einen neuen Anschluss zu. Was ich vorfand, war ein anderes Twitter als das, in dem ich mich früher so wohlgefühlt hatte. Zahlreiche derer, mit denen ich in gegenseitigem Gefolge verbunden war, fand ich wieder und folge ihnen erneut. Nur finde ich keinen Anschluss mehr: Fast keiner von ihnen folgt zurück, und wenn ich was schreibe, bleibt es ohne jede Resonanz. Wie ein Junge, der am Rand steht und den anderen beim Ballspielen zusieht, aber nicht mitspielen darf. Ein schlechtes Beispiel – ich verabscheue Sportarten mit Bällen. Besser dieses: Vielleicht kennen Sie die Szene von und mit Loriot, wo ein älterer Herr an einem Festessen teilnimmt und versucht, mit seinen Tischnachbarn ins Gespräch zu kommen, die sich untereinander bestens unterhalten, ihn jedoch beharrlich ignorieren. – Ich beklage das keineswegs im Sinne von „Keiner hat mich lieb“, bemerke es nur. Deshalb schaue ich nur noch unregelmäßig rein, noch seltener schreibe ich was. Wenn Herr Musk es demnächst stilllegen sollte, ist mir das egal. Mit Mastodon habe ich es bereits vor ein paar Monaten versucht, mich dort aber noch weniger wohl gefühlt. Daher ist das Konto längst wieder gelöscht.

Mit diesem Blog ist es ähnlich, mit dem Unterschied, dass es niemals „erfolgreich“ war und auch nicht sein soll. Dennoch beobachte ich jedes Mal mit einem ganz leicht in Richtung Neid tendierenden Gefühl, wenn in den Blogs, die ich regelmäßig lese, auf andere Blogs verwiesen wird, während das von mir hier Verfasste weitgehend unbeachtet bleibt. Das mag an dessen Qualität liegen, vielleicht weil es weder vegan noch gegendert ist. Wobei andere, die einfach nur täglich ganz knapp schreiben, was sie gegessen, getrunken und gelesen haben, dafür regelmäßig Gefallensbekundungen in zweistelliger Anzahl erhalten. (Die Gefällt-mir-Sternchen für dieses Blog würde ich übrigens gerne deaktivieren, finde die entsprechende Funktion bei WordPress aber nicht. Wenn jemand weiß, wie das geht, wäre ich für einen Hinweis sehr dankbar.) Bitte verstehen Sie auch das nicht als larmoyante Klage gegen die böse Blogwelt, es ist einfach so. Es gibt schlimmeres, zum Beispiel Koriander oder wenn irgendwo von „Mitgliederinnen und Mitgliedern“ zu lesen ist. – Ein paar regelmäßige Leserinnen und Leser gibt es hier, und darüber freue ich mich sehr. Daher wird dieses Blog weiterhin bestehen und regelmäßig beschrieben, selbst wenn Elon Musk irgendwann WordPress kaufen sollte, oder Donald Trump.

Diese Betrachtung ist nun länger geworden und hätte für einen separaten Aufsatz gereicht. Aber das würde dem Thema den Anschein einer Bedeutung verleihen, die es nicht hat.

Zum Schluss was Positives: Beim Spaziergang heute haben zweimal Autofahrer angehalten, um mich die Straße queren zu lassen, obwohl sie es nicht gemusst hätten. Daher nicht immer nur meckern.

Ein zusammenhangloses Bild vom Spaziergang

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Kommen Sie gut durch die Woche, lassen Sie sich nicht ärgern und umfahren.

Woche 5: Aus! Aus!

Montag: Wann stöhnt es sich wohliger, als wenn man montagabends nach dem end of business ins Sofa sinkt?

„Bomben könnten den Traum vom Frieden zerstören“, titelt der General-Anzeiger. Dabei denke ich mir zwei mit ernster Miene debattierende Loriot-Knollennasenherren. Nachdem der eine mit bedeutungsvoll geschlossenen Augen den oben genannten Satz gesagt hat, antwortet der andere: „Ach was.“

Dienstag: Vormittags verhindere ich Schlimmeres. Bitte stellen Sie sich hier einen siebensekündigen Film vor, den ich aus Persönlichkeits-, Daten- und Immisionsschutzgründen nicht zeigen kann. Er zeigt einige meiner Kollegen und mich beim Versuch, einem weiteren Kollegen, der zurzeit leider im Krankenhaus weilt, ein Geburtstagsständchen zu singen, auf dass der Genesende die Aufnahme per WhatsApp zugesandt bekomme. Ein jeder singt dabei in seiner eigenen Tonart. Nur durch energisches Eingreifen meinerseits („Aus! Aus!“) kann noch größeres Leid vermieden werden. Das klingt so:

In einer Präsentation lese ich „Multiplikatoren-Pyramide“. Das ist wohl das schönste Wort, welches mir in jüngerer Vergangenheit begegnet ist. Die Steinblöcke dieses Monuments sind Menschen, die anderen Menschen etwas beibringen sollen. Unter anderem sind sie „zuständig für das Vermitteln von Begeisterung“. Ich für meinen Teil bin hochgradig begeistert davon.

Offensichtlich begeistert waren auch ein siebzigjähriger Herr und eine vierunddreißigjährige Dame in Duisburg voneinander, was sie laut einem Zeitungsbericht dazu veranlasste, im Auto zu kopulieren. Während der Fahrt. Erst ein Zusammenstoß mit einem anderen Wagen löschte ihre Glut. Ob weitere Verkehrsregeln missachtet wurden, geht aus dem Bericht nicht hervor.

