Montag: Eine lange Fünftagewoche ohne freien Donnerstag beginnt. Auch die geht vorüber.
Höhere Mächte verlangten bereits vormittags dreimal einen Neustart des Rechners. Das Gute: Auch das ist bezahlte Arbeitszeit. Ansonsten verlief der Arbeitstag angenehm und ohne nennenswerte Montäglichkeit. Nur eine einzige halbstündige Besprechung unterbrach mein emsiges Wirken, an der ich erst einige Minuten später teilnehmen konnte, weil nach dem dritten Rechnerneustart Teams und Kopfhörer erst wieder zusammenfinden mussten.
Am frühen Abend war wegen einer Vereinspflicht meine Anwesenheit in Bad Godesberg gewünscht. Da es sich nicht lohnte, zwischendurch nach Hause zu fahren, radelte ich über die Südbrücke ans andere Rheinufer, wo ich mir im Sonnenschein ein Stück Pflaumenkuchen und eine Tasse Kaffee gönnte, bitte denken Sie sich das entsprechende Bild dazu. (Und später ein klitzekleines Halbliterchen Hellbier, ich gebe es ja zu.) Ein wenig Urlaubsgefühl zum Wochenbeginn.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr es Fußgänger irritiert, wenn man mit dem Fahrrad vor dem Zebrastreifen für sie anhält.
Dienstag: Heute war perfektes Anzugwetter, was bei der Textilauswahl am Morgen entsprechende Berücksichtigung fand. Wie schön, dass der Lieblingsanzug, der nach der letzten Kleiderschrankaufräumaktion als einziger übrig geblieben ist, immer noch ziemlich perfekt passt. Dass man darin inzwischen auffällt, nachdem sich die Kleidungsgewohnheiten im beruflichen Umfeld spätestens seit der Corona-Pandemie deutlich gewandelt haben, stört mich überhaupt nicht. Wenn ich in Anzuglaune bin, trage ich einen Anzug.
Dank freiwilliger Meldung als Brandschutzhelfer erhielt ich im Rahmen einer örtlichen Einweisung durch den Werksoberbrandmeister Einblicke hinter Türen, die dem gewöhnlichen Mutterhausbewohner verschlossen sind. Das war sehr interessant. Die nächste Übung kann kommen. Der Ernstfall lieber nicht.

Die CDU/CSU hat sich auf Friedrich Merz als nächsten Kanzlerkandidaten geeinigt. Mir ist das egal, ich werde sie voraussichtlich nicht wählen. Nicht, weil ich sie für schlechter als andere hielte, indes kann ich keiner Partei meine Stimme geben, die „Christlich“ in ihrem Namen trägt, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Politik und Religion konsequent voneinander getrennt gehören, auch im Namen.
Mittwoch: Auch heute nutzte ich das Anzugwetter. Im Büro geriet ich in einen erfreulichen Flow-Zustand. Ein Zusammenhang zur Bekleidung ist weitgehend auszuschließen.
Dessen ungeachtet verband ich abends einen Gesundheitstermin mit einem Besuch des Rewe, wo ich aus der vielfach umstrittenen, da angeblich zu frühen Adventsauslage einen kleinen Vorrat* an Nougat-Marzipan-Baumstämmen erstand. „Sie wollen wohl einen Wald pflanzen“ scherzte die Dame an der Kasse. Schon Alf wusste: Es ist nie zu früh und selten zu spät.
*zehn Stück
Während seit einigen Tagen die Daunenjacke einsatzbereit am Garderobenhaken hängt und schon mehrfach in Gebrauch war, kehrte nachmittags der Sommer noch einmal zurück mit milder Luft und erfreulichen Anblicken. Mal sehen, wie lange er bleibt; mich stört er nicht.
Das Laufen am Abend geriet trotz bester Rahmenbedingungen und passender Musikbegleitung wieder sehr schwerfällig.
Donnerstag: Heute war es schon morgens fast wieder etwas zu warm für eine Anzugjacke. Aber eben nur fast.

