Woche 21/2025: Gequälte Ukulelen und liederliche Zeichensetzung

Montag: Wochentagsübliche Müdig- und Antriebslosigkeit lagen über dem Arbeitstag. Dazu mehrere Besprechungen, deren Anzahl und Länge in keinem vertretbaren Verhältnis zu meinem Redebedarf standen. Auch mein Interesse am Besprochenen ließ zu wünschen übrig, immer wieder schweifte ich gedanklich ab und verwünschte stumm die endlosen Wortgirlanden.

Mittags wurde anlässlich eines erfolgreichen Projektabschlusses Pizza spendiert. Obwohl mein Beitrag zum Gelingen nahe Null lag, war ich zum Mitessen eingeladen. Dafür entfielen der Gang in die Kantine und der Treppensteig zurück. Man kann nicht alles haben.

Aus Datenschutzhinweisen: „Deine Teilnahme an der Befragung ist freiwillig. […] Klicken Sie hier für weitere Details.“ Derartige Liederlichkeiten beobachte ich zunehmend, anscheinend werden Texte vor Veröffentlichung nicht mehr durchgelesen, vielleicht schlägt auch hier der allgemein beklagte Personalmangel zu. Vielleicht bin ich auch zu empfindlich geworden.

Dienstag: Da die Wetterprognose Anzugwetter in Aussicht gestellt hatte, wählte ich nach langer Zeit, nach Monaten, vielleicht Jahren, morgens den Anzug als Arbeitskleidung, den letzten und einzigen, den ich nach der letzten großen Kleiderschrankbereinigung noch besitze, der nach vielen Jahren immer noch passt und den ich weiterhin liebe, sofern dieses Verb bezüglich Textilien und außerhalb fetischistischer Veranlagung angebracht ist, Sie wissen schon, wie es gemeint ist. Im Werk fällt man als Anzugträger inzwischen auf, die Kleiderordnung hat sich seit der Seuche stark gewandelt, was nicht zu beklagen ist, vor allem den früher üblichen und erwarteten Krawatten trauere ich kein bisschen nach. Jedenfalls fühlte ich mich im Anzug wieder sehr wohl und nahm mir baldige Wiederholung vor.

Regelmäßig amüsieren mich Autofahrer, die vor der roten Ampel warten und irgendwann, wenn die Geduld knapp wird, mehrfach einige Zentimeter vorfahren in der Hoffnung, die Ampel dadurch zum Ergrünen zu bewegen. Ähnliches widerfuhr mir morgens vor einer Fußgängerampel, die wegen starken Autoverkehrs besser nicht missachtet werden sollte. Die blieb heute ungewöhnlich lange rot. Irgendwann ging ich einen Schritt vor, um zu schauen, ob sich vielleicht doch eine Verkehrslücke für mich ergab. In dem Moment schaltete sie für den Straßenverkehr auf rot und ließ mich passieren. Es scheint doch zu funktionieren.

Wie epubli per Mail mitteilte, hat im April jemand mein Buch gekauft. Ich danke herzlich und wünsche viel Vergnügen damit.

Weg ins Werk

Mittwoch: Nach einem Tag voller Ereignisse, deren keines hier der Notiz bedarf, verbrachte ich den Abend bei einer Lesung im Pantheon in Beuel, was sich mit einem längeren Abendspaziergang verbinden ließ; ich bin ja der Meinung, jede Strecke bis zu vier Kilometern sollte man, wenn man Zeit hat, zu Fuß zurücklegen. Ich schweife ab. Es lasen: Horst Evers, Dietmar Wischmeyer, Lara Ermer, Philipp Scharrenberg und Nektarios Vlachopoulos.

Horst Evers kenne ich als Autor mehrerer Bücher, er schreibt so ähnliches Zeug wie ich, nur in gut; Dietmar Wischmeyer aus dem Radio in den Neunzigern und dem Fernsehen in der heute-Show; die drei anderen kannte ich bislang nicht. Es war großartig, ich habe im wahrsten Sinne Tränen gelacht. Am besten gefielen mir die Texte des Gastgebers Horst Evers und die von Dieter Wischmeyer; die anderen drei waren indes auch gut. Satz des Abends, von Evers: „Wenn Männer Ukulelen quälen / soll man Makrelen nicht bestellen.“ Wenn Herr Evers mit seinen Freunden oder allein mal in Ihre Stadt kommen sollte, gehen Sie hin, es lohnt sich. Oder hören Sie am 30. Mai im Radio auf WDR 5 die „Unterhaltung am Wochenende“, dafür wurde der heutige Abend aufgezeichnet. Wenn Sie genau hinhören, hören Sie mich vielleicht lachen.

Wegen der fortgeschrittenen Zeit fuhr ich, vermutlich immer noch mit einem Lächeln im Gesicht, anschließend mit dem Bus zurück, der sogleich kam. Ein Lob dem vielgescholtenen Bonner ÖPNV. Auch wenn es mir fragwürdig erscheint, wenn in den späteren Abendstunden ein Gelenkbus viel Luft und mit mir drei Personen durch die Gegend fährt.

Die Herren Evers, Wischmeyer und Scharrenberg (von links)

Donnerstag: Inseltag. Entgegen den Forderungen von Herrn Merz hatte ich heute zur Pflege der Wörkleifbellenz frei. Nachdem ich zur werktagsüblichen Zeit dem Tuche entstiegen war, nutzte ich den Tag für einer Wanderung, und zwar die fünfte Etappe des Natursteigs Sieg von Eitorf bis Herchen. Das war hinreichend beglückend, auch wenn das Wetter sich wechselhaft zeigte, mit einem kurzen Regenschauer gar. Nach viereinhalb Stunden erreichte ich den Zielort Herchen. Wer nun glaubt, es sei geschafft, irrt; die letzten drei Kilometer haben es in sich, mit schmalen Pfaden hart am Abgrund, heftigen Steigungen und Gefällen und mehreren Stellen, an denen der Wanderer aufpassen muss, nicht abzurutschen oder umzuknicken, auch die Wegmarkierung weist an mancher Abzweigung Mängel auf, gleichsam eine liederliche Zeichensetzung. Dafür belohnt die Strecke mit wunderbaren Eindrücken. Vielleicht sollte ich mir einen Wanderstock zulegen.

