Woche 30: Kraft und Inspiration

kw30 - 1

Montag: Es ist so, ich kann es nicht ändern: Mit Fußball, Kindern, Hunden/Katzen und schnellen Autos kann ich absolut nichts anfangen. Jedes Mal, wenn eines dieser Themen Gegenstand des Gesprächs wird, zerquirlen die Worte des Gegenübers zu einem mir unverständlichen Brei, und lautes Rauschen des Desinteresses legt sich darüber.

Dienstag: Man mag es mir als Altersdiskriminierung zur Last legen, aber meiner Meinung nach sollte ein Mann spätestens ab fünfundvierzig auf Ohrringe und Flanking verzichten. Nasenpiercings sind indes unabhängig von Alter und Geschlecht scheiße.

Mittwoch: In Mali ist ein Bundeswehr-Hubschrauber abgestürzt. Ich möchte keinesfalls zynisch oder gehässig erscheinen, aber: Was hat ein Bundeswehr- Hubschrauber in Mali verloren?

Donnerstag: Manche Menschen müssen, wo immer sie sind, Dinge tun, die den Anschein geschäftiger Tätigkeit erwecken.

Freitag: Nach einem dreiviertelstündigen Fußmarsch ins Büro erscheint mir mein Tag- und somit Wochenwerk im Grunde genommen getan.

Samstag: Aus gegebenem Anlass bitte nochmals höflich aber bestimmt darum, davon Abstand zu nehmen, mir unaufgefordert Handyfotos unter die Nase zu halten, insbesondere wenn sie Katzen, Speisen oder Enkelchen zeigen.

Sonntag: „Querencia“ ist spanisch und bezeichnet einen Ort, an dem man sich sicher fühlt, aus dem man Kraft und Inspiration zieht. So wie mein Bett und unser Balkon. (aus: Einzigartige Wörter von David Tripolina)

Woche 29: Urban Rocker

Montag: Seit ich heute früh, nach einem zweiwöchigen Urlaub in der Provence, auf dem Weg ins Büro zwei Mitarbeiter eines Gartenfachbetriebs sah, die damit begannen, den Lavendel in der Heinrich-Brüning-Straße zurückzuschneiden, hängt mein Glaube an Zufälle nur noch an einem sehr dünnen Faden.

kw29 - 1

Dienstag: Wie ich am Morgen im Radio hörte, gibt es in NRW wieder mehr Störche. Möglicherweise wirkt die damit einhergehende Geburtensteigerung dem in der darauf folgenden Radiomeldung thematisierte Problem nicht besetzter Lehrstellen mittelfristig entgegen.

Mittwoch: Heute können vereinzelt Gewitter aufkommen, aber man weiß noch nicht, ob sie Potential abrufen, so der Wetterflüsterer im Radio. (Immerhin hat er nicht gesagt, sie seien unterwegs.) – Ab etwa sechzehn Uhr riefen sie ihr Potential dann ab, insbesondere in Köln und dem Rheinland. Und das nicht zu knapp.

Donnerstag: Welcher zweifelhaften Lobby verdanken wir eigentlich Steuervergünstigungen für die ältesten Schrottkarren aufgrund eines H-Kennzeichens?

Freitag: Augenscheinlich gibt es in Bonn nur noch wenige öffentliche Sitzbänke, vor denen nicht mehrere Kilogramm Pistazienspäne verstreut sind.

kw29 - 1 (2)

Samstag: Wie ich heute las, wird die geschlechter- und temperaturunabhängige Zurschaustellung bloßer Fußfesseln in Modekreisen als Flanking bezeichnet.

Sonntag: Ein innenstädtisches Frisörgeschäft wirbt für eine (selbstverständlich bindestrichfreie) Urban Rocker Frisur, wobei im Unklaren bleibt, ob das zur Schau gestellte, einer Conchita Wurst sehr ähnliche Muster den Zustand vor oder nach der Behandlung abbildet.

kw29 - 1 (1)

Im Wald

Bevor ich zu meinem eigentlichen Anliegen komme, möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, heute als 50. Abonnenten meiner bescheidenen Zeilen Frau Schwarzbrot begrüßen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!