Erwartungshaltung ist auch so ein Wort, das deren Nutzer sich etwas bedeutender fühlen lässt.
Freitag: In der Kantine gab es hausgemachten Backfisch. Was auch immer das in Kantinenzusammenhängen bedeuten mag. Im weitesten Sinne ist ja alles hausgemacht, das nicht unter freiem Himmel produziert wird, insofern taugt dieses Attribut nur wenig, die Qualität eines Produktes anzupreisen. Der Fisch schmeckte jedenfalls ganz passabel, nur der Kartoffelsalat entfaltete mit einsetzender Sättigung ein leicht seltsames Aroma, deshalb blieb ein Rest ungegessen auf dem Teller zurück.
Stefan Raab treibt wieder sein mediales Unwesen, wie dieser Tage überall zu vernehmen ist. Von mir aus. Ich fand den schon früher sch mochte den schon früher nicht, es ist nicht damit zu rechnen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird.
Der Liebste hat für uns eine Woche Flusskreuzfahrt* in Frankreich im nächsten Jahr gebucht. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Rhône herab, doch ist es immer schön, wenn man sich auf etwas freuen kann.
*Ja ich weiß: So ein Schiff ist eine Dreck- und CO2-Schleuder, die Arbeitsbedingungen des Personals fragwürdig. Auch ich bin halt nicht konsequent.
Samstag: Aus Gründen, die bei der Gestaltung des Vorabends zu suchen sind, erwachte ich mit einer gewissen Todessehnsucht, die bis in den frühen Nachmittag anhielt. – In der Tageszeitung ein Artikel über das Arbeitsethos der Japaner, für die unbezahlte Überzeitarbeit selbstverständlich ist. Manche arbeiten sich gar zu Tode, dafür haben sie ein eigenes Wort: „Karoshi“. Ich weiß nicht, was mich eines Tages hinraffen wird, Karoshi wird es wahrscheinlich eher nicht sein.
Nicht nur Menschen sterben, auch Sprachen. Dazu ein Artikel in derselben Zeitung mit dieser schönen Feststellung: „Dabei hat die Kultur eines Sprachsystems nichts mit seiner Größe zu tun. Im Gegenteil: Bei 100 Millionen Sprechern ist das Risiko viel größer, dass Leute wie Mario Barth dabei rauskommen.“
„Wie wir alle 100 werden“ lautet die Titelgeschichte des SPIEGEL in dieser Woche. Das muss nun wirklich nicht sein.
Nachmittags unternahm ich einen Spaziergang zur Wiederbelebung der Lebensgeister. In der Fußgängerzone ein verhaltensauffälliger Mann, der lautstark und heftig unter Gebrauch von Fäkalausdrücken auf die Italiener schimpfte und ankündigte, sie alle aus dem Land zu treiben. Ein bei uns eher selten geäußertes Feindbild. Was genau er den Italienern vorwarf, wurde nicht deutlich und ich verzichtete darauf, ihn zu fragen.
Abends waren wir nach längerer Zeit wieder im Malente-Theater, dieses Mal spanischer Themenabend. Es wurde viel gelacht. Erstaunlich viele Plätze blieben unbesetzt, das habe ich dort bislang so noch nicht erlebt.
Sonntag: Am voraussichtlich vorläufig letzten Sommertag* machten der Liebste und ich uns mittags auf zu einer Radtour über eine Teilstrecke der sogenannten Apfelroute, von Bonn durch das Vorgebirge bis Walberberg, zurück durch die Felder. Die Hinfahrt war aufgrund mehrerer Steigungen streckenweise anstrengend, der Liebste mit seiner Elektrounterstützung klar im Vorteil, wohingegen ich mich rein mechanisch hochkurbeln musste, unterbrochen von mehreren notwendigen Verschnaufpausen.
*Kalendarisch ist es auf jeden Fall der letzte Sommertag, wettermäßig wird man sehen
Dabei durchfuhren wir mehrere recht idyllische Orte wie Brenig, Dersdorf und Kardorf, die ich alle, man glaubt es kaum, bislang nicht kannte. In letzterem bot eine kleines Dorffest mit Getränkebude eine willkommene Erfrischung von innen. Die äußere Erfrischung erfuhren wir auf dem Rückweg bei Unterquerung der Autobahn 555 bei Hersel. Der Boden der Unterführung war mit Wasser bedeckt, wie tief, war nicht zu erkennen, also fuhren wir durch. Dann wussten wir es: bis über Pedalhöhe. Freundlicherweise befindet sich kurz dahinter eine Pausenstation mit Bänken, wo wir uns der durchnässten Socken entledigen konnten. Da es auch heute recht warm war, war das kein Problem.
Die Ebene zwischen Bonn und Köln ist geprägt vom Gemüseanbau. Mit ihren Gewerbegebieten und Hochspannungsleitungen nahm ich die Gegend beim Durchfahren mit der Bahn oder dem Auto über die 555 bislang als langweilig bis hässlich wahr. Der Eindruck wurde mit der Radtour heute widerlegt. Demnächst werde ich mal eine Wanderung dorthin planen. Zu Fuß sieht man ja nochmal mehr als mit dem Rad.


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Kommen Sie gut durch die Woche, genießen Sie den Herbst.







