Woche 27/2025: Auch gegenüber Nervensägen immer höflich bleiben

Montag: Die Büros waren für einen Montag ungewöhnlich stark belegt, was daran liegen mag, dass der Turm gut gekühlt ist, während draußen das früher sogenannte schöne Wetter vor sich hin glüht. Die Rückfahrt mit dem Rad war dementsprechend mühsam, irgendwas ist ja immer.

Nach Rückkehr holte ich in der nicht minder heißen Innenstadt Brötchen für das Abendessen. Dabei kam ich mal wieder an einem Stand junger Aktivisten vorbei, die unschuldigen Passanten ein Gespräch über ihr Anliegen aufzuzwingen suchten, vielleicht Kinder-, Tier- oder Klimaschutz, ich habe nicht so genau darauf geachtet. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das sind wichtige Anliegen, aber diese Leute sind unangenehm anstrengend. Als ich mich also näherte, winkte mir eine Aktivistin zu und rief mit der üblichen aufgesetzten Fröhlichkeit „Halloho!“ Da ich als überzeugter Passivist solchen Gesprächsgesuchen gegenüber nicht an einer Konversation interessiert war, erwiderte ich das Halloho nicht minder fröhlich und ging weiter meines Weges. Auch gegenüber Nervensägen immer höflich bleiben.

Früher lag die Macht in der Familie beim Besitzer der Fernseherfernbedienung. Heute ist es das Bedienaggregat für die Klimaanlage. (Geschrieben mit steifgefrorenen Fingern.)

Dienstag: Als ich morgens zu Fuß ins Werk ging, saß auf einer Bank am Rheinufer eine junge Frau und übte Blockflöte. Vor ihr stand ein Notenständer, die Noten waren daran mit Klammern befestigt, damit sie nicht vom bereits morgens sehr warmen Südwind fortgeblasen wurden. Sie spielte nicht schlecht, doch begann sie das mir unbekannte Stück mehrfach von vorn. Ganz offensichtlich spielte sie nicht für Publikum oder mit dem Ziel, dafür von Passanten Münzen zu beziehen, jedenfalls stand kein Sammelbecher vor ihr. Warum sie als Ort für ihr Üben das Rheinufer anstatt der heimischen Stube wählte, weiß ich nicht. Vielleicht ist es dort zu warm oder sie hat geräuschsensible Nachbarn. Ähnliches gilt vermutlich für den schon vor einiger Zeit erwähnten Trompetenspieler, der täglich mittags in der Tiefgarage des Mutterhauses übt, wo es schön hallt, aus den Schächten herausschallt und weithin zu hören ist. Nein, nicht schön: Nie hörte ich ihn ein Lied oder wenigstens Teile davon spielen, immer nur wiederkehrende, öde Tonfolgen. Dabei erreicht er erstaunliche Höhen, jedenfalls manchmal, wenn er den Ton trifft. Gleichwohl, hören möchte man es nicht. Dagegen war die Flötistin richtig gut.

In einer Stellungnahme las ich das schöne Wort „Erwachsenenunterhaltung“ als Umschreibung für unterleibserfreuende Anregungsmedien und notierte es für alle Fälle.

Heimweg durch Schatten
Heiß

Aus der Zeitung:

(General-Anzeiger Bonn)

Aufgrund einer spontanen Idee des Liebsten gab es zum Abendessen Sushi, für mich zum ersten Mal. Hat gut geschmeckt, gerne wieder. Und das mit den Stäbchen versuchen wir beim nächsten Mal.

Mittwoch: Heute sei der heißeste Tag des Jahres, sagte morgens der Mann im Radio. Anfang Juli eine eher gewagte Prognose.

Nachmittags hatte ich einen Termin in einem anderen Gebäude unweit des Mutterhauses. Der Weg dorthin und zurück fühlte sich an, als würde ich von einem riesigen, unsichtbaren Fön auf höchster Temperaturstufe angeblasen. Um dem ganzen noch eine gewisse Absurdität zu verleihen, trug ich eine Fleecejacke im Unternehmesdesign mit mir für einen Fototermin, die dann doch nicht gebraucht wurde.

„Jetzt müssen wir aber wirklich was gegen den Klimawandel tun“ ist mal wieder überall zu hören. Morgen wird es kühler, dann sind die Benzinpreise wieder wichtiger. Wohlstand, Wachstum, Wirtschaft und so. Und die nächste Urlaubsreise in sonnige Gefilde, die haben wir uns nun wirklich verdient.

Letzten Freitag schrieb ich: „Für die Rückfahrt mit dem Fahrrad war ich genötigt, eine neue Strecke zu nehmen, weil die bisherige Route inklusive möglicher Varianten wegen mehrerer Baustellen zurzeit nicht nutzbar ist. Ging auch. Mal sehen, wie lange, ehe auch diese wegen neuer Bautätigkeiten unpassierbar wird.“ Raten Sie mal, was heute auf der Rückfahrt den Weg versperrte. Immerhin kann man die neue Baustelle über die Auto-Fahrbahn umfahren. Dafür sind auf der Zu-Fuß-Strecke zwei Baustellen beendet, wie ich bereits gestern mit freudigem Staunen zur Kenntnis nahm.

„China drängt nach Europa“, so der Titel eines Zeitungsartikels. Liest sich nach einem größeren tektonischen Vorhaben.

Donnerstag: Auf vielfachen Wunsch einer einzelnen Person habe ich meine freien Donnerstage auf die geraden Wochen verlegt. Was nicht heißt, dass ich heute ins Werk führe, vielmehr ergeben sich durch die Änderung zwei freie Donnerstage in Folge.