Erst eine Stunde später erreichte ich endlich den Bahnhaltepunkt von Herchen, wo ich wegen leichter Verspätung des Regionalexpress‘ diesen noch erreichte. Perfekt. Bis Hennef an der Sieg, dort endete die Perfektion: Wegen eines Böschungsbrandes vor Siegburg ging es nicht weiter. Mir war es egal, ich hatte Lesestoff dabei und für die anschließende Belohnungscurrywurst wäre auch noch genug Zeit gewesen. Nachdem die Streckensperrung auch eine halbe Stunde später noch bestand, wurde entschieden, den Zug zurück nach Siegen fahren zu lassen, ich nahm den Bus bis Siegburg, der entsprechend voll war und wesentlich länger brauchte als die Bahn, wenn sie denn fährt.

Sichtung während der Busfahrt: Ein Hennefer Hotel bietet an jedem ersten Samstag im Monat einen „Probe-Day“ an.

Die Currywurst gab es dann auch noch, etwa eine Stunde später als ohne Böschungsbrand. Das war nicht schlimm.

Bei Eitorf
Das auch, glaube ich
Gerste
Für die Sammlung
Fichtenfinale
Ginster. Auch schön.
Wegesrandbirke
Vor Herchen
Schmaler Pfad kurz vor Schluss

Freitag: Der Arbeitstag verlief zufriedenstellend ohne größere Störungen der Büroruhe, sieht man von einigen Teams-Besprechungen ab. Auch in unserem Unternehmen setzt es sich zunehmend durch, dabei die Kamera einzuschalten, als wenn es irgendeinen Vorteil hätte, wenn man dabei gesehen wird und die anderen sehen kann bzw. muss. Ich finde das anstrengend und könnte gut darauf verzichten. Bei größeren Runden schalte ich meine Kamera deshalb nur an, wenn ich das Wort habe. Merkt keiner.

Auch nach mehr als zwanzig Jahren Arbeiten im Turm amüsieren mich immer noch die zwanghaften Aufzugtürzuknopfdrücker, einst hier beschrieben. Als hinge ihr Leben davon ab. Mittlerweile mache ich mir, wenn ich als erster die Kabine betrete, den Spaß, mich direkt an den Knopf zu stellen, so nah, dass ihn keiner drücken kann, und genieße es, wie sie bei offener Tür nervös werden.

Nachmittags befiel mich jäh Schokoladenlust. Zur Linderung schlachtete ich den Lind-Osterhasen (oder Sitzhasen?), der noch in der Schreibtischschublade seiner Bestimmung entgegenlag.

Kurt Kister schreibt in seiner Wochenkolumne „Deutscher Alltag“ wieder Kluges:

Die Diskriminierung des Faxgeräts als Symbol für die Unmoderne ist ein Merkmal mancher leicht autoritär gesinnter Scheuklappenfortschrittler.

(Zum Gesamttext hier entlang.)

Samstag: War es der Ostersitzhase? Morgens zeigte die Waage zwei Kilo mehr an als eine Woche zuvor. Vielleicht lag es auch am leicht erhöhten Bierkonsum in dieser Woche bei mannigfachen Gelegenheiten: Feierabend-Maibock am Dienstag, Lesungsbegleitgetränke am Mittwoch, Wanderungsbelohnungsbier zur Currywurst am Donnerstag und Wirtshausbesuch mit den Lieben gestern. Non, je ne regrette rien.

Zeit für eine weitere der tausend Fragen, heute Nummer *Trommelwirbel* …

(Fotografiert beim Wandern am Donnerstag)

Frage 69 lautet: „Gibst du Menschen eine zweite Chance?“ Das kommt sehr auf den Anlass an. Wenn mir jemand etwas Unverzeihliches antun würde, etwa mutwillig meine Modelleisenbahn beschädigt, wird es schwierig. Ansonsten neige ich zur Harmoniesucht, deshalb grundsätzlich ja. Donald Trump hätte ich nicht wiedergewählt.

Zusammenhangloses Spaziergangsbild

Sonntag: Der Spaziergang führte heute über unübliche Wege durch den Stadtteil Beuel auf der anderen Rheinseite, mit fast elf Kilometern fiel er etwas länger aus. Das Wetter zeigte sich auch heute wechselhaft mit Sonnenschein und Regenschauer, insgesamt war es wesentlich wärmer als erwartet.

Durch eine glückliche Fügung fiel der Regenschauer in einem passenden Moment, als ich unter Dach saß

Wie mir erst jetzt zugetragen wurde, ist der Pornostar Tim Kruger gestorben, bereits im März. Ich kannte ihn nicht, weder persönlich noch vom Ansehen. Da sogar der Focus darüber berichtete und es einen eigenen Wikipedia-Eintrag über ihn gibt, muss er über eine gewisse Prominenz verfügt haben, bemerkenswert für einen Angehörigen dieses Genres. Was bitte nicht despektierlich zu verstehen ist, ich habe volle Hochachtung vor dem Berufsstand und kann nichts Anrüchiges daran erkennen, jedenfalls nicht mehr als an der Werbebranche oder dem Profifußball. Mann muss stets Können können, sonst nützt die beste Schauspielkunst nichts.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche.

Woche 20/2025: Wackelpudding in ungewöhnlicher Darreichungsform und zunehmendes Ergrauen

Montag: Der erste Arbeitstag nach dem Urlaub war, wie erste Arbeitstage nach dem Urlaub nunmal sind: mühsam, auch wenn der Maileingang keine nennenswerten Imponderabilien bereithielt. Bis auf eine kurze regelmäßige Besprechung morgens wurde ich weitgehend in Ruhe gelassen; wieder hat es sich bewährt, den Tag komplett im Kalender zu blocken.

Etwas Abwechslung vom Mailmühsal brachte der Zeppelin, der vormittags mehrere Runden über der Stadt drehte, wobei ich ihn vom Schreibtisch aus gut beobachten konnte, einschließlich der Starts und Landungen auf dem Flugplatz in Hangelar. Ich glaube ich schrieb es schon: Da würde ich gerne mal mitfliegen.

Nach dem Mittagessen ging ich nach längerer Zeit mal wieder eine Runde durch den Park statt durch das Treppenhaus zurück ins Büro. Das dann wieder ab morgen wieder.

Dienstag: Zu Fuß ins Werk und zurück bei Sonnenschein und blauem Himmel, also Wetter, das früher als schön bezeichnet wurde, mittlerweile aus bekannten Gründen etwas in Verruf geraten ist. Auf dem Rhein war morgens auffallend wenig Schiffsverkehr zu sehen, einzig ein Löschboot der Feuerwehr fuhr ohne erkennbare Eile südwärts, während das zugehörige Beiboot mit aufbrausendem Motor immer wieder etwa hundert Meter voraus sauste, eine Kurve über den Fluss zog und auf das Löschboot wartete. Wenn dieses eintraf, umkreiste das Kleine das Große und brauste wieder vor, und so weiter. Wie ein verspielter Hund und seine Halteperson, das war recht drollig anzusehen.

