Zwischen den Jahren

Die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester wird gerne „zwischen den Jahren“ genannt. Das ist natürlich Unsinn: Wie ein Blick in den nur noch dünnen Kalender zeigt, befinden wir uns noch immer im alten Jahr, das in letzten Zuckungen dem Ende entgegen siecht.

Und doch haben diese Tage etwas Zwischenzeitliches, jedenfalls wenn man keinen Urlaub hat: Die wesentlichen Aufgaben des Jahres sind erledigt, alles andere kann bis zum nächsten Jahr warten. Nächstes Jahr – wie fern das klingt, dabei ist es schon nächste Woche, übermorgen bereits. Man fängt nichts Neues mehr an, dafür macht man früh Feierabend, wenn man die Möglichkeit hat. Für das wenige, was noch zu tun ist, nimmt man sich Zeit, auch für Dinge, zu denen man sonst nicht kommt. Hektisch wird es erst wieder im neuen Jahr, wenn sie alle zurück sind aus dem Weihnachtsurlaub und die anderen mit Mails, Anrufen, Powerpoint und Besprechungen behelligen; alles dringend, alles wichtig.

Bis dahin herrscht himmlische Ruhe – das Telefon schweigt, kaum Maileingang, der Kalender terminfrei. Das Kantinenangebot ist eingeschränkt, wir sind noch satt von Weihnachten. Auch in den Büros ist fast niemand, daran wird sich indes auch im neuen Jahr so bald nicht viel ändern. Insofern hat „zwischen den Jahren“ noch eine andere, durchaus zutreffende Bedeutung bekommen.

Woche 42: Manchmal frage ich mich, wie lange sie mir das noch durchgehen lassen.

Montag: Im Vorbeigehen den Satz „Österreich kommt zu Kurz“ aufgeschnappt, vielleicht habe ich mich auch geirrt. Auf jeden Fall nicht schlecht.

Dienstag: „Wissenschaft, Religion, Moral, Kunst – all das ist ohne gemeinsames Bewusstsein und Nachdenken unmöglich“, so schreibt die PSYCHOLOGIE HEUTE in einem Artikel über die kognitiven Fähigkeiten von Tieren. Nachdenken als Voraussetzung für die Existenz von Religionen erscheint mir indes sehr zweifelhaft.

Mittwoch: Das neue Lied von U2 ist nicht schlecht. Vor dreißig Jahren hätte ich wohl den Aufnahmeknopf des Kassettenrekorders betätigt, um es, möglichst frei von Moderatorengequatsche, auf einer Kassette einzufangen, die ich später mit „Radio 1987“ beschriftet hätte.

Donnerstag: Während um mich herum geschäftige Hektik tobt, studiere ich in aller Ruhe den Pressespiegel. Manchmal frage ich mich, wie lange sie mir das noch durchgehen lassen.

Freitag: „Isch hasse Menschen Alter“, sprach am Morgen in der Bahn ein in Jogginghose gekleideter junger Mann zu seinem Gegenüber. Ich weiß genau, was er meint.

Samstag: Nach einem auch ansonsten sehr angenehmen Tag mit den Liebsten im Ahrtal war es dieser Moment um kurz nach achtzehn Uhr in Dernau, der meine Augen noch einmal zum Leuchten brachte:

Sonntag: Ich liebe den Herbst / wie er bunt färbt Baum und Busch / auch am trüben Tag.

kw42 - 1

(Vorstehende Zeilen sind die Antwort auf die Aufforderung von Quergefönt, ein Haiku über meinen Tag zu schreiben. Wobei ich keine Garantie dafür übernehmen kann, ob es sich hier tatsächlich um ein Haiku handelt.)