Am Vorabend brachte eine Kaltfront mit Gewittern, die um Bonn freundlicherweise herum zogen, eine gewisse Abkühlung, so wurde es heute nicht wärmer als fünfundzwanzig Grad: Wanderwetter. Das nutzte ich für eine Wanderung durch den (oder das?) Königsforst östlich von Köln, eine Tour, die mir die liebe Kollegin schon vor längerer Zeit empfohlen hat.

Die Anfahrt mit der Bahn gestaltete sich gewohnt abenteuerlich – eine Regionalbahn verschwand ohne Begründung plötzlich von der Anzeige, die nächste war verspätet. Aber ich hatte Zeit und erreichte vor der Mittagsstunde die Zielhaltestelle.

Die ersten Kilometer der Wanderung erschienen zunächst etwas eintönig mit geraden, breiten Wegen, doch dann wurde es deutlich abwechslungsreicher. Für warme Tage ist die Strecke ideal: überwiegend im Wald, keine nennenswerten Steigungen und Stolperstellen, und mit achtzehn Kilometern nicht zu lang. Höhepunkt der Tour, jedenfalls geografisch, ist der Monte Troodelöh, laut Beschilderung der höchste Punkt Kölns. Es gibt sogar ein Gipfelbuch, in das ich mich selbstverständlich eintrug. Im Gegensatz zur Zugspitze, wo wegen des hohen Andrangs kürzlich ein zweites Gipfelkreuz aufgestellt wurde, wie dieser Tage zu lesen ist, war hier nichts los.

Insgesamt war es wieder beglückend. Die Rückfahrt mit der Bahn verlief pünktlich. Einziges Bemerknis war ein Jungvater ein paar Reihen weiter, der lautstark offenbar mit Frau und Kind videotelefonierte und dabei immer wieder die Fragen „Wo ist Luca? – Wo ist der Papa?“ Für jedermann hörbar ins Abteil stellte. Sie konnten nicht abschließend geklärt werden, weil der Papa noch was arbeiten und deshalb Schluss machen musste. Ein allgemeines Aufatmen ging durch den voll besetzten Wagen. Nach Ankunft in Bonn wie üblich Currywurst und Bier, letzteres ungegrillt, siehe oben.

Sonstige Erkenntnisse des Tages:

1) Schön an einer Wanderung alleine sind stets die Selbstgespräche, ohne dass jemand „Was?“ sagt.

2) Im Kölner Ortsteil Heumar gibt es eine Straßenbahnhaltestelle „Autobahn“. Warum? Warum gerade dort? Köln ist umringt von Autobahnen, wer Zeit und Lust hat kann gerne recherchieren, an wie vielen Stellen diese von einer Straßenbahnlinie gekreuzt werden. Gibt es in Heumar nichts anderes, das als Haltestellennamensgeber herhalten kann?

Sehen Sie:

Birken
Gipfelschild
Mit dem Link ist das wie bei Hunden, die an jede Laterne urinieren müssen
An diesem Weiher nahm ich das Mittagessen zu mir, derweil das Telefon sich an der Pauerbenk labte
Suchbild mit Fröschen
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Freitag: Jemand schreibt „der Zustellende“ statt „der Zusteller“. Wenn die Gendersprache im Singular regelmäßig an ihre Grenzen stößt. Mehr gibt es über den Tag nicht zu berichten, es war ja auch gestern genug.

Samstag: Über Nacht hatte sich das iPhone nahezu vollständig entladen, vielleicht hatte ich es am Vorabend nach dem letzten Glas Rosé nicht korrekt auf die induktive Ladefläche gelegt. Daher musste ich das Gerät zurücklassen, als wir aushäusig frühstücken gingen. Das fühlte sich erstaunlich normal an, ich habe es nicht vermisst und geriet ob der Offleinigkeit nicht in Unruhe. Das finde ich beruhigend.

Heute ist schon der 186. Tag des Jahres. Anstatt diese unabänderliche Tatsache zu beklagen, beantworte ich lieber eine weitere der tausend Fragen. Frage Nr. 186 lautet: „Worüber grübelst du häufig?“ Das kann ich kurz machen: gar nichts. Oder länger: Ich neige nicht dazu, meine Gedanken längere Zeit um ein Problem kreisen zu lassen ohne Aussicht auf eine Lösung. Vielleicht weil ich zum Zeitpunkt der Niederschrift in der glücklichen Situation bin, von größeren Sorgen ungeplagt zu sein, weder finanzieller noch gesundheitlicher oder beruflicher Natur. Auch gelingt es mir ganz gut, die großen Krisen der Welt, die ich nicht beeinflussen kann, nicht allzu nah an mich heranzulassen. Zudem habe ich keine Kinder, um deren Zukunft ich mich sorgen müsste. Auch das ist sehr beruhigend.