Der Arbeitstag war lebhaft: Die Büros voller Menschen und der Kalender voller Kolls. Immerhin war ein Termin, für den eineinhalb Stunden angesetzt waren, nach vier Minuten beendet. Mehrfach wurde ich über den Urlaub befragt und ich berichtete gerne, schließlich und zum Glück lesen nicht alle hier mit.

Der Treppensteig nach dem Mittagessen bereitete trotz zweiwöchiger Pause keine Probleme.

Sprachwitz des Tages in einer Präsentation: „monatlich statt biweekly“

Auf dem Rückweg suchte ich das Modellbahngeschäft meines Vertrauens auf, wo eine Bestellung eingetroffen war, über die ich mich besonders freue, weil ich nicht mehr damit gerechnet hatte, dieses grundsätzlich schon lange nicht mehr lieferbare Modell noch zu erstehen.

Die erste Probefahrt verlief sehr zufriedenstellend

Mittwoch: Nachdem ich es seit Rückkehr aus Frankreich schlicht vergessen hatte, wog ich mich morgens, um zu schauen, welche Folgen zwei Wochen Urlaub hatten mit wenig Bewegung, dafür viel Essen und Wein. Zu meiner Überraschung zeigte die Waage etwa ein Kilo weniger an als vor dem Urlaub, wer hätte das gedacht.

Arbeitstag mit einem mir bislang unbekannten Bürogenossen aus der Nachbarabteilung. Netter Kerl, nur unruhig: Er telefonierte laut und ging dabei im Raum auf und ab. Da bei mir währenddessen keine Tuduhs mit besonders hohem Konzentrationsbedarf anstanden, ich nicht gleichzeitig telefonierte und überhaupt ein (zu) freundlicher Mensch bin, sah ich von vorwurfsvollen Blicken und Bitten ab und begnüge mich damit, es hier zu notieren.

Donnerstag: „Leider bin ich derzeit im Urlaub“ steht in der Abwesenheitsmeldung eines Kollegen. Mein Mitleid ist ihm sicher.

In der Kantine gab es zum Dessert roten Wackelpudding in ungewöhnlicher Darreichungsform: in Würfel geschnitten auf Vanillesoße. Da ich es grundsätzlich ablehne, mein Essen zu fotografieren, denken Sie sich bei Bedarf gerne ein entsprechendes Bild.

Weg ins Werk, bewölkt

Freitag: Die Arbeitswoche verging erfreulich rasch. Die wichtigsten Urlaubsrückstände konnten aufgearbeitet werden, um den Rest kümmere ich mich kommende Woche, die wieder eine kleine wird mit freiem Donnerstag. Überhaupt sind die nächsten drei Wochen wegen Feiertag klein, wie ein Blick in den Kalender zeigt. Das wird Herrn Merz nicht freuen, der fordert, wir müssten alle mehr arbeiten. Warum sollte ich das tun? Damit Vorstandsmitglieder noch mehr Millionen beziehen? Sehe ich gar nicht ein.

Apropos Merz: Wenn die Zeit der aktuellen Regierung abgelaufen sein wird, sei es durch Abwahl in vier Jahren oder durch vorzeitiges Scheitern, was ihr nicht zu wünschen ist, dann kenne ich schon jetzt die zugehörige Schlagzeile in der Bildzeitung: „AUSGEMERZT!“

Apropos Regierung: Es wird noch einige Zeit dauern, bis ich mich an die Wortkombination aus „Innenminister“ und „Dobrindt“ gewöhnt haben werde.

Der neuen Regierung widmet sich auch Kurt Kister in seiner Wochenkolumne Deutscher Alltag, wo auch dieses zu lesen ist:

Gerade wegen der allgegenwärtigen Computerei ist „Neustart“ längst Teil der Alltagssprache geworden, so wie „mega“ als Umschreibung für „in Ordnung“ oder „genau“ in seiner Bedeutung als zustimmendes Füllgeräusch („äähem, genau“).

Genau.

Samstag: Ich habe eine Idee. Seit geraumer Zeit erfreuen sich in Bloggerkreisen tausend Fragen, die man sich selber stellen und möglichst beantworten soll, größerer Beliebtheit, zu finden unter anderem hier. Keine Angst, ich werde sie nun nicht mit der Beantwortung aller tausend Fragen langweilen – also die Idee ist, mehr oder weniger regelmäßig und zufällig, vielleicht einmal wöchentlich, mal sehen, ob ich das durchhalte, eine dieser Fragen zu beantworten. An manchen Tagen passiert ja nicht so viel, das man hier berichten könnte, das wäre ein Anlass dafür. Als Zufallsgenerator dient dabei die Umgebung, die eine Zahl zwischen 1 und 1000 liefert, so wie heute anlässlich des Spaziergangs am gegenüberliegenden Rheinufer:

Zahl des Tages: 656

Frage 656 also. Die lautet: „Könnten sich Menschen ändern?“ Da die Frage im Konjunktiv gestellt ist, lautet die Antwort schlicht: Ja, könnten sie. Tun sie indikativ aber nicht, oder höchstens äußerst ungern. Siehe unser Umgang mit dem Klimawandel, wie unter anderem hier dargelegt.

Oder hier

Oder mit Alkohol. Die Zeitung berichtet über die aufkommende Diskussion vor allem unter jungen Leuten, ob es noch zeitgemäß ist, Wein zu trinken. Als ethanophiler Mensch habe ich dazu eine Meinung, erkenne jedoch an, dass man auch anderer Meinung sein kann, das ist das schöne an der Meinungsfreiheit. Goethe hatte auch eine: „Für Sorgen sorgt das liebe Leben / Und Sorgenbrecher sind die Reben“

Symbolbild

Wegen eines Vereinsvergnügens am Abend konnten wir uns nicht den ESC im Fernsehen anschauen. Vermutlich haben wir nicht viel verpasst.