Mittwoch: Was mich zunehmend anwidert, sind Unternehmen und sonstige Institutionen, die mich ungefragt duzen.

Herr Levin mag das Wort „Narrativ“ nicht mehr hören und wünscht es auf den Friedhof der abgelegten Modewörter. Ich fürchte, ein Friedhof reicht nicht aus, um all die Wörter und Phrasen zu beerdigen, die ich nicht mehr hören und lesen mag.

Donnerstag: Es schneit. Sensation: „Im Bonner Hofgarten gelang sogar der Bau eines Schneemanns“, berichtet der General-Anzeiger auf der Titelseite.

Weniger bis gar nicht sensationell dagegen die Meldung, wonach die Sanierungskosten für die Beethovenhalle inzwischen bei 99,5 Millionen Euro liegen. Nachdem die Hundertmillionen-Grenze entgegen der Erwartung doch nicht bereits 2018 gerissen wurde, werden nun Wetten angenommen, ob sie noch im ersten Quartal dieses Jahres erreicht wird. Ich sage: ja. Wer hält dagegen?

„Same to you“, sagt der Kollege zur Verabschiedung aus der Skype-Konferenz. Ich verkneife mir ein „Du mich auch“.

Beim Mittagstisch in der Kantine sprechen wir über den Tod, was in keinem Zusammenhang mit der Qualität der dort angebotenen Speisen steht. Man sollte ruhig ab und zu darüber reden, auch wenn vielen das Thema nicht behagt. Oft ist es interessanter und unterhaltsamer als Fußball.

Freitag: Einmal noch, ein letztes Mal Günter Ogger:

„So schön die durchgestylten Verwaltungsgebäude vieler Unternehmen von außen aussehen – im Inneren herrscht oft das blanke Chaos. Chaotenbetriebe findet man allerdings weniger unter den jungen, am Rand des Wirtschaftsgeschehens dahindümpelnden Firmen als vielmehr im Zentrum der Großindustrie. Sie tragen auch durchaus vertraute Namen, wie Daimler-Benz, Siemens, Philips oder Hoechst.

Selbstverständlich würden sich die leitenden Herren mit Vehemenz gegen den Vorwurf wehren, sie wären Chaoten und ruderten ziemlich orientierungslos durch den Alltag. Denn nach ihrem Selbstverständnis dienen sie einem höchst effizienten, weltberühmten und äußerst klar strukturierten Unternehmen. Daß dem nicht so ist, wissen allenfalls die Klügeren unter den Bossen an der Spitze der Konzerne.“

(„Nieten in Nadelstreifen“, 1992)

Und die meisten Mitarbeiter, die wissen das auch, wäre zu ergänzen.

Samstag: Renovierungs- und Umgestaltungsmaßnahmen innerhalb der eigenen Räumlichkeiten sind ein Aufgabenfeld, auf dem ich kein besonders großes Talent entfalte. „Du musst die Arbeit sehen“, wird mir beschieden. Das sehe ich anders: Die Arbeit wird sich schon melden, wenn sie was von mir will.

Warum bin ausgerechnet ich mit einem ansonsten äußerst liebenswerten Menschen verheiratet, der auch bei Minusgraden alle fünf Minuten die Balkontür öffnet? „Hier drinnen ist schlechte Luft“, so die Begründung. Als ob kalte Luft keine schlechte Luft wäre!

Sonntag: Zu früher Morgenstunde höre ich draußen die erste Amsel singen. Möglicherweise wurde es versäumt, ihr die Uhr zu stellen. Oder ich habe das nur geträumt.

In der Sonntagszeitung lese ich einen interessanten Artikel über das Navigationssystem „what3words“. Entgegen sonstiger Gewohnheit lade ich die App auf mein Telefon. Der Schreibtisch, an dem diese Zeilen niedergeschrieben werden, steht demnach im Quadrat „farblos.wertvolle.fischte“. Aufgabe für die nächste Woche: Eine Geschichte ausdenken, in der diese drei Wörter vorkommen. Das Quadrat „end.of.business“ gibt es übrigens nicht.

Dieselbe Zeitung lässt wissen, trotz Zeiten ständiger Erreichbarkeit gelte es zunehmend als unschicklich, jemanden ohne vorherige Absprache anzurufen. Dem stimme ich vorbehaltlos zu. Schlimmer noch als unerwartete Anrufe empfinde ich indes, in der Fußgängerzone von duzenden, scheinbar gut drauf seienden, jungen Tier-, Kinder-, Natur- oder wen oder was auch immer -Schützern angequatscht zu werden. Das weiß auch Herr Buddenbohm, und er macht sich sehr lesenswerte Gedanken über die Schulung dieser Leute.

Über Schulschwänze, Erdbeben und andere Wetterphänomene

Auch im Internet-Zeitalter ist das gedruckte Wort nach wie vor ein unverzichtbares Mittel zur Befriedigung des menschlichen Informationsbedürfnisses. Hier ein paar besonders eindrucksvolle Beispiele journalistischer Schreibkunst:

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(Quelle nicht mehr nachvollziehbar, vermutlich Welt Kompakt. Oder General Anzeiger Bonn. Auf jeden Falls eins von beiden.)

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(General Anzeiger Bonn)

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(General Anzeiger Bonn)

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(General Anzeiger Bonn)

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(Welt Kompakt)

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(General Anzeiger Bonn)

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(General Anzeiger Bonn)

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(Psychologie Heute)

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(Psychologie Heute)

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(General Anzeiger Bonn)

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(General Anzeiger Bonn)

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(General Anzeiger Bonn)