Sonntag: Nach strukturellem Biertrinken auf dem Godesberger Parkfest am Vortag, wo die Karnevalsgesellschaft mit Getränkeausschank und Grillstand vertreten war, blieben wir heute etwas länger liegen. Dabei verpassten wir nichts, es regnete den ganzen Tag und es hat sich deutlich auf unter zwanzig Grad abgekühlt. Das war kein Grund, auf den Spaziergang am Nachmittag zu verzichten, der mit einer Runde durch die Nordstadt und an den Rhein etwas kürzer ausfiel und gastronomisch unbegleitet blieb. Etwa auf halber Strecke bemerkte ich, dass es eine ganz gute Idee gewesen wäre, die wasserdichten Wanderschuhe anzuziehen, leider zu spät. Trotz riesigem Regenschirm, unter dem eine vierköpfige Familie Platz hätte, gelingt es mir nie, die Füße trocken zu halten. Nur wenige Menschen zog es bei dem Wetter nach draußen, die Rheinpromenade war nahezu menschen- und fahrradleer, das Tor zum Lieblingsbiergarten verschlossen. Bedauerlich war das Wetter für die Teilnehmer an der heutigen CSD-Parade in Köln, die dadurch die Wahl hatten zwischen Frieren und weniger Haut zu zeigen.

Promenade, menschenleer

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die voraussichtlich nicht zu warme Woche.

Woche 26/2024: Von keinerlei Fußballgetöse belästigt

Montag: Die zweite Urlaubswoche begannen wir mit einer längeren Radtour über Le Barroux, La Roque-Alric und Suzette, dank Elektrounterstützung auch in dieser herausfordernden Topografie wieder sehr vergnüglich. Das Fahrrad hat vier Fahrstufen, von wenig bis viel Schubkraft. Warum ausgerechnet die zweitstärkste Stufe „Sport“ heißt, erschließt sich nicht direkt.

Unterwegs hörte ich laut und deutlich eine Zikade zirpen. Das fand ich beruhigend, siehe meine vergangenen Dienstag geschilderten diesbezüglichen Ausfallerscheinungen.

Blick auf Le Barroux
La Roque-Alric
Drogenanbau bei Suzette mit Blick auf den Mont Ventoux
Provencepostkartenmotiv am Col de la Chaîne
Der Chronist in touristischer Betätigung

Nach Rückkehr in Malaucène suchten wir für das Belohnungsgetränk die Lieblingsbar auf. Von unserem Platz aus sahen wir auf einen Stromverteilkasten, der vermutlich nach heftiger Berührung mit einem Kraftfahrzeug völlig demoliert war, Techniker waren bereits mit der Behebung des Schadens beschäftigt. Dadurch fiel in den umliegenden Gaststätten der Strom aus. Nach einiger Zeit hatte die Techniker offenbar einen Weg gefunden, die Stromversorgung an dem zerstörten Verteiler vorbei wieder herzustellen, begleitet von einem allgemeinen erleichterten Aaah … gingen Lichter und Musik wieder an. Die Versorgung mit Kaltgetränken war zu jeder Zeit sichergestellt.

Abendessen erstmals in einem sehr netten Bistrot in Beaumont-du-Ventoux, hin und zurück mit den Fahrrädern. Während der Rückfahrt wurde beeindruckendes Abendrot geboten.

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Dienstag: Heute unternahmen wir eine Ausfahrt in Richtung Luberon, zunächst zur als Postkartenmotiv bekannten Abbaye de Sénanque. Auf die Idee waren augenscheinlich auch viele andere Touristen gekommen, es herrschte ein ungewöhnlich hoher Andrang an Menschen und Fahrzeugen, deshalb verzichteten wir auf einen Ausstieg; wir kennen den Ort von früheren Besuchen, sehr viel wird sich seitdem nicht verändert haben.

Archivbild von 2022

Weiter ging es nach Fontaine-de-Vaucluse, um einen Blick in das Quellbecken zu werfen. Dieser wurde dem geneigten Touristen verwehrt, etwa hundert Meter vor der Naturattraktion versperrt eine massive Holzbarriere den Weg wegen Steinschlaggefahr. Auch das war verschmerzbar, aus Vorjahren kennen wir die Quelle in allen Pegelständen. Ungetrübt dagegen das Vergnügen einer Einkehr in das nahe Restaurant Philip, eine der schönsten mir bekannten Gaststätten direkt an und mit Blick auf die soeben entsprungene Sorgue.

La Sorgue kurz nach dem Schlüpfen
Alte Elektrikerregel: immer schön im Stromkreis arbeiten

Wichtiger Bestandteil eines Urlaubs ist das Schreiben von Postkarten. Das erledigte ich nach Rückkehr in Malaucène, während ein paar Regentropfen fielen. Vielleicht kommen die Karten ja vor uns in Deutschland an.

Mittwoch: Das Ende des Urlaubs rückt näher. Nach Besuch des örtlichen Wochenmarktes sowie der Poststelle zum Erwerb von Briefmarken* unternahmen wir die letzte Radtour, morgen geben wir die Räder wieder ab. Diese führte durch den Nachbarort Entrechaux. Bei der Planung der Tour führte uns die Komoot-App gleichsam hinter die Fichte, ein Streckenabschnitt erwies sich als fahrraduntauglicher Waldpfad über groben Schotter, beinahe wäre der Liebste abgeworfen worden. Nach spontaner Umplanung wurde es dennoch ganz schön.

*Sondermarken mit Baguette-Motiv, die angeblich sogar danach riechen, wenn man daran reibt. Ich rieche allerdings nichts, jedenfalls nichts brotähnliches. Vielleicht ist nicht nur mein Gehör eingerostet.

Entrechaux

Daran schloss sich ein ruhiger, von sanftem Lufthauch umspielter Liegestuhlnachmittag an. Für das Abendessen hatten wir vormittags auf dem Markt eingekauft, im Haus waren ausreichend Getränke vorrätig, somit bestand kein Grund, das Grundstück heute noch einmal zu verlassen.