Sonntag: Der Schauspieler George Clooney sah sich kürzlich der öffentlichen Kritik vor allem in den asozialen Hetzwerken ausgesetzt, nachdem er sich für eine Rolle seinen grauen Haare braun gefärbt hatte. Nach längerem Zögern, ob ich es schreiben soll, gestehe ich: Ich habe es auch getan. Vor zwei Wochen, im Urlaub, auf mehrfaches Drängen meiner Lieben, die der Meinung waren, ich müsste was an meinem Äußeren, insbesondere gegen das zunehmende Ergrauen meines Haupthaars tun, ich wurde gleichsam dazu genötigt. Als Zeitpunkt wählte ich bewusst den Beginn eines zweiwöchigen Urlaubs, man weiß ja nie, was dabei rauskommt, vielleicht fällt die Färbung lila oder grün statt braun aus, oder die Haare fallen gleich ganz aus. Es ist dann aber gut gegangen. Während der zurückliegenden Arbeitswoche hat es scheinbar niemand bemerkt, jedenfalls hat keiner was dazu gesagt, vielleicht lästern die lieben Kollegenden jetzt auch über mich. Dürfen sie, zu recht: Mit Ende fünfzig darf, ja sollte man graue Haare haben, wenigstens einige. Ich betrachte die Färbung daher als vorläufig einmaliges Experiment, das keiner baldigen Wiederholung bedarf. Inzwischen zeigen sich an den Schläfen wieder die ersten Silberfäden. Zum Glück.

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit, kommen Sie gut durch die Woche. Möglichst sorgenfrei, mit oder ohne Wein.

Woche 19/2025: Kein Oberdeckwetter, beeindruckende Aromatik und eingeschränktes Bemühensinteresse

Montag: Wir sind weiterhin auf Flusskreuzfahrt auf der Rhône in Frankreich, heute auf dem Weg von Avignon, wo wir gestern Mittag abgelegt haben, bis Lyon, wo wir am frühen Abend ankamen. Da es gestern regnete und kühl geworden ist, verbrachten wir den Abend nicht an Deck, sondern im Salon, wo es sich nicht vermeiden ließ und sogar angenehm war, mit Mitreisenden ins Gespräch zu kommen. Wir gingen zeitig zu Bett, konnten jedoch nur schlecht einschlafen. Vermutlich war es keine so gute Idee, einen French Coffee zu bestellen.

Als wir dennoch zeitig erwachten, lag das Schiff vor Andance, einem kleinen Ort zwischen Valence und Vienne, es legte bald wieder ab und setzte die Fahrt fort. Dass und warum wir in Andance Halt machten, war nicht mitgeteilt worden, man muss nicht alles wissen.

Man muss auch nicht alles hinnehmen. Vergangene Woche äußerte ich mich kritisch über nicht ganz frisches Brot zum Frühstück. Was heute an Brot angeboten wurde, grenzte an Frechheit, die Scheiben bogen sich kurz vor hart. Ich halte mich für einen verträglichen Menschen, der (vielleicht manchmal zu) vieles als gegeben zu akzeptieren bereit ist, wenn das Gesamtbild passt. Doch irgendwann kommt auch bei mir der Punkt, wo die Sicherheitsventile abblasen. Der war heute erreicht, zu vieles entspricht seit Abreise nicht den Erwartungen: die geänderte Reiseroute wegen geschlossener Schleusen auf der Saône am 1. Mai, die erst bei Abfahrt mitgeteilt wurde, als ob man das nicht vorher gewusst hätte. Ungefähr jeder zweite Wein von der Karte ist nicht vorrätig, nicht einmal Pastis, mitten in Frankreich. Die Qualität des Essens, die seit den letzten Reisen mit diesem Veranstalter stark nachgelassen hat. All das trugen wir der Reiseleiterin vor, die es sich geduldig anhörte, Notizen machte und versprach, die Beanstandungen weiterzugeben. Wir sind nicht die einzigen an Bord, die diese Mängel empfinden, wie sich aus Gesprächen mit anderen Gästen ergibt. Immerhin hat man damit etwas, worüber man sich unterhalten kann.

Doch vermag all das die Urlaubsfreude nur geringfügig zu trüben. Ebensowenig wie das weiterhin regnerisch-kalte Wetter, das uns vom Oberdeck fernhält und in die Kabine oder die Panorama-Lounge treibt, wo vormittags ein Apéro mit „Spezialitäten aus der Region“ gereicht wurde. Noch gesättigt vom Frühstück verzichteten wir.

Am frühen Abend erreichten wir so zeitig Lyon, dass bis zum Abendessen (unsere Tage an Bord sind im Wesentlichen durch die Essenszeiten getaktet) noch eine Stunde Zeit blieb für eine Runde durch die Stadt. Angesichts des Wetters reichte das auch.

Dienstag: In der Nacht fuhren wir weiter nach Trévoux an der Saône. Trotz Verzichts auf Ohrstöpsel bekam ich nichts davon mit, entweder war das Schiff sehr leise gefahren oder man hat sich inzwischen daran gewöhnt, so wie man Züge nachts nicht mehr hört, wenn man länger an einer Bahnstrecke wohnt.

Nach dem Spätstück verließen wir das Schiff für eine Runde durch Trévoux, ein hübscher Ort mit einer fotogenen Brücke. Nach Rückkehr an Bord hatten wir ein recht angenehmes Gespräch mit der Reiseleiterin, die inzwischen unsere gestrige, oben genannte Beanstandungen betreffende Mail an den Veranstalter erreicht hatte. Zwar kann sie die Mängel nicht alle beheben, sagte uns aber für die letzten Tage frisches Brot und angemessene Weinauswahl zu.

Da es weiterhin zu kalt ist für das Oberdeck, verbrachten wir den Nachmittag im Salon im Vorderschiff mit Tee, Lesen, Postkartenschreiben und in die Gegend Kucken. Auch von dort hat man einen schönen Blick nach draußen, ohne zu frieren.

Auch im Urlaub lese ich den Bonner General-Anzeiger, immer informiert bleiben. Darin heute in einem Artikel über eine geführte Radtour auf den Spuren der stillgelegten Straßenbahn nach Mehlem dieser Satz: „Gerhard Lemm führt die Teilnehmenden auf einer rund zweistündigen Rundfahrt in die Zeit von 1891 bis 1976, als eine Bahntrasse für eine Dampf- und später Diplomatenbahn seine Passagiere bis nach Mehlem beförderte.“ Eine Bahntrasse beförderte Herrn Lemms Passagiere? Erst mit Dampfloks, später wurden Diplomaten vor die Wagen gespannt?

Am frühen Abend erreichten wir Mâcon, wo wir über Nacht bleiben, ehe es morgen zurück nach Lyon geht.

Brücke in Trévoux

Mittwoch: Zum Spätstück gab es frisches Brot und Brötchen, die sich ohne Verletzungsgefahr aufschneiden ließen. Geht doch, unsere Hinweise zeigen Wirkung, leider etwas spät, morgen endet für uns die Reise.

