Woche 29/2022: Ächz!

Montag: Es gab schon montäglichere Montage. Ab Mittag wurde es ziemlich warm, morgen wird es heiß.

Abends auf dem Weg zum Supermarkt gingen zwei Herren vor mir her, die ihr Polohemd als Angehörige eines regionalen Sicherheitsdienstes auswies. Der eine hatte die Haare an den Seiten kurz geschoren, dazu trug er einen langen Zopf. Der andere, augenscheinlich etwas älter, war von hagerer Gestalt, mit einem großen Ohrring und großflächig tätowiertem Unterarm. Im Dunklen möchte man denen mit Sicherheit nicht begegnen.

Laut Zeitung hat heute Namenstag, wer Answer heißt. Noch Fragen?

Dienstag: Warmsinn. Angeblich der heißeste Tag des Jahres, ist zu lesen. Mit Blick auf den Kalender hätte ich keine Hemmungen, dagegen zu wetten. Eine Wetterwette. (Verzeihung.)

Ansonsten war der Werktag dank heruntergelassener Jalousien und Ventilator durchaus erträglich, wobei die Mittagsrunde durch den Park nicht allzu lang ausfiel. Notiz an mich: Demnächst für die Rückfahrt mit dem Rad eine kurze Sporthose einpacken. Wobei mittlerweile niemand mehr Anstoß daran nimmt, wenn an heißen Tagen auch männliche Kollegen mit kurzer Hose ins Werk kommen, sogar im Mutterhaus, wo man vor einigen Jahren noch schief angekuckt wurde, wenn man ohne Krawatte erschien. So ändert sich manches auch zum Guten, auch wenn ich selbst noch nicht so weit bin, beruflich Bein zu zeigen.

„Wann wird‘s mal wieder richtig Sommer?“ sang Rudi Carell in den Siebzigern. Vermutlich kommt das auch bald auf irgendeinen Index.

Mittwoch: In einem Artikel über den heißen Sommer 2003 schreibt die Zeitung „die Gletscher ächzten“. Dazu stelle ich mir ein Donald-Duck-Comic vor, wo ein Gletscher zu sehen ist, an den die legendäre Erika Fuchs eine Sprechblase „Ächz!“ geschrieben hat.

Ächzanlass haben auch die Wasservögel im Rheinauenpark, weil ihr See noch immer einer Sandwüste gleicht.

Blick auf das Mutterhaus

Da es auch heute warm werden sollte, packte ich morgens die gestern vermisste Sporthose ein und zog sie vor der Rückfahrt an. Merke: Trägt man als Mann eine Sporthose ohne Innenhose und darunter Boxershorts, muss man beim Radfahren ein wenig acht geben, dass nichts heraus hängt.

Einen anderen Weg der Abkühlung wählte abends der Geliebte, indem er „All I Want For Christmas“ von Mariah Carey spielte und im Rahmen seiner Möglichkeiten mitsang.

Donnerstag: Den donnerstäglichen Fußmarsch ins Werk brach ich ab wegen Regens und stieg nach etwa einem Kilometer in die erstaunlich leere Stadtbahn. Nach dem Aussteigen an der Zielhaltestelle überholten mich erst ein junger Mann in Daunenjacke, dafür knöchelfrei, dann eine Frau ohne Jacke, die sich als Regenschutz eine zusammengefaltete FFP2-Maske auf die Kopfoberseite hielt.

Vormittags brachte eine Brandschutzübung Abwechslung in den Arbeitstag, immerhin bei Sonnenschein und allgemein guter Stimmung. Man weiß nicht, was im Ernstfall schlimmer wäre: die Rauchentwicklung oder der ohrenschmerzende Alarmton in den Fluren.

Zurück ging ich zu Fuß, den leichten Niesel ignorierend. Auf halber Strecke begegnete mir einer sprechend, ohne erkennbare Kopfhörer oder sonstige Telekommunikationsmittel. Entweder hielt er ein ausführliches Selbstgespräch, oder irgendeine technische Innovation habe ich mal wieder versäumt.

Auf dem Rückweg. Heller wurde es nicht mehr.

In einer internen Mitteilung ist von „weiblichen Mitarbeitenden“ zu lesen. Gender-Gaga.

Gelesen:

Biologisch gibt es zwei Geschlechter, wobei das soziale Geschlecht, also das Gender, natürlich facettenreicher sein kann. Aber was weiß ich schon? Auf die uralte Frage „Ist es ein Mädchen oder ein Junge?“ werden die Ärzte im Kreißsaal bald antworten: „Keine Ahnung, das müssen Sie es schon selbst fragen.“

Jochen-Martin Gutsch im SPIEGEL

Freitag: In der Kantine gab es Fisch, wie jeden Freitag. Auch so etwas, das ich bislang nicht hinterfragte und was deswegen unbeantwortet blieb. Das ist nicht schlimm, Hauptsache es schmeckt, wie Oma immer sagte.

Samstag: Da ich im vergangenen Jahr an entscheidender Stelle nicht Nein gesagt habe, erforderten ehrenamtliche Verpflichtungen, mit deren Inhalt ich Sie nicht unnötig langweilen möchte, eine erneute Reise nach Ostwestfalen, dieses Mal mit dem Auto. Wie auf der Hinfahrt im Radio zu hören war, fand im nordostwesfälischen Hille ein Kaninchenhochsprungwettbewerb statt, unter strenger veterinärischer Aufsicht zur Wahrung des Tierwohles. Andere Menschen haben auch komische Hobbys.

Von den Lieben hatte ich den Auftrag erhalten, mehrere Kästen einer speziellen Limonade mitzubringen, die nur in Ostwestfalen erhältlich ist. Leider war sie bis auf einen Kasten ausverkauft und sie wird aus dem Programm genommen. Dafür gab es im Getränkemarkt noch Restbestände an Herforder Maibock, der unmöglich ungekauft bleiben konnte, auch wenn schon bald der August naht.

Sonntag: Ein weiterer warmer Tag. Auf Frühstück und Durchsicht der Sonntagszeitung folgte der übliche Spaziergang mit kurzer Einkehr.

Verstehe ich nicht
Alkoporn
Die Bonner Südstadt ist bekannt für ihre Gründerzeit-Bebauung und schattigen Alleen.

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Ich wünsche Ihnen eine angenehme Woche ohne Grund zum Ächzen.