Einer der zahlreichen Vorzüge dieses Ortes: Man wird von keinerlei Fußballgetöse belästigt.

Donnerstag: Bezüglich des Wochentags gilt weiterhin der bereits in der Vorwoche geäußerte, mit noch deutlicherer Betonung auf och nö.

Ein sehr heißer Tag ohne nennenswerte Luftbewegungen. Nach dem Frühstück fuhr der Liebste zur Einkäufe-Erledigung nach Vaison, ich blieb im Schatten sitzen und widmete mich einer bereits vor drei Jahren begonnen, danach nicht mit gebotener Konsequenz weitergeführten Schreibarbeit. Der Schreibfluss stellte sich bald wieder ein, die Worte flossen zu Papier. In meinem Kopf ist die Geschichte, ganz ohne autobiografische Anteile, Liebesbeziehungsgewusel und Kopulationsanbahnungen, schon lange fertig, sie muss nur noch aufgeschrieben werden. Bis zu meiner Pensionierung könnte es geschafft sein, vielleicht auch erst wenig später. Es hat keine Eile.

Nachmittags brachten wir die Fahrräder zurück, anschließend kühlten wir uns innerlich unten im Ort per Getränke, ehe wir uns durch die Hitze wieder nach oben zu unserem Haus bemühten. Erstmals in diesem Urlaub erlag ich nach Rückkehr der Verlockung der äußerlichen Kühlung im Schwimmbecken und erwog kurz, auch das Abendessen darin einzunehmen.

Ich äußerte es bereits, wiederhole es aus gegebenem Anlass gerne: Roxanne von The Police ist ein ganz und gar furchtbares Lied.

Freitag: Auch den letzten Urlaubstag verbrachten wir ohne besondere Aktivität bei erheblicher Hitze. Nach dem Frühstück trug ich zum letzten Mal den Liegestuhl in den Garten unter die Zypresse, um mich der Lektüre zu widmen und am Dasein zu erfreuen. Die Rasenfläche drumherum ist übersät mit kleinen weißen Schnecken zwischen wenigen Millimetern und maximal etwa einem Zentimeter Größe. Nicht hunderte, es müssen tausende sein, die regungslos an den Halmen harren und dort die Hitze verschlafen, an manchen Büschen in größeren Gruppierungen. So viele, dass es nicht möglich ist, den Garten zu betreten, ohne einige von ihnen zu zertreten, wie sie, vergeblich, durch sanftes Knacken unter jedem Schritt kundtun. Tut mir leid.

..
Nur der HERR hat sie gezählet

Nachmittags suchten wir zur äußeren Kühlung nochmals das Schwimmbecken auf, wo ich, als Karma-Ausgleich für die zertretenen Schnecken, mehrere Großameisen, Minigrashüpfer und einen Marienkäfer vor dem Ertrinken rettete. Die Grashüpfer waren allerdings zu blöd und hüpften gleich wieder rein.

Auf den Gang in den Ort zur inneren Kühlung verzichteten wir wegen der Hitze, erst abends gingen wir runter zur traditionellen Letztabendpizza.

Ansonsten lag die übliche Urlaubsendmelancholie über dem Tag. Die meisten Sachen sind gepackt, morgen früh verlassen wir diesen wunderbaren Ort mit der Aussicht auf Rückkehr für eine Woche Anfang Oktober. Falls bis dahin Reisen nach Frankreich noch ratsam erscheinen, keine neue Pandemie ausbricht oder anderes Ungemach droht, man muss ja leider mit vielem rechnen. Bis dahin ist es zu Hause in Bonn auch ganz schön.

Samstag: Vielleicht um den Abreiseschmerz zu lindern lag morgens gelblicher Dunst in der schon warmen Luft, die nächste Lieferung Saharasand. Über den Bergen dunkle Bewölkung, Vorboten der für heute erwarteten schweren Gewitter, insofern war der Abreisetag gut gewählt. Die Gelbfärbung blieb während weiter Strecken der Fahrt erhalten, ab und zu fiel etwas Regen, der sandige Pusteln auf dem Wagen hinterließ.

À bientôt! (Warum das Schild – nicht nur hier – umgedreht ist, können Sie bei Bedarf hier nachlesen.)

Die Außentemperatur lag laut Anzeige stets um die dreißig Grad, sogar noch am frühen Abend in der Eifel, was einen interessanten Widerspruch bildete zum trüben Himmel und der Klimaanlagenkühle im Wagen. Nur bei den Halten zum Fahrerwechsel bestätigte sich die Richtigkeit der Anzeige.

Nach zehneinhalb Stunden Fahrt kamen wir zu Hause in Bonn an, wo der Geliebte im Rahmen seiner Möglichkeiten Wiedersehensfreude zeigte.

Zur Nacht kamen auch hier heftige Gewitter auf.

Sonntag: Eines der nächtlichen Gewitter grummelte bis zum Mittag noch etwas nach.

Während des Brausebades sang Bob Marley im Radio „No Woman No Cry“. Wenn du wüsstest, rief ich ihm gedanklich zu.

Auch heute passten meteorologische Optik und Temperatur nicht zusammen. Nur selten zeigte sich kurz die Sonne, dennoch war es auch für eine wandelnde Frostbeule wie mich im T-Shirt draußen gut auszuhalten. Der erste Sonntagsspaziergang nach dem Urlaub fiel daher lang aus mit Einkehr in der Südstadt. Am Nebentisch unterhielten sich zwei junge Frauen mit dem üblichen Vokabular wie „krass“, „what?“ und „mega“. Außerdem fiel mehrfach „random“, das ich nachschlagen musste. Danach war ich mir nicht sicher, ob es immer passte.