Vormittags gingen wir von Bord und schauten uns Mâcon an. Mittags legten wir ab nach Lyon, das abends erreicht wurde. Weiterhin kein Oberdeckwetter. Dennoch suchten wir kurz vor Erreichen des Ziels das Vorderdeck auf, die Einfahrt auf der Saône in Lyon ist bei jedem Wetter ein Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Müllabfuhr in Mâcon
Einfahrt Lyon I
Einfahrt Lyon II
Abendblick ans andere Rhône-Ufer

Aus der Zeitung: „Vatikan informiert über weiße Rauchzeichen“

Im Übrigen finde ich es nicht angemessen, bereits jetzt über Bundeskanzler Merz und seine Regierung zu richten. Lasst sie doch erstmal versagen.

Donnerstag: Nach dem letzten Frühstück verließen wir planmäßig und geordnet das Schiff, brachten die Koffer ins Auto im nahen Parkhaus und spazierten zur immer besuchenswerten Markthalle, wo es noch ziemlich ruhig war. Wegen der frühen Stunde tranken wir an der Marktschänke einen Kaffee, keinen Rosé.

Danach fuhren wir zum Hotel auf der anderen Rhône-Seite, wir bleiben eine weitere Nacht in Lyon. Das Hotel, das uns der Liebste gebucht hat, ein ehemaliges historisches Krankenhaus, ist mit grandios einigermaßen zutreffend beschrieben. Nicht gerade günstig, zum heutigen 23. Hochzeitstag gönnen wir uns das. Irgendwie hat er ein Apgret hinbekommen, die Suite, in der wir residieren, so muss man das wohl nennen, erstreckt sich über zwei Etagen mit einer Gesamtdeckenhöhe von schätzungsweise sechs bis sieben Metern, die Vorhänge vor dem hohen Fenster werden auf Knopfdruck elektrisch geschlossen und geöffnet. Gemütlich ist anders, auf jeden Fall beeindruckend. Doch auch hier, wie in fast allen Hotels, spart man an Kleinigkeiten, sie ahnen es: Es gibt keine Jackenhaken. Ich werde nicht müde, das immer wieder zu beanstanden.

Nach dem Einschecken gingen wir in die Altstadt, die am Hang liegt und deren höhergelegene Teile über mehrere Treppen mit hunderten Stufen erreichbar sind. Obwohl mir urlaubsbedingt der mittägliche Treppensteig im Mutterhaus des Arbeitgebers fehlt, kam ich gut hoch, der Liebste geriet im letzten Viertel etwas ins Schwitzen. Lyon ist eine großartige Stadt, auch wenn mir die Altstadt etwas zu menschenvoll war.

Auf dem Weg zum Parkhaus
Weg zur Markthalle
Hundehalter
Hotel, Außenansicht
Unsere Kammer, Teilansicht
Blick von der oberen Altstadt

Freitag: Nach dem Frühstück verließen wir Lyon mit Ziel Langres, der letzten Etappe dieser Urlaubsreise. Wieder fuhren wir autobahnmeidend über Land, unter anderem durch die Dombes, eine Art Seenplatte aus künstlich angelegten Fischteichen, wie die Wikipedia weiß. Von den Teichen sahen wir indes nicht viel, weil sie meistens von Gebüsch umsäumt waren. Dafür sahen wir auf einem Acker zahlreiche Störche, die in dieser Gegend vermutlich reichlich zu futtern finden. Ansonsten durchfuhren wir Dörfer und sahen zahlreiche blühende Akazien.

In Beaune legten wir einen Zwischenhalt ein zum Einkauf von Spezialitäten, auf dass wir auch in den nächsten Tagen nicht hungern müssen und vielleicht, wenn es schlecht läuft, in den übernächsten Tagen wieder was zum Wegwerfen haben.

Auch in Langres, das am frühen Abend erreicht wurde, hat der Liebste ein Hotel in gehobener Kategorie gebucht. Nicht minder gehoben das angeschlossene Restaurant, wo wir den Abend bei beeindruckender Aromatik und überraschenden Zutaten (z.B. hölzerne Farnwurzeln, deren Verzehrzweck nicht ganz klar war) verbrachten. Mein Bedarf an französischer Sternküche ist damit vorerst gedeckt, ein wenig freue ich mich wieder auf die Kantine ab Montag. Auf die nahende Werktätigkeit nicht so sehr, das kommt bestimmt noch.

Störche und Möwen bei Villars-les-Dombes
Saint-Julien-sur-Reyssouze
Vor Bonnencontre
Unser Hotel in Langres – ein erstklassiges Haus

Samstag: Nach dem Frühstück traten wir die Heimfahrt an, bis Vittel über die Dörfer, ab dort auf die Autobahn. Am späten Nachmittag erreichten wir Bonn. Fazit: Trotz meteorologischer und bordgastronomischer Schwächen war es ein schöner Urlaub, und ja, ich äußerte es bereits früher bei ähnlicher Gelegenheit, die Bedenklichkeit von (Fluss-)Kreuzfahrten hinsichtlich Umweltschutz und Arbeitsbedingungen des Personals ist mir bewusst.

Wieder einmal komme ich zu der Erkenntnis, Frankreich ist ein sehr schönes Land. Wäre ich noch religiös und ließe es sich nicht vermeiden, dass ich nochmals als Mensch geboren werde, dann gerne dort. Dann käme ich auch mit der Sprache klar: Obwohl wir seit Jahren Urlaub in Frankreich machen, fällt es mir immer noch schwer, Französisch zu verstehen oder gar selbst darin zu kommunizieren. Das ist traurig, doch mangelt es mir an Talent, andere Sprache zu erlernen. Ähnliches gilt, nicht ganz so ausgeprägt, für Englisch. Vielleicht, nein ziemlich sicher ist es auch eine gewisse Bequemlichkeit meinerseits, mehr Aufwand für das Erlernen aufzubringen. Oder wie der Liebste es ausdrückt, der fließend Englisch und ganz passabel Französisch spricht: Mein Bemühensinteresse ist sehr eingeschränkt.

Sonntag: Die Mauersegler sind da, ist in den Blogs zu lesen, auch hier bei uns sausen sie wieder durch die Siedlung, wenn auch noch nicht in großer Anzahl. Nicht nur die, auch der Zeppelin dreht wieder seine Runden über die Stadt, jedenfalls sah ich ihn vormittags zweimal, nachmittags nicht mehr.