***

Nun aber:

wald - 1 (1)

Im Wald

Im Wald, da sind die Räuber, so ein altes Volkslied kündet,

auch Räuber Hotzenplotz man dort in seiner Höhle findet.

Nun wissen wir aus Fernsehen, Funk, des Netzes Offenbarung,

oder, im allerschlimmsten Fall, aus eigener Erfahrung:

Der echte Dieb verschmäht den Wald, denn dort ist nichts zu holen.

(Es sei denn, er ist Nesträuber und frisst die Brut der Dohlen.)

 

Die wahren Gauner sind bei uns, in Stadt und auf dem Land.

Sie rauben, was uns lieb und wert. Nicht nur den Diamant.

Doch heute kommen sie nicht nur durch Fenster oder Tür:

Auch holst du sie, per Mausklick, App, tagtäglich heim zu dir.

Sie wollen nicht dein Hab und Gut, man achte auf den Stern*,

sie wollen deine Daten nur. Du Trottel gibst sie gern.

—————

* Sie gehören auch zu den Menschen, die die Kenntnisnahme der Datenschutzbestimmungen von Amazon, Google, Facebook, Payback und wie sie alle heißen meistens ungelesen bestätigen? Zugegeben, ich auch. Et hätt noch emmer joot jejange, so Artikel 3 des Rheinischen Grundgesetzes.

Woche 28: Zurück in die rheinische Realität

kw28 - 1 (2)

Montag: Auch auf die Gefahr hin, tausende ehrenhafter Autofahrer in zweifelhaftes Licht zu rücken, so komme ich dennoch nicht umhin, große, mattschwarz lackierte Kraftfahrzeuge stets in der Nähe eines gewissen Zuhältertums zu vermuten.

Auf dem Flohmarkt in Malaucène erstand ich ein Stück Jugend.

Im Netz fand ich diesen Artikel zum G20-Gipfel, dem ich voll und ganz zustimme: http://seppolog.com/2017/07/10/g20/

Dienstag: Älter werden heißt auch: Ich muss Unbekannten nicht gefallen. Es genügt, wenn sie mir einige erfreuliche Anblicke bieten. Gleichwohl: Es mag einem Fünfzigjährigen in glücklichem Beziehungsgefüge unwürdig erscheinen, doch was gäbe ich für DIESE Beine … o Herr, warum nur prüfest du mich so hart?

Mittwoch: Chaussée déformée – in Frankreich klingen selbst einfachste Verkehrshinweise wie ein Chanson d’amour von Charles Aznavour.

Donnerstag: Wenn der Abwasch des Frühstücksgeschirrs größere Befriedigung hinterlässt als ein paar Haken in der Outlook-Aufgabenliste am Ende eines Arbeitstages, dann ist Urlaub. – „40 Hinweise nach Angriff auf U-Bahn-Treppe“ steht in der Zeitung. Wer greift eine U-Bahn-Treppe an, und warum?

Freitag: Zurück aus der provencalischen Postkartenidylle in die rheinische Realität. Es muss kein schlechter Urlaub gewesen sein, an dessen Ende man sich auf zu Hause freut, und sei es, weil dort jemand ist, den man sehr vermisst hat.

Samstag: Das Wort Gezellig kommt aus dem Niederländischen und bezeichnet das tiefe Gefühl der Geborgenheit, wenn man Zeit mit seinen Lieben verbringt (aus: „Einzigartige Wörter“ von David Tripolina,) – Apropos: Was es alles gibt

Sonntag: Manchmal, ganz selten, frage ich mich beim Betrachten von Instagram-Bildern, warum die Abbildung einer Tiefkühlpizza mehr Zuspruch findet als alle meine Fotos zusammen.