Ein Blick über den Rhein auf das sonnenbeschienene Siebengebirge brachte schließlich erneut die Erkenntnis: So ganz schlecht ist es hier auch nicht. Und der Juli-Inseltag steht schon im Kalender.

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 26: C’est pas normal

Montag: „So perfekt kann der Morgen starten – denn der fruchtig-florale Guavenduft der Pflegedusche Bio-Guave/Grüne Minze* kombiniert mit einer frischen Minznote* belebt die Sinne und sorgt für gute Laune und den perfekten Wohlfühlmoment. Dusch dich einfach glücklich!“, lese ich auf der Tube eines Körperpflegeproduktes. Dass der an aufgelöste Gummibärchen oder ein bekanntes flügelverleihendes Koffeingetränk erinnernde Geruch den Weltschmerz eines gewöhnlichen Montagmorgens in einen fruchtig-floralen Wohlfühlmoment verwandelt, scheint indes zweifelhaft. Aber im Urlaub bin ich auch montags glücklich, mit wie ohne Gummibärenshampoo.

* (An diesen Stellen denken Sie sich bitte Kommas, auf der Tube fehlen sie.)

Dienstag: Im Urlaub gilt, was auch im Alltag gelten sollte, aufgrund beruflicher Fremdbestimmung jedoch nur schwer umzusetzen ist: Warum um sieben aufstehen, wenn die Welt um zehn auch noch da ist? Aber ach, hier in Malaucène wie zu Hause in Bonn: Spätestens ab acht redet irgendwo einer, Musik erklingt oder ein Handwerker lässt seine Gerätschaften brüllen.

„Alles gelb!“, ruft der Geliebte für gewöhnlich entsetzt aus, wenn nach Pollen- oder Sandflug alle Flächen stumm nach dem Putzlappen verlangen. Gleichlautend heute mehrfach mein Ausdruck des Entzückens, als wir während einer Autofahrt in die Umgebung durch ein Meer aus blühendem Ginster fuhren. Der Lavendel benötigt unterdessen noch ein paar Tage oder Wochen bis zur Postkarten- und Touristenlinsenreife.

Anschließend über den Mont Ventoux. Es ist ja schon verrückt genug, diesen Berg mit dem Fahrrad zu bezwingen, was dennoch erstaunlich viele glauben tun zu müssen. Doch gibt es nichts, was sich nicht steigern ließe: Wir sahen einen, der sich mit einem Tretroller quälte, also nicht so ein Elektroding, wie es jetzt die Großstadthipster nutzen dürfen, sondern einer mit vorne und hinten jeweils einem großen Rad und einem Trittbrett dazwischen, ohne weitere technische Unterstützung. Bergauf wäre er ohne das Vehikel vermutlich schneller und unangestrengter voran gekommen. Demnächst erklimmen sie den Mont Ventoux dann mit Rhönrad, Kett- oder Bobby Car?

Mittwoch: Die Gorch Fock soll bis Herbst nächsten Jahres fertig werden, steht in der Zeitung. Ob Frau von der Leyen wohl oft vor dem Einschlafen „Gorch Fuck“ ins Kissen murmelt?

Wo wir gerade beim Liegen sind: Eine der wichtigsten Errungenschaften menschlichen Schaffens ist zweifellos der Liegestuhl. In einem solchen lese ich zurzeit das wunderbare Buch „Lippen abwischen und lächeln“ von Max Goldt, meinem Lieblingsautor, der das Prinzip „Sätze sind Schätze“ perfekt beherrscht. Wie diesen:

„Nur im US-Bundesstaat Illinois gilt Pluto noch als Planet, weil dort Clyde Tombaugh geboren wurde, der als Entdecker der seit ihrer Degradierung weltweit immer mehr geliebten Fernkugel gilt.“

Allein für das Wort „Fernkugel“ bin ich geneigt, ihn zu küssen, selbst wenn ich mich dazu aus dem Liegestuhl erheben müsste.

Donnerstag: Zur Vermeidung größerer Hitzeschäden verdünnisieren wir uns für mindestens zwei Tage in die Alpen, wo es allerdings, trotz Ansicht beschneiter Gipfel, ebenfalls alles andere als kühl ist.

(Blick von der Restaurant-Terrasse unseres Hotels in Monetier-les-Bains)

Am Abend schauen wir rosébegleitet vom Balkon aus den Sternen beim Aufgehen über den Bergen zu. Dazu kommt man ja sonst auch viel zu selten.

Freitag: Tag zwei unserer alpinen Hitzeflucht. Während Monetier-les-Bains seinen Charakter eines alten, gewachsenen Alpendorfs bewahrt hat, finden wir hier in Les 2 Alpes (der Ort heißt wirklich so) einen reinen Touristenort vor, der ausschließlich aus Hotels zu bestehen scheint. Im Winter muss das hier eine Filiale der Hölle sein. Doch auch jetzt begegnen uns ständig Skifahrer in voller Montur mit ihren Gleitbrettern über der Schulter, ein bei Temperaturen um dreißig Grad irritierender Anblick.

Wenige Stunden später verstehe ich, nachdem wir erst mit der Seilbahn, dann mit einer interessanten Mischung aus U- und Standseilbahn auf dreitausenvierhundert Höhenmeter fuhren, wo ich unerhofft mit völlig ungeeigneten Sommerschläppchen durch echten, tiefen Schnee stapfe.