Nachmittags unternahm ich einen langen Spaziergang über die Kennedybrücke auf die andere Rheinseite und über die Nordbrücke zurück. Während ich letztere überquerte, fuhr unter mir aus Köln kommend ein großes Partyschiff mit menschenvollem Oberdeck und Tanzfläche, auf der man sich zu „Amsterdam“ bewegte. Ich blieb stehen und betrachtete das Treiben aus sicherer Entfernung, manche winkten mir zu, als meistens freundlicher Mensch winkte ich mit nicht übertriebenem Bewegungsaufwand zurück. Wie üblich bei solchen Fahrten wurde unter der Brücke gejohlt, weil das so schön hallt; ein wenig fühlte es sich an, als jubelte man mir zu. Das Lied hallte danach noch längere Zeit ohrwurmend in meinen Hirnwindungen nach.

Ansonsten die nicht neue Erkenntnis: Wir haben es hier auch ganz schön.

..
„Bahnhöfchen Style“ tut ein kleines bisschen weh
Rheinauen vor Schwarzrheindorf
„Mimimi“

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Kommen Sie gut durch die Woche. Falls Sie auch Urlaub hatten, einen angenehmen Start in den Alltag.

#BlogWochen2025 – Was uns antreibt

Dieses Blog wird im November achtzehn Jahre alt, dann dürfte es, wenn das für Blogs vorgesehen wäre, ein Kraftfahrzeug steuern, hochprozentigen Alkohol kaufen, Filme bei Youporn anschauen und an Wahlen teilnehmen. Andere Blogs sind noch älter, etwa dieses, das und jenes, die schon seit zwanzig bzw. fünfundzwanzig Jahre bestehen, hierzu meine Gratulation. Aus diesem Anlass haben die drei Blogherren zu den #BlogWochen2025 aufgerufen. Bis November sind die Blogger der Welt eingeladen, ihre Gedanken zu verschiedenen Themen aufzuschreiben, näheres dazu ist hier zu finden. Blogparaden grundsätzlich zugeneigt beteilige ich mich gerne daran, wenn auch nicht bei allen Themen, zu vielen fällt mir nichts ein außer einem virtuellen Schulterzucken.

Das Thema zum 1. Mai lautete: „Warum bloggen wir eigentlich immer noch?!“ Da ich aus urlaubsterminlichen Gründen nicht dazu kam, fasse ich meinen Aufsatz zusammen mit dem Thema zum 8. Mai, also heute, das lautet: „Blogger:innen und ihre Motivation – Was uns antreibt“. Ohnehin lässt sich beides meines Erachtens nur schwerlich trennen. Soviel der Vorrede. Zur Sache nun:

Meine Neigung, Dinge aufzuschreiben, begann im Alter von achtzehn Jahren, als ich, inspiriert durch Ephraim Kishon, kurze Texte zu alltäglichen Themen verfasste, zunächst handschriftlich, dann mit mechanischer Schreibmaschine abgetippt. Die Idee war, eines fernen Tages daraus ein Buch zu machen. Dieses Vorhaben verflüchtigte sich bald wieder wie überhaupt das regelmäßige Schreiben von Texten – mit achtzehn war ich noch etwas flatterhaft und hatte anderes im Kopf wie den Führerschein machen, erste Liebeswirren, Feten, die nahende Abiturprüfung und Gedanken über die berufliche Zukunft. Meine ganz persönlichen, nicht zur Veröffentlichung geeigneten Gedanken notierte ich mehr oder weniger regelmäßig ins Tagebuch, bis heute, das ist ein anderes Thema.

Sachen ins Internet zu schreiben begann ich mit dem Aufkommen von Twitter, das ich sehr liebte und zu dem sich eine gewisse Sucht nach Sternchen, Gefolge und Erwähnungen entwickelte. Auch an mehreren Twitter-Treffen, so richtig in echt, nahm ich teil. Es war sehr interessant, Leute, denen ich folgte, manche etwas bewunderte, in echt zu treffen. Die meisten waren sehr angenehm und witzig, mindestens einer mit mehreren Tausend Followern ein arrogantes Arschloch, ich nenne keinen Namen. So genau erinnere ich mich auch nicht mehr daran, irgendwas mit Gesäßbehaarung. Zeitweise versuchte ich es auch mit Facebook, wurde damit jedoch nicht richtig warm und kündigte den Anschluss wieder. Auch Twitter habe ich verlassen, lange bevor Elon M. es kaputt gemacht hat. Ich bin jetzt bei Bluesky, schaue aber nur sehr selten da rein.

Über Twitter wurde ich auf Blogs aufmerksam. Das wollte ich auch ausprobieren, daher meldete ich mich bei blog.de an und begann mit dem Bloggen. Zunächst unregelmäßig, manchmal wochenlang gar nichts. Auf diese Weise setzte ich fort, was ich mit achtzehn begonnen und bald wieder eingestellt hatte, wobei einige Aufsätze entstanden, die ich, bei aller Bescheidenheit, auch heute noch ganz gut finde. Da blog.de vor zehn Jahren geschlossen wurde, zog ich um zu WordPress, wo ich mich seitdem sehr wohl fühle, auch wenn die Jetpack-App für das iPad immer wieder geändert wird und ich mich jedes Mal wieder zurechtfinden muss.

Regelmäßigkeit beim Bloggen kam auf ab 2013 mit dem Beitritt bei den Bonner Ironbloggern. Dort verpflichtet man sich, mindestens einmal die Woche was zu bloggen. Wenn das nicht gelingt, zahlt man fünf Euro in eine Gemeinschaftskasse ein, deren Bestand bei ausreichender Höhe gemeinsam versoffen in geselliger Runde verbraucht wird. Ich war bei mehreren Treffen dabei, auch da war es, wie zuvor bei den Twitter-Treffen, stets interessant, Leute persönlich kennen zu lernen, von denen man sonst nur liest. Ich selbst musste nie einzahlen, was für meine eiserne Blogdisziplin spricht. Leider ist es still geworden um die Ironblogger, nur noch wenige sind dabei. Ein Treffen gab es schon lange nicht mehr.

2016 begann ich mit den Wochenrückblicken, die jeweils am Montagmorgen veröffentlicht werden. Seitdem hat sich dieses Format im Blog durchgesetzt, längere Texte zu bestimmten Themen (wie diesen) schreibe ich dagegen nur noch selten. Das ist etwas schade.

Zur den Ausgangsfragen, warum ich immer noch blogge, was mich antreibt, könnte ich es mir einfach machen: aus Spaß am Schreiben. Es bereitet mir große Freude, alltägliche Beobachtungen und Wahrnehmungen aufzugreifen und in Sätze zu packen, Formulierungen zu finden, manchmal etwas gedrechselt, einzelne Wörter zweckzuentfremden oder neu zu konstruieren. Nebenbei entsteht dadurch eine Chronik meines Lebens, jedenfalls mit den Dingen, die sich zur Veröffentlichung eignen; alles andere wird weiterhin ins Tagebuch geschrieben.