Schrieb ich am Dienstag, es sei verrückt, mit dem Fahrrad oder Tretroller über den Mont Ventoux zu fahren? Es geht noch viel verrückter:

Wie ich bereits bemerkte, besteht dieser Ort überwiegend aus Hotels. Umso schwerer wiegt die Frage, warum wir ausgerechnet in dem Hotel untergekommen sind, das am Abend im Außenbereich eine Party mit Livemusik feiert. Immerhin gab es Feuerwerk. Aus gegebenem Anlass: Jede Cover-Band sollte gegen Unterschrift zur Kenntnisnahme folgenden Merksatzes verpflichtet werden: Finger weg von AC/DC, ihr könnt nur verlieren!

Samstag: Auf der Rückfahrt nach Malaucène machten wir noch einen Abstecher (auch so ein beklopptes Wort, selbstverständlich wurde niemand abgestochen) nach Alpe d’Huez, ein Ort, der Les 2 Alpes in künstlicher Touristen-Kulissenhaftigkeit in nichts nachsteht. Was mich durchaus selbstkritisch fragen lässt: Muss man wirklich mit der Seilbahn auf jeden Berg kommen? Muss man wirklich auch im Sommer Ski fahren oder in Schläppchen durch Schnee stapfen? Muss man im Winter frische Erdbeeren essen? Nun könnten Sie zu recht fragen: Muss man wirklich mit einem Dieselauto fast tausend Kilometer von Bonn nach Südfrankreich fahren und wieder zurück? Nein, vermutlich muss man nicht, macht es aber trotzdem. Der Mensch ist ein inkonsequentes Wesen.

Am Abend beobachte ich eine kleine Eidechse, wie sie erst senkrecht die Hauswand hochkrabbelt, dann kopfüber unter einem Fenstersturz verschwindet. Als wäre die Schwerkraft für sie aufgehoben. Man muss nicht mit der Seilbahn auf dreitausend Meter hoch fahren, sondern nur ab und zu den Blick vom Telefonbildschirm heben, um echte Naturwunder zu erleben.

Sonntag: „Très chaud / C’est pas normal“ („Sehr heiß / nicht normal“) hört man in diesen Tagen alle klagen. Der Klimawandel ist im Alltag angekommen. Ob es was nützt? Wurde eigentlich schon die Verschwörungstheorie geäußert, die Hitze sei „von denen da oben“ gesteuert, um uns von anderen Themen abzulenken?

Nachtrag am späten Sonntagabend: Da die Hitze in der Provence in den Bereich des Unerträglichen stieg und keine Milderung in Aussicht steht, beschlossen wir mittags spontan, die Flucht nach Hause zu ergreifen, zumal wir diesbezüglich vor vier Jahren schlechte gesundheitliche Erfahrungen machten, man wird schließlich nicht jünger. Diese Zeilen wurden somit in heimischen Bonner Gefilden geschrieben, wo es zwar nicht kühl, aber auch nicht mehr so heiß ist. Besser ist das.

Man muss viel trinken!

Es begann am Freitag in der Provence, am Tag vor der Abreise nach zwei Wochen Urlaub in diesem Ort, der uns mittlerweile so vertraut ist. Die Tage waren nahe an dem, was ich mir unter dem Paradies vorstelle: Sonne, Temperaturen um die dreißig Grad, über uns fast nur blauer Himmel. Jeden Morgen um neun, manchmal auch halb zehn aufgestanden, wohingegen ich am Wochenende zu Hause selten vor halb elf aus dem Bett komme, und das auch nur, wenn es unbedingt sein muss; in Ruhe gefrühstückt vor unserem Haus, frisches Baguette, das der Liebste zuvor aus der örtlichen Bäckerei geholt hatte, und die Bonner Tageszeitung, welche dank technischer Errungenschaften auch dort tagesaktuell auf dem Datengerät zu lesen ist; dabei aufmerksam die Entwicklungen in Griechenland verfolgt und bei meinem Arbeitgeber, der sich seit geraumer Zeit in einer Art Krieg mit der Gewerkschaft befand.

Letztere trübte meine Urlaubsfreude ein ganz klein wenig – viel öfter als mir lieb war, schweiften meine Gedanken ab ins Büro nach Bonn. In diesen unruhigen Zeiten, wo man schon in einer normalen Arbeitswoche nicht wusste, was der nächste Tag bringen mochte, was sie sich wieder ausgedacht haben, die eine wie die andere Seite, um einander zu ärgern, was erwartete mich da erst nach zwei Wochen Urlaub? Nein, ich mochte noch nicht an Montag denken, der kam früh genug (und war, rückblickend, überhaupt nicht schlimm).

Zurück in die Provence: Sehr viel haben wir nicht gemacht, ein paar Ausflüge in die nähere Umgebung, nach Vinsobres, Nyons, Buis-les-Baronnies (siehe dazu auch den letzten Eintrag), Avignon (zum ersten Mal von Carpentras aus mit dem Zug, der seit diesem Jahr nach 77 Jahren wieder fährt!), Cairanne, La Fare und Châteauneuf-du-Pape. Die eingepackten Wanderschuhe blieben leider unbenutzt, dazu war es einfach zu warm. Ansonsten verliefen die Tage fast alle gleich: Nach dem Frühstück das Geschirr abgewaschen, was ich dort ausgesprochen gerne tue, fast hat es etwas meditatives; während mir zu Hause die Geschirrspülmaschine als eines der wichtigsten Hausgeräte erscheint, noch weit vor dem Fernseher, wäre sie dort das vorletzte, was mir fehlte – das letzte wäre der Fernseher.