Gewiss, dazu bräuchte es kein Blog (ich bin übrigens Anhänger der Auffassung, es heißt „das“ und nicht „der Blog“, aber jeder wie er mag; ich bin auch kein großer Freund des Genderns, Innen und alle anderen mögen sich bitte mit angesprochen fühlen), das könnte ich auch in ein Notizbuch oder Textverarbeitungsprogramm schreiben. Was das Bloggen besonders macht, ist die Interaktion mit Lesern und anderen Bloggern, sei es durch Gefallenssternchen, freundliche Kommentare oder gar persönliche Treffen. Das ist es auch, was ich gerne intensivieren würde: den persönlichen Austausch mit anderen Bloggernden, sei es durch gemeinsame Blogprojekte oder persönliche Treffen.

Immerhin, aus dem Buch ist dann nach fast vierzig Jahren doch noch was geworden.

Woche 18/2025: Ausgiebig Gelegenheit zum Nichtstun

Montag: Erste Urlaubswoche in Frankreich. Nach dem Frühstück im erfreulich leeren und dadurch ruhigen Frühstücksraum verließen wir das Hotel in bzw. bei Épernay und fuhren weiter zu unserer nächsten Etappe, Beaune im Burgund, wo wir bis Donnerstag bleiben. Wieder fuhren wir überwiegend über die Dörfer, erst ab Chablis, wo ein kurzer Weinkaufhalt eingelegt wurde, ging es über die Autobahn weiter. Außerdem machten wir Halt an der Abbeye de Pontigny, wie die Kathedrale von Reims ein beeindruckendes Bauwerk, wenn auch ganz anders. (Ähnliches gilt auch für das Mutterhaus meines Arbeitgebers, nur nicht so heilig. Jedenfalls anders.)

Unterwegs erfreuten liebliche Landschaften mit blühenden Rapsfeldern das Auge, während die durchfahrenen Orte zwar idyllisch wirken, teilweise jedoch den Eindruck eines gewissen Niedergangs erwecken. Viele Häuser und Höfe stehen leer, nicht wenige wirken verfallen. Erstaunt waren wir über die riesige Anzahl an Windrädern bis zum Horizont. Anscheinend setzt auch Frankreich nicht nur auf Atomstrom, wie immer wieder zu lesen ist.

In Beaune sind wir wieder im vertrauten Hotel untergebracht. Kleine Überraschung bei Ankunft: Über dem Bett hingen Luftballons unter der Decke, von denen güldene Bänder herabhingen; das Bett war mit Rosenblütenblättern bestreut. Bei der Anmeldung hatte der Liebste auf die Frage, ob unsere Reise einen besonderen Anlass hat, angegeben, wir seien auf Hochzeitstagsreise. Das ist nicht ganz falsch, unser dreiundzwanzigster Hochzeitstag fällt wirklich in diesen Urlaub, allerdings erst nächste Woche, wenn wir längst woanders sind. Vielleicht sagen wir beim nächsten Mal, einer von uns habe runden Geburtstag. Mal sehen, was sie dann machen.

Windräder bei Fère Champenoise

Dienstag: Sonnig-warmes Wetter ließ eine Radtour alternativlos erscheinen. Und also machten wir uns auf mit den hoteleigenen Leihfahrrädern zu einer Ausfahrt durch die Weinberge in nördliche Richtung bis nach Nuits-Saint-Georges und zurück. Wie stets in hügeligen Gefilden war ich dankbar für die elektrische Unterstützung des Fahrrads.

Auch im Burgund kann man nicht den ganzen Tag nur Burgunderwein trinken. Deshalb bestellte ich als Vorabendgetränk auf der Hotelterrasse ein Bier.

Bei Aloxe-Corton
Blick auf Ladoix-Serrigny

Mittwoch: Nach dem Frühstück fuhr der Liebste in den großen Supermarkt zum Nur-mal-schauen. Da er mich dabei nicht gebrauchen kann, wie er sagte und womit er zweifellos recht hat, zog ich mich zum Lesen der Zeitung und der Blogs auf eine schattige Bank im nahegelegenen Parc de la Bouzaize zurück, wo auch diese Zeilen notiert wurden. Der Park ist recht gut besucht, zahlreiche Menschen flanieren durch die Grünanlagen, andere laufen ihre Runden, wieder andere, wie ich, bevorzugen es, zu sitzen, derweil in den Bäumen die Vögel vor sich hin zwitschern (bzw. Paarungbereitschaft bekunden; in der Natur hat fast alles, was uns als Zierde erscheint, einen Zweck) und in der Ferne mehrere Hähne um die Wette krähen. Auch das ist Urlaub, wenngleich man dafür nicht extra nach Frankreich reisen müsste, dasselbe könnte ich auch im Bonner Rheinauenpark haben, bis auf die Hähne.

Direkt an den Park grenzt ein Weinfeld. Ein Fahrzeug fährt mit Motorgetöse durch die Rebenreihen und besprüht sie mit einer Flüssigkeit, von der man lieber nicht so genau wissen will, was es ist.

Parc de la Bouzaize
Beaune

Den Abend verbrachten wir im Restaurant, das zum Hotel gehört und mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Während am Nebentisch eine französische Mutter ihren minderjährigen Kindern anhand praktischer Übungen erläuterte, wie man einen Wein verkostet, erörterten wir als Tischgespräch die alte Frage, warum in Deutschland die mediale Darstellung einer Erektion und weiblicher Brüste die Jugend gefährdet, wohingegen die Darstellung von Mord und Verbrechen zur besten Sendezeit, wie der Tatort am Sonntagabend, zur Kultur erhoben und am nächsten Tag in der Tageszeitung besprochen wird. Zu einem befriedigenden Ergebnis kamen wir nicht, jedenfalls diese Frage betreffend, sonst schon: Es ist immer wieder erstaunlich, wie sättigend derart augenscheinlich kleine Portionen sind.

Am Ende brachte man uns einen Teller mit Konfekt, einem brennenden Kerzlein und einer in Schokolade aufgebrachten schriftlichen Hochzeitstagsgratulation. Auf musikalische Begleitung und sonstige Aufsehenerregungen wurde freundlicherweise verzichtet.