Die meisten Stunden – mal abgesehen von schlafen – verbrachten wir im Schatten des Hofes, lesend (unter anderem Peter Mayle, der sich ja bekanntlich entschied, sein Leben ganz in die Provence zu verlagern, was aus verschiedenen Gründen für mich nicht in Frage käme, und zwei Bücher gegen den Arbeitsfetisch, welche meiner Freude, Montag wieder ins Büro zu gehen, nur wenig dienlich waren, mir andererseits aber keine für mich akzeptable Alternative dazu aufzeigen konnten), ein wenig schreibend, oder nichts tuend: Während die Gedanken schweiften (leider auch immer wieder ins Büro, siehe oben, von wo ich sie jedoch so schnell wie möglich wieder zurück riss wie einen Hund, der sich schnüffelnd nicht vom Laternenpfahl trennen kann), betrachtete ich den blauen Himmel über mir, die groben, mit Grün bewachsenen Steinmauern des Hofes, die Bienen im Lavendelstrauch, oder nur meine Füße vor mir (der linke ist auch nach der OP noch etwas krumm, aber das zu beklagen wäre wohl gleichzusetzen mit Luxus-Lamoyanz, um die altbekannte Phrase „Jammern auf hohem Niveau“ nicht noch weiter abzunutzen; im Übrigen strebe ich schon aus Altersgründen keine Karriere als Badehosen-Model oder Pornodarsteller an, vielleicht in einem späteren Leben).

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Pünktlich um vier Uhr nachmittags kam dann Nachbar K herüber, um uns zum Nachmittagsbier abzuholen, welches wir in der Bar unter schattigen Platanen zu uns nahmen. Man soll bei Hitze viel trinken. Vor dem Abendessen stand stets ein Pastis mit eisgekühltem Brunnenwasser auf dem Tisch. Das Essen nahmen wir anschließend in einem der Restaurants oder nebenan in K’s kühlem Hof zu uns, dazu selbstverständlich Wein, meistens Rosé, und aus Gründen des Anstandes und einer Anmutung von Vernunft unverdünntes Wasser. Nach dem Essen dann noch ein Nachtglas Rosé vor unserem Haus bei flackerndem Kerzenlicht, meistens wurde daraus eine Flasche. Danach ins Bett, selten später als 22 Uhr. Das schaffe ich zu Hause selbst unter der Woche kaum.

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Wie das immer so ist – ich schaue auf den Kalender und denke: noch sieben Wochen bis zum Urlaub (dem ich dieses Mal so sehnsüchtig wie schon lange nicht mehr entgegengesehen hatte). Wie schnell vergingen diese sieben Wochen, und wie schnell erst recht die zwei Wochen Urlaub, trotz gepflegtem Nichtstuns!

Doch dieses Mal nahm der Urlaub ein wenig erfreuliches Ende. Am Freitag, ein sehr schwüler und heißer Tag, machten wir den Ausflug mit dem Zug nach Avignon. Schon auf dem Bahnhof von Carpentras fühlte sich der Liebste nicht recht wohl, dieses Unwohlsein verstärkte sich nach der Ankunft in Avignon, so dass wir in der dortigen Markthalle nur schnell das nötigste kauften, ein Vorgang, der sich unter normalen Voraussetzungen über Stunden erstrecken kann, und fuhren mit dem nächsten Zug zurück. Wieder in unserem Haus angekommen, verschlechterte sich sein Zustand weiter, so dass wir schließlich entschieden, einen Arzt zu rufen.

Doch wie macht man das in einem provencalischen Dorf am Freitagabend? Ruft man auch die 112 wie bei uns? Selbst wenn das geklärt ist, wie macht man sich verständlich bei mangelhaften Sprachkenntnissen wie den meinen? Das Idyll, welches mir die Tage zuvor als eine Art Paradies erschienen war, wurde plötzlich zu einem Ort der Bedrohung, in dem ich mich nackt und hilflos fühlte.

Doch dann lernte ich Hilfsbereitschaft kennen: Ich schilderte dem Wirt der Bar, der etwas deutsch spricht, mein Problem, und plötzlich kam eine rege Diskussion unter den Barbesuchern auf mit dem Ergebnis, man müsse die Feuerwehr rufen. Ein sehr freundlicher, deutsch sprechender Belgier rief schließlich dort an und übersetzte die Fragen der Gegenseite und meine Antworten zu Alter, Art der Beschwerden und so weiter, auch wartete er mit mir, bis der Rettungswagen eintraf. Niemals wieder soll aus meinem Mund ein Wort gegen Belgier kommen, wenn sie zum Beispiel wie die Bekloppten über französische Autobahnen rasen.

Sie untersuchten den Liebsten, wahrscheinlich Hitzschlag, und brachten ihn zur Sicherheit ins Krankenhaus von Vaison-la-Romaine. Ich fuhr mit K in unserem Wagen hinterher, das Nachmittagsbier und der Pastis des Abends waren rasch vergessen, ich fühlte mich nüchtern (und war es wahrscheinlich auch).

In Vaison angekommen, lernte ich kennen, was ich bislang nur aus irgendwelchen Fernsehserien kannte: im Krankenhaus sitzen und auf die Nachricht hoffen, dass alles in Ordnung sei; bei Dallas saßen sie, so weit ich mich erinnere, in jeder zweiten Folge im Dallas Memorial Hospital und warteten – auf Pamela, die vom Pferd gefallen war, auf Sue Ellen, die besoffen vor den Baum gefahren war, und mit dem alten Jock Ewing war auch immer was, vielleicht war es auch Bobby oder Cliff Barnes, was weiß ich, egal; unglaublich, was für unsinnige Gedanken einem in dieser Situation durch den Kopf gehen, wenn man nichts tun kann außer zu warten, dem Rauschen des Klimagerätes zuzuhören und die französischen Präventionsplakate auswendig zu lernen: „Bei Hitze viel trinken und genug essen, bei anhaltendem Unwohlsein die 15 anrufen“, aha, die 15 also, war das auch geklärt. Die bereitliegenden Zeitschriften rührte ich nicht an. Zum Glück war K bei mir, wartete mit mir und konnte übersetzen, wenn die gute Nachricht kam.

Die kam dann auch: Die Diagnose Hitzschlag wurde bestätigt, wir konnten zu ihm, er hatte schon wieder etwas Farbe im Gesicht. Zwei Infusionen und ein Abendessen später konnten wir zu dritt zurück fahren. Selten bin ich so gerne Auto gefahren!

Dazu hatte ich, der Autofahren nicht gerade als seine Lieblingsbeschäftigung bezeichnen würde, am nächsten Tag reichlich Gelegenheit, denn die Rückfahrt nach Bonn stand an. Da der Liebste noch immer etwas angeschlagen war, fuhr ich fast die gesamte Strecke, 970 Kilometer durch bis zu 40 Grad Hitze mit einem langen Stau in Lyon. Wenn innerhalb des Hauses der Geschirrspüler das wichtigste Gerät ist, dann ist es außerhalb die Klimaanlage des Autos, und die funktionierte tadellos und trug erheblich dazu bei, dass es ihm im Laufe der Fahrt immer besser ging. Doch nach elf Stunden Fahrt in Bonn angekommen, schlug die rheinische Schwüle mit voller Wucht zu und brachte sein wiedererlangtes Wohlbefinden innerhalb einer Stunde zum Schmelzen.

Da die drückende Hitze der Bonner Tallage auch am Sonntag nicht nachließ, verschlechterte sich der Gesundheitszustand weiter, so dass wir am frühen Nachmittag erneut den Notarzt riefen. Das erwies auch hier trotz Nummern- und Sprachkenntnis als gar nicht so einfach: Ich wählte die 112, beschrieb das Problem und beantwortete die üblichen Fragen. Der freundliche Herr der Notrufzentrale verwies mich an eine zentrale Arztrufzentrale. Diese nannte mir Name und Anschrift einer diensthabenden Ärztin, deren Praxis von 16 bis 17 Uhr geöffnet sei. Nach dem vorsichtigen Hinweis meinerseits, dass wir aber jetzt sofort Hilfe benötigen, wurde mir auch die Mobilnummer der Ärztin genannt. Die hatte jedoch anscheinend gerade zu tun, jedenfalls nahm sie meinen Anruf nicht an. Also wieder die 112, wo ich den freundlichen Herrn schließlich überreden konnte, einen Rettungswagen zu schicken, der auch bald kam.

Der weitere Verlauf war ähnlich wie zwei Tage zuvor in Frankreich: kurze Untersuchung im heimischen Bett, dann Transport in die Notaufnahme der Uniklinik auf dem Venusberg. Ich mit C in unserem Auto hinterher. Warten im heißen und vollen Wartesaal. „Sie können nun zu ihm“, hieß es bald. Untersuchung, Infusionen, Bestätigung der Diagnose Hitzschlag, „Haben wir ganz viele in diesen Tagen, die Leute trinken zu wenig.“

Wieder raus, warten. Draußen bewölkte es sich inzwischen, die Sonne verschwand, die Hitze blieb. Ich holte mir eine große Flasche Wasser aus dem Café, man muss viel trinken, ich weiß, spätestens jetzt weiß ich es. Wieder rein, Zustand und Laune des Liebsten verbesserten sich mit jedem Tropfen der Infusion. Gegen 18 Uhr platzten die Wolken, dicke Hagelkörner schlugen zu Boden und knallten auf die Blechdächer der Fahrradständer. Nach vielleicht zehn Minuten war es vorbei, Eisbrocken schmolzen, der Boden dampfte. Die letzte Infusion war durch, „Sie können nun gehen“, beschied ein netter junger Arzt dem Liebsten, „und nicht vergessen: viel trinken!“ Mit dreifacher Erleichterung fuhren wir nach Hause, über von Blättern und Zweigen grün bedeckte Straßen und durch tiefe Pfützen. Unterwegs kauften wir bei einer Tankstelle so viel Mineralwasser, wie wir tragen konnten.

Welche Erkenntnisse habe ich nun daraus gewonnen?
Erstens: Es ist fahrlässig, ja dumm, in ein anderes Land zu fahren, ohne die Nummer des Notrufs zu kennen.
Zweitens: Das schönste Idyll wird zur Bedrohungskulisse, wenn ein Notfall eintritt.
Drittens: Rosé, Bier und Pastis gelten nicht als Getränke im Sinne der Hitzschlagprävention.
Viertens: Nichts gegen Belgier!
Fünftens: Es ist schön, Freunde wie K und C zu haben. DANKE für euren Beistand in den Stunden bangen Wartens!!!
Sechstens: Man muss viel trinken.