Donnerstag: Nach dem Frühstück verließen wir Beaune in Richtung Lyon, wo am frühen Abend unser Schiff ablegen würde. Wieder mieden wir Autobahnen und durchquerten lieblich-maiengrüne Landschaften des Burgunds und Beaujolais. Zwischenhalt machten wir in Paray-le-Monial, wo wir, Sie ahnen es vielleicht, die örtliche Basilika anschauten.

Nachmittags erreichten wir Lyon, wo wir das Auto im Parkhaus verstauten und zum nahen Ablegeplatz an der Rhône rollkofferten, inzwischen war es sommerlich warm geworden.

Es ist dasselbe Schiff und grundsätzlich die gleiche Tour wie vor drei Jahren, allerdings wegen heute gesperrter Schleusen an der Saône in geänderter Fahrtfolge (oder auf Bahndeutsch in umgekehrter Wagenreihung): Erst auf der Rhône nach Süden und zurück, dann auf die Saône, sofern die Schleusen dann wieder schleusen. Uns soll es recht sein, solange die Weinvorräte an Bord sichergestellt sind.

Bei Santenay
Bei Saint-Julien-de-Civry
Ablegen in Lyon
Vienne

(Diese Notiz erfolgte nach dem Abendessen auf dem Vorderdeck, wo wir rosébegleitet bei leichtem Südwind der Nacht entgegen gleiten. Das gehört immer zu den schönsten Momente einer solchen Reise.)

Freitag: Die erste Nacht an Bord ist stets etwas gewöhnungsbedürftig wegen der permanenten Geräusche, die so ein Schiff erfüllen, dank Ohrstöpseln schliefen wir dennoch gut. Zur Aufstehzeit lagen wir, also das Schiff, in Le Pouzin, wo für die, die es wollten, zur Morgenstunde der erste Ausflug startete. Wir wollten lieber nicht und gingen frühstücken, waren allerdings spät dran, bereits um neun Uhr war man mit dem Umräumen des Restaurants für das Mittagessen beschäftigt, was der Gemütlichkeit etwas abträglich war. Ab morgen also entweder früher aufstehen oder das Spätfrühstück mit reduziertem Angebot in der Panoramabar aufsuchen. Luxusprobleme halt.

Nachdem die Ausflügler in Le Pouzin auf die Busse verteilt waren, legten wir ab und fuhren weiter bis Viviers, wo wir gute eine Stunde früher als vorgesehen ankamen und erst ein kleineres Boot vom Kai vertrieben werden musste, ehe wir anlegen konnten.

Nach dem Frühstück begaben wir uns auf das Vorderdeck zum Lesen und in die Gegend kucken, meine liebste Beschäftigung bei Flussschiffsreisen. Das Oberdeck war wegen niedriger Brücken weiterhin gesperrt und wurde erst bei Ankunft in Viviers freigegeben. Unter anderem durchfuhren wir die Schleuse von Chateauneuf-du-Rhone, mit einem Höhenunterschied von über zwanzig Metern ein faszinierendes Bauwerk.

Schleuse Chateauneuf-du-Rhone, unteres Tor geschlossen
Ebenda, unteres Tor geöffnet

Nachmittags schauten wir uns Viviers an, was nach einer knappen Stunde erledigt war, ein recht malerischer kleiner Ort. Danach begaben wir uns zum Lesen und Erholen (von was auch immer) auf das Oberdeck. Gegen 19 Uhr wurde abgelegt mit Etappenziel Avignon.

Das Schiff am Anleger von Viviers
Viviers

Samstag: Zu urlaubsunangemessener Zeit um sieben Uhr ging morgens der Wecker. Nicht aus den genannten Frühstücksgründen, nur für ein Frühstück würde ich nicht früher als notwendig aufstehen. Vielmehr wollten wir ohne Hetze, weil das Schiff bereits mittags weiterfuhr, einen Gang durch Avignon machen, das uns zwar von früheren Aufenthalten gut bekannt ist, das wir dennoch auch bei dieser Gelegenheit nicht unbegangen lassen wollen, insbesondere die Markthalle. Dabei entdeckten wir auch einen uns bislang unbekannten Wochenmarkt.

Avignon

Vor der Weiterfahrt nach Arles passierte das Schiff das Fragment der berühmt-besungenen Brücke von Avignon unter Abspielen des entsprechenden Liedes in Dauerschleife. (Das Original wurde übrigens NICHT von Mireille Mathieu gesungen, falls Ihnen das die KI mal weiszumachen versuchen sollte. Dreiviertel der Deutschen glauben ihr ungeprüft, las ich heute.) Während der Fahrt wurden wir vom Wind aus Süden gründlich durchgepustet.

Le pont d‘Avignon

Nachmittags wurde Arles erreicht, wo wir über Nacht bleiben. Auch hier verzichteten wir auf einen geführten Ausflug und erkundeten die augenscheinlich recht schöne und touristisch gut besuchte Stadt unbegleitet. Nach Rückkehr begaben wir uns wieder auf das Oberdeck, wo bis zum Abendessen gerade genug Zeit war, vorstehendes zu notieren.

Arles von oben. Ich mag Dachansichten.

Sonntag: Das große Frühstück verschliefen wir und labten uns am kleinen Spätstück in der Panoramabar. Für mich, ohnehin nicht der große Frühstücker, reichte das Angebot mit Brot, Croissant, Aufschnitt und Marmelade völlig aus, nur das Brot hätte frischer sein können, doch was soll man immer meckern. Über dieses vielleicht doch: Obwohl wir in Frankreich sind, gibt es kein Baguette, weder beim großen noch beim kleinen Frühstück, das finde ich zumindest befremdlich, um dieses Wort mal wieder zu verwenden. Ansonsten war heute ausgiebig Gelegenheit zum Nichtstun, das Schiff legte nur kurz in Avignon an, um Ausflügler aufzunehmen, dann ging es weiter in Richtung Lyon, wo wir erst morgen ankommen werden.

Es ist deutlich kühler geworden. Vormittags zeigte sich noch zeitweise die Sonne, so dass wir die Zeit bis zum Mittagessen an Deck verbringen konnten. Nachmittags trieb uns stärkerer Regen unter Deck. Während der Niederschrift dieser Zeilen liegen wir auf dem Bett und schauen zu, wie der Regen gegen das große Kabinenfenster schlägt. Das ist ausgesprochen gemütlich und überhaupt nicht zu bemeckern. Das einzige, was ich an diesem Sonntag etwas vermisse, ist der Spaziergang; bei einer Schiffslänge von 135 Metern sind die Möglichkeiten eingeschränkt. Doch was soll man meckern.

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Ich bedanke mich fürs Lesen und wünsche Ihnen eine angenehme Woche.